Seit 1978 hat meine Lehre zu Marx wenig Forschungsliteratur behandelt, sie war aber interaktiv und darum bemüht, mit einer sich wandelnden und vielfältiger gewordenen Welt Schritt zu halten, auch im Bewusstsein darum, dass Marx’ Text auf deutsch geschrieben wurde. Großartige Projekte wie David Harveys Fernunterricht zur Einführung in Marx’ Schriften (2016) sind unterdessen zu Komplizen eines technologischen Willens zur Macht durch Wissen geworden. Was heißt es, zu „wissen“, was Marx geschrieben hat?
Ein „Wissen“ von Marx’ Schriften zu haben bleibt der alten Vorstellung verhaftet, derzufolge die Idee des Wissens immer ein Wissen des Wissens ist, was die 11. These noch vor ihrem Ziel- und Endpunkt ins Stocken geraten lässt: die supplementäre Aufgabe ist der Versuch, die Welt zu verändern. Die Wissensarbeit muss vom Double Bind eines Einzelunterrichts supplementiert werden, der unter Umständen Kollektiväten hervorbringen kann: die dritte These (Marx 1978 [1845], 5f.). Das Supplement ist gefährlich, weil es zu erkennen gibt, dass das, was als Totalität ausgegeben wird, eigentlich unvollständig ist. Es bringt das Unberechenbare ins Spiel, denn wir alle müssen auf alle Zeiten über das Gegebene hinausblicken, in eine nicht enthüllbare Zukunft des Gebrauchs – „Poesie aus der Zukunft“ (Marx 1960 [1851-1852], 117). Meine eigene Arbeit ist auf so unverblümte Weise supplementär, dass ich keinen Ahnenkult zu fürchten habe. In diesem Geiste habe ich die Frage nach einem globalen Marxismus gestellt.
Im Bemühen, mit einer vielfältigen und sich wandelnden Welt Schritt zu halten, werde ich wie andere vor mir (Baer 2006; Spivak 2012) versuchen, die urbanistische Teleologie von Marx in einen breiteren Zusammenhang zu stellen, und ich möchte dabei auch Marx’ eigene Einsicht in die Grenzen seines Denkens würdigen, wie sie sich in den Unterschieden zwischen den verschiedenen Fassungen seiner Antwort an Vera Sassulitsch kundtut (Marx 1987 [1881], 242-243 und 384-406).
Mein Argument kreist dabei um eine bekannte Bemerkung von Antonio Gramsci aus dem zehnten der Gefängnishefte, wo er über Marx (1961 [1859]) schreibt:
Die im Vorwort von Zur Kritik der politischen Ökonomie enthaltene Aussage, daß die Menschen das Bewußtsein von den Strukturkonflikten auf dem Terrain der Ideologien erlangen, muß als eine Feststellung von gnoseologischem [gnoseologico] und nicht bloß psychologischem und moralischem Wert betrachtet werden. Daraus folgt, daß auch das theoretisch-praktische Prinzip der Hegemonie selbst einen gnoseologischen Wert hat […] Die Verwirklichung eines hegemonialen Apparats determiniert – indem er ein neues ideologisches Terrain schafft – eine Reform des Bewußtseins und der Erkenntnismethoden. […] Wenn es gelingt, eine einer neuen Weltauffassung entsprechende neue Moral einzuführen, wird schließlich auch eine solche Auffassung eingeführt, wird also eine vollständige philosophische Reform bewirkt. (Gramsci 2012 [1932-1933], 1264).*
Bei Marxismus denken wir üblicherweise an einen gewaltsamen Umsturz der Regierungsform, der einen Systemwechsel sowie den Willen und die Weisheit einer Führungsfigur erfordert, die außerdem der Unterstützung durch eine verantwortungsvolle Regierung bedarf. Die vergangenen hundert Jahre haben uns gelehrt, dass der Erfolg dieses Systems zu einem großen Teil von der Stärke der jeweiligen Bevölkerung – entweder von ihrer Bildung oder von ihrer Widerstandskraft – abhängt, zusammen mit der Fähigkeit des Staatsoberhauptes, seine nationale Wirtschaft im Interesse der Umverteilung vor den Übergriffen der Weltwirtschaft zu schützen.
