Im Frühjahr 2022 stand die Unterbringung Geflüchteter wieder im Fokus– vor allem in Städten wie Berlin. Medien berichteten verstärkt über das Thema und zahlreiche Politiker*innen äußerten sich. Berlin wurde ein zentraler Ankunftsort ukrainischer Geflüchteter in Deutschland. Zwischen Februar und Mai kamen schätzungsweise mehr als 234.000 Geflüchtete in der Hauptstadt an, mehr als 100.000 blieben dort. Dies schuf neue Herausforderungen für die Unterbringung.

Verglichen mit den Jahren 2015/16, als viele Geflüchtete vornehmlich aus Syrien, Irak und Afghanistan Berlin erreichten, lief die Registrierung und Erstunterbringung dieses Mal besser. Anders als vor sieben Jahren mussten keine Turnhallen im Hauruck-Verfahren zu Notunterkünften umgebaut werden, und auch die städtischen Strukturen der Registrierung wirkten besser vorbereitet auf steigende Migrationszahlen. Schnell wurde ein zentraler Ankunftsort am Berliner Hauptbahnhof geschaffen, welcher später auf das Gelände des ehemaligen Flughafens Tegels ausgeweitet wurde. Behörden schienen aus dem Chaos von 2015/16 gelernt zu haben, und auch das Mitwirken der Zivilbevölkerung schien eine Überforderung behördlicher Strukturen zu verhindern, denn viele Berliner*innen boten Schlafplätze für Geflüchtete in ihren Wohnungen an.

Bei genauerem Hinsehen, und abgesehen von der Phase der Erstunterbringung, wird jedoch deutlich, dass zentrale Probleme der Unterbringung weiterhin bestehen. Erst kürzlich beklagte der Berliner Senat, dass die Kapazitäten der landeseigenen Unterbringung ausgereizt seien, andere Bundesländer zu wenige neuankommende Geflüchtete übernehmen würden, und deswegen neue (Sammel-)Unterkünfte in der Stadt gebraucht würden. Die Debatte zu Unterkunftskapazitäten und –Neubau ist jedoch keine neue. Seit 2015/16 ist sie ein wiederkehrendes Phänomen. Darin zeigt sich vor allem eines: es fehlt immer noch an einer Perspektive, welche nachhaltig eine gute Unterbringung in der Stadt schafft. Eine Perspektive, die Integration und Ankommen wirklich ermöglicht. Denn auch 2022 ist die prekäre Lager-Unterbringung der Fokus in Berlin – eine Unterbringung die temporär geplant, aber oft zu einem dauerhaften Wohnersatz wird.

Es lohnt sich daher, mit den Erfahrungen der letzten Jahre auf die aktuelle Situation zu schauen, um zu diskutieren, wie und wo sich die Unterbringungssituation verbessern lässt. Im Rahmen meiner Promotion habe ich zwischen September 2018 und Juni 2019 zur Unterbringung Geflüchteter in Berlin geforscht und eine Vielzahl von Interviews mit Bewohner*innen und anderen relevanten Akteur*innen durchgeführt. Es wurde deutlich, dass die Unterbringung Geflüchteter nicht als separate Frage von Migration und Grenzen, sondern ganzheitlich und als Teil einer Wohnungsfrage gesehen werden muss. Der politische Fokus muss von einer Verbesserung der Lagerunterbringung hin zu einer viel umfassenderen Transformation des Wohnungsmarktes schwenken. 

Das Lager als dominante Form der Unterbringung in Berlin

In Berlin werden neu ankommende Geflüchtete in Sammelunterkünften untergebracht, welche vom Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) verwaltet und von externen Betreibern vor Ort gemanaged werden. Diese Form der Unterbringung bezeichne ich als Lager-Unterbringung: es handelt sich um große Unterkünfte, welche für mehrere hundert Menschen ausgelegt, temporär geplant und zu einem gewissen Grad von der direkten Umgebung abgesondert sind, etwa durch Zäune und Einlasskontrollen. In Berlin wurden dafür Bestandsimmobilien wie Bürogebäude, Hotels oder Krankenhäuser umgenutzt, aber auch Container und Modulbauten (MUF genannt) wurden für die Unterbringung in den letzten Jahren neu errichtet. Im Sommer 2019 gab es 89 dieser Unterkünfte in der Stadt. Zu dieser Zeit wurden mehr als 20.000 Geflüchtete vom LAF untergebracht. Diese Zahl hat sich in den vergangenen Jahren nicht wesentlich verändert, jedoch deutete sich in den letzten Monaten, wie oben erwähnt, ein erneuter Anstieg an Unterkunftsplätzen an.

