Wer sich mit der Frage herumschlägt, ob der Begriff des Faschismus aktuell sinnvoll angewendet werden kann oder nicht, steht vor einem Problem. Einerseits verbietet es sich, den Faschismusbegriff inflationär zu verwenden, um reaktionӓre Gegner*innen zu kennzeichnen. Denn das verharmlost die faschistische Gefahr. Das galt schon für die Weimarer Republik, als Kommunisten die Brüning-Regierung (1930–32) als faschistisch bezeichneten und damit den Unterschied zwischen parlamentarischen und diktatorischen Formen bürgerlicher Herrschaft einebneten – und schlimmer noch, als sie die Sozialdemokraten, mit denen sie ein antifaschistisches Bündnis hätten bilden müssen, als »Sozialfaschisten« bekämpften. Ähnliches taten auch die Sozialdemokraten, als sie die Kommunisten als »rot lackierte Nazis« denunzierten. Andererseits ist es problematisch, den Begriff auf den historischen Faschismus zu beschrӓnken. Das Argument, der Trumpismus habe mit Faschismus nichts zu tun, weil die Gesellschaft noch nicht gleichgeschaltet ist und es bislang auch noch Wahlen gibt, legt einen unangemessenen »totalitӓren« Maβstab an. Man kann den Vergleich nicht von der Extremform des deutschen Nazismus an der Macht durchführen, die mit besonderer Vernichtungsqualität die »Endlösung« der »Judenfrage«, der sozialen Frage, der Demokratiefrage und der »kolonialen Frage« betrieb (vgl. Rehmann 2023, 2305, 2324f). Der italienische Faschismus hatte zwischen dem »Marsch auf Rom« 1922 und dem Mord am sozialistischen Politiker Giacomo Matteotti im Juni 1924 das parlamentarische System noch nicht abgeschafft. Erst danach lieβ Mussolini sich zum Duce ganz Italiens ausrufen und die Oppositionsparteien verbieten. Die Ähnlichkeiten zum historischen Faschismus von vorneherein auszublenden, würde uns daran hindern, die Gefahr eines Neo-Faschismus im 21. Jahrhundert wahrzunehmen. Das gilt auch, wenn das Erscheinungsbild heute nicht mehr von einem nachholenden Fordismus, sondern vom High-Tech Kapitalismus geprägt ist. Enzo Traverso schlägt vor, Faschismus als »transhistorischen Begriff« zu verwenden, der über die Epoche, die ihn hervorbrachte, hinausweist (2016, 637).

»Die Ähnlichkeiten zum historischen Faschismus von vorneherein auszublenden, würde uns daran hindern, die Gefahr eines Neo-Faschismus im 21. Jahrhundert wahrzunehmen.«

Im Folgenden verwende ich nicht den Begriff des Faschismus, sondern den der Faschisierung, der nicht einen statischen Zustand festzustellen versucht, sondern die Aufmerksamkeit auf Prozesse lenkt, deren Ausgang noch offen ist (vgl. Becker/Candeias 2024). Einige Aspekte der Faschisierung zeigen sich bei den Deportationen. Die Spezialpolizei Immigration and Customs Enforcement (abgekürzt ICE) hat ihren Einsatzbereich stark ausgeweitet, die Verhaftungen und Abschiebungen erfolgen überfallsartig und ohne gerichtlichen Beschluss. Ihre Zahl hat so zugenommen, dass die Gerichte nicht hinterherkommen. Das permanente und zugleich asymmetrische Ringen zwischen der Judikative und der Exekutive führt zu einer Verfassungskrise. Ein weiterer Faschisierungsschub zeichnet sich im Juni 2025 beim Einsatz der Nationalgarde in Los Angeles gegen den Einspruch des Gouverneurs Gavin Newsom ab: Unter Berufung auf den Insurrection Act von 1807, der dazu dienen sollte, »Aufstände gegen die Bunderegierung« niederzuschlagen, kann Trump den Notstand ausrufen und den Oberbefehl über die Nationalgarde, die bisher den Bundestaaten unterstellt ist, an sich reiβen. 

