Vor dem Hintergrund dieser Rückschläge begann im frühen 21. Jahrhundert ein neues Modell des grünen Kapitalismus Gestalt anzunehmen. Anstatt fossile Brennstoffe zu verteuern und den Preis emissionsintensiver Güter anzuheben – ein Ansatz, den lange Zeit Deutschland und später die EU verfolgte –, versuchten einige Staaten, erneuerbare Energien so weit zu verbilligen, dass sie fossile Brennstoffe vom Markt drängen können. Diesem Modell zufolge soll der Übergang zu erneuerbaren Energien nicht durch die Auferlegung höherer Kosten erfolgen, sondern als Chance begriffen werden, die es durch die Entwicklung neuartiger Technologien und Industriezweige zu ergreifen gelte. Eine Variante dieser Idee zeichnete sich schon seit einiger Zeit ab: So bewarb bereits 2007 Thomas Friedman, liberaler Journalist und Kolumnist der New York Times, einen Green New Deal als »geostrategische, geoökonomische, kapitalistische und patriotische« Perspektive für die USA, mit der das Land seine wirtschaftliche Position verbessern und nach der lähmenden Zeit des Irakkriegs »wieder zu seiner alten Stärke zurückfinden« könne. Doch erst die globale Finanzkrise von 2008, als Regierungen in aller Welt sich auf keynesianische Wirtschaftspolitik besannen und staatliche Konjunkturprogramme auflegten, erwies sich als Türöffner für dieses Modell.
Das große Konjunkturprogramm der Obama-Regierung, der American Recovery and Reinvestment Act (ARRA) von 2009, umfasste 90 Milliarden US-Dollar für grüne Energien in Form von Subventionen für Forschung, Entwicklung und Anlagenbau. Diese Summe erschien seinerzeit als unbedeutend: eine Geste, um Obamas Wahlversprechen zum Klimaschutz einzulösen, verpackt in ein unzureichendes Konjunkturpaket. Im Jahr darauf scheiterte im US-Senat die Waxman-Markey Bill, in deren Zentrum ein Emissionshandelssystem stand. Damit erschöpften sich auch Obamas ernsthafte klimapolitische Ambitionen. Im Rückblick entpuppt sich dieser Moment gleichwohl als wichtiger Scheidepunkt: Er läutete das Ende der marktwirtschaftlichen Umweltpolitik als mehrheitsfähiges politisches Vorhaben ein (obwohl es in Form »nachhaltiger« ESG-Investitionen fortleben sollte) sowie den Beginn einer grünen Industriepolitik als Zukunftsprojekt.
Während die internen Dynamiken der US-Klimapolitik auf eine sich anbahnende Koordinatenverschiebung im Projekt des grünen Kapitalismus verweisen, lag die entscheidende Triebkraft hinter dieser Veränderung woanders. China steckte nämlich im Rahmen eines massiven langfristigen Investitionsplans – der an frühere Konjunkturprogramme anknüpfte und wesentlich strategischer angelegt war als die Vorhaben der USA – Hunderte Milliarden US-Dollar in den Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere in die Solarenergie (vgl. Shih 2024; Köncke 2025). Dahinter stand die Überlegung, dass die Entwicklung entsprechender Technologien China dabei helfen würde, die eigenen Umweltprobleme anzugehen, sein negatives Image als Klimasünder loszuwerden und gleichzeitig eine Vorreiterstellung im neuen Hightech-Sektor einzunehmen. Anstatt weiterhin aus dem Ausland stammende Technologien einzuführen oder diese einfach zu kopieren, entwickelte China eigene, die bald weltweit nachgefragt wurden. In den späten 2010er Jahren entfiel beinahe die Hälfte aller globalen Investitionen in erneuerbare Energien auf China, das jährlich dreimal so viel Geld wie die USA in diesem Bereich ausgab.
