Ich bin mir der Schwierigkeiten und der Verantwortung vollkommen bewusst, mir ist bewusst, dass die Vision eines wirtschaftlich autarken, sozial gerechten und national stolzen Griechenlands durch die zusammenschlagenden Felsen eines hart geführten und schwierigen Verhandlungsprozesses mit unseren Partnern auf europäischer Ebene führt. Sie führt jedoch auch durch unsere Entschlossenheit, mit den Missständen und Fehlfunktionen hier in unserem eigenen Land auf Konfrontationskurs zu gehen. Uns gegen ein Regime der politischen und wirtschaftlichen Macht aufzulehnen, das unser Land in den letzten Jahren in die Krise und international in Misskredit gestürzt hat.
Der Weg des Wiederaufbaus und des Aufrichtens unseres Landes wird lange Jahre andauern. Gestützt auf die unerschöpflichen Kräfte eines vereinten und souveränen Volkes werden wir die Vision zur Realität machen. Mit dem anhaltenden Vertrauen und der Unterstützung unseres Volkes werden wir ein wirtschaftlich selbständiges, unabhängiges und souveränes Griechenland aufbauen, einen gleichberechtigten Partner in der Europäischen Union und der Eurozone.
Durch eine unabhängige, mehrdimensionale und aktive Außenpolitik werden wir die unerschöpfliche geopolitische Dynamik unseres Vaterlandes nutzen, um den Frieden, die Stabilität und strikte Anwendung des Völkerrechts in unserer fragilen Region zu verteidigen.
Dies alles werden wir erreichen, weil wir einen realistischen Plan haben, weil wir eine Verhandlungsstrategie haben, aber vor allem, weil wir keine Verpflichtungen außer einer einzigen haben, nämlich dem Interesse unseres Volkes zu dienen, dem nationalen Interesse zu dienen.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, bevor ich die Regierungserklärung in ihren Einzelheiten vorstelle und um das Vertrauensvotum des Parlaments für unsere Regierung bitte, ist es mir ein Bedürfnis, ein weiteres Mal von dieser Stelle aus den griechischen Abgeordneten aber auch den griechischen Bürgerinnen und Bürgern in ihrer Gesamtheit zu versichern, dass es der unwiderrufliche Entschluss unserer Regierung ist, die vor den Wahlen von uns gemachten Zusagen im vollen Umfang zu ehren und bei absoluter Wahrung des Volkswillens einzuhalten, der bei den jüngsten Wahlen zum Ausdruck kam.
Diese Verpflichtung stellt den nicht verhandelbaren Kern unserer Politik in allen Fragen dar, die unmittelbar alle griechischen Bürger betreffen, ohne Ausschlüsse und Ausnahmen.
Für mich persönlich aber auch für jedes Mitglied der Regierung ist diese Verpflichtung eine Sache der Ehre, der Glaubwürdigkeit und des Respekts für die Demokratie. Wir erleben in den letzten Tagen täglich das Vertrauen der griechischen Bürger – unabhängig von ihrer Präferenz bei den letzten Wahlen – und wir sehen die Rückkehr der Hoffnung, des Optimismus, der Würde und des Stolzes. Wir fühlen ihre Erwartung auf Fortschritt und soziale Gerechtigkeit. Es ist also unsere demokratische Verpflichtung, aber auch unsere Pflicht, sie nicht zu verleugnen, sie nicht zu enttäuschen.
Nach fünf Jahren der Barbarei der Memoranden verkraftet unser Volk keine weiteren Enttäuschungen mehr, keine weitere Frustration. Und deshalb hat es bei diesen Wahlen eine mutige Entscheidung getroffen. Es hat sich nicht terrorisieren lassen, erlag nicht den Drohungen und der Propaganda der Angst, denn es wußte, dass diejenigen, die es bedrohten, das Land und die Menschen in eine vollkommene wirtschaftliche, politische und moralische Sackgasse geführt haben.
Wir werden kämpfen, um diese Sackgassen nach innen wie nach außen zu beseitigen, indem wir das Funktionieren der Demokratie wiederherstellen. Allem voran das Funktionieren des Parlaments, das faktisch durch andauernde Gesetzgebungsakte abgeschafft worden ist. Wir werden kämpfen, um die Respektierung und Einhaltung der griechischen Verfassung wiederherzustellen und darum, die Gründungsprinzipien und -werte des vereinten Europas wiederzugewinnen, eines Europas der Solidarität, des sozialen Zusammenhalts, des Wachstums und der Demokratie.
Ich bin sicher, dass unsere Regierung zusammen mit den Frauen und Männern, die unsere Anstrengungen unterstützen, in einem Rahmen der nationalen Verständigung und mit der nationalen Rettung als einziger Maßgabe, im kollektiven Gedächtnis als die Regierung haften bleibt, die ihr Wort gehalten hat und jede einzelne Griechin und jeden einzelnen Griechen auf gerechte, unbeirrbare Weise und ohne Rückschritte vertreten hat, all jene, in deren Namen und Auftrag ich heute vor Ihnen stehe.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, die Landschaft in Griechenland und in Europa ist nach wie vor schwierig aber sie ist schon eine andere. Die Agenda verändert sich. Griechenland bleibt weiterhin im Mittelpunkt des internationalen Interesses, aber zum ersten Mal nach vielen Jahren mit einem positiven Vorzeichen, als Protagonist, nicht als Statist.
In einem Verhandlungsprozess, der endlich begonnen hat, unterbreitet die hellenische Republik, Griechenland, Vorschläge und ist nicht Empfänger von Weisungen auf elektronischem Wege.
Uns ist sehr wohl bewusst, dass dieser Verhandlungsprozess nicht leicht sein wird, dass wir einen steinigen Weg vor uns haben, aber wir vertrauen in unsere Kräfte und wir werden es schaffen, vor allem weil wir offenkundig bei diesen Verhandlungen das Recht auf unserer Seite haben.
Unter der Verantwortung sowohl der früheren Regierungen wie auch unserer Partner wurde dem griechischen Volk ein Austeritätsprogramm auferlegt, von dem wir mit mathematischer Sicherheit wussten, dass es nicht zu einer vorübergehenden Rezession sondern zu einer langjährigen Störung der Wachstumsmöglichkeiten des Landes und zu einem beispiellosen Schrumpfen der griechischen Wirtschaft führen würde, was auch eingetroffen ist.
Nach fast fünf Jahren extremen Sparens haben wir ungefähr ein Viertel des Sozialprodukts verloren. Mehr als eineinhalb Millionen unserer Mitbürger haben ihre Arbeit verloren, während über zweieinhalb Millionen gezwungen wurden, unter der offiziellen Armutsgrenze zu leben. Gleichzeitig ist die Staatsverschuldung von 124% des Bruttosozialprodukts auf 180% in die Höhe geschossen. Die Produktionsbasis unserer Wirtschaft ist auseinander gebrochen, eine beispielloser Prozess von Desinvestition und interner Entwertung hat stattgefunden, der eine explosive Mischung aus Rezession und Deflation schuf, die jegliche Aussicht auf wirtschaftliche Erholung ausschlaggebend behindert.
Das Unglück ist allerdings nicht nur, dass die scheidende Regierung die Umsetzung eines Politikmixes akzeptiert hatte, das mit mathematischer Sicherheit Wirtschaft und Gesellschaft gegen die Wand fahren würde. Das Unglück ist, dass die scheidende Regierung dafür Sorge trug, nach ihrem Abtreten verbrannte Saat und zerstörte Brücken zu hinterlassen. Sie sorgte unter ihrer alleinigen Verantwortung dafür, einen erdrückenden Verhandlungsrahmen für die neue Regierung zu schaffen, um somit das Land zu nötigen, sich wieder in ein Abenteuer, ein zu hartes Memorandum zu begeben.
Und dies sage ich Ihnen nun, in Kenntnis der Sachlage, nachdem ich von meinen Kontakten zu Amtsträgern der Europäischen Kommission erfuhr, dass die ursprüngliche Entscheidung unserer Partner die sechsmonatige Verlängerung des Programms war, und erst nach Insistieren der griechischen Seite, die zeitliche Frist auf den 28. Februar festgelegt wurde.
Somit enthüllt sich nun uns allen, welches das Ziel der scheidenden Memorandums-Regierung und der Memorandums-Kräfte in unserem Vaterland war und ist. Es waren und bleiben die erstickend engen Fristen, die Erpressung Griechenlands und letztendlich das Scheitern der neuen griechischen Regierung, also – und achten Sie darauf - das Scheitern Griechenlands, damit sie Recht behalten.
