In keinem der kapitalistischen Zentren spielen alternative Positionen zu dem kruden Business der Machtmaximierung eine dominante Rolle – bestenfalls in den Varianten des ›Liberalimperialismus‹ oder ›liberalen Internationalismus‹, der sich freilich seit jeher als besonders kriegsaffin herausstellte. Wie wird also aus dem politischen Zwerg ein politischer Riese, der in der »Liga der globalen Player« spielt, wie es das Papier Neue Macht – neue Verantwortung formuliert, das von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sowie dem German Marshall Fund (GMF) im September 2013 veröffentlicht wurde? Wie diese »ungeschickte Größenordnung« (Kurt Georg Kiesinger) überwinden? Und was ist heutzutage eigentlich ein Riese?
Ein Zwischenergebnis der ›Großen Krise‹
Über eine neue Machtpolitik Deutschlands wird seit 2010 immer heftiger diskutiert. Betrieben wird dabei eine Sprachpolitik, die ständig alte Hüte neu ausstaffiert: Gestaltung, Selbstbewusstsein, Verantwortung, Führung, widerwilliger Hegemon, Führungserwartungen. Dabei wird ganz trivial auf der Grundlage einer »kommerziellen Realpolitik« (Rawi Abdelal) operiert, die ein »wirtschaftlicher Realismus« (Szabo 2014) leitet. Das Gewicht dieses Außenhandels- und Außenwirtschaftsrealismus wächst. Da die ›neue Macht‹ Deutschlands vorwiegend auf der hard power einer mittlerweile global operierenden Expansion der deutschen Wirtschaft beruht, treten seine politischen Repräsentanten als Fürsprecher einer neoliberalen Weltordnung, also einer Welt des Freihandels auf, die den stärksten Ökonomien am weitesten entgegenkommt.
Gekämpft wird um die Freihandelsmacht in der globalen Markthalle. Die Europäische Union ist der größte Handelsraum der Welt, China der größte Handelsstaat. Im Jahr 2013 verließen 60 Prozent der Exporte der Länder der Eurozone den gemeinsamen Währungsraum – darunter waren zwei Drittel der deutschen Exporte. Das ist der grundsätzliche Hintergrund der aktuellen Auseinandersetzung um die »gigantische geostrategische Chance« TTIP. Eng damit verknüpft ist das Auftreten Deutschlands als »Ausrüster der Industrialisierung der Welt« (Sigmar Gabriel). Deutschland gehört neben China, den USA und Japan zu den stärksten exportorientierten Ökonomien auf der Welt. Gleichzeitig ist die deutsche Ökonomie die dominante Wirtschaft der Europäischen Union. Die Exportindustrie und das deutsche Finanzkapital sind die dominanten Akteure des deutschen Kapitalismusmodells. Schon vor 1914 wurde Deutschland in den neuen Industrien Exportweltmeister mit einer Industriestruktur aus Chemie-, Stahl-, Energie- sowie Konsumgüterproduktion.
Damit generierte es eine fundamentale Wirtschaftsstrategie, die bis heute jede Alternative niederkonkurriert. ›Germany Inc.‹ transnationalisiert sich rapide. Die Exportquote Deutschlands hat sich zwischen 1991 und 2013 von 22,2 auf 40 Prozent fast verdoppelt (Statistisches Bundesamt 2014, 428), und der Bestand deutscher Direktinvestitionen im Ausland stieg von 134 Mrd. € im Jahr 1991 auf 1200 Mrd. € in 2012 (Bundesministerium der Finanzen 2014). Die Internationalisierung des deutschen Kapitals hat dabei in den letzten Jahren zu einem immer deutlicheren Positions- und Machtgewinn im europäischen Machtblock geführt – vor allem zulasten Frankreichs. In den ost- und südeuropäischen Staaten, in Österreich, Italien oder den Beneluxstaaten dominiert das deutsche Kapital in einer ganzen Reihe von Branchen und hat auch seine Stellung in Frankreich und natürlich in China rapide verbessert.
Dagegen ist die Position des deutschen Finanzkapitals im europäischen Gefüge deutlich schwächer und politisch wie ideologisch deutlich unter Druck geraten (Heinrich 2014). De facto ist der europäische Finanzsektor über Großbritannien weiterhin eng mit der Wall Street und dem transnationalen Finanzkapital verbunden, denen gegenüber das sich stark differenzierende deutsche Finanzkapital eine deutlich nachgeordnete Rolle spielt. Seine Macht beruht aber auf einer ungewöhnlich starken Gläubigerposition und der Fähigkeit, in der Krise auf dem Feld der Finanz- und Geldpolitik (z. B. Fiskalpakt) europaweit ›deutsche‹ Positionen durchzusetzen und gemeinsam mit dem deutschen Industriekapital den Austeritätskurs zu verankern – von einem europäischen Sozialmodell ist kaum noch die Rede.