Die großen Revolutionen des 20. Jahrhunderts konnten diesem Modell nur bedingt gerecht werden, weil die heterogenen Bevölkerungen des Russischen Reiches und Chinas, der Mammute Eurasiens, nicht im gleichen Maße gebildet und widerstandsfähig und eher ländlich als urban geprägt waren, zu sehr von charismatischen Führern abhingen (wie es auch auf dem Balkan der Fall war) und ihr Verständnis von geschlechtsspezifischer Ermächtigung zu mechanisch war.
Heutzutage wird dieses Modell einer charismatischen Führungsfigur, die von einer widerstandsfähigen oder engagierten Bevölkerung unterstützt oder auch herausgefordert wird, vom unpersönlichen, anti-humanistischen und selektiven Absolutismus des globalen Kapitalismus bedroht. Die vermeintlich gebildeten Nationen des sozialistischen oder sozialdemokratischen Sektors in Europa arbeiten derweil daran, die Ressourcen des Wohlfahrtsstaates neu zu verteilen, entweder als Reaktion auf das, was man eleganterweise „sichtbare Minderheiten“ nennt – Minderheiten, die angesichts der brutalen Ungleichheit und Gewalt/Korruption, die mit dem abstrakten Marsch eines vor den Karren regelloser Gier gespannten Kapitals einhergehen, in diese „entwickelten“ Länder migrieren –, oder sie richten sich gegen die Miniaturglobalität der Europäischen „Union“, die in Wirklichkeit eine Ansammlung von Gläubiger- und Schuldnerstaaten ist. Die postkolonialen Nationen sind hingegen neopatrimonial und bedienen sich demokratischer Strukturen, um den Status quo zu erhalten. Zwischen Wirtschaftswachstum und sozialer Teilhabe besteht kein Zusammenhang.
Marx wusste um die Natur des Kapitals, auch wenn er nichts von unserer weltläufigen Moderne wissen konnte. Er sprach davon, dass das Kapital sich mit Gedankenschnelle* bewegen würde, wenn es nur könnte (Marx 1983 [1857-1858], 453 und 531). In Zeiten der Siliziumchips bewegt sich das Kapital noch viel schneller. Die Neuroethiker können bislang lediglich beschreiben, wie sich das Gehirn in den Modalitäten von richtig und falsch verhält. Es ist ihnen bisher nicht gelungen, den Computer im Kopf aufzurüsten, auch wenn Silizium-Technologen behaupten, dass man die neuesten Robotermodelle auf Empathie programmieren könne.
Im Mai 2016 habe ich zahlreichen Sitzungen des Weltwirtschaftsforums zu Afrika in Kigali, Ruanda, beigewohnt. Das Forum „Afrikas vierte industrielle Revolution“ wurde auf eine flotte, britische Art geleitet. Jon Ledgard, Direktor von Afrotech & Future Africa an der École Polytechnique Fédérale de Lausanne und Gründer von RedLine Droneports und Cargo Drone Network, sagte in seinem Vortrag, dass man in Afrika auf absehbare Zeit keine Straßen und Eisenbahnen bauen werde, der Himmel aber bei weitem noch nicht ausgelastet sei. (Eine der vorangehenden Sitzungen drehte sich um die Liberalisierung der Luftfahrt). Der Verkehr solle daher über Drohnen-Häfen und von Robotern abgewickelt werden. Es scheint, dass ein solcher Drohnen-Hafen in Ruanda schon in Auftrag gegeben wurde, vielleicht irre ich mich aber auch und er wurde bereits eröffnet.
Der ganze Diskurs des Forums erinnert an einen Passus aus „Die trinitarische Formel“, in dem Marx bemerkt, dass diejenigen, welche die schrankenlose soziale Produktivität des Kapitals allein propagieren, den Raub des „Mehrwerts“ glücklich beseitigt hätten (Marx 1964 [1894], 822). Steve Resnick und Rick Wolff (1987) haben uns dagegen gelehrt, wie man die Kette solcher Versprechen immer weiter zurückverfolgt, bis man doch wieder bei der Tatsache angelangt, dass es der Raub des „Mehrwerts“ ist, der das Kapital florieren lässt.
„Wer wird die Drohnen bauen“? „Fab Labs“, erwiderte ein weiterer Teilnehmer, Neil Gershenfeld vom MIT: Sich des Digitalen so bedienen, dass du selber bauen kannst, was immer du möchtest, und dabei 2D in 3D verwandeln. Als ein junger Afrikaner nach der Arbeitslosigkeit im heutigen Afrika fragte, rief uns Gershenfeld dazu auf, unsere Vorstellung davon, wie man an Güter kommt, zu überdenken: Einen Job finden und Geld verdienen, um damit dann Güter zu erwerben, sei nicht die einzige Möglichkeit. Man könne auch alles, was man begehrt, selber herstellen.