Was sie allerdings außer acht ließen bei ihrer Illusion einer kurzen Parenthese in der Memorandumspolitik, war, dass es bei diesen Verhandlungen nicht nur Technokraten gibt. Es gibt auch einen wesentlichen Faktor, den Faktor des Volkes, des griechischen Volkes und der europäischen Völker, die eine derartige Entwicklung nicht erlauben werden!
Die Bürger in Griechenland und in anderen europäischen Ländern sind schon mobilisiert, erklären ihre Solidarität und Mithilfe. Wir danken ihnen und fordern sie auf, wachsam zu bleiben.
Ihre Solidarität und Mithilfe sind wertvoll. Nur durch ihre Unterstützung werden wir aus der Sackgasse, in die uns die Memoranden geführt haben, steuern können. Nur durch ihre Unterstützung werden wir es schaffen, Griechenland, aber auch Europa, aus dem Teufelskreis von Austerität, Rezession und Deflation herauszuholen.
Denn unsere Strategie betrifft nicht nur Griechenland. Sie betrifft die Völker aller europäischer Länder. Denn das Problem ist ja nicht allein ein griechisches. Es war zu keinem Zeitpunkt nur ein griechisches. Die Krise ist nicht nur eine griechische. Die Krise ist eine europäische und also wird die Lösung ebenfalls eine europäische sein.
Bei diesen hart geführten und beharrlichen Verhandlungen kann Griechenland eine positive Katalysatorrolle bei den Entwicklungen spielen, mit dem einen Ziel: dass wir zu einer Lösung gelangen, die für beide Seiten - für Griechenland und für unsere Partner – von Nutzen sein wird.
Wir wiederholen in aller Deutlichkeit: Griechenland will seine Schulden bedienen. Wenn dies auch der Wunsch unserer Partner ist, so sind sie aufgefordert, mit uns an den Verhandlungstisch zu kommen, um gemeinsam den Modus und die technischen Mittel zur Erreichung ihrer Tragfähigkeit zu beschließen. Die Höhe der Schulden - die im Übrigen seit gestern die 180%-Marke überschritten haben - macht deren Rückzahlung unmöglich. Das ist es, was wir versuchen zu erklären. Das Problem der griechischen Schulden ist nicht ein Problem technischer Natur. Es geht hierbei nicht um eine Frage der technischen Umsetzung von bestimmten Entscheidungen. Es geht um ein Problem politischer Natur und politischer Entscheidungen.
Je mehr unsere Partner auf Austerität beharren, um so mehr wird sich die Schuldenproblematik reproduzieren und verschärfen.
Wenn wir uns also darauf einigen, dass die Austerität katastrophale Folgen hat, wird sich die technische Lösung für eine Umstrukturierung der Schulden und die Rückzahlung auf dem Wege von Verhandlungen und des gegenseitigen Einverständnisses finden.
Unser Ziel ist nicht, eine Bedrohung für das Gleichgewicht in Europa zu sein. Im Gegenteil, wir sind es, die sich wünschen, dass das Gleichgewicht in Europa wieder hergestellt wird. Wir sind die Hoffnung auf die großen und notwendigen Veränderungen, über die in Europa diskutiert wird und die Europa umsetzen muss.
Wunsch, Bestreben und Aufgabe der neuen Regierung der sozialen Rettung ist, die institutionellen und fiskalischen Verpflichtungen, die in der Mitgliedschaft unseres Landes in der Eurozone begründet sind, mit dem absoluten Respekt vor dem Prinzip der Volkssouveränität zu verbinden. Die Respektierung der Haushaltsziele des Stabilitäts- und Wachstumspakts ist in der Tat eine europäische Verpflichtung des Landes. Die Austerität jedoch nicht.
Solidarität und gleichberechtigte Zusammenarbeit unter den Mitgliedstaaten steht in den Verträgen über die Europäische Union. In den Verträgen ist nicht die Rede von Austrerität und Memoranden. Grundprinzip des Vereinten Europas ist der Respekt vor dem demokratisch geäußerten Willen seiner Völker.
Aus diesem Grund stellen wir nach allen Seiten hin klar, was für uns nicht verhandelbar ist: Wir verhandeln nicht über unsere nationale Souveränität, wir verhandeln nicht über die Volkssouveränität, wir verhandeln nicht über das Mandat der Wahlen vom 25.Januar!
Das griechische Volk gab uns ein starkes und eindeutiges Mandat für das sofortige Ende der katastrophalen Austerität und für eine Änderung der Politik. Folglich wurde das berüchtigte Memorandum zuallererst durch das eigene Scheitern und seine verheerenden Folgen abgeschafft. Zweitens – was noch wichtiger ist – durch das Urteil des griechischen Volkes.
Aus diesem Grund, Kolleginnen und Kollegen, ist die neue Regierung nicht berechtigt, die Verlängerung des Memorandums zu fordern, denn sie ist nicht berechtigt, die Verlängerung der Fehler und der Katastrophe zu fordern.
Auch ist es nicht möglich, dass heute im Namen technischer Schwierigkeiten von der neuen Regierung die Erweiterung eines Programms verlangt wird, das erst kürzlich, vor wenigen Tagen, vom griechischen Volk missbilligt wurde. Und dass es allein aus dem Grund gefordert wird, um das Taktieren und die kleingeistigen politischen Zweckmäßigkeiten von politischen Kräften im Lande besser zu bedienen.
Was die neue griechische Regierung bei den Verhandlungen mit den Partnern anstrebt, ist eine bis einschließlich Juni geltende neue Vereinbarung in einem Überbrückungsprogramm, eine „Brücken-Vereinbarung“, wie wir sie nennen. Um somit den fiskalischen Raum zu erhalten, der für eine aufrichtig geführte Verhandlung über die notwendige Umstrukturierung der Schulden und ein neues Programm für die Zusammenarbeit und das Wachstum zwischen Griechenland und seinen europäischen Partnern erforderlich ist.
Viele auch wohlgesinnte Stimmen stellen die Frage: „Kann das in den kommenden fünfzehn Tagen erreicht werden?“
Die Kontakte, die ich mit den ranghohen Vertretern der Institutionen der Europäischen Union hatte, haben mich davon überzeugt, dass es trotz aller Schwierigkeiten möglich ist.
Selbstverständlich kann es mehrere Themen geben, deren Lösung möglicherweise eine längere Verhandlungszeit erfordern, wie beispielsweise die Schuldenproblematik. Hinsichtlich der meisten Fragen allerdings sind wir absolut bereit mit einem vollständig ausgearbeiteten Programm und - wenn die Bereitschaft besteht - auch morgen früh mit Vorschlägen zu einer Übereinkunft zu gelangen.
Die griechische Regierung verfügt über einen ausgearbeiteten Plan, sie ist nicht gerade dabei ihn erst zu erschaffen, und über Vorschläge, die realisierbar und imstande sind, die Grundlage einer Übereinkunft zu bilden, die von beiden Seiten akzeptiert werden kann.
Der neue Vertrag zwischen Griechenland und Europa, der in einem mittelfristigen Programm zum nationalen Wiederaufbau festgehalten wird, wird die Regeln des Funktionierens der Eurozone respektieren, ohne dabei die griechische Wirtschaft zu einer andauernden Rezession zu verdammen und ohne dass gleichermaßen absurde wie realitätsferne Primärüberschüsse vorgesehen werden, die letztlich nur eine anderes Wort für Austerität sind.
Ich möchte dem Parlament und dem griechischen Volk versichern, dass wir uns standhaft und unbeirrt um eine nachhaltige Übereinkunft mit unseren Partnern bemühen. Und ich möchte Ihnen auch versichern, dass ich sogar zuversichtlich bin, dass uns dies gelingen wird. Denn diese Übereinkunft wird gleichzeitig ein Signal dafür sein, dass Europa an seinen demokratischen Prinzipien und Traditionen, an der Respektierung der Demokratie und der Stimme des Volkes festhält. Europa darf nicht die Fehler der dunklen Vergangenheit wiederholen. Es darf nicht ein Volk in die Demütigung und die Erniedrigung führen. Und dies vor allem, weil Europa nicht ein weiteres Mal eine Epoche des Grauens durchleben darf, um nicht Hass zwischen den Völkern neu zu schüren, sondern Verständnis und Solidarität zwischen den Völkern walten zu lassen. Darin besteht heute die Wette des vereinten Europas.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, der Zeitplan, den wir unseren Partnern vorschlagen, ist auch der Rahmen, der unsere politischen Maßnahmen festlegen wird. Maßnahmen, die der Notwendigkeit nachkommen, ein Haushaltsgleichgewicht und einen ausgeglichenen Haushalt zu gewährleisten, die aber gleichzeitig auch die soziale Katastrophe angehen und der Austerität und der humanitären Krise ein Ende setzen. Die Erreichung von ausgeglichenen Haushalten, wissen Sie, ist nicht eine Frage der Verpflichtungen, die wir gegenüber unseren Partnern eingegangen sind. Sie ist die Voraussetzung für unsere wirtschaftliche Autarkie, und also unserer nationalen Souveränität, sie ist die Voraussetzung für die starke Verhandlungsposition des Landes und schließlich für den positiven Ausgang des Verhandlungsprozesses.
