Noch vor wenigen Jahren schien der Kapitalismus Kurs auf eine grünere Zukunft zu nehmen. Hinweise darauf waren etwa die Verabschiedung des Inflation Reduction Act in den USA, der  Europäische Green Deal,[1] Chinas ambitionierte Dekarbonisierungsvorhaben und die vollmundigen Bekenntnisse privater Unternehmen zu Netto-Null-Emissionszielen. Seit Trumps Rückkehr ins Weiße Haus im Januar 2025 sind in dieser Hinsicht jedoch schwindelerregende Rückschläge zu verzeichnen. Sofort nach Amtsantritt begann der neue Präsident mit der Demontage aller regulierenden und kontrollierenden Umweltbehörden und verkündete das Ende des »Green New Steal«.  Der Übergang des Kapitalismus zu erneuerbaren Energien, einst zuversichtlich als zukünftiges Modell des Kapitalismus gepriesen, schien plötzlich fraglich. Ist das Zeitalter des grünen Kapitalismus an sein Ende gekommen?


Dieser Schluss wäre vorschnell. Bevor wir die Frage beantworten können, müssen wir einen Schritt zurücktreten und zunächst einmal verstehen, was grüner Kapitalismus überhaupt ist. Hier ist eine Vorbemerkung angebracht: Natürlich ist »grüner Kapitalismus« eine irreführende Bezeichnung. Grün bezieht sich in der Regel auf einen eng abgesteckten Bereich: die Abkehr von fossilen Energieträgern und mit ihnen zusammenhängenden Technologien und die Hinwendung zu erneuerbaren Energien. Ob der Kapitalismus jemals tatsächlich grün werden kann, ist selbstverständlich umstritten. Die begrenzte Tragweite des Begriffs wird selbst von vielen seiner Fürsprecher*innen anerkannt. Trotzdem ist er nützlich, weil er einen realen Trend der letzten 40 Jahre erfasst. 

»Warum hat das Kapital eine Weile lang einen grünen Kurs eingeschlagen und warum nimmt es nun wieder davon Abstand?«

Nach diesen Vorüberlegungen möchte ich mich zwei Fragen zuwenden. Erstens: Warum hat das Kapital, wenn auch nur vorübergehend und zögerlich, eine Weile lang einen grünen Kurs eingeschlagen und warum nimmt es nun wieder davon Abstand? Und zweitens: Zeichnet sich der grüne Kapitalismus noch durch etwas anderes als eine veränderte Energiebasis aus? Oder anders gefragt: Gibt es irgendwelche strukturellen Unterschiede zwischen dem sogenannten grünen und dem »gewöhnlichen« fossilen Kapitalismus oder ist der Unterschied rein technologischer Natur?


Meine These lautet, dass diese beiden Fragen zusammenhängen. Ein grüner Kapitalismus ist notwendigerweise immer auch ein Staatskapitalismus – oder wird zumindest stärker in diese Richtung tendieren als das im letzten halben Jahrhundert dominante neoliberale Modell. Es fragt sich somit, ob, wie und warum Staaten die Herausbildung grüner Kapitalfraktionen vorantreiben könnten bzw. sollten und welche Möglichkeiten und Hemmnisse aus dieser Staat-Kapital-Konfiguration resultieren. 

Von einer marktwirtschaftlichen Umweltpolitik hin zu einem sanften Green New Deal

Um das Verhältnis zwischen Staat und Kapital besser zu begreifen, müssen wir einen weiteren Schritt zurückgehen. Der grüne Kapitalismus ist zwar erst seit ein paar Jahren in aller Munde, doch die Geschichte dieser Idee reicht viel weiter zurück. Eine Recherche mit dem Google-Ngram-Viewer – ein unzuverlässiges, aber für eine grobe Orientierung hilfreiches Werkzeug – zeigt, dass die Formulierung »grüner Kapitalismus« etwa ab Mitte der 1980er Jahre das erste Mal in Publikationen zu finden ist, in den folgenden zwei Jahrzehnten allmählich häufiger auftauchte und ab etwa 2004 die Nutzung sprunghaft zunahm. In diesem Zeitraum von vier Jahrzehnten haben sich zwei Modelle des grünen Kapitalismus durchgesetzt.