„Um ein neues Fab Lab ins Leben zu rufen, muss man genug Komponenten aus dem Software- und Hardware-Inventar zusammenbringen, um Menschen und Projekte mit anderen Fab Labs teilen zu können“, heißt es auf der Website. Wenden Sie hier die Lektion von Resnick und Wolff an: Finde den Raub des Mehrwerts am Ende der Kette.
Sie werden sich an das Erstaunen von Leuten wie James Steuart oder Adam Smith erinnern, als sie sich plötzlich mit der Erfindung einer Arbeitsweise konfrontiert sahen, bei der man Güter weder für sich selber noch für jemanden, der oder die einen darum gebeten hätte, herstellt, sondern die in großer Stückzahl produziert, nur um dann zu verkaufen und damit Geld zu verdienen, immer und immer wieder. James Steuart nannte diese Arbeitsweise, die ganz anders war als alles, was man bisher gesehen hatte, „Industrie“ (Steuart 1966 [1767], 468). Auf manchen Seiten, besonders auf den ersten Seiten von Der Wohlstand der Nationen, wimmelt es nur so von Ausrufezeichen (Smith 1999 [1776]): die große Überraschung, den Begriff des Herstellens ganz neu denken zu müssen. Hier, unter diesen neuen Rahmenbedingungen und auf dem Höhepunkt der technologischen Entwicklung, werden uns nun Wege aufgezeigt, zu jener anderen Produktionsweise zurückzukehren, wobei man aber leugnet, dass diese historischen Bedingungen ja weiter fortbestanden haben und sich mit diesem neuen Versatzstück digitalen Idealismus natürlich verschieben würden. Hier ist nicht der Ort, dieses Problem zu diskutieren, zumal mir selbst dazu das Rüstzeug fehlt. Ich möchte es aber als ein extremes Beispiel für die Versprechungen der Globalisierung anführen, in die auch der Fernunterricht verstrickt ist. Ändere einfach deine Vorstellung von der Interaktion des Lernens – von seiner Übertragung – und schon kannst du wissen, was Marx wirklich gedacht hat, und dabei bist du auch noch in der Lage, dir deinen Computer in einem Fab Lab selber zu bauen.
Was das Programm (wir haben über Roboter gesprochen) aber nicht erfassen kann, ist das Kontingente als solches. Das Streben nach dem Kontingenten ist die äußerste Grenze des technologischen Willens zur Macht durch Wissen. Die Fähigkeit, sich vom Kontingenten überraschen zu lassen, schwindet aber zusehends, weil auf der ganzen Welt für eine (Aus-)Bildung der Vorstellungskraft nur negative Anreize gesetzt werden. In diesem Mangel verorte ich die anhaltende Notwendigkeit dessen, was man auf eine etwas unkenntliche Art und Weise „globalen Marx“ nennen kann. Ist das wirklich der treffendste Name für das, was ich hier zu beschreiben versuche? Diese Frage findet im Fragezeichen meines Titels ihren Widerhall: „Marx global?“
Ehe auch ich mich dem Streben nach dem Kontingenten anschließe, möchte ich auf Antonio Gramscis Kommentar zum Vorwort von Zur Kritik der politischen Ökonomie zurückkommen: Marx’ „Aussage […] muß als eine Feststellung von gnoseologischem […] Wert betrachtet werden“.
„Gnoseologisch“: zur Logik der Gnosis gehörend, wissen; ein Wortfragment, das im umgangssprachlichen Englisch noch in Gebrauch ist: Diagnose, Prognose – Wörter, die sich auf das Heilen und die Unmöglichkeit des Heilens beziehen: der Double Bind des Heilens.
Quintin Hoare und Geoffrey Nowell-Smith, die englischen Übersetzer der Gefängnishefte, übersetzen Gramscis gnoseologico mit „epistemologisch“ [epistemological] (Gramsci 1971).* „Tatsächlich besteht zwischen ‚gnoseologico‘ und ‚epistemologisch‘ kein Unterschied“, schreibt auch der italienische politische Philosoph Michele Spanò. Und doch handelt es sich um zwei verschiedene Wörter. Ihre angebliche Identität ist daher eine Heterotautologie. In dieser Differenz-als-Identität einer reibungslosen Übersetzung möchte ich die heutige Globalisierbarkeit von Marx verorten.