Der Grund dafür ist einfach: Je weniger Geld einem fehlt, um so unabhängiger ist man, um so resistenter gegen Ausübung von Druck. Aus diesem Grunde wurde auch unser Programm für die Bedingungen eines ausgeglichenen Haushalts konzipiert, was jedoch - wie wir alle wissen – auch das patriotische Gefühl der Verantwortung von einem Jeden und einer Jeden, von jeder Griechin und jedem Griechen erfordert, die wir auffordern in dieser schweren Stunde, der nationalen Anstrengung den Rücken zu stärken.
Größte Priorität unserer Regierung ab Mittwochmorgen wird die Bewältigung der tiefen Wunden des Memorandums, die Bewältigung der humanitären Krise in unserem Vaterland sein, wie vor den Wahlen versprochen haben.
Die konkreten Maßnahmen werden die kostenlose Versorgung mit Nahrungsmitteln, Strom, Wohnraum und Gesundheitsversorgung für die tausenden von Familien und Haushalte betreffen, die in den letzten fünf Jahren Opfer der härtesten Barbarei, der Barbarei der Memoranden wurden. Und wissen Sie, das ist eine Frage von Gleichberechtigung und Zivilisation. Griechenland kann nicht ein europäisches Land sein, wenn tausende von Menschen im Land hungern und keinen elektrischen Strom haben.
Die Maßnahmen werden aber auch die Beseitigung großer Ungerechtigkeiten betreffen. Wir beginnen umgehend mit der Rehabilitierung der verfassungswidrig aus dem öffentlichen Dienst Entlassenen, der weiblichen Reinigungskräfte des Finanzministeriums, der Schulwächter und des Verwaltungspersonals der Hochschulen.
Ihre Rehabilitierung wird den Staatshaushalt nicht belasten, sie wird im Rahmen der für 2015 vorgesehenen Einstellungen erfolgen.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, in den ersten fünf Monaten der Verhandlungen mit Europa haben wir große Herausforderung zu bewältigen: Den Erwartungen des griechischen Volkes hinsichtlich der tiefgreifenden Reform des Staates gerecht zu werden. Und hierbei geht es nicht um Verpflichtungen gegenüber Dritten, sondern um unsere eigene Entscheidung. Denn ohne diese tiefgreifende Reformierung werden wir uns selbst mit der bestmöglichen Vereinbarung in der Schuldenfrage erneut in einer Sackgasse wiederfinden.
Das griechische Volk hat uns ein klares Mandat zum Kampf erteilt. Zum Kampf gegen die Missstände des griechischen politischen Systems und gegen die Partikularinteressen, die diese Missstände und den Staat aufgebaut haben. Denn nicht wir haben diesen klientelistischen und verschwenderischen Staat konstruiert oder regiert. Und genau deshalb – ohne hier angeberisch klingen zu wollen – sind wir die einzigen, die diesen Staat tatsächlich ändern können, die den umfassendsten institutionellen Wiederaufbau in der zeitgenössischen Geschichte des Landes zu realisieren imstande sind.
Dieser institutionelle Wiederaufbau hat bereits begonnen. Die stark veränderte Regierungsstruktur ist der erste Schritt eines notwendigen Rationalisierungsprozesses der öffentlichen Verwaltung. Die erste Phase dieser Reform wird innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen sein und betrifft die kompakte und kohärente Ausarbeitung des Organisationssystems der jetzt nur zehn Ministerien. Unser Ziel ist die bessere Aufsicht über die Organisation und die Koordination der Behörden, die schnellere Umsetzung von Beschlüssen und die soziale Wertschöpfung.
Gleichzeitig gehen wir entschlossen die Einschränkung der Ausgabenverschwendung im öffentlichen Dienst und die Einschränkung von Privilegien von Ministern aber auch von Abgeordneten an. Denn wir sind nicht gekommen, um Machtstrukturen und Machtprivilegien einzunehmen. Wir sind gekommen, um Privilegien abzuschaffen und um die Macht dort hin zurückzuführen, von wo sie ausgeht, das heißt zum griechischen Volk.
Wir entlasten unmittelbar die öffentliche Verwaltung von dem Heer von Beratern und abgeordneten Beamten bei den Ministern. Wir schaffen provokative Verschwendung ab. Wir reduzieren den um die 700 Fahrzeuge starken Fuhrpark der Ministerien um ungefähr die Hälfte.
Wir weisen die Veräußerung von Regierungsfahrzeugen an, die mit über 700.000 Euro provokativ teuer sind, in einer Zeit, in der der griechische Durchschnittsbürger leiden muss.
Wir weisen an, dass zunächst eines der drei Regierungsflugzeuge veräußert wird, denn wir müssen, die Regierung selbst muss, mit dem Beispiel der sparsamen Lebenseinstellung vorangehen.
Im selben Geiste werde ich die Parlamentspräsidentin ersuchen – mir ist klar, dass ich dabei einige verärgern könnte – das Privileg der Dienstfahrzeuge für Abgeordnete zu überdenken und abzuschaffen, denn ich glaube nicht, dass unsere Abgeordneten nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um sich auf eigene Kosten fortzubewegen.
Wir sind fest entschlossen, einen neuen Ton und neue Sitten in der Ausübung der Macht durchzusetzen. Damit wollen wir an der Spitze beginnen. Erstes Beispiel diese neuen Haltung ist die Reduzierung des Personals im Megaro Maximou [A.d.Ü.: Regierungssitz] um 30% sowie der Garde und des Polizeischutzes des Ministerpräsidenten um 40%.
Dieselbe Richtung wird auch das gesamte Regierungskabinett einschlagen, nicht allein aus symbolischen Gründen – denn auch die Symbolik hat ihre Bewandtnis – sondern auch aus substantiellen. Denn ein Polizist muss aus den politischen Büros hinaus und in die Stadtviertel gehen, dort wo ihn die Bürger für ihre Sicherheit brauchen, wo sie seine ständige Präsenz brauchen.
Die neue Regierung wird den staatlichen Bediensteten, unabhängig von ihren politischen Überzeugungen, vorbehaltloses Vertrauen entgegenbringen, die unter widrigen Umständen ihr Bestes tun, um Bürgern und Unternehmen ihre Dienste zu erbringen. Dieses Vertrauen wird sich in der Praxis niederschlagen durch die Abschaffung von rachsüchtigen Memorandums-Regelungen des Disziplinarrechts für die öffentlichen Bediensteten und seine Substituierung durch ein modernes und effizientes Geflecht von Regelungen, die die Unschuldsvermutung respektieren wird, gleichzeitig jedoch den Staat und die Gesellschaft wirksam vor öffentlichen Bediensteten schützen wird, die ihren Amtseid verletzt haben.
Wir bestehen darauf, dass die gesellschaftliche Wertschöpfung der öffentlichen Verwaltung und die Unterstützung ihrer sozialen Dienstleistungen für uns höchste politische Aufgabe ist.
Wir werden umgehend Regelungen zur Evaluierung der Staatsbediensteten auf der Grundlage von objektiven und leistungsbezogenen Kriterien voranbringen und gleichzeitig werden wir das System, auf Basis dessen die Posten von Vorgesetzten verteilt werden, ändern und so den gordischen Knoten [A.d.Ü.: der Verfilzung] zwischen politischen Parteien und des Staatsapparats lösen.
Schließlich werden wir Maßnahmen zur Vereinfachung der Prozesse in der öffentlichen Verwaltung ergreifen, indem wir die Möglichkeiten der neuen Technologien nutzen, um den physischen Kontakt zwischen Verwaltung und Bürgern einzuschränken, der die Korruption im Kleinen „nährt“, und wir werden gleichzeitig die bestmögliche Dienstleistung gegenüber den Bürgern schaffen.
Mit Fertigstellung der neuen Organisationsstrukturen der Ministerien wird keine Behörde von Bürgern oder Unternehmen Bescheinigungen über Informationen oder Daten verlangen, die eine andere Behörde schon besitzt. Wir sind der Meinung, dass dies zu einer entscheidenden Reduzierung der Bürokratie führen wird und einen inneren Anreiz für die öffentliche Verwaltung geben wird, und sie somit die elektronische Verlinkung ihrer Dienstleistungen und die notwendige Computerisierung voranbringt.