Das ursprüngliche Modell des grünen Kapitalismus war im Kern ein neoliberales Programm, das aus politischen Kreisen stammte, die den Ansatz einer marktwirtschaftlichen Umweltpolitik vertreten. Am treffendsten hat seine Grundidee vielleicht Bill Clinton in einer Rede anlässlich des »Earthday« 1992 auf den Punkt gebracht, als er eine »neue Ära des Umweltschutzes« begrüßte, »in der der Markt genutzt wird, um unsere Umwelt wieder zurück auf den richtigen Weg zu bringen, und in der wir anerkennen, dass Adam Smiths unsichtbare Hand mit einem grünen Daumen versehen sein kann«. Demnach war das Problem bei der Bekämpfung des Klimawandels, dass Kohlenstoffemissionen und andere umweltschädliche Praktiken nicht mit einem Preis versehen waren und folglich in den Kosten-Nutzen-Kalkulationen von Marktakteuren nicht berücksichtigt wurden. Die Lösung sollte in der Marktintegration dieser »Externalitäten« mittels einer Reihe von Instrumenten liegen, darunter Kohlenstoffmärkte, Emissionshandel, CO2-Steuern und die Bewertung von Ökosystemdienstleistungen. Seine institutionelle Entsprechung findet dieser Ansatz in dem, was Geoff Mann und Joel Wainwright in ihrem gleichnamigen Buch »Climate Leviathan« nennen: die Idee eines planetarischen Souveräns, der den globalen Kapitalismus im Sinne eines »nachhaltigen kapitalistischen Status quo« regulieren soll, wofür etwa die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen mit ihren jährlichen Vertragsstaatenkonferenzen (COP) steht. 


Das Modell erzielte jedoch nicht die erhofften Resultate. Es entpuppte sich als schwierig, der unsichtbaren Hand über die Einbindung der Natur in Eigentums- und Preissysteme einen grünen Daumen zu verpassen. Der Vorschlag, Verschmutzungsrechte als Waren auf Kohlenstoffmärkten zu handeln, war mit einem gigantischen behördlichen Aufwand verbunden. CO2-Steuern waren zwar einfacher in der Umsetzung, stießen jedoch immer wieder auf den Widerstand der Wählerschaft. Deren Weigerung, steigende Lebenshaltungskosten im Gegenzug für nebulöse Vorteile in der Zukunft in Kauf zu nehmen, war wenig überraschend. Obendrein erwies sich das globale Problem der kollektiven Handlungsunfähigkeit – der negative Anreiz, externe Kosten der eigenen Kohlenstoffemissionen nicht in die Produktion einzubeziehen, solange andere Länder dies nicht auch tun – als unlösbar ohne einen wirklich planetarischen Souverän. Es stellte sich heraus, dass die UNO kein solcher Leviathan war. 


 

»Es entpuppte sich als schwierig, der unsichtbaren Hand über die Einbindung der Natur in Eigentums- und Preissysteme einen grünen Daumen zu verpassen.«

Vor dem Hintergrund dieser Rückschläge begann im frühen 21. Jahrhundert ein neues Modell des grünen Kapitalismus Gestalt anzunehmen. Anstatt fossile Brennstoffe zu verteuern und den Preis emissionsintensiver Güter anzuheben – ein Ansatz, den lange Zeit Deutschland und später die EU verfolgte –, versuchten einige Staaten, erneuerbare Energien so weit zu verbilligen, dass sie fossile Brennstoffe vom Markt drängen können. Diesem Modell zufolge soll der Übergang zu erneuerbaren Energien nicht durch die Auferlegung höherer Kosten erfolgen, sondern als Chance begriffen werden, die es durch die Entwicklung neuartiger Technologien und Industriezweige zu ergreifen gelte. Eine Variante dieser Idee zeichnete sich schon seit einiger Zeit ab: So bewarb bereits 2007 Thomas Friedman, liberaler Journalist und Kolumnist der New York Times, einen Green New Deal als »geostrategische, geoökonomische, kapitalistische und patriotische« Perspektive für die USA, mit der das Land seine wirtschaftliche Position verbessern und nach der lähmenden Zeit des Irakkriegs »wieder zu seiner alten Stärke zurückfinden« könne. Doch erst die globale Finanzkrise von 2008, als Regierungen in aller Welt sich auf keynesianische Wirtschaftspolitik besannen und staatliche Konjunkturprogramme auflegten, erwies sich als Türöffner für dieses Modell. 