Ob man man von Faschismus bzw. Faschisierung spricht, hängt natürlich davon ab, welchen Faschismus-Begriff man verwendet. Um einen Vergleichsmaβstab für Ähnlichkeiten und Unterschiede zu gewinnen, greife ich zurück auf den Erklärungsansatz des Projekts Ideologietheorie (PIT), an dem ich selber mitarbeiten konnte. Häufig wurde aus Hitlers abschätzigen und verächtlichen Kommentaren über das Bürgertum und die bürgerliche Kultur der Schluss gezogen, er sei »anti-bürgerlich« gewesen. Eine Materialanalyse seiner einschlägigen Reden und Stellungnahmen zeigt jedoch, dass er von Beginn an den Standpunkt des bürgerlichen Lagers einnahm, freilich als eines, das umfassend umorganisiert werden muss, um den Marxismus als Ganzes und mit ihm die bürgerlich-demokratische Gleichheit in Politik und Recht zu beseitigen (PIT 2007, 81). Mithilfe eines neuen granitfesten Glaubens sollte ein neuer Machtblock »einheitlicher Verbundenheit« geschaffen werden, der in der Lage ist, von der Klassendefensive zur Klassenoffensive überzugehen (82). Der Kern des Faschisierungsprojekts bestand darin, das hierarchische Führerprinzip, wie es in der kapitalistischen Wirtschaft und in der Armee herrscht, auf die ganze Gesellschaft auszudehnen (86). Das bedeutete, die Verbindung von bürgerlicher Welt und Demokratie, das Erbe der Französischen Revolution aufzulösen. Einige Aspekte davon sind in der bekannten Definition von Georgi Dimitroff von 1935 benannt, der zufolge der Faschismus eine »offen terroristische Diktatur der reaktionärsten, […] am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals« darstellt. Der Erklärungsansatz ist auch von marxistischer Seite kritisiert worden, zum einen, weil er die relative Autonomie des Politischen vernachlässigte, zum anderen, weil er die Komponente der faschistischen Massenbewegungen, ihre soziale Zusammensetzung, populistische Dynamik und die Anziehungskraft ihrer Ideologien weitgehend unberücksichtigt lieβ (30ff). 

»Der Kern des Faschisierungsprojekts bestand darin, das hierarchische Führerprinzip, wie es in der kapitalistischen Wirtschaft und in der Armee herrscht, auf die ganze Gesellschaft auszudehnen.«

Der Faschismus sprach im Namen des Ideologischen schlechthin, der Unterordnung unter die höchsten Werte – z.B. der Nation, der Rasse und der soldatischen Ehre bis zum Heldentod, und tatsächlich gelang es ihm in Deutschland recht frühzeitig, die ideologischen Repräsentanten der bürgerlichen Gesellschaft zu gewinnen – früher als die politischen Parteien (50). Man denke z.B. an die begeisterte Zustimmung der Philosophen 1933, der Juristen, der Kirchen, der Mediziner. Vor dem Hintergrund der sowohl anti-sozialistischen als auch populistischen Reorganisation des bürgerlichen Lagers kann auch die Funktionalisierung des Antisemitismus verstanden werden: Indem die Gefahr einer sozialistischen Revolution als »jüdische Welteroberung« artikuliert wird, findet ein ideologischer Ebenenwechsel von der Klasse zur Rasse statt. »Der Nazismus ist der als Widerstand des vom jüdischen Volk bedrohten Volkes artikulierte Anti-Bolschewismus.« (97) Diese Funktionsbestimmung bedeutet nicht, dass die Nazis auβerhalb der antisemitischen Ideologie stünden, um sie bewusst-manipulierend einzusetzen: Die Verselbständigung des Ideologischen bringt einen ideologischen Zirkel hervor, der auch die antisemitischen Ideologen umfasst und durchdringt – die Subjekte des faschistischen Diskurses sind selbst auch diskursiv konstituiert (95). Die Juden werden die Platzhalter für das »Gegenvolk«, das zur ideologischen Konstruktion des deutschen »Volks« als Staatsvolk benötigt wird, aber der Platz in diesem Gegenvolk ist für andere Zielgruppen offen – Sozis, Kranke, Sinti und Roma, osteuropäische »Untermenschen«, Schwule. »Wer immer sich gegen die Nazis stellt, fällt in diese Position und das heiβt letztlich in den Wirkungsbereich der SS.« (103f) 

