Dieser Beitrag erscheint in unserer Reihe Regieren? Und wenn ja, wie? Hier werden bisherige E­rfahrungen und unterschiedliche Perspektiven auf linke Regierungsbeteiligung diskutiert.

Regieren zwischen Verwalten, Gestalten und Transformieren

Die Bildung der rot-rot-grünen Regierungskoalition in Berlin war für viele mit der Hoffnung auf einen grundlegenden Wandel der Berliner Stadt- und Wohnungspolitik verbunden. Eine klare soziale und ökologische Orientierung, die Abkehr von der Austeritätspolitik der vergangenen Jahre und vor allem das Versprechen auf eine neue Art des Regierens wurden als Aufbruch verstanden. Insbesondere die Linke war mit einem umfassenden Partizipationsversprechen – „… und die Stadt gehört euch“ – in den Wahlkampf gegangen und stand mit der Regierungsbeteiligung unter dem Druck, dieses Versprechen auch einzulösen. 

Zugleich stand die neue Regierung vor den mühsamen Aufgaben, eine über Jahrzehnte kaputt gesparte Verwaltung zum Laufen zu bringen, Routinearbeiten der Behörden zu beschleunigen und die drängenden Probleme wie die mangelhafte Unterbringung von Geflüchteten, die steigenden Mieten und den Mangel an Schulkapazitäten möglichst schnell in den Griff zu bekommen. 

Der Stadtforscher Peter Marcuse unterscheidet zwischen technokratischen, liberalen, radikalen und transformativen Ansätzen der Stadtpolitik. Als technokratische Lösungen beschrieb er Vorschläge für eine bessere und preiswertere Organisation innerhalb der bestehenden Programme und Verwaltungsroutinen oder auch Forderungen für eine verbesserte Transparenz von Verwaltungsvorgängen und politischen Entscheidungen. Als liberale Politikansätze können Ausgleichmaßnahmen für die unsozialen Folgeeffekte von Programmen und Politiken und Ausgrenzungen bestimmter Bevölkerungsgruppen verstanden werden, ohne die grundlegende Macht- und Verteilungsverhältnisse in Frage zu stellen. Als radikale Stadtpolitik bezeichnet Marcuse Instrumente der Umverteilung und Versuche, die Strukturen sozialer Ungleichheiten aufzubrechen, jedoch ohne das institutionelle Gefüge der Gesellschaft selbst in Frage zu stellen. Als transformative Ansätze werden letztendlich politische Orientierungen verstanden, die darauf zielen, die grundlegenden und systemischen Ursachen von Ungerechtigkeit und Ungleichheit aufzuheben und das System der kapitalistischen Urbanisierung zu überwinden (Marcuse 2012). 

Die Herausforderungen für die neue Berliner Regierungskoalition zeigten schnell, dass die öffentliche Anerkennung der Regierungsarbeit vor allem an der Erfüllung von technokratischen Anforderungen gemessen wird und weitergehende Orientierungen kaum honoriert werden. So wurden beispielsweise die deutlich ausgeweiteten Beteiligungsverfahren bei Neubauprojekten nicht für ihren liberalen Effekt einer verbesserten Mitsprache von Anwohner*innen gelobt, sondern wegen der möglichen Verzögerung von Genehmigungsverfahren kritisiert. Auch die Versuche von Opposition, Presse und Teilen der SPD, Katrin Lompscher als „Nichtbausenatorin“ zu desavouieren, steht für die Bedeutung einer technokratischen Perspektive in öffentlichen Diskursen. 

Soziale Bewegungen, Stadtteilinitiativen und Mieterorganisationen – die eine linke Stadt- und Wohnungspolitik unterstützten – hingegen erwarteten vor allem radikale und transformative Politikansätze und hätten sich auch in der Regierungspraxis eine transformative Aufbruchsstimmung erhofft. Für diejenigen in der Regierungsverantwortung ergeben sich aus dieser Gemengelage widersprüchliche Anforderungen, die ein beständiges Changieren zwischen Verwalten, Gestalten und Transformieren erfordern und immer von mindestens einer der Perspektiven als unvollkommen und nicht zufriedenstellend angesehen wird.