Das große Konjunkturprogramm der Obama-Regierung, der American Recovery and Reinvestment Act (ARRA) von 2009, umfasste 90 Milliarden US-Dollar für grüne Energien in Form von Subventionen für Forschung, Entwicklung und Anlagenbau. Diese Summe erschien seinerzeit als unbedeutend: eine Geste, um Obamas Wahlversprechen zum Klimaschutz einzulösen, verpackt in ein unzureichendes Konjunkturpaket. Im Jahr darauf scheiterte im US-Senat die Waxman-Markey Bill, in deren Zentrum ein Emissionshandelssystem stand. Damit erschöpften sich auch Obamas ernsthafte klimapolitische Ambitionen. Im Rückblick entpuppt sich dieser Moment gleichwohl als wichtiger Scheidepunkt: Er läutete das Ende der marktwirtschaftlichen Umweltpolitik als mehrheitsfähiges politisches Vorhaben ein (obwohl es in Form »nachhaltiger« ESG-Investitionen[2] fortleben sollte) sowie den Beginn einer grünen Industriepolitik als Zukunftsprojekt.


Während die internen Dynamiken der US-Klimapolitik auf eine sich anbahnende Koordinatenverschiebung im Projekt des grünen Kapitalismus verweisen, lag die entscheidende Triebkraft hinter dieser Veränderung woanders. China steckte nämlich im Rahmen eines massiven langfristigen Investitionsplans – der an frühere Konjunkturprogramme anknüpfte und wesentlich strategischer angelegt war als die Vorhaben der USA – Hunderte Milliarden US-Dollar in den Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere in die Solarenergie (vgl. Shih 2024; Köncke 2025). Dahinter stand die Überlegung, dass die Entwicklung entsprechender Technologien China dabei helfen würde, die eigenen Umweltprobleme anzugehen, sein negatives Image als Klimasünder loszuwerden und gleichzeitig eine Vorreiterstellung im neuen Hightech-Sektor einzunehmen. Anstatt weiterhin aus dem Ausland stammende Technologien einzuführen oder diese einfach zu kopieren, entwickelte China eigene, die bald weltweit nachgefragt wurden. In den späten 2010er Jahren entfiel beinahe die Hälfte aller globalen Investitionen in erneuerbare Energien auf China, das jährlich dreimal so viel Geld wie die USA in diesem Bereich ausgab.[3]


Diese rasante Zunahme staatlicher Investitionen in die grüne Tech-Branche stellte sich als zentral für die globale Klimapolitik heraus. Chinas Wette auf die Zukunft zahlte sich dabei aus: Das Land dominiert heute unangefochten die Märkte für verschiedene erneuerbare Technologien, etwa Photovoltaik-Solaranlagen, Windturbinen, Lithium-Batterien und E-Fahrzeuge. Andere Länder bemühten sich, aufzuschließen. So strebte die EU mit Initiativen wie der Europäischen Batterieallianz und der Strategischen Technologieplattform für Europa eine unabhängige Lieferkette für die Batterieproduktion an. Großbritannien wiederum hat versucht, sich Wettbewerbsvorteile bei den Windenergietechnologien und solchen der CO2-Abscheidung und -speicherung zu verschaffen. Und die USA haben unter Präsident Biden mit dem Inflation Reduction Act umfangreiche Investitionen in erneuerbare Energien auf den Weg gebracht: allein 370 Milliarden US-Dollar für das Erreichen von Emissionsminderungszielen in den wichtigsten Sektoren. 


Chinas Politik setzte neue Maßstäbe nicht nur für grüne Investitionen, sondern auch für das Verhältnis von Staat und Markt im globalen Kapitalismus: Noch zu Hochzeiten des Marktfundamentalismus im Westen ein Sakrileg, lag aktive Industriepolitik in den späten 2010er Jahren im Trend (Bentley/Nahm 2025). Zugleich veränderten die chinesischen Investitionen auch radikal die geopolitischen Voraussetzungen für eine Klimapolitik. Einst wurde die grüne Transition als Aufgabe des globalen Kapitals begriffen, erleichtert durch die Zusammenarbeit der Großmächte im Rahmen internationaler Institutionen und Verträge wie dem Pariser Klimaabkommen. Heute erscheint dieser Prozess als Wettbewerb zwischen Nationalstaaten und ihren jeweiligen Kapitalfraktionen, vor allem als ein Wettbewerb zwischen den USA und China. 