»Die Herausforderung besteht darin, zu begreifen, wie es dem Faschismus gelingt, ›die Selbstentfremdung als begeisterte Selbsttätigkeit zu organisieren.‹«

Aber innerhalb dieses Gewalt-Rahmens werden wiederum die vielfältigsten Wirkelemente integriert. Ernst Bloch hat diese Aufnahmefähigekeit faschistischer Ideologien in Erbschaft dieser Zeit (1935) als »Entwendungen aus der Kommune« bezeichnet (EZ 70) – die Nazis stahlen die »Arbeiter«, die »Arbeiterpartei«, die Einheit zwischen Arbeiter*innen und Intellektuellen, die rote Farbe, das Fahnenmeer, den Maibaum (70f); der Nazismus »will nicht bloβ Rotfront zerschlagen, sondern zieht der angeblichen Leiche auch den Schmuck ab« (74). Diese Fähigkeit, die unterschiedlichsten ideologischen Elemente aufzunehmen und in das faschistische Projekt einzubauen, wird übersehen von marxistischen Theorien, die die Ideologie nur als Instrument der Klassenherrschaft oder als »falsches Bewusstsein« verstehen. Auf dem Spiel steht eine tiefgreifende Faschisierung der Subjekte. Die Herausforderung besteht darin, zu begreifen, wie es dem Faschismus gelingt, »die Selbstentfremdung als begeisterte Selbsttätigkeit zu organisieren« (PIT 2007, 107). 

Soweit vereinfacht der Erklärungsansatz des Projekts Ideologietheorie. Wo finden sich wesentliche Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen dem historischen Faschismus und den Faschisierungsversuchen in den USA? 

Fossilfaschismus gegen die VR China

Natürlich steht nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Sozialismusmodells die Frontstellung gegen den Bolschewismus nicht mehr im Vordergrund. Auch im Inneren droht keine sozialistische Gefahr. Die Annahme der Bonapartismustheoretiker, es gebe ein »Gleichgewicht« zwischen den Klassen, passt für kein kapitalistisches Land des »Westens«, erst recht nicht für die USA, wo die Gewerkschaftsbewegung seit Beginn der 1980er Jahre einen dramatischen Niedergang erlebte. Heute geht es um eine Neu-Formierung des bürgerlichen Lagers, um die Kräfte gegen das konkurrierende China zu bündeln, dessen Mischsystem aus Staatsplanung und »gelenkter Marktwirtschaft« (vgl. Brie 2025, 73ff) sich in mehrfacher Hinsicht als effektiver erweist. Die ökologische Modernisierung hat in vielen Aspekten die Seiten gewechselt und ist auf die Seite Chinas übergegangen (freilich mit höchst widersprüchlichen sozialen und ökologischen Folgen, vgl. Köncke 2025). Die Trump-Administration hat offenbar entschieden, die Systemauseinandersetzung nicht mehr im Bereich ökologischer Transformation zu führen, sondern ganz auf den Ausbau der Fossilenergie und der Atomenergie zu setzen. Andreas Malm spricht von einem »Fossilfaschismus«: Da das Fossilkapital auch bei einer kapitalistisch begrenzten ökologischen Modernisierung an Gewinnen und Investitionen verlieren würde, tendiert es dazu, sich auf die Seite rechtsradikaler und neofaschistischer Bewegungen zu stellen (Malm u.a. 2021, 240f, vgl. auch Candeias 2024). Freilich ist das Fossilkapital nicht die einzige Komponente. 