Die deutschen Industrie- und Finanzakteure waren somit in der Lage, die seit 2007/08 andauernde Krise zu ihren Gunsten auszunutzen, die ökonomische Machtkonstellation in Europa zu verändern und mit der neuen Spaltung Europas die Grundlage für einen Machtgewinn Deutschlands zu schaffen. Dieser keineswegs typische Fall eines ökonomischen Rearrangements der geopolitischen Situation Deutschlands ist das hegemoniepolitische Hauptresultat der Großen Krise in Europa.
Für die Rolle der Bundesrepublik hat der US-amerikanische Wirtschaftshistoriker Charles P. Kindleberger (1973) in seiner Analyse der 1929er Weltwirtschaftskrise einen Begriff formuliert: Es gehe um »hegemoniale Stabilität«. Ist die kapitalistische Weltwirtschaft labil und krisenhaft, dann bedarf es einer aktiven Führungsrolle des mächtigsten Landes. Hegemonie destabilisiere nicht, sondern ermögliche Stabilität. Inzwischen schreibt sich Deutschland vielfach die Rolle des ›hegemonialen Stabilisators‹ nicht nur in Europa zu.
Diese positiv konnotierte Rede vom öffentlichen Gut ›Stabilität‹ ist begleitet von einem offiziösen Diskurs, der die alltagstaugliche Unterscheidung zwischen ›Mittelmacht‹, ›Großmacht‹ und ›Weltmacht‹ weitgehend vermeidet. An seine Stelle tritt der samtweiche und handlungsfreudig-fleißige Begriff von der ›Gestaltungsmacht‹. Real geht es um Hegemonialmacht, um eine umkämpfte, umstrittene German Hegemony in the Making.
Was meint hier Hegemonie?
Erstens setzt die Positionierung und Anerkennung Deutschlands als globaler Player voraus, dass es eine eigene Führungsposition in der EU innehat und ausbaut, insofern also Ungleichheit in Europa stärkt. Deutschlands ›Umwelt‹ muss von seiner Außen- und Sicherheitspolitik so beeinflusst werden, dass sie dem deutschen Kapitalismusmodell und seiner Führungsfunktion in Europa von Nutzen ist und die Position politischer Konkurrenten schwächt. Kräftepolitisch ist dabei die neue Asymmetrie zwischen Frankreich und Deutschland und die Erosion des französischen etatistischen Kapitalismusmodells von geradezu historischer Bedeutung – die ›kooperative Hegemonie‹ der zwei westeuropäischen Kontinentalmächte ist längst asymmetrisch geworden. »Pour les Allemands, la France est un pays sur le déclin« (»Für die Deutschen ist Frankreich ein Land im Niedergang«, Le Point, 8.4.2012). Das ist das Einzelinteresse des Hegemons. Es ist gegen die konkurrierenden Ansprüche anderer Akteure auf Machtmaximierung und Führung gerichtet.
Dies erfordert aber zweitens eine Politik, die Grundinteressen der anderen europäischen Staaten aufgreift, also zur Stärkung Europas als globaler Player beiträgt – das ist das besondere Interesse des Hegemons. »Deutschland«, so das SWP-GMF-Papier, »wird künftig öfter und entschiedener führen müssen […] mit anderen und mit Rücksicht auf andere.« Nicht etwa »gegen andere«. Allerdings ist dazu eine Einbindung der wesentlichen Akteure in Europa Bedingung. Eine vom Auswärtigen Amt auf der Webseite Review 2014 lancierte PR-Debatte über außenpolitische Fragen bilanziert: »Nur wenn die Mitgliedstaaten integrations- und außenpolitisch an einem Strang ziehen, bringt Europa das politische Gewicht auf die Waage, das Deutschland zur Realisierung seiner Interessen braucht.« Die zentrale Zielstellung dieser Interessen heißt: »Mehr deutsche Führung in und durch Europa.« (Bendiek 2014, 60ff).
Die Politik des Hegemons ist also janusköpfig: Sie geht über die soft power der Märkte, das heißt über Konkurrenzverhältnisse, die den Akteuren in anderen Ländern der EU Anpassung und Unterwerfung aufzwingen. Sie funktioniert über Dominanz, indem sie durch Austeritätspolitik diszipliniert, nationale Souveränität und Demokratie abbaut, große Staaten bevorzugt, intergouvernementale Lösungen und informelle Führungszirkel präferiert (Hellmann 2010, 5).