Doch obwohl die westlichen Initiativen in hohem Maße als Reaktion auf Chinas Politik erfolgten, haben die westlichen Staaten das chinesische Modell staatlicher Planung und Ausgaben nicht übernommen. Sowohl in den USA als auch in Europa sind Privatunternehmen nach wie vor die wichtigsten Investoren. Der Staat versucht lediglich, mit öffentlichen Geldern, etwa in Form von Subventionen und Steuererleichterungen, Anreize zu schaffen, um private Investoren auf einen grünen Kurs zu bringen. Ziel ist es, aufstrebende grüne Technologiebranchen zu stärken und eine positive Wettbewerbsdynamik zwischen Unternehmen in Gang zu setzen. Laut Daniela Gabor folgt dieses Vorgehen dem »Wall Street Consensus«, der nicht vorsieht, dass Staaten selbst ausreichend Geld für öffentliche Projekte in die Hand nehmen. Stattdessen soll in neuen Sektoren ein attraktives Investitionsklima für profitorientierte Unternehmen erzeugt werden, etwa dadurch, dass Regierungen die Risiken für Investor*innen abpuffern. Investitionen in saubere und erneuerbare Energien sollen deswegen wahrscheinlicher werden, weil sie sich für private Unternehmen auszahlen – eine Logik, die Gabor als Risikominderung bezeichnet. Der Inflation Reduction Act steht mit seinen Steuererleichterungen und Subventionen stellvertretend für diesen Ansatz. Dagegen greift der Europäische Green Deal eher auf regulatorische als auf fördernde Maßnahmen zurück, was den in Europa besser ausgebauten Aufsichtsbehörden und den strengeren Haushaltsbeschränkungen der EU entspricht.

Grüner Kapitalismus im Limbo

Kehren wir an diesem Punkt wieder in die Gegenwart zurück. Nach Trumps Wiederwahl ist die Zukunft einer grünen Industriepolitik in den USA, wie wir alle wissen, unklar. Sofort nach seinem Amtsantritt erließ Trump ein Dekret, um eine Reihe klimapolitischer Maßnahmen der Vorgängerregierung aufzuheben und die Mittel für die Umsetzung des Inflation Reduction Act einzufrieren. Obwohl ein Gericht diese Entscheidung einkassierte, bleibt abzuwarten, ob die Gelder wieder freigegeben werden. Gleichzeitig könnten die vom Gesetz vorgesehenen Steuererleichterungen, die unter anderem Anreize für Investitionen in Windanlagen schaffen, bestehen bleiben, da sie tendenziell den red states (also den Staaten mit republikanischer Mehrheit) zugutekommen – sie wurden gezielt so zugeschnitten. Ob Teile des Inflation Reduction Act weiterhin in Kraft bleiben, wird davon abhängen, ob sich diese Strategie als effektiv erweist. Auch wenn es vermutlich weiterhin Investitionen in E-Mobilität und Batterieproduktion geben wird, kommt eine harte Zeit auf grüne Energieproduzenten in den USA zu, da die Lieferketten der grünen Tech-Branche stark von Importen aus Ostasien abhängen und somit ernsthaft durch Trumps neues Zollregime beeinträchtigt werden.


Unabhängig von den spezifischen politischen Koordinaten spiegelt der Inflation Reduction Act ein grundlegenderes politisches Versagen wider und lenkt den Blick auf die Herausforderungen, die kapitalistische Demokratien entschlossener angehen müssen. Im Gegensatz zum Green New Deal von Bernie Sanders und der Klimagerechtigkeitsbewegung, der vorsah, ein populares, sozialdemokratisches Klimaprogramm mit Reformen der sozialen Sicherungssysteme und Investitionen in die öffentliche Infrastruktur zu verknüpfen, setzt der Inflation Reduction Act auf Investitionen in neue Technologien, etwa auf den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Batterieherstellung. Gleichzeitig wurde im Zuge seiner Implementierung deutlich, dass sich die Trennlinie zwischen  »grünen« und  »fossilen« Kapitalfraktionen in der Realität möglicherweise gar nicht so sauber ziehen lässt. So haben Andreas Malm und Wim Carton kürzlich darauf hingewiesen, dass Energiekonzerne in dieser Hinsicht zunehmend zweigleisig fahren (Malm/ Carton, 2024). Tatsächlich begrüßten neben Clean-Tech-Investoren auch Energieunternehmen mit großen fossilen Beteiligungen den Inflation Reduction Act, der kaum Einschränkungen für ihr Kerngeschäft vorsah. Während sich das Gesetz breiter Unterstützung privater Investoren erfreut, ist es in der Bevölkerung nicht besonders bekannt oder gar beliebt. Weniger als drei Prozent der Steuerzahler*innen, die zudem ganz überwiegend dem wohlhabendsten Viertel aller US-Haushalte angehörten, nahmen die gesetzlich vorgesehenen Steuererleichterungen für Energieeffizienzmaßnahmen und die Installation von Solaranlagen in Anspruch.  Nur etwa ein Viertel aller befragten US-Amerikaner*innen gab an, vom Inflation Reduction Act profitiert zu haben. 