Ein oligarchisches Klassenprojekt 

In Anlehnung an die Dimitroff-Definition kann man probeweise formulieren, dass auch der Trumpismus eine offene Diktatur besonders aggressiver Fraktionen des Groβkapitals anstrebt. In der Regierung selbst sitzen immerhin 13 Milliardäre. Bernie Sanders warnt vor der Machtübernahme einer Oligarchie. Bedeutsam ist v.a. das groβe High-Tech Kapital, das z.B. mit Elon Musks Projekt einer neuen tief fliegenden Satelliten-Generation, der sog. Low Earth Orbit Satelliten eine digitale Vorherrschaft vom Weltall aus anstrebt. Starlink und andere High-Tech-Unternehmen können nur rentabel werden, wenn sie mit dem Militär kooperieren. Das Satellitenprogramm und andere Hightech- und KI-Projekte haben einen ungeheuren Energiebedarf. Wir sehen hier also zum einen eine enge Verkopplung mit dem Militärisch-Industriellen Komplex und damit mit dem neuen imperialen Projekt des Trumpismus, zum anderen mit dem Fossilkapital und der Atomkraftlobby. Andere Klassenfraktionen sind in untergeordneter Position eingebunden (vgl. Foster 2025). Mit oder ohne Musk: Es geht um ein langfristig angelegtes Klassenprojekt der Wiederherstellung US-amerikanischer Vorherrschaft, und dies kann durchaus einhergehen mit einer bonapartistischen Verselbständigung gegenüber unmittelbaren Gewinninteressen. 

Stoßtrupp gegen den »Normenstaat« 

Ernst Fraenkel entwickelte 1940/41 die These, dass der NS-Staat aus zwei parallelen Herrschaftssystemen bestand: dem Normenstaat und dem Maßnahmenstaat (Fraenkel 1974). Nicos Poulantzas zufolge organisierte der Faschismus einen »Parallelismus der Machtsysteme«, eine institutionelle »Verdopplung«, die zu raschen Verschiebungen der Machtausübung von einem Apparat zum anderen führt und einen wirksamen Bewegungskrieg gegen die Volksmassen ermöglicht (1973, 74, 352-54). Eine solche Parallelisierung können wir mit dem Department of Government Efficiency (DOGE) beobachten, das unter der Leitung von Elon Musk begonnen hat und nach seinem Zerwürfnis mit Trump wahrscheinlich von Russell Vought, einem der Hauptarchitekten von Project 2025, weitergeführt wird (vgl. Marcetic 2025). Doge ist eine Art Stoβtrupp, von niemandem gewählt, der die Staatsaparate durchkämmt, um sie entweder aufzulösen oder gleichzuschalten. Die Angriffe richten sich zum einen gegen die ohnehin schwach ausgeprägten sozialstaatlichen Institutionen, z.B. die Social Security und die Krankenversicherung für die Armen (Medicaid); zum anderen gegen die sog. DEI-Programme (d.h. Diversity, equity, and inclusion), mit deren Hilfe Frauen sowie ethnischen  und sexuellen Minderheiten der Zugang zur Ausbildung und Anstellung erleichtert werden sollte, und nicht zuletzt gegen gegen Umweltbehörden, einschließlich US-Behörde für Wetter- und Unwetterwarnungen (NOAA), die im Project 2025 als eine der Haupttriebkräfte der »Klimawandel-Alarmindustrie« diffamiert wurde. Durchgängig geht es um die Beseitigung der Kompromissformen des Staats, in denen die subalternen Klassen und soziale Bewegungen bestimmte Positionen besetzen konnten. Parallel dazu richten sich die Säuberungen gegen alle Theorien und Konzepte, die die Ungerechtigkeiten der US-Gesellschaft thematisieren, angefangen von Critical Race Theorien und feministischen Genderforschungen, Studien zur ökologischen Zerstörung und gleich um die Ecke gegen kritische Theorien im weiten Sinne, die allesamt als Varianten des Marxismus gelten.

Nicht zuletzt sammelt DOGE eine Unmenge von Daten aus den verschiedenen Apparaten und führt sie in einer zentralen Master Database zusammen. Die Auswertung der Daten und ihre Aufbereitung für Sicherheitsbehörden, Nachrichtendienste, Abschiebeinstanzen, Militär usw. soll wiederum u.a. von Peter Thiels Softwarefirma Palantir gewährleistet werden, die auch mit Israels KI-getriebenen Völkermord in Gaza verbunden ist (vgl. Beaucar Vlahos 2024).