Im Rahmen der radikalen Verwaltungsreform wird die Unterstützung der kommunalen Selbstverwaltung in jeder erdenklichen Form eine Schlüsselrolle einnehmen. Vor diesem Hintergrund schaffen wir einen neuen institutionellen Rahmen durch die radikale Revision der Kommunalreform „Kallikratis“. Wir starten unmittelbar mit einem umfassenden Konsultationsprozess mit Interventionen auf der gesamten Bandbreite der Zuständigkeiten und der Struktur von „Kallikratis“, bis der neue Rechtsrahmen abgeschlossen ist.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, unser wirklich großer Kampf, die wirklich erbarmungslos zu führende Schlacht, die diese Regierung - koste es was es wolle - zu kämpfen bereit ist, ist der Kampf gegen die großangelegte Korruption, gegen dieses System der Seilschaften zwischen politischer und wirtschaftlicher Macht, das über Jahre hinweg unser Land dominiert, das das öffentliche Leben vergiftet und das politische System und dessen Institutionen in Misskredit gebracht hat.
Ein großer Kampf ist natürlich auch der Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuerumgehung, die den wahren Grund ausmachen, der unser Land an den Rand des Abgrundes geführt hat.
Sie wissen bereits dass wir einen speziellen Zuständigkeitsbereich für die operative Koordinierung der zuständigen Behörden und Kontrollmechanismen eingerichtet haben, der unsere Strategie in diesem unerklärten Krieg organisieren wird. Wir wissen, dass wir die Messlatte hoch gelegt haben, doch uns ist nichts weniger als dies erlaubt.
In diesem Zusammenhang werden wir erstens die Einheit zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität sofort einsetzen, um sicherzustellen, dass der Kontrolle der Listen von Großanlegern, der Liste der Behörde zur Bekämpfung der Legalisierung von Einnahmen aus kriminellen Aktivitäten, der berüchtigten Lagarde-Liste, der Liechtenstein-Liste Priorität eingeräumt wird.
Zweitens, wir werden eine Behörde für interne Kontrollen der Zollämter ins Leben rufen und wir werden alle zuständigen Behörden und Einheiten darauf ansetzen, den illegalen Handel von Tabak- und Mineralölprodukten zu bekämpfen, durch den dem griechischen Staat, nach zuverlässigen Schätzungen, Einnahmen von mehr als 1,5 Milliarden Euro jährlich entgehen.
Drittens, wir werden zur Auffindung unversteuerter Waren aus Dreiecks- und konzerninternen Transaktionen modernste Praktiken anwenden.
Viertens, wir werden die Einheit zur Inspektion der Kontrollbehörden der Öffentlichen Verwaltung darauf ansetzen, die Rechtmäßigkeit der Vergabe von Öffentlichen Aufträgen und der Lieferanten der öffentlichen Hand zu prüfen, um endlich der Überteuerung der ausgehandelten Preise und den Schmiergeldzahlungen ein Ende zu setzen.
Fünftens: wir werden der Gewährung fauler Kredite, die meist zur Finanzierung zwielichtiger Anliegen und zur Aufrechterhaltung eines oligarchischen Regimes verwendet werden, ein Ende setzen.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, die neue Regierung bürgt dafür, dass in unserem Land Gerechtigkeit walten wird. Wir stehen nicht am Punkt Null, wir löschen die sündige Vergangenheit nicht aus, wir geben niemandem ein Ablasspapier.
Wir werden umgehend die ohnehin verfassungswidrigen Vorschriften, die den Vorständen des Fonds zur Verwaltung des Privatvermögens des Staates (TAIPED), des [A.d.Ü.: griechischen] Finanzstabilitätsfonds sowie dem Vorstand der Bank von Griechenland Immunität gewähren, abschaffen.
Alle griechischen Bürger sind vor dem Gesetz gleich, und die Führungskräfte des Staatsapparats, die Beamten-Elite, bilden keine Ausnahme, können keine Ausnahme dieses Grundsatzes bilden.
Wir werden darüber hinaus ein Versprechen einlösen, das schon andere gaben, aber nie umsetzten, nämlich die Einrichtung eines Prüfungsausschusses, der Klarheit darüber verschaffen soll, wie wir an diesem Punkt angelangt sind, einen Prüfungsausschuss für die Memoranden, damit alle Facetten geklärt werden.
Nicht, um uns an unseren politischen Gegnern zu rächen, schließlich ist es das Volk, das sie zur politischen Verantwortung zieht, sondern um fair und nüchtern zu untersuchen, ob es weitergefasste Verantwortung gibt und sie den Verantwortlichen zuzuschreiben.
Außerdem werden wir Kontrollverfahren für Öffentliche Ausschreibungen einleiten, über die Indizien über Unregelmäßigkeiten welcher Art auch immer vorliegen. Unser Ziel ist die Begleichung gegenüber der öffentlichen Hand. Die öffentlichen Gelder sind nicht dafür da, um die Interessen der Oligarchen zu bedienen, sondern um Wachstum zu fördern, die Arbeitslosigkeit zu senken und den Lebensstandard der Bevölkerung Griechenlands anzuheben.
Wir werden das berüchtigte „Dreieck der Verfilzung“ zwischen Banken, politischem System und medialem Establishment aufbrechen.
Wir sind die Garanten des universellen Zugangs des griechischen Volkes zum Gut der objektiven und von politischer Intervention unabhängigen Information. Wir werden per Gesetz die Griechische Rundfunk- und Fernsehanstalt von Grund auf wieder neu gründen, indem wir ausschließlich Mittel aus Gebühren einsetzen.
Somit schaffen wir einen starken und wettbewerbsfähigen öffentlichen Rundfunk und Fernsehen, der die Präsenz des Landes im Ausland stärken wird, die Möglichkeiten der Teilnahme aller Bürger an den Gütern der Kultur erweitern wird, ohne Revanchismus, ohne die Nachlässigkeit und Verschwendung der Vergangenheit, ohne skandalöse Verträge, ohne Kasten-Privilegien, ohne provokant hohe Honorare.
Wir werden eine enorme Ungerechtigkeit revidieren, ein Verbrechen gegen das griechische Volk und die Demokratie, das am 11. Juni 2013 stattgefunden hat, am Tag der Schande, am Tag der schwarzen Bildschirme.
Wir setzen unmittelbar den institutionellen Rahmen für die Kontrolle der Fernseh- und Rundfunksender und anderer Medien um.
Wir werden den Gefälligkeitskrediten ein Ende setzen, die üblicherweise nach undurchsichtigen Bedingungen vergeben werden und wir bringen Ausschreibungen für offene, transparente und den geltenden Gesetzen entsprechende Lizenzvergabe voran, für alle Rundfunk- und TV-Medien, die in unserem Land ausstrahlen.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, der institutionelle Wiederaufbau, den wir voranbringen, hat ein zentrales Motiv: „Demokratie überall“. Die Memoranden haben nicht nur zur Diskreditierung des politischen Systems geführt, sondern sie haben vor allem die Demokratie selbst unterminiert. Der Staat wurde vom Helfer des Bürgers zum Verfolger der Schwächsten, der Ausgeschlossenen, der Opfer dieser Krise verwandelt.
Wir werden jede demokratische Institution, jede soziale Errungenschaft wiederherstellen und vertiefen. Wir unterstützen und schützen die Rechte des Einzelnen und die politischen Freiheiten, den Rechtsstaat.
Wir führen ein neues Dogma für die Sicherheit, die Freiheiten, die Rechte und die Beziehungen zwischen Polizei und Bürgern ein. Die Polizei wird nicht mehr die Rolle der gewaltsamen Unterdrückung von Volksaktionen haben. Die Polizei wird den Schutz des Bürgers vor dem Verbrechen gewährleisten. Die Polizei wird die Sicherheit der Bürger gewährleisten. In diesem Zusammenhang werden wir das Prinzip des „Nachbarschaftspolizisten“ wieder einführen. Wir werden die Ausbildung der Polizisten, ihren Status und ihrer Arbeitsbedingungen aufwerten und modernisieren.
Wir ändern die Struktur und den Namen des Nationalen Nachrichtendienstes. Er wird umbenannt in „Amt für den Schutz der Nationalen Souveränität“ mit ausschließlicher Zuständigkeit für die äußere und nicht die innere Sicherheit, welche weiterhin den speziellen Diensten für den Bürgerschutz unterliegt.