Meine provokante These in diesem Zusammenhang lautet, dass die Biden-Regierung zu großes Vertrauen in die Fähigkeit des Staates gesetzt hat, als geschäftsführender Ausschuss der Bourgeoisie zu fungieren, und es gleichzeitig versäumt hat, für eine breitere politische Legitimität der Maßnahmen zu sorgen, mit denen sie den Kapitalinteressen entgegenkam – etwas, was in demokratischen Gesellschaften immer noch notwendig ist. Der Inflation Reduction Act ließ die populistischen Anklänge früherer Vorschläge Bidens vermissen: Das Gesetz ging weder das Problem der steigenden Lebenshaltungskosten an noch zeigte es auf, wie staatliche Investitionen für Erleichterungen im Alltag sorgen können. In seinen Reden versprach Biden zwar mehr grüne Jobs, doch der prognostizierte positive Effekt fiel zu gering aus. Zudem war der Zeithorizont für die Schaffung von Stellen viel zu weit. Dies ermöglichte Trump ein  tosendes Comeback als Kritiker der elitären Demokraten. In Europa ist eine ganz ähnliche Dynamik zu beobachten. Da die regulatorischen Ziele des Green Deal vonseiten rechter Parteien unter Beschuss stehen, wurden einige seiner anspruchsvollsten Ziele auf EU-Ebene inzwischen fallengelassen. Eine weitere Rückabwicklung steht zu erwarten.

»Entscheidend für die Durchsetzung neuer Technologien ist in der Regel nicht ihr Preis, sondern ihre Profitabilität. Erneuerbare Energien haben fossile Brennstoffe nicht abgelöst, weil sie einfach nicht profitabel genug sind – und daran wird sich wahrscheinlich auch nichts ändern.«

Die Zurückhaltung westlicher Staaten gegenüber ernsthafteren Eingriffen in die Wirtschaft erweist sich für den grünen Kapitalismus als echtes Problem. Grüne Kapitalfraktionen sind unter den gegebenen Umständen unweigerlich ein Geschöpf des Staates. Aber es könnte sein, dass eine umfangreichere und dauerhaftere staatliche Unterstützung als bisher angenommen notwendig ist. Mithilfe staatlicher Investitionen in Technologien für erneuerbare Energien hat man die Kostenkurve erfolgreich in den Griff bekommen. Im vergangenen Jahrzehnt ist die entsprechende Technik viel günstiger geworden, und zwar viel schneller als allgemein erwartet. Doch wie Brett Christophers in seinem wichtigen Buch »The Price is Wrong« gezeigt hat, richtete die Politik ihren Blick dabei auf das falsche Kriterium. Entscheidend für die Durchsetzung neuer Technologien ist in der Regel nicht ihr Preis, sondern ihre Profitabilität. Erneuerbare Energien haben fossile Brennstoffe nicht abgelöst, weil sie einfach nicht profitabel genug sind – und daran wird sich wahrscheinlich auch nichts ändern (Christophers, 2024). Da Wind und Sonnenstrahlung kostenlos im Überfluss vorhanden sind, ist die Erzeugung erneuerbarer Energien verhältnismäßig einfach, was zu übermäßiger Konkurrenz und Preisverfall führt. Erneuerbare Energien sind eher zu billig, um für das Kapital eine interessante Anlagemöglichkeit darzustellen. Wie Christophers ausführt, würde die vollständige Umstellung der Stromerzeugung auf erneuerbare Energien wahrscheinlich die Überführung von Versorgungsunternehmen in öffentliches Eigentum erfordern. In vielen weiteren Bereichen der Erneuerbare-Energie-Wirtschaft treten ähnliche Probleme auf. Wenn entsprechende Technologien jedoch geringe Aussicht auf profitable Verwertung bieten, könnte es sein, dass Staaten grünen Branchen mehr oder weniger dauerhaft ihre Gewinne garantieren müssen. Das Fazit dieser Überlegungen lautet somit, dass eine Risikominderung wahrscheinlich nicht ausreichen wird, um das grüne Kapital wirklich zur treibenden Kraft des Übergangs zum grünen Kapitalismus zu machen. 