Verlangt sind partnerschaftliche Führung und Troika-Autoritarismus, Disziplinierung und Konsens. Sie funktioniert über eine klassisch-imperialistische Außen-Innen-Dialektik: Spaltung und Ungleichheitspolitik nach außen wie nach innen. Deutschland wird so nach außen zur Triebkraft eines autoritären Kapitalismus. Akzeptanz und Konsens hängen davon ab, ob der Hegemon imstande ist, das Projekt The Making of European Capitalism voranzutreiben und zu repräsentieren. Dies ist deswegen so entscheidend, weil eine doppelte Austeritätspolitik nach innen wie nach außen nicht nur ökologische, sondern vor allem auch ökonomische Schranken hat: Ihr gehen immer wieder die Kunden verloren – innen wie außen.
Endlich sind drittens gerade das Export- und Finanzkapital auf globale Produktionsketten und Handelsströme orientiert. Der Hinweis auf die ›Globalisierung‹ spielt in dem erwähnten SWP-GMF-Papier folgerichtig eine zentrale Rolle. Da Deutschland von ihr profitiert, wird deutsche Außenpolitik zwangsläufig vor die Aufgabe gestellt, das Funktionieren dieser globalisierten Ordnung zu gewährleisten: »Die Bewahrung und Fortentwicklung dieser Ordnung ist deshalb Deutschlands überragendes strategisches Ziel – schon aus eigenem Interesse« (SWP/GMF 2013,12). Die dritte globale Aufgabe eines Hegemons besteht, wie es Leo Panitch und Sam Gindin (2012) formulieren, darin, diesen Expansionsprozess der Wirtschaft »zu machen«, denn er ist keine gesetzmäßig-blinde Entwicklung der Ökonomie.
Er war und ist ›ein Projekt‹. Das ›Projekt, den Kapitalismus global zu machen‹, stand seit den 1940er Jahren auf der Agenda der US-Politik. Eine hegemoniale Führungsrolle der Bundesrepublik in Europa verlangt, erfolgreich die imperialen Qualitäten Europas zu entwickeln – nicht zuletzt gegen die anhaltende Dynamik zu einer ›Welt mit weniger Westen‹, also auch für die von Europa seit Jahrzehnten betriebene Absicherung eines American Empire, als dessen Knoten (›Juniorpartnerschaft‹) es funktioniert und zugleich mit dem Ziel einer eigenen Souveränität und weitgehenden Autonomie. Hier ist die Frage, wie es um den Beitrag der Bundesrepublik zu dieser Kür der Hegemonialkonkurrenz steht?
Champions League
Ein europäischer Hegemon muss drei Karten ausspielen, will er erfolgreich sein. Habermas sprach jüngst von der halb-hegemonialen Stellung Deutschlands und bezog sich dabei wohl auf die großen destabilisierenden Effekte der deutschen Krisenpolitik. Damit hat die Bundesregierung zwar die erste Karte der eigenen Interessen an Machtmaximierung bedient. Der Preis war jedoch eine Dauerkrise im europäischen Umfeld. Die zweite europäische Karte im Hegemoniespiel sticht also nicht wirklich. Mehr noch: Die erste Trumpfkarte könnte wertlos werden, denn die weiter zunehmende innenpolitische und binnenwirtschaftliche Instabilität in vielen Ländern bedroht nicht nur den Zusammenhalt der EU, sondern auch die führende Rolle Deutschlands darin.
Der Kontinent driftet auseinander, die zentrifugalen Prozesse breiten sich aus (Lehndorff 2014; Deppe 2014). Ein erneuter Einbruch durch eine Finanz- und Wirtschaftskrise würde diese Prozesse beschleunigen. Das Making of European Capitalism stagniert. Und wie steht es mit der dritten Karte, dem Making of Global Capitalism? Hier treffen wir die eingangs erwähnte Figur wieder: den politischen Riesen. Hat dieser Riese eigentlich einen Namen? Als es nach 9/11 um die veränderte Rolle der USA ging, schlug der Guardian (19.8.2002) vor, auf den »Gorilla unter den geopolitischen Bezeichnungen« zurückzugreifen: das American Empire, das Imperium. Imperien haben im Unterschied zu anderen Akteuren immer einen Bezug zu dem, was ›Welt‹ ist. Es geht um Weltordnung: »Empires are in the business of producing world order.« (Maier 2002)
Zur Bestimmung des Imperialen gehört zwingend die wirkliche Fähigkeit zur Weltordnung, also auch zu einem Anspruch, der auf eine neue Geografie des Globalen zielt. Die neue Weltordnung, von der gegenwärtig so viel gesprochen wird, ist eine neue Ordnung der imperialen Welt. Die Akteure der Konkurrenz um den Umbau des Weltsystems und die Aneignung seiner zentralen Orte der Kapitalakkumulation und politischen Machtkonzentration sind Imperien. Die Rede von der »interimperialen Konkurrenz« (Laura Doyle) und die Ausbreitung der Georhetorik zeigt an, dass in diese Konkurrenz Bewegung gekommen ist (Doyle 2014; Rilling 2008 u. 2013; Bieling 2013 u. 2014).
