Wenn über Wohnungspolitik diskutiert wird, fällt schnell das Schlagwort sozialer Wohnungsbau. Mieterbund und Gewerkschaften fordern eine Aufstockung des Fördervolumens, viele Kommunen versuchen, verbindliche Quoten für Sozialwohnungen bei Neubauprojekten festzulegen, und selbst die Lobbyverbände der Immobilienwirtschaft möchten mehr sozialen Wohnungsbau – insbesondere seit Vorschläge zur Enteignung großer Immobilienkonzerne die Schlagzeilen füllen (vgl. GdW 2019). Doch wie fast immer, wenn ein Konzept so breite Zustimmung erfährt, gibt es einen Haken: Der soziale Wohnungsbau, wie wir ihn kennen, ist für eine soziale Wohnversorgung viel zu teuer und nutzt vor allem der Wohnungswirtschaft

Was ist sozialer Wohnungsbau?

Im Alltagsverständnis wird der Begriff der Sozialwohnung oft für die Gesamtheit preiswerter Wohnungen benutzt und meist mit einem bestimmten Bautypus sowie Klischeevorstellungen von betonierten Großsiedlungen assoziiert. 

Nichts davon stimmt: Der soziale Wohnungsbau ist weder ein preiswertes Wohnungsmarktsegment noch eine Gebäudeklasse, sondern in erster Linie ein Förderprogramm für Investoren. Für den Kreis der Begünstigten gibt es keine Einschränkungen. Kommunale und kommerzielle Wohnungsunternehmen, Genossenschaften und private Eigentümer*innen können gleichermaßen die staatlichen Gelder nutzen. Durch die Struktur der Förderprogramme ist der Status Sozialwohnung in Deutschland zeitlich befristet. So erklärt sich auch, warum trotz der enormen Förderanstrengungen in der Vergangenheit die Zahl der Sozialwohnungen von Jahr zu Jahr kleiner wird. 

Zur Behebung der Wohnungsnot nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verabschiedete die Adenauer-Regierung die ersten Gesetze zum geförderten Wohnungsbau, um »breite Schichten« der Bevölkerung mit Wohnungen zu versorgen.[1] Insgesamt wurden bis zum Jahr 2000 fast 7,1 Millionen Wohnungen öffentlich gefördert – davon 4,2 Millionen Mietwohnungen (vgl. RegioKontext 2011). Mit dem Wohnraumfördergesetz von 2001 wurde die Orientierung an den breiten Bevölkerungsschichten gesetzlich aufgehoben und der soziale Mietwohnungsbau entwickelte sich zu einem Instrument der Wohnungsversorgung sozialer Randgruppen, für »Haushalte, die sich auf dem Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können«. Das Fördervolumen wurde nun deutlich reduziert. Lag die Zahl der jährlich geförderten Wohnungen zwischen 1950 und dem Jahr 2000 bei durchschnittlich knapp 140.000, waren es seit 2001 nicht einmal 22.000 Wohnungen pro Jahr. Durchschnittlich wurde etwa eine Milliarde Euro pro Jahr für die Wohnraumförderung ausgegeben – der Anteil am Bundeshaushalt betrug nur noch 0,3 Prozent. 

Obwohl mit Baudarlehen, Baukosten- und Aufwendungszuschüssen jede Sozialwohnung im Durchschnitt rechnerisch mehr Fördermittel verschlingt als die Wohnung kostet, sind die sozialen Gegenleistungen der Bauherren zeitlich begrenzt. Weil im Zeitverlauf immer weniger Wohnungen gefördert wurden, stehen trotz der 4,3 Millionen geförderten Mietwohnungen derzeit nur noch 1,2 Millionen Sozialwohnungen zur Verfügung (vgl. Bundesregierung 2017).

Welche Wohnungen werden gebraucht und was hat der soziale Wohnungsbau zu bieten?

Die Wohnversorgung wird in den Metropolregionen und Universitätsstädten von einer spekulativen Ertragserwartung bestimmt und hat massive Mietsteigerungen im Bestand, bei Neuvermietungen und im Bereich von Neubauwohnungen ausgelöst. Die Mietentwicklungen der letzten Jahre haben sich dabei von den Einkommen entkoppelt und die mittleren Mietbelastungsquoten deutlich erhöht. Allein in 77 Großstädten Deutschlands (darunter boomende Städte wie München, Frankfurtam Main und Stuttgart, aber auch Städte wie Chemnitz, Gelsenkirchen und Herne) müssen mehr als 40 Prozent der Haushalte mehr als ein Drittel ihres Einkommens für die Wohnkosten ausgeben. Als von den Kosten zumutbar gelten Wohnungen, deren Mietkosten 30 Prozent des monatlichen Nettoeinkommens nicht überschreiten. Allein in den Großstädten fehlen schon jetzt 1,9 Millionen Wohnungen für Haushalte mit geringen Einkommen, die auf Mieten zwischen 4 Euro/ m2 und 6 Euro/m2 (nettokalt) angewiesen sind (Hans-Böckler-Stiftung 2017 u. 2018). 