Mit der neuen Regierung wird zum ersten Mal im Land ein einfaches Amt für Migration in ein Ministerium, in ein Ressort umgewandelt, wie es in allen Ländern Europas der Fall ist. Die Migrationfrage wird zum ersten Mal zu dem, was es in einem Rechtsstaat sein sollte, nämlich eine Frage des ganzheitlichen Managements mit einer einheitlichen Strategie vom zuständigen Ministerium konzipiert, dem das entsprechende Ressort untersteht.
Unser Ziel ist eine einheitliche Politik bei diesen ernsthaften Fragen mit dem Vorzeichen der Integration, dem Schutz, der Respektierung der Menschenrechte und der Stärkung des sozialen Zusammenhalts. Vorrangige Rolle des neuen Geschäftsbereichs wird die unmittelbare Verabschiedung eines Staatsangehörigkeitsgesetzes für die Kinder der zweiten Generation haben.
Das Fehlen einer gesetzlichen Regelung für diese Kinder seit zwei Jahren hat den integriertesten Teil der Einwanderer aus dem Verfahren zur Erlangung der Staatsangehörigkeit ausgeschlossen, das heisst die Kinder, die ihr Leben und ihre Bildung mit unserem Vaterland verbunden haben, jene Kinder, die keine andere Sprache gelernt haben, kein anderes Vaterland und nur das griechische Bildungssystem kennen.
Die Frage der Migrationsflüsse betrifft natürlich nicht allein Griechenland. Es ist eine universelle und eine europäische Frage, und aus diesem Grund eignen sich rein nationale Lösungen nicht. Von höchster Dringlichkeit ist eine Koordination auf europäischer Ebene, was leider immer noch auf sich warten lässt. Es ist dringend notwendig, eine europäische Einwanderungs- und Asylpolitik zu fördern, die sich auf die Grundlage der Achtung der Menschenrechte stützt, aber auch auf die Übernahme und die Teilung von Verantwortung durch alle Staaten der Europäischen Union mittels Umsetzung sofortiger Solidaritätsmaßnahmen in den Aufnahmestaaten.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, es kann keinen institutionellen und wirtschaftlichen Wiederaufbau ohne eine große und mutige Reform des Steuersystems geben.
Die begrenzten Steuereinnahmen der 1990er und 2000er Jahre waren die Hauptursache für das Unvermögen Griechenlands, seine Auslandsverschuldung zu senken.
Selbst zu der Zeit als die griechische Wirtschaft Wachstumsraten von 4% verzeichnete, waren unsere Schulden bei 100% des BIP „festgenagelt“, also stiegen sie, in absoluten Zahlen gemessen, sogar an. Natürlich war die Verantwortung dafür nicht bei den Lohnabhängigen und Rentnern zu suchen, diese trugen in aller erster Linie die Wirtschaftseliten und die höchsten Einkommensebenen der Selbständigen, die zu keinem Zeitpunkt die Steuerlast tragen mussten, die ihnen zukam.
Die Zeiten der Krise und des Memorandums haben dieses Ungleichgewicht in der Besteuerung auf beispiellose Weise verschärft und die üblichen Verdächtigen durch die Erhöhung sowohl direkter wie indirekter Steuern ausgezehrt.
Steuergerechtigkeit ist für unser Land leider ein Fremdwort, während das verfassungsrechtlich verankerte Gebot der proportionalen steuerlichen Belastung nach wie vor eine leere Worthülse ist.
Die neue Regierung verpflichtet sich auch von dieser Stelle aus dazu, diesem finanziellen und sozialen Wahnsinn, der Irrationalität und Ungerechtigkeit ein Ende zu setzen. Jeder Bürger und jedes Unternehmen wird gemäß seiner Steuer-Leistungsfähigkeit, wie explizit in der Verfassung gefordert, seinen steuerlichen Beitrag zur gemeinsam zu bewältigenden Last leisten.
Wir legen uns verbindlich fest, ein stabiles, einfaches und gerechtes Steuersystem auszuarbeiten und einzuführen, das die Lasten ausgeglichen verteilen und zugleich ein Gefühl der Sicherheit schaffen wird, die für die langfristig angelegten strategischen Investitionen notwendig ist.
Konkret werden wir eine einheitliche und progressive steuerliche Staffelung ohne Ausnahmeregelungen und Schlupflöcher festlegen, durch die die Steuerlast auf hohe und sehr hohe Einkommen verlagert werden.
Wir setzen den Steuerfreibetrag auf 12.000 Euro fest.
Wir bringen die Registrierung von Vermögen in Griechenland und im Ausland mithilfe des Vermögensverzeichnisses voran, das klare Auskunft über die steuerliche Leistungsfähigkeit von Bürgern und Unternehmen geben wird.
Wir werden die Einheitliche Immobilienbesitzsteuer (ENFIA) ab 2015 abschaffen und sie durch eine auf großen Immobilienbesitz erhobene Steuer ersetzen.
Ich möchte allerdings an dieser Stelle etwas klarstellen. Ich rufe alle Bürger auf, unter den gegebenen Umständen und angesichts des erdrosselnden Drucks, dem wir ausgesetzt sind, die nationalen Bemühungen zu unterstützen und die für das Jahr 2014 noch ausstehenden Raten der ENFIA-Steuer zu entrichten.
2015 aber wird es keine ENFIA geben. Hierzu haben wir uns verpflichtet.
Wir stärken die Steuerfahndungsmechanismen, indem wir in die kontinuierliche Fortbildung unseres Personals und in die qualitative Aufwertung der Informationsstrukturen investieren. Wir führen eine strenge Kontrolle der Steuerverwaltung ein und harte Strafen im Falle von Pflichtverletzungen. Wir setzen der Fließbandproduktion von in Änderungsanträgen versteckten Geschenken und Ausnahmen ein Ende. Jede Änderung der Steuergesetzgebung wird nunmehr unmittelbar unter Verantwortung der zuständigen Behörden kodifiziert.
Die umfangreiche Reform des Steuersystems stellt die unabdingbare Voraussetzung für den Wachstumsschub dar, den die griechische Wirtschaft braucht, und für die steuerliche Entlastung der Lohnabhängigen, Rentner und des Mittelstands. Das allerdings braucht Zeit. Die Wiederbelebung der Wirtschaft und die Maßnahmen zur Entlastung für die Opfer der Krise ist jedoch ein Thema, das wir unmittelbar angehen müssen, ohne Verzug, ohne Nachlässigkeiten, ohne Zögerlichkeit.
Ähnlich unmittelbar ist auch die Notwendigkeit, die Staatseinnahmen zu stärken. Die Zahlungsrückstände privater Schuldner an den Staat stiegen auf fast 72. 000. 000. 000 Euro von fast 30. 000. 000. 000 Euro im Jahr 2009. Das ist ein Aderlass, der unüberwindbare Schwierigkeiten schafft und unsere Verhandlungsmacht, die Unabhängigkeit des Landes untergräbt und gleichzeitig das Debakel der Memoranden offenlegt.
Aus diesem Grund schreiten wir unmittelbar zu Maßnahmen für die Regulierung der Zahlungsrückstände an den Staat und die Versicherungskassen. Wir erlassen die hundert-Raten-Regulierung als Erleichterung bei der Rückzahlung fälliger Verbindlichkeiten ohne bürokratische Anforderungen und schleppende Verfahren. Wir schaffen unmittelbar die Regelung ab, die verfassungswidrig das Delikt der Nichtzahlung der Schulden an den Staat in ein dauerhaftes umwandelt, um dieser Demütigung der Schuldner, die tagtäglich in die Haftanstalten gezerrt werden, ein Ende zu setzen.
Das Gesetz wird Anwendung finden, jedoch mit allen Verfahrensgarantien, die die verankerten Rechte schützen.
Wir werden alle Verfahrensgarantien zum Schutz vor Zwangsvollstreckung zulasten des Eigentums der Bürger wiedereinführen und den Status des Ausnahmezustands, den die Memorandums-Regierungen zum Nachteil der kleinen und mittleren Einkommen auferlegten, abschaffen. Denn Demokratie und Rechte sind nicht á la carte zu haben, sie können nicht eingeschränkt und noch viel weniger verstümmelt werden.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, im Rahmen des institutionellen Wiederaufbaus und des wirtschaftlichen Neustarts hat der Wiederaufbau des Arbeitsschutzrahmens und die Wiederherstellung der Rechte der Arbeitnehmer eine zentrale Rolle. Die fünf Jahre des Memorandums haben die bereits bestehende Tendenz zur Deregulierung des Arbeitsmarktes gestärkt und vertieft und schufen für fast alle Arbeitnehmerschichten mittelalterliche Beschäftigungsbedingungen.