Der Blick bloß auf die Staatenwelt, in der die genannten Interessen vermittelt werden, greift daher zu kurz. Imperien sind Allianzbildungen aus Staats-, Unternehmens- und Zivilmachtorganisationen. Sie bündeln materielle, ideelle, administrative und militärische Kapazitäten. Geopolitik, also Raumerwerb
und -hoheit, ist ein Mittel, um zusätzliche Ressourcen in neuen räumlichen Anordnungen des transnationalen Kapitalismus aufzuhäufen. Gegenwärtig sind die USA, die europäische Staatenkonfiguration und China die einzigen politischen Entitäten, die in diesem Sinne ein imperiales Projekt verfolgen können, das also auf Weltordnung nach ihrem Maß zielt.
Die Frage nach den Spezifika des Kapitalistischen, die sich in deren Projekten zusammenfassen und in neuen Entwicklungsvarianten des Kapitalismus bündeln, ist bislang allerdings in der politischen Realität wie in deren theoretischer Reflexion unzureichend beantwortet. Und Deutschland? Deutschland ist kein Imperium und wird auch keines werden. Aber am Aufbau eines imperialen Europa mitzuarbeiten, um eine oder die Führungsposition zu erreichen und zu halten – das scheint der aktuell absehbare Königsweg des deutschen Realismus zu sein. Die Kunst einer Politics of Hegemony in the Making besteht darin, die ständig neu gemischten Karten klug auf diesem langen Weg ins Spiel zu bringen.
Zum Königsweg
Wer in Europa eine Hegemonialrolle beansprucht, muss sich – so das zitierte SWP-GMF-Papier – darauf einstellen, in einer Welt mit neu aufsteigenden Mächten und einem relativen Machtverlust der USA in der westlichen Welt ein geopolitisches ›Machtvakuum‹ auszufüllen. Ein solcher Akteur muss die Absicht und wirkliche Fähigkeit zeigen, in die Ordnung des globalen Kapitalismus nachhaltig und mit globalem Gestaltungsanspruch zu intervenieren. Er muss die ökonomische Logik der Kapitalakkumulation auf der Ebene des Weltmarktes und die politische Logik der Machterweiterungen in globalen Konflikten verbinden. Die Bundesrepublik freilich gilt gerade mal als das mächtigste mittelgroße Land der Welt – mehr nicht.
Betrachten wir jedoch den Tabellenstand der globalen Champions League der Vermögensbesitzer, also der Milliardäre, dann ist die bundesdeutsche Mannschaft seit Anfang des Jahrhunderts leichtfüßig in die Spitzengruppe vorgestoßen und hat der deutschen Republik nebenbei weltmeisterliche Ungleichheitsquoten verpasst. Und im Fall Ukraine zeigt sich noch etwas anders: die Bereitschaft, diese Politik nicht bloß diplomatisch, sondern auch mit den Mitteln militärischer Gewalt und ›robuster Machtprojektion‹ durchzusetzen. Das gehört zum Instrumentenkasten eines globalen Player. Immerhin gelang es, hierzulande die Militärausgaben trotz der Finanzmarkt- und Schuldenkrise stabil zu halten. Wenn Frau von der Leyen als Kriegsministerin mit stahlblaugrauem Blick posiert, geht es im Unterschied zur Reichtumsfrage und zur Politik der Ungleichheit noch um ›Normalisierung‹, nicht um Dominanz. Die europäische Militärfunktion liegt fast ausschließlich bei der NATO, den europäischen Sicherheitsapparaten sowie bei Frankreich und Großbritannien.