Neuer Wein in alten Schläuchen – Regierung und Verwaltung

Eine oft unterschätzte Begrenzung transformativer Politikansätze liegt in der Trägheit von Verwaltungsapparaten, die in oft jahrzehntelanger Konditionierung die bisherigen Politikziele verinnerlicht und institutionalisiert haben. Durch die Angewiesenheit auf die regelmäßige Erfüllung von Standardaufgaben verbietet sich ein umfassendes Umkrempeln von Strukturen und Arbeitszusammenhängen, so dass die Durchsetzung von neuen Zielen und Maßstäben nur Stück für Stück umgesetzt werden kann. So erfolgte der dringend anstehende Umbau der landeseigenen Wohnungsunternehmen in Träger einer sozialen Wohnungsbewirtschaftung eher zögerlich, weil die Unternehmensleitungen eigene Interessen durchsetzen konnten und mit der latenten Drohung einer Nichterreichung der proklamierten Neubauziele vielfach am längeren Hebel saßen. 

Eine Politik, die die Verwaltungsapparate und ihre Mitarbeiter*innen als Hemmnis ansieht, wird auch nicht erfolgreich sein, weil die praktische Arbeit nicht von der Spitze erfüllt werden kann und jedes Programm auf die aktive Mitwirkung der Verwaltungen und landeseigenen Gesellschaften angewiesen ist. Hier fehlt es für progressive Regierungsprojekte sicher auch an Erfahrungen, wie bestimmte Politikziele in Verwaltungsapparaten durchgesetzt werden können. Insbesondere ein kollaboratives Selbstverständnis bei der Erarbeitung von Strategien und Instrumenten stößt in klassischen Verwaltungsstrukturen und Bürokratien schnell an seine Grenzen. 

Zugleich setzt der Anspruch an transparente, gemeinsame und solidarische Arbeitsprozesse einer Transformation von oben deutliche Grenzen. Gerade vor dem Hintergrund der Geschichte des Staatssozialismus stehen linke Regierungen bei der Durchsetzung von Personalentscheidungen in den Veraltungshierarchien in der Öffentlichkeit schnell im Verdacht einer quasi stalinistischen Kaderpolitik. In der Konsequenz wurden auch in Berlin unter Rot-Rot-Grün nur zaghafte Veränderungen bei der Neubesetzung auf Abteilungs- und Referatsleiterebene in den Senatsverwaltungen vorgenommen. Verstärkt wurde diese Zurückhaltung sicher durch den Umstand, dass Personalfragen zu Beginn der Legislaturperiode insbesondere von der politischen Opposition und den Hauptstadtmedien auch auf die Tageordnung gehoben wurden, um das rot-rot-grüne Regierungsprojekt an sich zu delegitimieren. 

Die Erfahrung der letzten vier Jahre zeigt, dass eine Transformation des Verwaltungshandelns Zeit braucht und möglicherweise im Aufbau von neuen Strukturen besser gelingen kann als in der Vermittlung neuer Ziele und neuer Arbeitsweisen in den bestehenden Verwaltungsgliederungen. So bieten beispielsweise die Einrichtung von zusätzlichen Verwaltungseinheiten wie der Abteilung zur Kontrolle und Durchsetzung des Mietendeckels oder auch die Einrichtung der Wohnversorgung Berlin (AöR) gute Gelegenheiten, eine Kohärenz zwischen politischen Zielen und Personal zu erreichen. 

Auch die Faktoren Zeit und Kontinuität sind für das Verhältnis von Regierung und Verwaltung von erheblicher Bedeutung. Insbesondere wenn neue Politikansätze und Leitungsstile von den Beamten als vorübergehende Ausnahme wahrgenommen werden, sind strukturelle Anpassungen kaum zu erwarten. Auch weil damit die Gefahr verbunden wäre, längerfristige Karrierepläne zu gefährden, weil auf ein falsches Pferd gesetzt wurde. Eine längerfristige Verantwortung für die jeweiligen Zuständigkeitsbereiche könnte diese Transformationsblockaden aufheben und die Verteilung der Senatsverteilungen ist auch bei einer Fortsetzung einer rot-rot-grünen Regierung in Berlin eine zutiefst politische Frage. Insbesondere die stadt- und wohnungspolitischen Initiativen in Berlin befürchten einen Roll-back, wenn die Zuständigkeit für die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen nach der kommenden Wahl wieder bei der SPD liegen sollte.