Solche Angebote sind von ökonomisch rational agierenden Marktakteuren nichtzu erwarten, da sie ihre Bewirtschaftung in der Regel mindestens an den durchschnittlich erzielbaren Erträgen orientieren. Die Versorgung von Haushalten mit geringen Einkommen zu unterdurchschnittlichen Preisen ist eine öffentliche Aufgabe und muss in der Regel gegen private Gewinninteressen durchgesetzt werden. 

Die aktuellen Förderprogramme von Bund, Ländern und Kommunen kommen dieser öffentlichen Verantwortung nicht nach. Der Umfang der sozialen Wohnraumförderung wurde seit 2016 auf etwa 25.000 Bewilligungen pro Jahr erhöht, dennoch reicht die Zahl der neu geförderten Wohnungen nicht aus, um die Versorgungslücken schließen zu können. Mit der derzeitigen Förderquote würde es etwa 80 Jahre brauchen, um allein das Versorgungsdefizit der Großstädte auszugleichen. Und selbst diese Rechnung ist zu optimistisch, denn jedes Jahr laufen die Sozialbindungen von Zehntausenden Wohnungen aus früheren Programmjahren aus. Zwischen 2013 und 2017 standen knapp 88.000 geförderte Neubauwohnungen etwa 410.000 Wohnungen mit auslaufenden Sozialbindungen gegenüber. Die Wohnraumförderung baut den Bindungsverlusten hinterher und kann bei dem derzeitigen Fördervolumen nicht einmal die jährlichen Abgänge kompensieren. 

Während das Fördervolumen zu klein ausfällt, sind die Mieten im sozialen Wohnungsbau zu hoch. Die Einstiegsmieten der geförderten Wohnungen variieren je nach Bundesland und Förderprogramm. Sie liegen meist zwischen 6 und 8,50 Euro/m2 (netto-kalt). Sie sind damit für die Einkommensgruppen mit den größten Versorgungsproblemen zu teuer und würden zu einer Mietbelastung von etwa 40 Prozent des Einkommens führen. Die Wohnraumförderung in ihrer aktuellen Struktur verfehlt sowohl in den Mengeneffekten als auch in der sozialen Reichweite die Ziele einer sozialen Wohnraumversorgung.

Wem nützt der soziale Wohnungsbau?

Während in den frühen Jahren des sozialen Wohnungsbaus die Fördergelder zum Teilals einmaliger Baukostenzuschuss gezahlt wurden, setzte sich letztendlich eine Förderung mit Darlehen und Aufwendungshilfen zur Finanzierung des Bauvorhabens durch. Im Gegensatz zur Reduzierung der Erstellungskosten wurde nun die Rückzahlungder Bankkredite gefördert, die für den Bau aufgenommen werden mussten. Der Staat subventionierte mit seiner Wohnungsbauförderung im engeren Sinne gar nicht den Bau von Wohnungen, sondern beteiligte sich an den Finanzierungskosten. Der größte Teil der öffentlichen Wohnungsbauförderung floss daher gar nicht in die Gebäude, sondern an die finanzierenden Banken. 

Auch für die Bauunternehmen warendie Förderprogramme des sozialen Wohnungsbaus eine attraktive Geschäftsbasis, denn das Förderprinzip bestand immerdarin, die »unrentierlichen Kosten« für die Eigentümer*innen kleinzuhalten. Die Fördergelder des Staates waren dabei immer genau so kalkuliert, dass die Lücke zwischen der Kostenmiete und der Sozialmiete gedeckt werden konnte. Während die Sozialmieten politisch festgelegt wurden, wurden die Kostenmieten von den Wohnungsunternehmen selbst bestimmt. Alle Kosten für den Bau, die Planung, die Finanzierung und sogar eine Eigenkapitalrendite von bis zu 6,5 Prozent konnten dabei angerechnet werden. Wurde eine solche Kostenmiete einmal anerkannt, blieb sie bis zum Ende der Förderung die Berechnungsgrundlage. Selbst wenn später günstigere Kredite zur Finanzierung abgeschlossen wurden, hatte die ursprüngliche Kostenmiete Bestand. Während die Eigentümer*innen ihre Rendite, festgelegt für 30 Jahre, garantiert bekamen, war für die Mieter*innen eine Mietsteigerungsdynamik vorgesehen. Ein »degressiver Förderverlauf« lässt den staatlichen Aufwendungszuschuss Jahr für Jahr um einen vorher festgelegten Anteil (z. B. 0,13 Euro/m2) sinken. Da die Kostenmiete sich nicht verändert, wird die Differenz durch einen jährlichen Mietanstieg im sozialen Wohnungsbau ausgeglichen. Diese planmäßig steigenden Mieten habenin vielen Städten dazu geführt, dass der soziale Wohnungsbau für viele Haushalte mit geringen Einkommen zu teuer ist. Kurzum: 