Insgesamt ist die Lagerunterbringung deutlich prekärer als das Leben in einer eigenen Wohnung. Oft am Stadtrand gelegen, ist sie durch einen baulichen Substandard, fehlende Privatsphäre und das Teilen von (Schlaf-)räumen geprägt. Anstelle eines Mietvertrags müssen Bewohner*innen eine Hausordnung unterschreiben, die etwa Besuchszeiten sowie strenge Auflagen hinsichtlich Möblierung und Veränderung von Räumlichkeiten umfasst. Bewohner*innen können ohne große Vorlaufzeit dazu aufgefordert werden, in neue Unterkünfte zu ziehen, die teilweise am anderen Ende der Stadt gelegen sind.

Die sogenannten Modularen Unterkünfte (MUFs) ändern nicht viel an dieser Situation. MUFs sind der Fokus des Berliner Senats zur Verbesserung der Unterbringung. Zahlreiche dieser in Modulbauweise gefertigten Unterkünfte wurden bereits gebaut, und viele befinden sich aktuell in der Planungsphase. Obwohl es in den letzten Jahren Verbesserungen zu vorherigen Notunterkünften (etwa in Turnhallen) gab, bleiben die oben genannten Kritikpunkte bezüglich fehlender Privatsphäre, peripherer Lage sowie strenger Regularien bestehen. In meiner Forschung zeigte sich, dass MUFs fundamental verschieden zur eigenen Wohnung bleiben und keine langfristige Perspektive für das Ankommen in der Stadt bieten – auch wenn der Berliner Stadt- und Wohnungsbausenator Andreas Geisel MUFs als »vollwertige Wohnungen« beschreibt.

Dieser Substandard und Unterschied zur eigenen Wohnung war ein zentraler Kritikpunkt in den Interviews mit Bewohner*innen von LAF-Unterkünften in Berlin. Für viele war das Leben in diesen Unterkünften kein Ort, um wirklich anzukommen und um ein Zuhause in Berlin zu schaffen. »I can’t start anything now« (Ich kann momentan nichts Neues anfangen und starten) sagte mir etwa Jamal,[1] einer meiner Interviewpartner, bezogen auf die Situation in einer MUF. Sein Wunsch und Plan war es, eine Ausbildung zu beginnen. So lange er in der Lagerunterbringung lebt, schien dies jedoch unmöglich für ihn zu sein. Das Fehlen von Privatsphäre, das Teilen seines Zimmers mit anderen Menschen, und der daraus resultierende Stress waren zu große Hindernisse für ihn. Er bräuchte eine eigene Wohnung, »and then i can start a new life« (und dann kann ich ein neues Leben beginnen). 

In meiner Forschung begegnete ich vieler solcher Aussagen. Für viele Geflüchtete war das Leben in der Lagerunterbringung ein Leben in einer Warteschleife. Lager sind keine Orte für eine Zukunft in der Stadt, sondern ein Hindernis zum Ankommen. Der Wunsch, sie so schnell wie möglich zu verlassen und eine eigene Wohnung zu finden war eins der zentralsten Themen in den Interviews. Trotz dieses Wunsches wurde das Leben in prekären und temporär geplanten Lagern jedoch zu einem Dauerzustand für viele Geflüchtete in Berlin. Auch im Jahr 2022 leben noch zahlreiche Menschen, die bereits 2015 nach Berlin gekommen sind, in diesen Unterkünften – viele haben längst schon einen neuen Aufenthaltsstatus.

Eine Veränderung des Wohnungsmarktes muss her

Der schwierige Übergang in den eigenen Wohnraum liegt aber nicht (nur) an einem repressiven Grenzregime oder an strengen Asylgesetzen. Berlin legt das Asylrecht in Bezug auf die Unterbringung sogar einigermaßen »liberal« aus: Geflüchteten ist es teilweise schon vor der Entscheidung über ihren Asylantrag erlaubt, in eine eigene Wohnung zu ziehen. In der Realität bringt diese Regelung jedoch wenig. Viele Geflüchtete finden einfach keine bezahlbaren Wohnungen in der Stadt, obwohl sie jahrelang danach suchen und hunderte von Bewerbungen einreichen. Als Folge müssen sie in prekären Sammelunterkünften bleiben. Während meiner Forschung waren etwa die Hälfte der 20.000 Menschen in Lagerunterbringung sogenannte »Statuswandler«. Diese haben bereits einen neuen Aufenthaltsstatus erhalten und bekommen Sozialleistungen vom Jobcenter. Der Berliner Senat erlaubt deren Unterbringung nur noch zur Vermeidung von Obdachlosigkeit auf der Straße.