Faschisierung der Subjekte in neuen Formen 

Auch der Trumpismus zielt darauf ab, hierarchische Führungsprinzipien aus der kapitalistischen Wirtschaft, v.a. der IT-Unternehmen, in der ganzen Gesellschaft durchzusetzen und dabei die sozialstaatlichen und rechtsstaatlichen Vermittlungen und Kompensationen abzuräumen. Es gibt tatsächlich Elemente eines regelrechten Führerkults um Trump. Aber die Glaubensformation, die dem zugrundeliegt, ist nicht mehr die gleiche wie in Europa nach dem 1. Weltkrieg. Die Unterstellung unter das Ideologische per se bis hin zum ultimativen Opfer des Todes habe ich bisher nicht beobachten können. Der hedonistische Konsumismus und die Kultur des Internets mit ihren Shitstorms, Disruptionen und Distraktionen bringen andere ideologische Formen hervor. Es ist der Trump-Regierung bisher nicht gelungen, die »ideologischen Stände« zu gewinnen: So schwanken z.B. die Universitäten zwischen Anpassung, Wegducken und Protest, aber eine begeisterte Zustimmung wie 1922 in Italien oder 1933 in Deutschland ist bisher nicht festzustellen. Ähnliches gilt für die Prestigepresse, Hollywood, die Verlage usw. Vielleicht ist eine solche Zustimmung auch gar nicht nötig, wenn es perspektivisch darum geht, denkende Menschen durch chatboxes zu ersetzen. 

Im Unterschied zu den ideologischen Anrufungen des Nazismus liegt nun der Schwerpunkt auf dem Sich-Bereichern als Lebensziel. Der Trumpismus verspricht die Errichtung sogenannter Freedom Cities als eine Art »gated communities« ohne staatliche Regulierung. Naomi Klein beobachtet einen posthumanistischen Akzelerationismus an der Macht, der die Vorstellung einer lebbaren Welt hier auf Erden im Grunde aufgegeben hat, eine Art »apokalyptisches Fieber«, das sowohl evangelikal als auch säkular begründet wird (Klein 2025; Klein/Taylor 2025). Die Faschisierung der Subjekte läuft über andere Kanäle. Aber der sozialdarwinistische Kampf der Stärkeren gegen die Schwachen steht wieder im Zentrum und wird gegen alle demokratischen und egalitären Bestrebungen zur Geltung gebracht. Was bedeutet es z.B., wenn die neue Bildungsministerin Linda McMahon, die das Bildungsministerium zerschlagen soll, Eigentümerin des milliardenschweren World Wrestling Entertainment Unternehmens ist, dessen Wrestling-Matches zudem kayfabe, also inszeniert und gefaked sind? (vgl. Ruoff 2017). Judith Butler zufolge wissen die Trump-Anhänger*innen meist genau, dass Trump lügt und manipuliert, und sie bewundern gerade die Macht, die es ihm ermöglicht, dies zu tun, wie es ihm passt: Wir müssen die freudige Erregung begreifen, mit der diese Macht zur Lüge und zum Hass als eine Befreiung erlebt wird (Butler 2025). Auch dies ist eine Variante der vom Projekt Ideologietheorie beobachteten Dynamik, »Selbstentfremdung als begeisterteSelbsttätigkeit zu organisieren« (PIT 2007, 107). 