Dabei handelte es sich um eines der zentralen Ziele des Memorandums-Programms, das durch das Votum des griechischen Volkes abgewählt wurde. Es handelte sich aber auch um Interferenzen, die von Kräften aus dem Inland jenseits der Ziele des Memorandums-Programms entstanden, um auf diesem Wege auf dem Rücken der Beschäftigten unseres Landes ihre eigenen Profite zu steigern.
Die neue griechische Regierung ist entschlossen, jenen Politiken ein Ende zu setzen, die Zügellosigkeit der Arbeitgeber, extreme Ausbeutung und Demütigung der Arbeitnehmer erlauben. Arbeitnehmer, die in den letzten Jahren zusehen mussten, wie ihre Löhne gekürzt wurden, wie ihre Rechte schwanden, ihr Leben im Namen einer Politik zerstört wurde, die glaubt, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft hänge von der Höhe der Löhne und vom Grad der Deregulierung des Arbeitsmarktes ab.
Wir lehnen diese Auffassung ab. Die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft kann sich nicht auf billige Arbeit ohne Arbeitsrechte stützen, sondern nur auf Innovation, Spitzentechnologie und Qualität der Waren und Dienstleistungen.
Auf dieser Grundlage und in enger Zusammenarbeit mit der Internationalen Arbeitsorganisation, der ILO, verpflichten wir uns und bringen voran:
- die unmittelbare Wiedereinführung der freien Tarifverhandlungen
- die Wiedereinführung der Übertragbarkeit der Tarifverträge und der automatischen Erhöhungen nach drei Jahren
- die Festlegung eines strengen Rahmens für den Schutz gegen Massenentlassungen
- Wiedereinsetzung der Schiedsinstitution.
Unser Ziel ist die Stärkung der Verhandlungskraft der Arbeitnehmer und die Umkehrung des neoliberalen Kurses der Diskreditierung der Arbeitswelt. In diesem Punkt bleiben wir unnachgiebig.
Unnachgiebig bleiben wir aber auch in der Frage der Unterscheidung der Arbeitnehmer aufgrund von Alterskriterien. Die Diskriminierung und Unterscheidung zulasten von Jugendlichen unter fünfundzwanzig Jahren, die die junge Generation der Arbeitnehmer zur Unterwerfung erziehen, haben mit der neuen Regierung der nationalen Rettung ein Ende.
Vollständige Gleichstellung aller Arbeitnehmer, wie es die Logik, die Ethik und die Werte der Arbeitswelt vorgeben. “Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, lautet unser Prinzip und diesem Prinzip werden wir treu bleiben.
Genauso werden wir auch unserer Verpflichtung treu bleiben, den Mindestlohn auf 751 Euro anzuheben.
Diese Anhebung wird jedoch schrittweise bis 2016 vorgenommen, so dass die harmonische Angleichung an die reale Wirtschaft gewährleistet wird, ebenso wie die Anpassung der Sozialpartner, deren Zustimmung über das anzuwendende Verfahren wir anstreben werden.
Es wird unmittelbar das Sonderprogramm zur Wiedererlangung der Arbeit gestartet durch die Neuausrichtung der Mittel des Arbeitsministeriums mit dem Ziel, im Zeithorizont von vier Jahren hunderttausende von Arbeitsplätzen im Privatsektor, im öffentlichen Sektor und in der Sozialwirtschaft zu schaffen.
Dieses Programm stellt eine bahnbrechende Politik dar, die in der Praxis die Wende der neuen Regierung unter Beweis stellt. Wir lassen die Sichtweise hinter uns, wonach Wachstum sich auf die Deregulierung der Arbeit stützt und wir machen uns die Auffassung zu eigen, wonach Wachstum auf Arbeit, auf der Stärkung der Beschäftigung basiert.
Das neue Programm der Wiedererlangung der Arbeit wird nicht nur die Arbeitslosigkeit unmittelbar verringern, sondern auch den Versicherungskassen die Zeit zum Atmen verschaffen, der griechischen Wirtschaft einen Wachstumsimpuls geben und die Position der Arbeitnehmer insgesamt stärken. Eine Beschleunigung und Erweiterung des Programms wird es natürlich nach Erzielung einer Übereinkunft mit unseren europäischen Partnern geben. Wir bemühen uns übrigens, dass bei dieser Übereinkunft die Nutzung der Mittel aus dem Konjunkturpaket, dem sogenannten „Juncker-Paket“, ermöglicht wird, vorrangig für Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeit.
Ein Vorrang, den übrigens auch unsere europäischen Partner teilen, da sie sehr wohl wissen, dass grassierende Arbeitslosigkeit eine tickende Zeitbombe ist, nicht nur für Griechenland sondern auch für das Fundament unseres gemeinsamen Hauses Europa.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, alle obigen Ausführungen bilden den Rahmen, nach dem der nationale Plan für den Wiederaufbau der Produktion ausgerichtet sein muss: Unterstützung der kleinen und mittleren Unternehmen, Schutz der Arbeitnehmer, Respektierung des Umweltschutzes, einschneidende Reformen in der öffentlichen Verwaltung, stabiles Steuersystem und entschlossene Bekämpfung der Korruption, der Verfilzung und der Verschwendung öffentlicher Gelder. Es sind die Prinzipien, auf die wir unsere neue Anstrengung begründen müssen und werden.
Nichts von alledem jedoch reicht aus, wenn die griechische Wirtschaft weiterhin im Schraubstock von nicht tragfähigen Schulden erstickt, im Schraubstock der Überschuldung, im Schraubstock aber gleichzeitig auch in der Verpflichtung von absurden, unerreichbaren und wirklichkeitsfremden Primärüberschüssen, die keinen haushaltstechnischen Spielraum zum Atemholen und zu einer Wachstumsperspektive für die griechische Wirtschaft erlauben.
Genau aus diesem Grund sollen unsere Verhandlungen mit unseren europäischen Partnern in eine Übereinkunft zur Umstukturierung der Schulden münden. Genau deswegen erlangt ein neuer Sozialvertrag mit Europa zentrale Bedeutung. Ohne diese neue Vereinbarung wird das Land verurteilt sein, in der Abwärtsspirale der Rezession, in der Falle der Deflation, in der Desinvestition, die wir all die Jahre erlebt haben, und in der Armut zu versinken.
Das Memorandums-Programm ist gescheitert. Es gibt keinen, der ernsthaft das Gegenteil behauptet. Was wir jetzt brauchen, ist eine Vereinbarung, die die Dynamik der griechischen Wirtschaft freisetzt und die Realisierung pluralistischer und kostengünstiger Projekte im Bereich der Energie und des Tourismus, der Schifffahrt, der landwirtschaftlichen Produktion, der Industrie, der Verarbeitung und des Kommunikationssektors unterstützt. Projekte, die die Beteiligung von großen, mittleren und kleinen privaten Initiativen wie auch den Anreiz für ausländische Investitionen und zwischenstaatliche Vereinbarungen über wachstumsfördernde Joint Ventures unter Beteiligung des griechischen Staates - immer im Rahmen der Respektierung der europäischen Gesetzgebung – mit einem umfangreichen öffentlichen Investitionsprogramm, das nach unserem Verständnis aus dem Defizit auszunehmen ist - wie auch von unseren französischen und italienischen Partnern gefordert – und schließlich mit Formen der sozialen Ökonomie und genossenschaftlichen Produktion, die ein neues Modell von Wirtschaftsaktivität begründen werden, das auf Vernetzung und horizontaler Organisation beruht und über den engen Rahmen des freien marktwirtschaftlichen Wettbewerbs hinausgeht.
Insbesondere im Hinblick auf private Initiativen und Investitionen möchte ich folgendes klarstellen: Die neue Regierung möchte und wird privatwirtschaftliche Investitionen, die eine Schlüsselposition im Prozess des wirtschaftlichen Wiederaufbaus unseres Vaterlandes einnehmen können, unterstützen. Was die neue griechische Regierung jedoch nicht tun wird, ist den verbrecherischen Ausverkauf öffentlichen Eigentums fortsetzen, um daraus eine nicht tragfähige Schuldenlast zu finanzieren oder aktuelle Liquiditätsengpässe zu decken. Es haben genug Verbrechen auf Kosten des öffentlichen Interesses stattgefunden.
Vor diesem Hintergrund verpflichten wir uns, die [A.d.Ü.: Versorgungs-] Netze und die Infrastruktur, die unser nationales Kapital ausmachen, nicht abzutreten oder zu einem Schleuderpreis zu veräußern. Wir werden unseren natürlichen Reichtum und unsere Bodenschätze nicht verschachern, denn es ist eine Sache, unser nationales Kapital und Eigentum zu nutzen, und eine andere es zum Schleuderpreis zu verschachern.