Entfremdung von Regierung, Partei und Bewegung

Eine weitere Herausforderung für die Umsetzung einer transformativen Politik durch eine progressive Regierungsmehrheit liegt im widersprüchlichen Verhältnis zwischen der Regierung und den sozialen Bewegungen und Initiativen. Im Gegensatz zu konservativen und liberalen Parteien scheinen linke Regierungsparteien eine größere Hemmschwelle zu haben, das eigene Klientel in der Politikpraxis zu bevorzugen und orientieren sich grundsätzlich an einer Politik für möglichst viele. In der Konsequenz werden damit ausgerechnet jene Projekte ausgebremst, die für viele Basisinitiativen eine übergreifende und symbolische Bedeutung hatten. So hinterlässt es bei vielen einen bitteren Nachgeschmack, dass ausgerechnet unter Rot-Rot-Grün Hausprojekte wie die Liebigstraße 34 oder die Kiezkneipe Syndikat in Neukölln geräumt wurden oder dass es trotz verbaler Unterstützung von vielen Seiten in vier Jahren nicht gelungen ist, die Vergabe von öffentlichen Grundstücken an alternative Wohnprojektgruppen wie PS Wedding zu verwirklichen. Die Angst vor dem Vorwurf einer Klientelpolitik verkehrt sich so ins Gegenteil einer Zurückhaltung der Unterstützung von Projekten, die mit den eigenen politischen Programmen eigentlich auf einer Wellenlänge liegen. Das Haus der Statistik, der Beteiligungsprozess am Dragonerareal oder auch die Rekommunalisierung am Kottbusser Tor zeigen, dass eine Zusammenarbeit von Regierung, Verwaltung und Initiativen auch gelingen kann. 

Neben der widersprüchlichen Unterstützung von konkreten Projekten sorgte auch der teilweise technokratische Regierungsstil für Unmut bei vielen Initiativen. Statt von Beginn an das rot-rot-grüne Regierungsprojekt mit einer Rhetorik des Aufbruchs als Programm einer transformativen Veränderung zu vermitteln, wurde oft und lange vor allem die Verlässlichkeit und Beständigkeit einer linken Regierungskoalition betont. Die noch im Wahlkampf verkündete Haltung für die Notwendigkeit eines grundlegenden Wandels der Stadtpolitik droht so in Regierungsroutinen zu verpuffen und verliert insbesondere bei den Initiativen an Glaubwürdigkeit. Obwohl die Verschärfung des Zweckentfremdungsverbots, der Beschluss für einen Mietendeckel und auch die massive Ausweitung von Vorkaufsrechten in Milieuschutzgebieten als Ansätze für eine wirklich neue Orientierung im Interesse der Mieter*innen stehen, bleibt bei vielen Initiativen der Eindruck, dass die Ergebnisse von vier Jahre Rot-Rot-Grün hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind. Insbesondere der zögerliche Umgang bei der Restrukturierung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, dem Aufbau von Trägern des öffentlichen Wohnungsbaus oder der Fixierung einer anderen Liegenschaftspolitik wird von vielen Initiativen als Enttäuschung wahrgenommen. 

Die Regierenden selbst sehen sich angesichts der gleichzeitig erfolgenden Angriffe von Opposition und wirtschaftlichen Lobbygruppen oft in einer Position zwischen den Stühlen, in der es nicht gelingen kann, es allen Seiten rechtzumachen. Auch um den Preis einer polarisierten öffentlichen Debatte hätten hier klarere Positionierungen dem Profil eines progressiven Regierungsprojektes eher genutzt als geschadet.