»Hegemonie durch Geschlechterpanik«

Die sozialdarwinistische Mobilisierung gegen die Armen und »Erfolglosen« ist selbst nichts Neues, sondern gehört zur Tiefenstruktur kapitalistischer Vergesellschaftung, zeitweilig modifiziert durch die Gerechtigkeitspostulate des »sozialdemokratischen Zeitalters«, aber wieder intensiviert im real existierenden Neoliberalismus. Wie Stuart Hall gezeigt hat, erfolgte dies v.a. über die Erzeugung einer »moralischen Panik« im Bezug auf Straβenkriminalität, an der sich die unterschiedlichen ideologischen Instanzen der Gesellschaft beteiligten (2013, 20f). Radikalisiert werden nun v.a. die Komponenten des Machismo und des Rassismus, die von den liberalen Diversitätsdiskursen nur oberflächlich verdeckt wurden. Im Trumpismus fungieren Geschlecht und Sexualität als zentrale Topoi zur Gewinnung einer »Hegemonie durch Geschlechterpanik« (Sauer 2023): Die Dämonisierung von Feminismus, Queerness und »Feminisierung« der Kultur erzeugt eine moralische Panik, die durch die Mobilisierung »identitärer Bedürfnisse« und das Versprechen der Wiederherstellung hierarchischer Zweigeschlechtlichkeit eingedämmt werden soll (vgl. Sauer 2025, Goetz 2025). 

Verschiebungen im Rassismus

Heute ist der Antisemitismus nicht mehr die vorrangige Komponente des Rassismus, hier gibt es global eine Verschiebung zum Feindbild des Islamismus und des muslimischen Einwanderers. Wie Mario Candeias beobachtet, wird »ein ganzes Arsenal an Monstern eingesetzt, um Zustimmung zu generieren« (2025, 179). Bei Trump ist das »Gegenvolk« in wechselnden Gestalten repräsentiert: durch den pro-palästinenischen Aktivisten, den islamischen Terroristen und den illegalen Immigranten, v.a. aus Südamerika.

»Während der Kampf gegen einen angeblichen »Antisemitismus« als Waffe eingesetzt wird, um die Protestbewegung gegen den Völkermord in Gaza zu kriminalisieren, wird der Antisemitismus zugleich am Leben erhalten ‹«

Aber auch wenn das jüdische Feindbild hinter dem des islamischen Terrorismus zurückgetreten ist, bleibt es dennoch da, meistens latent, aber manchmal dennoch sichtbar. Die »liberalen Juden« sind immer wieder das Ziel heftiger Angriffe. So meint Steve Bannon, die schlimmsten Feinde Israels befänden sich inmitten unter uns, nämlich die Amerikanischen Juden, die sich gegen Trump und Netanyahu stellen und somit Israel und ihre eigene Religion »hassen«. Während also der Kampf gegen einen angeblichen »Antisemitismus« als Waffe eingesetzt wird, um die Protestbewegung gegen den Völkermord in Gaza zu kriminalisieren, wird der Antisemitismus zugleich am Leben erhalten. 

Schauspiele der Grausamkeit

Ein Kennzeichen der Faschisierung ist die Brutalisierung rassistischer Entmenschlichungsdiskurse und -praktiken. So bezichtigte Trump im Wahlkampf Einwander*innen aus Haiti, sie äβen die Hunde und Katzen der Einheimischen. Die deportierten Venezolaner*innen denunziert er als Gang-Mitglieder, die von der Maduro-Regierung Venezuelas bewusst ins Land geschleust worden seien, um das amerikanische Volk mit Drogen zu vergiften. Der Feind im Inneren, das Verbrechen, die Drogen sind nun mit einer ausländischen Macht verknüpft, gegen die ein Wirtschafts- und Sanktionskrieg geführt wird. Die Deportationen erfolgen auf der Grundlage eines alten Gesetzes von 1798, dem »Alien Enemies Act«, das sich gegen Invasionstruppen von fremden Ländern richtet, mit denen sich die USA im Krieg befinden. Die Abschiebungen ins Hochsicherheitsgefängnis in El Salvador werden als ein Schauspiel der Grausamkeit inszeniert. Die Gefangenen werden von maskierten Männern abgeführt, die wie Henker aussehen, sie werden über den Boden geschleift, müssen sich in Massen in einer Halle hinknien, damit ihnen die Haare zwangsrasiert werden. 