„Gnoseologisch“: Lerne, dich der Worte gut zu bedienen; „epistemologisch“: Lerne, mithilfe der Vorstellungskraft, dich selbst als Wissende und das Objekt des Wissens als das Erkennbare neu zu denken und versuche so, deinen Worten Taten folgen zu lassen.
Ich habe weiter oben gesagt, dass dem Wort „gnoseologisch“ in den Wörtern Diagnose und Prognose ein Double Bind innewohnt: Heilen als die Unmöglichkeit, zu heilen; nicht nur in Bezug auf individuelle, sondern auch hinsichtlich sozialer „Abnormalitäten“. Für diejenigen, die mit dem Konzept des Double Bind nicht vertraut sind: Sagen wir, es bedeutet, widersprüchlichen Anweisungen ausgesetzt zu sein, die aber gleichermaßen imperativ sind. Gramsci erkennt, dass Marx versucht, den/die Arbeiter*in in den Double Bind der Kontamination körperlicher durch geistige Arbeit einzuführen – nicht nur in das Wissen der Technologie des Kapitals, sondern in dessen Gnoseologie –, so dass jede*r Arbeiter*in ein „Dirigent“ werden kann. Dies ist die Aufgabe des/der neuen Intellektuellen, sowohl in der Partei als auch in der bürgerlichen Gesellschaft*. Leadership Training für alle.
Marx’ Vorwort wurde 1859 geschrieben, der Hauptteil von Zur Kritik zwischen 1861 und 1863 verfasst. Wie die mehrsprachigen Notizbücher, die als Grundrisse bekannt sind und 1939 zum ersten Mal veröffentlicht wurden, war auch diese Arbeit eine Vorarbeit zum ersten Band von Das Kapital (Marx 1962 [1867]). Wie wir aus seinem Brief an Engels von 1862 wissen, entdeckte Marx im Laufe all dieser Arbeiten das Geheimnis des Mehrwerts, das er im ersten Band des Kapital als den „Springpunkt“* seiner Kritik bezeichnet – damit änderte sich alles (Marx 1962 [1867], 56). Er hatte das Geheimnis reproduktiver Heteronormativität entdeckt, dass nämlich jeder Exzess beim Menschen und den höheren Primaten aus der Differenz zwischen Notwendigkeit und Produktion hervorgeht. Marx hat es in menschlichen Begriffen gefasst: Der Arbeiter schießt dem Kapitalisten seine Arbeit vor, und der Kapitalist zahlt weniger zurück, als er aus der Arbeit gewinnt, weil der Arbeiter weniger benötigt, als er herstellt. Und er hat es in rationalen Begriffen ausgedrückt: Arbeitskraft ist die einzige Ware, die, wenn sie konsumiert wird, Wert erzeugt.
Das „Vorwort“ von Zur Kritik der politischen Ökonomie stammt aus einer Zeit, als die einzigartige Logik des Mehrwerts noch nicht der alles beherrschende Gedanke für Marx geworden war. Hier liegt der Schwerpunkt in der Tat auf der Gnoseologie: Man muss wissen, dass die Ideologie reicher an Widersprüchen ist als der wissenschaftlich präzise, ökonomische Unterbau, und es geht darum, dieses Verhältnis herauszukitzeln. Trotzdem eröffnet dieser Text bereits die Möglichkeit, von der Gnoseologie (das richtige Zeug wissen und die richtigen Grundsätze aufstellen, David Harvey) auf die Epistemologie (die bürgerliche Gesellschaft als Objekt des Wissen konstruieren) zurückzugehen, insofern er uns nicht daran hindert, die ideologische Produktion des Schreibenden selbst miteinzubeziehen, und weil er uns in die Richtung unserer eigenen Verstrickung „im Schoß der alten Gesellschaft“ drängt und so unsere Komplizenschaft mit den vorherrschenden Produktionsverhältnissen betont (Marx 1961 [1859], 9). Denn was ist dieses Vorwort, wenn nicht ein Zeugnis epistemologischer Performanz? Ein Philosophiestudent mit Jura im Nebenfach begibt sich in die Schule, um der Autor jenes Textes zu werden, in den uns dieses Vorwort einführt. Der letzte Schritt – der uns, die wir Marx lehren und studieren, überlassen bleibt – besteht darin, dieses scheinbar an sein Ende gelangte Narrativ auf die Beharrlichkeit des Weitermachens hin zu öffnen – ein anhaltender Einsatz für das Historische und die Generationen.