Unabhängig von den sozialen Effekten ist der soziale Wohnungsbau vor allem ein hoch subventioniertes und enorm lukratives Wirtschaftsförderprogramm für Wohnungsbaugesellschaften und private Investoren.Von den Banken gar nicht zu reden. Denn anders als echte Marktteilnehmer kennen die Eigentümer*innen im sozialen Wohnungsbau kein Geschäftsrisiko. Da alle Kosten vom Staat übernommen werden und selbst die Gewinne auf das Eigenkapital fest vereinbart sind, ist der soziale Wohnungsbau eine wahre Goldgrube für Immobilieninvestoren. 

Dass mit dem sozialen Wohnungsbau Gewinne gemacht werden können, ist merkwürdig genug, doch die Förderlogik hält noch eine Steigerung der Absurdität bereit: Nach Ablauf der festgelegten Förderzeiträume – wenn alle Darlehen zur Finanzierung der Immobilie mithilfe des Staates zurückgezahlt sind – werden die Mietpreis- und Belegungsbindungen aufgehoben. Jetzt, wo die entschuldeten Sozialwohnungen zu geringen Kosten fürdie Verwaltung und Instandsetzung bewirtschaftet werden könnten, endet der Status Sozialwohnung und die Vermieter*innen können Mieten beliebig steigern, Luxusmodernisierungen durchführen und die ehemaligen Sozialwohnungen in Eigentumswohnungen umwandeln. Damit werden im sozialen Wohnungsbau ausgerechnet die Langfristeffekte der Immobilienfinanzierung zugunsten privater Gewinne aufgegeben. 

Mit dieser Konstruktion unterscheidet sich der soziale Wohnungsbau in der BRD von wohnungspolitischen Programmen in vielen anderen Ländern. Der österreichische Wohnungswissenschaftler Christian Donner (2000, 200) bezeichnet das deutsche System deshalb treffend als eine »Förderung privater Mietwohnungsinvestitionen mit sozialer Zwischennutzung«.

Neue Wohnungsgemeinnützigkeit statt sozialer Zwischennutzung

Statt also in den Aufbau von dauerhaft gebundenen Beständen zu investieren, wird ein dauerhafter Kreislauf der Förderung mit begrenzten Effekten erzwungen. Beispiele aus anderen Ländern zeigen, welche Auswirkungen dauerhafte Bindungen haben können. So ermöglicht beispielsweise die Gemeinnützigkeit von Wohnbauträgern in Österreich im geförderten Wohnungsbau eine Fortsetzung der Kostenmietbegrenzung nach dem Ende der Förderphase. Nach der kompletten Refinanzierung des Objektes erfolgt eine Absenkung der Anschlussannuität auf ein Niveau von unter 4 Euro/m2 (nettokalt) (ebd.).In der BRD wurde die Wohnungsgemeinnützigkeit 1989 unter dem Deckmantel einer Steuerreform abgeschafft, sodass knapp 4 Millionen Wohnungen de facto über Nacht in handelbare Marktgüter verwandelt wurden. Seitdem gibt es keinen institutionalisierten Rahmen für eine nicht-profitorientierte Wohnungsbewirtschaftung mehr. Selbst kommunale und landeseigene Wohnungsbaugesellschaften werden seither nach Kassenlage bewirtschaftet und bieten keinen verbindlichen Schutz vor Mietsteigerungen, Verdrängung und Privatisierung. 