Von diesen Überlegungen geleitet, wird jeder Vorschlag zur Nutzung öffentlichen Eigentums im Einzelnen geprüft und gefördert, sofern es Garantien gibt, dass die arbeits- und umweltrechtlichen Vorschriften respektiert werden und einen Businessplan, der nachweist, dass er für und nicht gegen das öffentliche Interesse arbeiten wird.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, um die geplanten Maßnahmen umsetzen zu können, ist die Umstrukturierung des Geschäftsmodells des Bankensektors notwendig, ebenso wie die Gründung einer Entwicklungsbank, die innovative und wachstumsfördernde Initiativen unterstützen wird.
Im Rahmen der Sanierung und des Wiederaufbaus des Bankensystems sind geplante und gut durchdachte Maßnahmen notwendig. Konkret ist die Änderung des Gesetzes bezüglich des [A.d.Ü.: griechischen] Finanzstabilitätsfonds notwendig, damit der Staat ohne Einschränkungen seine Rechte auf die systemrelevanten Banken ausüben kann – die außerdem mit Geldern des griechischen Volkes rekapitalisiert wurden – natürlich immer auch unter Berücksichtigung der Rechte der privaten Aktionäre.
Gleichfalls ist die Änderung des Geschäftsmodells notwendig, damit die Banken die Erfüllung quantitativer wie qualitativer Ziele übernehmen. Wir wollen, dass die Banken der Wirtschaft, dem Wachstum, den Investitionen und nicht Partikularinteressen dienen. Das ist im Übrigen auch ihre soziale Rolle.
Insbesondere im Fall unseres Landes können die Banken eine besondere Rolle auch bei der Bekämpfung der Korruption, der Verfilzung, der Steuerhinterziehung, der Steuerumgehung, der illegalen Transaktionen spielen.
Ferner erachten wir die Einrichtung einer zwischengeschalteten Stelle zur Verwaltung von notleidenden Krediten und Unternehmenskrediten als notwendig, die einerseits die überschuldeten Haushalte und die kleinen und mittleren Unternehmer schützen wird und andererseits dafür Sorge tragen wird, dass die Bilanzen der Banken nicht belastet werden.
Bis zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Gesetzestexte und dem Erlass der notwendigen Ministerialbeschlüsse zur Umsetzung von Maßnahmen zur Regulierung von notleidenden Krediten ist jede [A.d.Ü.: Zwangs-] Versteigerung von Hauptwohnungen untersagt, ebenso wie die Übertragung hypothekengesicherter Kredite ohne Zustimmung des Schuldners an nicht anerkannte Bankinstitute, an griechische oder ausländische Spekulanten.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, die Memorandums-Politik der letzten fünf Jahre basierte auf der Logik der horizontalen Kürzungen. Das zweite Opfer nach den Löhnen war der Sozialstaat. In den letzten fünf Jahren sind die Institutionen der Sozialversicherung, des nationalen Gesundheitssystems, der Wohlfahrt und der Bildung aber auch die Kultureinrichtungen zerstört worden.
Die neue Regierung bringt ein neues Verständnis der Rolle des Sozialstaates mit, der die Aufgabe hat, die Ungleichheiten auszutarieren, die der freie Markt de facto schafft.
Der Sozialstaat ist nicht lediglich die Summe der Institutionen, die diejenigen schützen, die der freie Markt ausschließt, sondern im Gegenteil, er ist der Garant der Bedingungen für Wohlstand und Würde für die Gesamtheit der Bevölkerung. Seine Funktion ist per definitionem egalitärer Natur. Genau aus diesem Grund misst die neue Regierung der Unterstützung und dem Ausbau des Sozialstaates allergrößten Wert bei.
Unsere höchste Priorität in diesem Bereich ist die Rettung des Sozialversicherungssystems, das einen schweren Schlag erlitten hat, gerade nach dem katastrophalen PSI, der das Ziel hatte, die Banken zu retten, indem er die Last des „Haircuts“ der griechischen Staatsanleihen den griechischen Sozialversicherungskassen aufbürdete.
Diese Angelegenheit wird eingehend untersucht, sie wird aufgeklärt und die Verantwortlichen werden zur Rechenschaft gezogen. Dessen seien Sie sich sicher. Doch eine Schuldenzuweisung kann das System der sozialen Sicherheit nicht retten. Nur gezielte und gut durchdachte Interventionen können dieses Ziel erreichen.
Als erstes verpflichtet sich unsere Regierung, dass wir das in der berühmten E-mail gegebene Versprechen des früheren Finanzministers und des früheren Ministerpräsidenten gegenüber den Partnern und der Troika nicht einhalten werden.
Keine Anhebung der Rentenaltersgrenzen also, keine Kürzungen der Haupt- und Zusatzrenten!
Wir werden den öffentlichen globalen Umverteilungscharakter der Sozialversicherung unter Achtung der gesetzlich verankerten Rentenansprüche aufrecht erhalten.
Erste Maßnahme zur Stärkung der Kleinrentner wird die Wiedereinführung der 13. Rente als Weihnachtsgeld für diejenigen, deren Rente niedriger als 700 Euro im Monat ist, am Ende des Jahres 2015 sein.
Diese Verpflichtungen bedeuten nicht, dass wir die äußerst kritische und schwierige Situation verkennen würden, vor der mit Verantwortung aller früherer Regierungen das System der sozialen Sicherung unseres Landes steht. Seine Finanzierung hängt leider von staatlichen Spritzen ab, was eine dauerhafte Bedrohung seiner Tragfähigkeit darstellt.
Aus diesem Grund errichten wir den Fonds des Nationalen Reichtums und der Sozialversicherung, in den Einnahmen aus der Verwertung des natürlichen Reichtums und der Bodenschätze sowie des öffentlichen Eigentums übertragen werden.
Mit diesem Fonds verfolgen wir das Ziel, die geplünderten Rücklagen der Versicherungskassen zu stärken, das heißt, die Solidarität zwischen den Generationen und innerhalb der Generationen zu gewährleisten.
Darin besteht der Unterschied in der Wahrnehmung. Wir wollen öffentliches Eigentum nutzen, um die Versicherungskassen zu unterstützen, und einige andere wollen dessen Ausverkauf, um Schulden zurück zu zahlen, die in alle Ewigkeit nicht abbezahlt werden können, wenn wir so weiter machen.
Wir wissen, dass wir eine schwierige Gleichung vor uns haben, wir sind allerdings aus Gründen der nationalen Würde entschlossen, sie zu lösen.
Dasselbe gilt auch für die Fragen, die den Gesundheitssektor betreffen, da sich die Memorandums-Reformen in diesem Bereich zu einer tatsächlichen Tragödie entwickelten.
Unsere vorrangige Aufgabe ist es, einerseits die Wunden zu heilen, die die Politik der Memoranden der Gesellschaft zugefügt haben, sodass dem institutionellen und operationellen Ausschluss der Mehrheit der Menschen vom Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen ein Ende gesetzt wird, und andererseits, einen Plan zur Ausmerzung der chronischen Missstände des Gesundheitssystems an sich umzusetzen.
Tag für Tag und Monat für Monat werden wir ein öffentliches, kostenloses, qualitatives Gesundheitssystem für alle Bürger des Landes aufbauen, wobei das Instrumentarium die Unterbindung des Flusses von öffentlichen Mitteln in den privaten Sektor, die umfangreiche Unterstützung der Gesundheitsstrukturen durch Humanressourcen und Logistik und die demokratische Umstrukturierung der Systemverwaltung sein wird.
Priorität ist aber auch die Bekämpfung der Korruption bei der Beschaffung von pharmazeutischem und medizinischem Material.
Im Bereich der Bildung sind unsere Ziele ähnlich gelagert: Chancengleichheit, universeller Zugang, hohes Ausbildungsniveau. Der Bildung fällt eine zentrale Rolle bei der großen nationalen Anstrengung des Wiederaufbaus des Landes zu.
Es handelt sich um einen der Wettbewerbsvorteile unseres Vaterlandes, trotz der Tatsache, dass sowohl der Primär- und der Sekundär- als auch der Hochschulbereich in dem gesamten vorherigen Zeitraum schwer in Mittleidenschaft gezogen wurden.
Die neue Regierung wird einen breiten und substantiellen Dialog über die Veränderung des gesamten, schwer getroffenen institutionellen Rahmens aller drei Stufen starten. Dieser wird mit einem Horizont von vier Jahren durchgeführt. Dabei wird es keine überfallartigen Entscheidungen oder Überraschungsmomente geben, sondern alles wird auf der Basis des Dialogs und des Konsenses geschehen. Wir werden jedoch unmittelbar das Verfahren, abschaffen, bei dem die Themen der Versetzungsprüfungen zu 50% aus der berüchtigten Themen-Datenbank ausgewählt werden.