Verwaltung in Bewegung bringen

Ein weiterer komplizierter Aspekt einer transformativen Politik ist das Verhältnis zwischen Basisinitiativen und der Verwaltung. Vor allem munizipalistische Politikansätze orientieren sich an einer direkten Implementation von Bewegungsforderungen in politische Programme und Instrumente und zielen auf den Ausbau der Kontroll- und Gestaltungspielräume für die Stadtgesellschaft. Damit verbunden sind zum einen Anforderungen an die Organisation der Verwaltungsarbeit, zum anderen an die Initiativen selbst (Brunner u.a. 2017). 

Das Urbanize! Festival 2018 in Berlin stand unter dem Motto „Bewegung Macht Stadt“ und stellte die Erfahrungen und Optionen einer Stadtpolitik von unten ins Zentrum, die sich nicht auf den Protest und die Begleitung von bestehenden politischen Institutionen beschränken, sondern auf eine aktive Gestaltung setzen. Voraussetzung dafür ist der Übergang vom Protest zum Programm – also all die Überlegungen, wie Forderungen für eine andere Stadtpolitik auch umgesetzt werden können. Die Berliner Initiativen haben mit dem „Mietvolksentscheid“, mit dem „Fahrradvolksentscheid“, mit Entwürfen für eine Reform des Sozialen Wohnungsbaus und auch mit der „Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen!“ in den letzten Jahren an vielen Stellen gezeigt, dass sie konkrete und umsetzbare Vorschläge entwickeln können. 

In kontroversen Debatten wurde über das Verhältnis von Basismobilisierungen und einer Institutionalisierung von Bewegungsansätzen gestritten. Insbesondere mögliche Wechsel von Aktivist*innen in die Verwaltungen wurde als widersprüchliche Entwicklung angesehen, weil sie zum einen mit der direkten Kontrolle der Implementationsebene einhergehen, zum anderen aber durch den Rollenwechsel die Entfremdung zu den Basisinitiativen beschleunigen. Darüber hinaus wurden auch Ressourcenaspekte deutlich: Wenn nach und nach Aktivist*innen aus den Basisgruppen in die Verwaltungsapparate wechseln, schwächt ein solcher Gang durch die Institutionen die originäre Expertise der Initiativen. 

Ein anderer Weg, die Durchsetzungsfähigkeit von Forderungen und Ideen der Stadtgesellschaft zu stärken, sind Institutionalisierungen der Kooperationsbeziehungen zwischen Initiativen und Verwaltungen. Beispiele wie die Planungsprozesse für das Haus der Statistik, das Dragoner Areal oder auch die Arbeit von Mieterräten oder der Runde Tisch Liegenschaftspolitik zeigen, dass Impulse von Basisinitiativen vor allem dann aufgegriffen werden, wenn es einen formalisierten Prozess der gemeinsamen Diskussionen gibt, bei denen Initiativen als gleichberechtigte Partnerinnen angesehen werden und nicht in einer Bittstellerfunktion verharren. Ein Teilaspekt dieser Professionalisierung von Initiativen ist sicher auch die Ausstattung mit Ressourcen, um das strukturelle Ungleichgewicht zwischen Vollzeitbeamten der Verwaltungen und Aktiven auszugleichen, die sich in ihrer Freizeit für eine Basisinitiative oder ein konkretes Anliegen engagieren. Die Einrichtung und Finanzierung des Initiativen Forums mit der Aufgabe, die Arbeit von Initiativen zu koordinieren und über regelmäßig organisierte Hearings im Abgeordnetenhaus eine Stimme zu geben, zeigt, wie die Stärkung von Basisinitiativen aussehen kann, ohne deren Eigenständigkeit in Frage zu stellen. In Friedrichshain-Kreuzberg steht die Einbindung des AKS Gemeinwohl oder der LokalBau in die Verwaltungsstrukturen des Bezirksamtes für einen Versuch, die Impulse von Initiativen unmittelbar in der Verwaltungsarbeit aufzugreifen.