Zu keiner Zeit war der EU-Block in eine solche Fülle von gewalttätigen Konflikten verwickelt wie gegenwärtig im Süden und Osten Europas und in seinen ›nachbarschaftlichen‹ Grenzzonen. Diese Politisierung des Außenverhältnisses der EU reflektiert ihr Agieren als Imperialmacht im Kampf, die Einflusszone des herrschenden europäischen Blocks auszuweiten: Imperien sind nicht, sie werden. Expansion ist ihre Logik. Imperiale Aktivitätsschübe dieser Qualität verankern auf lange Zeit politisierte Denk- und Verhaltensmuster.
›Normalisierung‹ der deutschen Militär- und Sicherheitspolitik heißt daher, in einem »Empire by Invitation« (Geir Lundestad) vorzuführen, dass es an seinen Rändern die Zähne zeigen, abstoßen oder ausschließen kann. Als Führungsmacht in einer imperialen Allianz zu fungieren, fordert von der BRD, stärker in das klassische Modell eines ›liberalen Internationalismus‹ einzuschwenken, der kosmopolitisch verbrämte Diplomatie und Dialogpolitik mit einer starken militärischen Hand verknüpft. Im Zentrum dieses Modells imperialer Expansion steht aber weiterhin die Unterscheidung zwischen einem zivilisierten Kern, einer armen Peripherie und einem entwicklungsbedürftigen, unterlegenen Umfeld, das über Framework Participation Agreements (FPA) und Assoziierungsabkommen, über Bewährung als Nachbar, Freund, Partner und Kandidat stückweise assimiliert wird, um endlich das finale upgrade zum Mitglied des Imperiums zu erhalten.
Wenn Deutschland seine dritte Karte spielen will, dann kann dies nur über transatlantische Allianzen und in der EU realisiert werden. Die Europapolitik der Bundesregierung folgt daher einer doppelten Zielsetzung: zu verhindern, dass die Stagnation zu einer Erosion und letztlich zu einer existenziellen Krise wird, die eine irreversible Schwächung des vorwiegend transatlantischen, kapitalistischen Zentrums bedeuten würde. Zugleich muss sie die Perspektive eines Global Player Europa sichern und stärken, also dafür sorgen, dass Europa im imperialen Business der Produktion von Weltordnung weiter erfolgreich mitspielen kann. Europa ist schon längst nicht mehr bloß ein Empire in the Making. Es kommt für die herrschenden Klassen in Europa jedoch darauf an, ein Projekt zu entwickeln, das global einen attraktiven Unterschied macht und auf einem gewinnträchtigen Akkumulationsmodell basiert. Im Moment ist hier Baisse. Es ist nicht leicht, ein Riese zu werden.
Literatur
Bendiek, Annegret, 2014: Abschied von der Juniorpartnerschaft. Für mehr deutsche Führung in und durch Europa, in: Internationale Politik 5/2014, 60–66
Bieling, Hans-Jürgen, 2013: Die krisenkonstitutionalistische Transformation des EU-Imperiums: zwischen autoritärer Neugründung und innerem Zerfall, in: Das Argument 301, 34–46
Ders., 2014: Cooperative Imperialism? The Global Political Economy of Contemporary Germany, unveröff. Manuskript
Bundesministerium der Finanzen, 2014: Monatsbericht September, Berlin
Deppe, Frank, 2014: Imperialer Realismus? Deutsche Außenpolitik: Führungsmacht in »neuer Verantwortung«, Hamburg
Doyle, Laura, 2014: Inter-Imperiality, Interventions, in: International Journal of Postcolonial Studies, 2/2014, 159–196
Gindin, Sam und Leo Panitch, 2012: The Making of Global Capitalism: The Political Economy of American Empire, London
Heinrich, Mathis, 2014: Das transnationale Kapital und die Bearbeitung der Krise(n) in der Europäischen Union, in: Prokla 175, 2/2014, 237–254
Hellmann, Gunther, 2010: Normativ nachrüsten. Deutschlands neue Rolle in der Welt und wie sie zu gestalten wäre, in: Internationale Politik 10/2010, 1–6
Kindleberger, Charles P., 1973: Die Weltwirtschaftskrise. 1929–1939, München
Lehndorff, Steffen (Hg.), 2014: Spaltende Integration, Hamburg
Maier, Charles S., 2002: An American Empire? In: Harvard
Magazine 6/2002, http://harvardmagazine.com/2002/11/an-american-empire.html
Rilling, Rainer, 2008: Risse im Empire, Berlin
Ders., 2013: Was ist Geopolitik? Ein Streifzug, in: Wissenschaft & Frieden 1/2013, 6–10
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Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und German Marshall Fund of the United States (GMF) (Hg.), 2013: Neue Macht – Neue Verantwortung. Elemente einer deutschen Außen- und Sicherheitspolitik für eine Welt im Umbruch, Berlin