Bezüglich der Hochschulbildung werden die Bestimmungen über die Hochschul-Gremien abgeschafft, da diese Institution spektakulär gescheitert ist und gegen das verfassungsmäßige Gebot der Selbstverwaltung der Hochschulen verstieß.
Besonderes Gewicht verleihen wir der Förderung von Forschung. Aus diesem Grund wurde auch ein zuständiger Stellvertretender Minister für Forschung und Innovation ernannt. Die wissenschaftliche Forschung und Innovation spielen eine entscheidende Rolle bei der großen Anstrengung zum Wiederaufbau von Gesellschaft und Produktion. Mittel, die für diesen Zweck aufgewendet werden, stellen keine Ausgaben dar, sondern sind langfristige Investitionen.
Ziel der Regierung ist deshalb nicht allein die Veränderung des institutionellen Rahmens, der das unabhängige Arbeiten von Forschern und Forschungszentren garantieren wird, sondern die Ausarbeitung eines langfristigen Plans mit dem Ziel, dass die Tausenden von jungen Frauen und Männern ins Land zurückkehren, dieser wichtige und dynamischste Teil der griechischen Gesellschaft, die jungen Forscherinnen und Forscher, die jungen hochgebildeten Menschen, die das Land verließen und heute an den Universitäten und Forschungszentren im Ausland beschäftigt sind.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, die Wiedererlangung der Würde des Landes und des Volkes setzt auch die Gestaltung einer aktiven und mehrdimensionalen Außenpolitik voraus, die sich zum Ziel setzt:
Erstens, aktiv die Interessen des griechischen Volkes und die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die souveränen Rechte unseres Vaterlandes auf bilateraler Ebene aber auch gegenüber allen internationalen Organisationen, denen unser Land angehört, zu verteidigen.
Zweitens, die friedliche Beilegung von Streitigkeiten auf der Grundlage des Völkerrechts und die Vertrauensbildung. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang auch das Engagement der Regierung für die Unterstützung von Gesprächen zwischen den Volksgruppen zur Lösung des Zypernkonflikts auf Grundlage der Resolutionen der Vereinten Nationen mit dem Ziel der Wiedervereinigung der Insel in Form einer bizonalen, bikommunalen Föderation mit einer Souveränität, einer Staatsangehörigkeit und einer internationalen Rechtspersönlichkeit.
An dieser Stelle erlauben Sie mir die Solidarität der zyprischen Regierung gegenüber der neuen griechischen Regierung hervorzuheben und auch sie zu begrüßen, bei dem Kampf, den wir führen müssen, und bei den harten Verhandlungen in den nächsten Tagen.
Wichtig ist auch, im Rahmen von Gesprächen unter [A.d.Ü.: der Ägide] der Vereinten Nationen im Namensstreit der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien eine für beide Seiten annehmbare Lösung zu finden, auf der Grundlage einer zusammengesetzten Namensgebung mit geographischer Bezeichnung für die allgemeine Verwendung.
Drittens, unsere Außenpolitik wird zum Ziel haben, die regionale Rolle Griechenlands als Pol von Frieden und Stabilität in einem Dreieck großer Instabilität hervorzuheben.
Griechenland und Zypern bilden ein Feld der Stabilität in einem Dreieck der Instabilität in der weitergefassten Region, mit der Krise in der Ukraine im Norden, der Krise in Syrien im Südosten und der Krise der letzten Jahre in Nordafrika im Südwesten. Griechenland und Zypern sind weit entfernt von der Logik der Kalten Kriege, abseits von aussichtslosen Handelskriegen und angeblichen humanitären Interventionen, die gescheitert sind. Sie sind konstante Verteidiger des Völkerrechts, der UNO-Beschlüsse zum Aufbau einer umfassenden und nachhaltigen europäischen Sicherheitsarchitektur gerade in einer Zeit, die ein kohärentes Handeln gegenüber des sich verbreitenden katastrophalen Phänomens des Dschihadismus erfordert.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich könnte nicht meine Regierungserklärung abschließen und die moralische Pflicht nicht nur gegenüber unserem Volk versäumen, eine moralische Pflicht gegenüber der Geschichte, gegenüber allen Völkern Europas, die gekämpft haben, die ihr Blut in den Kampf gegen den Faschismus gaben.
Die Einforderung der Zwangsanleihe [A.d.Ü.: aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges] und der Reparationszahlungen ist die historische Pflicht der neuen griechischen Regierung.
Es ist unsere Pflicht gegenüber der Geschichte. Zentrale Rolle bei dieser Einforderung wird die neue griechische Regierung dem Nationalen Ausschuss aber auch der emblematischen Figur des Nationalen Widerstands, Manolis Glezos, der seit vielen Jahren unermüdlich für die Erfüllung dieser nationalen Pflicht kämpft, zubilligen.
Ich bin überzeugt, dass wir hierbei auch die Unterstützung aller Flügel der demokratischen Parteien des griechischen Parlaments haben werden [A.d.Ü.: aller Parteien des Verfassungsbogens].
Meine Damen und Herren Abgeordneten, der Wind der neuen Einheit unseres Volkes hat die Saat einer neuen Zwietracht weggeweht, in die leider manche investieren wollten.
An dieser Stelle erlauben Sie mir, mich beim Parteivorsitzenden der Unabhängigen Griechen zu bedanken für sein unerschütterliches Beharren und seine Entschlossenheit zur Bildung und zum Kurs dieser Regierung der nationalen Rettung.
Ich möchte aber auch jede einzelne politische Kraft auffordern, vor allem jede einzelne Abgeordnete und jeden einzelnen Abgeordneten, auch jenseits der Regierungsmehrheit, auch diejenigen, die gegen unsere Regierungserklärung stimmen werden, ich fordere jede und jeden von Ihnen einzeln auf, die nationale Anstrengung zu stützen, die Verhandlungen zu stützen, unser Vaterland, Griechenland, in dieser kritischen Zeit zu stützen.
Wir verlangen nicht die Zustimmung zur Katastrophe, wie es andere Regierungen früher von uns verlangten. Wir fordern Zustimmung für die Erlösung, die Rettung, das Vorankommen, den Fortschritt, Zustimmung dafür, dass wir unser Land wieder gleichberechtigt, stolz machen, mit Stimme und mit Würde in Europa.
Wir erleben entscheidende und historische Momente. Bei den dramatischen Entwicklungen der letzten Tage hat das griechische Volk das letzte Wort gesprochen und seinen Stempel gesetzt. Es hat nicht Verantwortung übertragen, es hat seine Seele sprechen lassen. Es hat niemandem eine Vollmacht erteilt. Es hat sein Schicksal in die Hände genommen. Es hat nicht abgewählt. Es hat die vorangegangenen Generationen, die Widerstand leisteten und diesen Ort groß gemacht haben, geehrt und es sammelte Hoffnung für die kommenden Generationen.
Nicht nur trotzte es den Erpressungen und den Ultimaten, es stand aufrecht, forderte seinen Stolz und seine Würde. Dieses Volk verdient nur Respekt. Er verdient den aufrechten stolzen Gang. Er verdient ein Leben in Würde.
Diese Regierung kann schlicht und ergreifend die Stimme dieses Volkes sein. Für die Ehre, die Geschichte und die Kultur, die dieses Volk in seinem Gepäck trägt, können wir nichts weiter als sein Wille sein.
Aus diesem Grund erklären wir kategorisch, dass wir nicht über unsere Geschichte verhandeln werden. Wir werde nicht über den Stolz und die Würde dieses Volkes verhandeln.
Das sind heilige und nicht verhandelbare Werte für uns.
Wir sind Fleisch aus dem Fleisch dieses Volkes. Wir stammen aus den Seiten der Geschichte dieses Volkes und aus diesem Grund werden wir ihm bis zum Schluss dienen.
Wir sind jedes Wort aus der Verfassung dieses Landes. Auf diese Verfassung haben wir einen Eid abgelegt, dieser Verfassung werden wir dienen. Und wir werden ihr bis zum Schluss dienen und den Visionen, Werten, Kämpfen, den Opfern des griechischen Volkes gerecht werden!
Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich fordere Sie auf, der Regierung der nationalen Rettung Ihr Vertrauensvotum zu geben.
Ich fordere Sie auf, diesen Kampf für unser Vaterland, für die Zukunft der kommenden Generationen, diesen Kampf, der unserem Volk Hoffnung und Würde, seine verlorene Würde zurückgibt, zusammen zu kämpfen.
Diesen Kampf werden wir zusammen kämpfen!
Ich danke Ihnen.