Warum erwähne ich in einem Text über globalen Marxismus überhaupt das Weltwirtschaftsforum? Um eine Praxis zu schmieden, die sich ihre eigene Komplizenschaft mit jedem Detail des von Konzernen bestimmten Weltbetriebs eingesteht, auch wenn sie nicht immer einvernehmlich ist. Wie eine kosmopolitische Revolution aussähe, kann ich nicht wissen. Ich weiß aber, dass wir uns ihren Hauptakteur nicht mehr als einen kollektiven Akteur vorstellen können, der sich seiner politischen Interessen in einem internationalen Rahmen bewusst würde und auf dieser Grundlage aktiv an einer Veränderung staatlicher Strukturen mitwirkte. Trotz des bereits erwähnten Nachweises von Resnick und Wolff, dass der Raub des Mehrwerts, auf dem der industrielle Kapitalismus fußt, weiterhin eine zentrale Rolle spielt, müssen wir zugestehen, dass der industrielle Kapitalismus heute nicht mehr von jener klar umrissenen Arbeiterklasse des 19. und frühen 20. Jahrhunderts produziert wird. Angesichts des globalen Kapitalismus wird der Kampf für eine „andere Welt“ in der diskontinuierlichen Konfrontation zwischen einer internationalen Zivilgesellschaft, die diesen Namen zu unrecht trägt, und dem oder der subalternisierten Bürger*in ausgetragen. In dieser Konfrontation, in der die internationale Solidarität vom Nationalismus unterlaufen und die Fabrikhalle durch elektronische Ressourcen „pulverisiert“ worden ist, ist dann auch der Ort der Arbeit selbst diskontinuierlich.[1] Auch das WEF ist gnoseologisch, insofern es ihm um die Techniken des Wissensmanagements geht. Ich möchte diesen ersten Teil daher mit einer Kritik des Wissensmanagements beschließen, indem ich Marx mit einem Fragezeichen auf die Globalität hin öffne. Aus diesem Grunde habe ich hier auf eine Komplizenschaft – eine Verstrickung – hingewiesen: Sowohl das 19. Jahrhundert mit seinem Glauben an den wissenschaftlichen Sozialismus als auch das 21. Jahrhundert mit seinem Glauben an die Produktivität des globalisierten Kapitals gemahnen an jenes katastrophale Bündnis von Kommunismus und Kapital im 20. Jahrhundert, das Resnick und Wolff in ihrer sorgfältigen Analyse der ehemaligen Sowjetunion untersucht haben (2002).
Im Prinzip versucht das Weltwirtschaftsforum, durch ‚Entwicklung‘ „den Zustand der Welt zu verbessern“, das heißt: Eingang in den Kreislauf des Kapitals ohne Bildung eines kritischen Subjekts (Spivak 2017). Die beharrliche epistemologische Transformation des Gnoseologischen – des allwissenden Forschungsflügels von ‚Forschung und Entwicklung‘ – wird dabei vernachlässigt, vom Forum ebenso wie von den innovativen Arbeiten zu neuen Methoden in der Feldforschung (Lederman 2016). Es geht darum, die ‚unternehmerische Sozialverantwortung‘ zu stärken, indem man sie mit Werten wie „Menschenwürde“ und „Gemeinwohl“ verschränkt. Die Tatsache, dass man solche Werte unterschiedslos allen zuweist, ist Ausdruck davon, dass die epistemologische Anstrengung, jene grundlegende Heterogenität von Entwicklern und Entwickelten zu erfassen, versagt hat – von der Differenz zwischen den Forschungsmethoden von F&E und politischen Maßnahmen ganz zu schweigen. Möchte man sich ernsthaft mit der Möglichkeit einer gerechten Welt auseinandersetzen, muss man das Verhältnis von Politik und Vergesellschaftung in den Blick nehmen; dieser epistemologische Aufruf ist sehr weit von einer „globalen volonté générale“ entfernt. Einem globalen Marx kommt hier die Aufgabe zu, den engen Fokus auf den Proletarier zu sprengen und sich der im Kraftfeld von Klasse, Geschlecht und Race stehenden (Nicht-)Bürgerin zu öffnen.