»Bislang waren viele Staaten bereit, das grüne Kapital mit Zuckerbrot zu locken, doch nur wenige trauen sich, dem fossilen Kapital die Peitsche zu geben.«

Während erneuerbare Technologien stärker staatlich gefördert werden müssen als bislang angenommen, wird sich die Nutzung fossiler Brennstoffe gleichzeitig nur eindämmen lassen, wenn Staaten beherzter als bislang dagegen vorgehen. In China erfolgte der gewaltige Ausbau erneuerbarer Energien Hand in Hand mit der Inbetriebnahme zahlreicher neuer Kohle- und Kernkraftwerke. In den USA boomte die Öl- und Gaserschließung, während mit dem Inflation Reduction Act parallel dazu umfangreiche staatliche Subventionen in die Erneuerbare-Energie-Branche flossen. Bislang waren viele Staaten bereit, das grüne Kapital mit Zuckerbrot zu locken, doch nur wenige trauen sich, dem fossilen Kapital die Peitsche zu geben.


Die Neuzusammensetzung des Kapitals und des herrschenden Machtblocks unter der Führung einer neuen Kapitalfraktion verlangt jedoch nach einer relativen Entmachtung und dem Abzug von staatlichen Investitionen aus dem fossil-militärischen Komplex. Das setzt entweder eine tiefe und längere Wirtschaftskrise in den USA oder intensive Klassenkämpfe voraus. In der Debatte über den »grünen Kapitalismus« als ökonomisches Modernisierungs- und politisches Hegemonieprojekt wurden die vorherrschenden Kräfteverhältnisse innerhalb des Machtblocks, der den Staat trägt und lenkt, und ihr Beharrungsvermögen bislang tendenziell unterschätzt.

»Grüner Kapitalismus ist nicht ohne den Staat zu haben. Seine Zukunft hängt vom Handeln der Regierungen ab.«

Die Geschichte des grünen Kapitalismus ist damit aber noch lange nicht an ihr Ende gekommen. Die Investitionen der letzten 15 Jahre haben reale technische Fortschritte gebracht und werden sich nicht so einfach zurückdrehen lassen. Die Geschichte des grünen Kapitalismus ist bislang von wiederkehrenden Konjunkturzyklen geprägt: Auf jede spekulative Blase folgt eine Pleite. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir die nächste Welle des Optimismus erleben werden. Gleichwohl bleiben wir weit entfernt von einem wirklichen Übergang: Ein neues Energiesystem ist ebenso wenig in Sicht wie ein neues Akkumulationsregime. Grüner Kapitalismus ist nicht ohne den Staat zu haben. Seine Zukunft hängt vom Handeln der Regierungen ab.


In den USA kommt es nun darauf an, ob ein konsolidierter Trumpismus eine neue Ära der Faschisierung und des fortgesetzten extremen Fossilismus einläuten oder ob es der Linken gelingen wird, sich zu organisieren, um Trump 2029 mit einer überarbeiteten Green-New-Deal-Agenda zu schlagen. Diese müsste mindestens genauso radikal sein, wie der seit 2019 von Alexandria Ocasio-Cortez und Bernie Sanders propagierte Plan. Es könnte die letzte Gelegenheit sein, bevor ein beschleunigter und außer Kontrolle geratener Klimawandel in eine wirkliche Katastrophe mündet. 


Aus dem Englischen von Maximilian Hauer und Camilla Elle für Gegensatz Translation Collective

[1] In der EU führten der Krieg in der Ukraine und die Stärkung rechter Parteien bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2024 zu einem Backlash. Von Anbeginn drängten Teile des Industriekapitals auf laxere Emissionsminderungsziele. Mittlerweile haben sich die Prioritäten der EU-Kommission verschoben: weg vom Green Deal, hin zur Aufrüstung. 

[2] ESG steht für Environmental, Social und Governance (Umwelt, Soziales und Betriebsführung) und bezeichnet ein umfassendes internationales Regelwerk zur Bewertung der nachhaltigen und ethischen Praxis von Unternehmen (Anm. der Redaktion). 

[3] Vgl. www.weforum.org/stories/2018/04/for-every-1-the-us-spent-on-clean-energy-in-2017-china-spent-3/

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