An diesen Zahlen zeigt sich, dass die Situation des Berliner Wohnungsmarktes ein zentrales Hindernis ist, um Geflüchteten langfristig eine gute Unterbringung und ein Ankommen in der Stadt zu ermöglichen. Bezahlbarer Wohnraum ist Mangelware in der Stadt. Geflüchtete konkurrieren mit vielen anderen Mieter*Innen um die verbliebenen Wohnungen, und sind dabei rassistischer Ausgrenzung auf dem Wohnungsmarkt ausgesetzt. Nur ein Bruchteil des Wohnraums gilt noch als »leistbar« und weiterhin steigen die Mieten in der Stadt. Mittlerweise müssen bei einer Neuanmietung durchschnittlich 10,55€ pro Quadratmeter bezahlt werden. Gleichzeitig sind der Anteil am sozialen Wohnungsbau und die Bestände landeseigener Wohnungsbaugesellschaften zu gering, um dem Trend steigender Mieten maßgeblich etwas entgegenzusetzen.

Aus diesem Grund ist der Neubau von MUFs nur ein schlechter Ersatz für fehlenden, bezahlbaren Wohnraum in Berlin – ein Ersatz der die Missstände und Grundproblematik der Lagerunterbringung nicht wirklich beseitigen kann, und daher keine nachhaltige Lösung darstellt. Um Geflüchteten den Übergang in den eigenen Wohnraum zu erleichtern, darf das Thema daher nicht als separate Frage von Migration und Grenzen gesehen werden. Es geht nicht nur um die Verbesserung von Sammelunterkünften, noch um eine  »liberale« Auslegung von Asylgesetzten an sich. Es geht (auch) um eine Wohnungsfrage in der Stadt.

Um die Wohnungsfrage der Unterbringung Geflüchteter zu lösen scheinen zwei Felder von besonderer Bedeutung zu sein, die in Kombination gesehen werden müssen: die konkrete Bereitstellung von eigenem Wohnraum, sowie die Transformation des Wohnungsmarktes an sich. In beiden Fällen zeigt sich, dass ein breites Spektrum an Alternativen und Möglichkeiten in Berlin bereits zu finden ist, von denen sich lernen ließe. Zum einen geht es um die konkrete Verbesserung des Zugangs zu Wohnraum in der Stadt. Dafür muss ganz gezielt mehr Wohnraum für Geflüchtete geschaffen werden. Dies kann etwa mit Hilfe von gemeinschaftlichen Wohnprojekten von neuen und alten Berliner*innen geschehen. Die Arbeit von Genossenschaften aber auch Projekte wie Campus Cosmopolis sind Beispiele hierfür und bieten eine Planungsgrundlage.

Zum anderen geht es aber auch um eine größere Transformation des Wohnungsmarktes, um einen Prozess, in dem Wohnraum immer weniger als Ware gesehen wird und der Wohnen für alle, die in Berlin sein wollen, ermöglicht. In den vergangenen Jahren hat die Kampagne Deutsche Wohnen und Co. Enteignen zeigen können, wie dies konkret aussehen kann. Durch die Vergesellschaftung großer, privater Wohnungsunternehmen kann der Spekulation mit Wohnraum etwas entgegengesetzt werden und bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden. Ein großer Bestand an vergesellschafteten und gemeinschaftlich verwalteten Wohnungen würde eine konkrete Möglichkeit bieten, mehr Wohnraum und -Kontingente für eine dezentrale Unterbringung Geflüchteter zu schaffen. Im September 2021 stimmten 59% der Berliner Wähler*innen in einem Volksentscheid für die Vergesellschaftung. Nun liegt es am Senat, dieses Vorhaben umzusetzen.

Die Situation der Unterbringung Geflüchteter untermauert die Relevanz, den Wohnungsmarkt in Berlin radikal zu verändern. Anstatt die Kapazitäten der Lagerunterbringung durch neue MUFs weiter zu erhöhen, muss es darum gehen, bezahlbaren Wohnraum für Geflüchtete zu schaffen – eine Forderung, für die sich auch Verbände wie der deutsche Mieterbund stark machen. Die Schaffung von bezahlbaren Wohnraum würde den ständigen Bau neuer Sammelunterkünfte ersparen und der wiederkommenden Problematik knapper Unterbringungskapazitäten nachhaltig etwas entgegensetzen. Auch aus diesem Grund muss die Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen schnellstmöglich umgesetzt werden. Denn nur wenn es gelingt, den Wohnungsmarkt zu verändern, kann sich die Unterbringung Geflüchteter dauerhaft verbessern: für alle, die in den vergangenen Monaten in der Stadt neu angekommen sind, aber vor allem auch für diejenigen, die schon seit Jahren in prekärer Lagerunterbringung leben und in eine eigene Wohnung ziehen wollen.