Mut zum Aufbruch

Die Fortsetzung einer progressiven Stadtpolitik in Berlin wird stark davon abhängen, ob es gelingt, ein produktives Wechselverhältnis zwischen Regierung und Bewegung zu entwickeln. Im Koalitionsvertrag zwischen der SPD, der Linkspartei und den Grünen von 2016 wurden eine Reihe von Forderungen Berliner Stadtteil-, Umwelt- und Mieterinitiativen aufgegriffen. Vier Jahre Rot-Rot-Grün zeigen, dass es mit einer partiellen Übernahme von Inhalten nicht getan ist und transformative Politiken immer auch mit einer Transformation der Regierungsapparate einhergehen müssen. Dabei sollte die Stellung von Initiativen aus der Stadtgesellschaft einen größeren Stellenwert erhalten als in den letzten Jahren. 

Voraussetzung dafür wären ein gemeinsamer Diskussionsprozess über die Visionen der Stadtentwicklung in den kommenden Jahren. Statt Forderungen von Initiativen nur aufzugreifen, sind hier Beteiligungsformate gefragt, deren Ergebnisse für Regierung und Verwaltung als verbindliche Handlungsgrundlagen gelten. Die überaus aktive Berliner Initiativenlandschaft – von Fridays for Future über die zahlreichen Mieterinitiativen und Nachbarschaftsprojekte bis zur Clubkulturszene – sind die Voraussetzung, für einen grundlegenden Wandel der Stadtpolitik auch Unterstützung zu finden. Und die wird benötigt, denn in fast allen Bereichen muss eine soziale und ökologische Ausrichtung der Stadt und ihrer Institutionen gegen Widerstände von denen durchgesetzt werden, die von den aktuellen Verhältnissen profitieren. Die aufgeregten Debatten rund um den Mietendeckel oder die Sperrung der Friedrichstraße für den Autoverkehr geben einen Vorgeschmack auf die Auseinandersetzungen, die zu erwarten sind. 

Eine transformative Stadtpolitik braucht in den kommenden Jahren zudem den verstärkten Mut, auch die Strukturen der Verwaltung aktiver umzugestalten. So wird eine nachhaltige soziale Ausrichtung der Wohnversorgung oder auch ein notwendiges kommunales Wohnbauprogramm mit den als GmbH und Aktiengesellschaften organisierten landeseigenen Wohnungsunternehmen sicher nicht gelingen, weil zumindest die Geschäftsführungen soziale Vorgaben eher als Zumutungen und nicht als Zweck ihrer Gesellschaften ansehen. 

Eine munizipalistische Stadtpolitik steht für den Ansatz, „mit Mut und konkreten Utopien  (der) multiplen städtischen Krise (zu) begegnen, statt mit Angst und Angstmacherei wie rechte Bewegungen“ (Vollmer 2017, 147). In der Praxis setzen munizipalistische Regierungen auf eine inhaltliche, personelle und institutionalisierte Verbindung zu sozialen Basisbewegungen und orientieren sich bei der Entwicklung von neuen Wegen der Beteiligung, Entscheidungsfindung und Transparenz am Grundsatz einer radikalen Demokratisierung. Das schließt die Ermutigung und Stärkung sozialer Basisbewegungen sowie den Bruch mit der traditionellen Machtpolitik von Parteien und Lobbygruppen ebenso ein wie eine Dezentralisierung von Entscheidungen, Verantwortung und Macht zugunsten von Nachbarschaften, Gemeinschaften und Basisinitiativen. Inhaltlich steht eine munizipalistische Stadtpolitik für ein klares Bekenntnis zu öffentlicher Versorgung und Kontrolle der sozialen Infrastrukturen, für den grundsätzlichen Vorrang von Gemeinwohl gegenüber privaten wirtschaftlichen Gewinnen und für eine konsequente Orientierung daran, den ungehinderten Zugang zu sozialen Infrastrukturen für alle zu ermöglichen. 

Um das transformative Potenzial einer munizipalistischen Stadtpolitik auszuschöpfen, reicht es nicht, individuelle und kollektive Rechte für die Benachteiligten und Ausgegrenzten in den Städten einzufordern. Vielmehr braucht es den Mut, die Städte selbst als politische Körperschaften zurückzugewinnen, um soziale und ökologische Alternativen durchzusetzen und sich den Kräften entgegenzustellen, die ihren eigenen Gewinn an erste Stelle setzen (Harvey 2012).