Diese rasante Zunahme staatlicher Investitionen in die grüne Tech-Branche stellte sich als zentral für die globale Klimapolitik heraus. Chinas Wette auf die Zukunft zahlte sich dabei aus: Das Land dominiert heute unangefochten die Märkte für verschiedene erneuerbare Technologien, etwa Photovoltaik-Solaranlagen, Windturbinen, Lithium-Batterien und E-Fahrzeuge. Andere Länder bemühten sich, aufzuschließen. So strebte die EU mit Initiativen wie der Europäischen Batterieallianz und der Strategischen Technologieplattform für Europa eine unabhängige Lieferkette für die Batterieproduktion an. Großbritannien wiederum hat versucht, sich Wettbewerbsvorteile bei den Windenergietechnologien und solchen der CO2-Abscheidung und -speicherung zu verschaffen. Und die USA haben unter Präsident Biden mit dem Inflation Reduction Act umfangreiche Investitionen in erneuerbare Energien auf den Weg gebracht: allein 370 Milliarden US-Dollar für das Erreichen von Emissionsminderungszielen in den wichtigsten Sektoren.
Chinas Politik setzte neue Maßstäbe nicht nur für grüne Investitionen, sondern auch für das Verhältnis von Staat und Markt im globalen Kapitalismus: Noch zu Hochzeiten des Marktfundamentalismus im Westen ein Sakrileg, lag aktive Industriepolitik in den späten 2010er Jahren im Trend (Bentley/Nahm 2025). Zugleich veränderten die chinesischen Investitionen auch radikal die geopolitischen Voraussetzungen für eine Klimapolitik. Einst wurde die grüne Transition als Aufgabe des globalen Kapitals begriffen, erleichtert durch die Zusammenarbeit der Großmächte im Rahmen internationaler Institutionen und Verträge wie dem Pariser Klimaabkommen. Heute erscheint dieser Prozess als Wettbewerb zwischen Nationalstaaten und ihren jeweiligen Kapitalfraktionen, vor allem als ein Wettbewerb zwischen den USA und China.
Doch obwohl die westlichen Initiativen in hohem Maße als Reaktion auf Chinas Politik erfolgten, haben die westlichen Staaten das chinesische Modell staatlicher Planung und Ausgaben nicht übernommen. Sowohl in den USA als auch in Europa sind Privatunternehmen nach wie vor die wichtigsten Investoren. Der Staat versucht lediglich, mit öffentlichen Geldern, etwa in Form von Subventionen und Steuererleichterungen, Anreize zu schaffen, um private Investoren auf einen grünen Kurs zu bringen. Ziel ist es, aufstrebende grüne Technologiebranchen zu stärken und eine positive Wettbewerbsdynamik zwischen Unternehmen in Gang zu setzen. Laut Daniela Gabor folgt dieses Vorgehen dem »Wall Street Consensus«, der nicht vorsieht, dass Staaten selbst ausreichend Geld für öffentliche Projekte in die Hand nehmen. Stattdessen soll in neuen Sektoren ein attraktives Investitionsklima für profitorientierte Unternehmen erzeugt werden, etwa dadurch, dass Regierungen die Risiken für Investor*innen abpuffern. Investitionen in saubere und erneuerbare Energien sollen deswegen wahrscheinlicher werden, weil sie sich für private Unternehmen auszahlen – eine Logik, die Gabor als Risikominderung bezeichnet. Der Inflation Reduction Act steht mit seinen Steuererleichterungen und Subventionen stellvertretend für diesen Ansatz. Dagegen greift der Europäische Green Deal eher auf regulatorische als auf fördernde Maßnahmen zurück, was den in Europa besser ausgebauten Aufsichtsbehörden und den strengeren Haushaltsbeschränkungen der EU entspricht.