Faschisierung als Radikalisierung bürgerlicher Herrschaft

Solche Misshandlungen und Folterungen hat es natürlich durchgängig gegeben, nicht nur in Guantanamo. Das US-Imperium hatte immer eine faschistische Unterseite entlang der Rassenstruktur der Gesellschaft, gekennzeichnet z.B. durch die systematische Gewalt gegen Afro-Amerikaner, die Bombardierung der Black Panther, die systematische Ermordnung von schwarzen Aktivist*innen. Mitten im Verfassungsstaat USA existierte ein faschistischer »Maßnahmenstaat«, der mit dem liberalen »Normenstaat« koexistierte – auch hier ist es wichtig, den vielschichtigen Zusammenhang zwischen bürgerlicher Normalität und Faschisierung zu erkennen (Zelik 2025). Angela Davis sprach in den 1970er Jahren vom US-amerikanischen Faschismus als einem »protracted social process«, der in der Regel im Verborgenen gehalten wird (vgl. Toscano 2023, 36f). Aber jetzt werden die Gewaltexzesse und Folterungen nicht mehr verborgen, sondern stolz zur Schau gestellt. Und zugleich können wir beobachten, wie die Trump-Regierung an einer Ausweitung auf Weiβe arbeitet, indem er z.B. vorschlägt, in El Salvador Gefängnisse für straffällige US-Bürger bauen zu lassen. 

Prekäres Bündnis zwischen Techno-Elite und populistischer Basis

Ein wichtiges Kriterium für die Verwendung des Faschisierungsbegriffs ist natürlich die Frage nach der Massenbasis des Trumpismus. Ingar Solty meint, es gebe keine Faschisierung der Gesellschaft, nicht einmal eine Rechtsentwicklung, sondern nur eine in der Politik (2025, 22f). Es bleibt unklar, nach welchen Kriterien er eine solche Trennung aufrechterhalten kann. Er begründet seine These u.a. damit, dass es nach wie vor stabile Zweidrittelmehrheiten für eine allgemeine Bürgerversicherung (Medicare for all) und für einen 15 Dollar Mindestlohn gibt, auch die linken Kandidat*innen des Squad wurden wiedergewählt (25f). Nach wie vor gebe es »das Potenzial für einen ökonomischen Linkspopulismus, der sich klassenpolitisch zuspitzt« (23). Letzteres ist sicherlich richtig – das zeigen die riesigen Massenversammlungen bei den Auftritten von Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez sowie der fulminante Sieg des demokratischen Sozialisten Zohran Mamdani in den Vorwahlen der Demokratischen Partei in New York City.

»Es ist Trump bislang gelungen, eine populistische rechte Basis mit einer techno-libertären Elite und ihren Milieus zu verbinden.«

Aber das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Trumpismus sich durchaus auf eine Massenbasis stützen kann. Es ist ihm bislang gelungen, eine populistische rechte Basis mit einer techno-libertären Elite und ihren Milieus zu verbinden. Entscheidend sind nicht so sehr die paramilitärischen Milizen wie die »Oath Keepers«, »Three Percenters« oder »Proud Boys«, sondern v.a. die rassistischen Abteilungen des repressiven Staatsapparats, mit denen sie direkt oder indirekt zusammenarbeiten. Der Aufruf an die US-Bürger*innen, »illegale Einwanderer« über anonyme Hotlines zu melden (z.T. gegen Belohnung), soll eine solche Kolloboration verbreitern und verstetigen. Ob das Faschisierungsprojekt Erfolg hat, hängt zum einen davon ab, ob es dem Trumpismus gelingt, die widersprüchlichen Interessen der wesentlichen Kapitalfraktionen auszubalanzieren, zum anderen, ob sich die subalternen Klassen und die Mittelschichten wieder von ihm abwenden, wenn sie die sozialen Folgen der Inflation und des Staatsumbaus zu spüren bekommen. Der offensichtliche Bruch zahlreicher Wahlversprechen (wie z.B. bei der Bombardierung der Atomanlagen Irans) könnte zur Folge haben, dass das Bündnis zwischen Techno-Elite und populistischer Basis wieder zerbricht. Und dies ist wiederum davon abhängig, ob der Widerstand gegen den Trumpismus eine sozialpolitische Stoβkraft und zugleich eine Breite entwickeln kann, die die populare Unzufriedenheit in eine wirksame antifaschistische Politik übersetzt. 

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