Gemeinnützige Wohnungsunternehmen unterlagen zuvor einer klaren Gewinnbeschränkung und waren angehalten, ihre Bewirtschaftung am Kostenmietprinzip zu orientieren. Wie in anderen Bereichen der Gemeinnützigkeit auch durften keine Gewinne erzielt werden und alle Überschüsse mussten zum Zweck der Gemeinnützigkeit wieder ausgegeben werden. Anders als gewerbliche Anbieter waren die gemeinnützigen so gezwungen, ihre Bestände permanent auszuweiten – selbst wenn gerade keine Höchstgewinne im Neubau zu erzielen waren. Zwischen 1949 und 1989 wurde fast jede vierte in der BRD fertiggestellte Wohnung von gemeinnützigen Wohnungsunternehmen errichtet. Mit der Aufhebung der Gemeinnützigkeit wurden letztendlich die Grundlagen für die Privatisierungen in den 1990er und 2000er Jahren geschaffen, denn Wohnungen, die einer Gewinnbeschränkung unterliegen, sind für Anleger alles andere als attraktiv. 

Seit ein paar Jahren wird in politischen Initiativen der grünen und linken Bundestagsfraktionen, vom Mieterbund und in Fachdiskussionen die Wiedereinführung einer Gemeinnützigkeit gefordert (vgl. Kuhn in diesem Heft). Eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit soll den Rahmen bieten, um eine dauerhafte Versorgung zu leistbaren Mietpreisen inden Satzungen der Wohnungsunternehmen festzuschreiben. Anders als heute wäre die mietpreisbegrenzende Wirkung nicht befristet und die öffentlichen Wohnungsbestände hätten einen zusätzlichen Privatisierungsschutz. Eine soziale Mietgestaltung von kommunalen Wohnungsunternehmen würde nicht mehr von wechselnden politischen Mehrheiten abhängig, sondern als Bewirtschaftungsprinzip im Unternehmen selbst verankert sein. 

Die Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit müsste auf der steuerrechtlichen Ebene der Abgabenordnung auf Bundesebene erfolgen. Als Ausgleich zur Erfüllung von Aufgaben im öffentlichen Interesse würde der Staat verschiedene Steuerbegünstigungen einräumen – sodass dadurch die Kosten fürden Bau und die Bewirtschaftung sinken würden. In den Modellvorschlägen für eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit wird der Aufgabenbereich wie folgt umrissen:

»Die Neue Gemeinnützigkeit im Wohnungssektor dient der Daseinsvorsorge im Bereich der Wohnraumversorgung. Sie umfasst alle Aktivitäten der Erstellung, Bewirtschaftung und Erneuerung von Wohnungen zu leistbaren Mieten sowie die Erbringung von wohnungsnahen Dienstleistungen, die durch die Zweckbindung der Einnahmen und eine Gewinnbeschränkung einen gesellschaftlichen Mehrwert erfüllen und insbesondere einen nachhaltigen Beitrag zur Lösung von sozialen, räumlichen und ökologischen Herausforderungen leisten. Die Gemeinnützigkeit im Wohnungssektor ist durch eine strikte Non-profit-Orientierung in der Bewirtschaftung, eine klar definierte Zweckbindung der unternehmerischen Ziele sowie durch eine effektive gesellschaftliche Kontrolle gekennzeichnet.« (Holm et al. 2015, 41)


Wie andere gemeinnützige Vereine und Unternehmen sollen auch die Wohnbauträger einer klaren Gewinnbeschränkung unterliegen, sodass sich die Mietpreise aus den tatsächlichen Kosten der Bewirtschaftung ableiten und nicht aus wirtschaftlichen Gewinnerwartungen. Im Gegenzug zur Gewährleistung einer dauerhaften sozialen Wohnungsversorgung erlässt der Staat den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen sonst anfallende Steuern, sodass in Kombination mit Förderprogrammen und dem privilegierten Zugang zu öffentlichen Grundstücken auch ein Wohnungsneubaufür Menschen mit niedrigem Einkommen entstehen kann. Modellrechnungen zeigen, dass mit einem Mitteleinsatz von 6 Milliarden Euro und ohne Zugeständnisse an die Bauqualität etwa 100.000 gemeinnützige Wohnungen (mit Durchschnittsmieten von 5 Euro/m2 nettokalt) pro Jahr entstehen könnten. Die neue Wohnungsgemeinnützigkeit wäre ein geeigneter Weg, um die Forderung »einmal gefördert – immer gebunden« umzusetzen. Die Vorschläge liegen seit Jahren vor, werden von Regierung und Wohnungswirtschaft aber gleichermaßen ignoriert.

Zum Weiterlesen

Holm, Andrej/Horlitz, Sabine/Jensen, Inga, 2017: Neue Wohnungsgemeinnützigkeit. Voraussetzungen, Modelle und erwartetet Effekte, Hg. von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Reihe Studien, Berlin

[1] Vgl. Erstes Wohnungsbaugesetz vom 24. April 1950, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt (BGBl.) 1950/16: 83ff; Zweites Wohnungsbaugesetz (WoBauG), 1956. 

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