Grüner Kapitalismus im Limbo
Kehren wir an diesem Punkt wieder in die Gegenwart zurück. Nach Trumps Wiederwahl ist die Zukunft einer grünen Industriepolitik in den USA, wie wir alle wissen, unklar. Sofort nach seinem Amtsantritt erließ Trump ein Dekret, um eine Reihe klimapolitischer Maßnahmen der Vorgängerregierung aufzuheben und die Mittel für die Umsetzung des Inflation Reduction Act einzufrieren. Obwohl ein Gericht diese Entscheidung einkassierte, bleibt abzuwarten, ob die Gelder wieder freigegeben werden. Gleichzeitig könnten die vom Gesetz vorgesehenen Steuererleichterungen, die unter anderem Anreize für Investitionen in Windanlagen schaffen, bestehen bleiben, da sie tendenziell den red states (also den Staaten mit republikanischer Mehrheit) zugutekommen – sie wurden gezielt so zugeschnitten. Ob Teile des Inflation Reduction Act weiterhin in Kraft bleiben, wird davon abhängen, ob sich diese Strategie als effektiv erweist. Auch wenn es vermutlich weiterhin Investitionen in E-Mobilität und Batterieproduktion geben wird, kommt eine harte Zeit auf grüne Energieproduzenten in den USA zu, da die Lieferketten der grünen Tech-Branche stark von Importen aus Ostasien abhängen und somit ernsthaft durch Trumps neues Zollregime beeinträchtigt werden.
Unabhängig von den spezifischen politischen Koordinaten spiegelt der Inflation Reduction Act ein grundlegenderes politisches Versagen wider und lenkt den Blick auf die Herausforderungen, die kapitalistische Demokratien entschlossener angehen müssen. Im Gegensatz zum Green New Deal von Bernie Sanders und der Klimagerechtigkeitsbewegung, der vorsah, ein populares, sozialdemokratisches Klimaprogramm mit Reformen der sozialen Sicherungssysteme und Investitionen in die öffentliche Infrastruktur zu verknüpfen, setzt der Inflation Reduction Act auf Investitionen in neue Technologien, etwa auf den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Batterieherstellung. Gleichzeitig wurde im Zuge seiner Implementierung deutlich, dass sich die Trennlinie zwischen »grünen« und »fossilen« Kapitalfraktionen in der Realität möglicherweise gar nicht so sauber ziehen lässt. So haben Andreas Malm und Wim Carton kürzlich darauf hingewiesen, dass Energiekonzerne in dieser Hinsicht zunehmend zweigleisig fahren (Malm/ Carton, 2024). Tatsächlich begrüßten neben Clean-Tech-Investoren auch Energieunternehmen mit großen fossilen Beteiligungen den Inflation Reduction Act, der kaum Einschränkungen für ihr Kerngeschäft vorsah. Während sich das Gesetz breiter Unterstützung privater Investoren erfreut, ist es in der Bevölkerung nicht besonders bekannt oder gar beliebt. Weniger als drei Prozent der Steuerzahler*innen, die zudem ganz überwiegend dem wohlhabendsten Viertel aller US-Haushalte angehörten, nahmen die gesetzlich vorgesehenen Steuererleichterungen für Energieeffizienzmaßnahmen und die Installation von Solaranlagen in Anspruch. Nur etwa ein Viertel aller befragten US-Amerikaner*innen gab an, vom Inflation Reduction Act profitiert zu haben.
Meine provokante These in diesem Zusammenhang lautet, dass die Biden-Regierung zu großes Vertrauen in die Fähigkeit des Staates gesetzt hat, als geschäftsführender Ausschuss der Bourgeoisie zu fungieren, und es gleichzeitig versäumt hat, für eine breitere politische Legitimität der Maßnahmen zu sorgen, mit denen sie den Kapitalinteressen entgegenkam – etwas, was in demokratischen Gesellschaften immer noch notwendig ist. Der Inflation Reduction Act ließ die populistischen Anklänge früherer Vorschläge Bidens vermissen: Das Gesetz ging weder das Problem der steigenden Lebenshaltungskosten an noch zeigte es auf, wie staatliche Investitionen für Erleichterungen im Alltag sorgen können. In seinen Reden versprach Biden zwar mehr grüne Jobs, doch der prognostizierte positive Effekt fiel zu gering aus. Zudem war der Zeithorizont für die Schaffung von Stellen viel zu weit. Dies ermöglichte Trump ein tosendes Comeback als Kritiker der elitären Demokraten. In Europa ist eine ganz ähnliche Dynamik zu beobachten. Da die regulatorischen Ziele des Green Deal vonseiten rechter Parteien unter Beschuss stehen, wurden einige seiner anspruchsvollsten Ziele auf EU-Ebene inzwischen fallengelassen. Eine weitere Rückabwicklung steht zu erwarten.