Seit dem Amtsantritt im Januar 2025 versucht die Trump-Regierung in rasantem Tempo, die bestehende US-amerikanische Ordnung – im Innern wie nach außen – aufzuheben und eine in vielfacher Hinsicht gegensätzliche »Ordnung« zu etablieren.[1] Dabei adressieren Trumps Umbauaktivitäten nicht nur die Forderungen seiner Basis, sondern zugleich multiple reale Krisen: von der Staatsverschuldung bis hin zu den Krisen der internationalen Sicherheits- und Weltwirtschaftsordnung. Folglich generieren sie Widersprüche und Friktionen und endlich auch stärkeren Widerstand in Zivilgesellschaft und Institutionen. Können wir trotz der erratischen Politiken so etwas wie ein Trump-Projekt für einen autokratischen Regime Change erkennen und wie wäre es zu verstehen?
Staatsumbau und Tech-Komplex
Mit einer Flut von Erlassen setzte Trump von seinem ersten Amtstag an die Blaupausen um, die das »Project 2025« für die rechtskonservative Neuausrichtung der US-Politik vorgezeichnet hatte. Danach soll der Staat radikal umgebaut, die Macht der Exekutive entgrenzt und die Gewaltenteilung unterminiert werden. Trump will allerdings nicht nur die Macht des Präsidentenamts gegenüber Parlament und Gerichten stärken, sondern auch die Kontrolle über all jene Behörden haben, die vom Kongress als unabhängig vom jeweiligen Präsidenten eingesetzt wurden. Kürzungen und Abwicklungen zielen primär auf die regulativen und sozialen Apparate des Staats, während gleichzeitig seine »Korporatisierung« – also der direkte Einzug von Vertreter*innen der großen Konzerne, insbesondere von »Big Tech« und des Finanzkapitals – voranschreitet.
Dabei handelt es sich um eine neue Qualität von state capture, des unmittelbaren Kaperns staatlicher Macht durch Konzerne und Kapitalfraktionen, auch durch die direkte Übernahme von Regierungsämtern. Durch diesen direkten Einfluss insbesondere der Tech-Industrie und des Finanzkapitals ist eine »relative Autonomie des Staats« nicht länger gewährleistet. Viele Forderungen der Tech-Branche wurden bereits in den ersten 100 Tagen der neuen Regierung erfüllt, etwa die Rücknahme der Regulationen der Federal Trade Commisson (FTC) und der Securities and Exchange Commission (SEC). Gegen fast alle Tech-Unternehmen waren unter der Biden-Regierung Ermittlungen und Gerichtsverfahren wegen Verstößen gegen das Kartellrecht in Gang gesetzt worden, die nun gestoppt sind. Vor allem die jüngeren Branchen (KI und Kryptowährungen) feiern die starke Unterstützung, die sie nun innerhalb der Trump-Regierung haben, der es ein Anliegen ist, diese »most bullish fraction of capital« von Einschränkungen zu befreien (Durand 2025). Schon kurz nach Amtsantritt kündigte Trump die Förderung eines immensen KI-Infrastrukturprojekts an, des privaten Joint Venture Stargate, mit einem Investitionsvolumen von 500 Milliarden US-Dollar, darunter trotz Einsparbekundungen auch Steuergelder.
Der als »Berater« deklarierte Elon Musk leitet bis dato faktisch (wenn auch nicht offiziell) das per Dekret geschaffene Department of Government Efficiency (DOGE), um die Staatsausgaben massiv zu reduzieren. In der Rolle Musks verbinden sich so state capture, persönliche Bereicherung und eine neue Offensive neoliberaler Austerität in einer Art Schockstrategie. Angeblich um Missbrauch und Betrug zu eliminieren, haben sich DOGE-Mitarbeiter*innen Zugang zu Daten, Verträgen und Zahlungssystemen verschafft, Massenentlassungen von Beamt*innen und Angestellten des Bunds veranlasst, Programme gestoppt und ganze Behörden (Bildungsministerium, US Institute of Peace, USAID, nationale Verbraucherschutzbehörde) eliminiert.[2]
Größere Teile der Staatsaufgaben, die zur Agenda der Republikaner passen, sollen privatisiert werden. Musk prahlte, dass er einen corporate takeover der Bundesregierung durchführe. Das wird auch die Rentenversicherung Social Security treffen, wo DOGE bereits Personal gekürzt und Mittel gestrichen hat – wodurch das öffentliche Rentensystem bald so ruiniert sein wird, dass es zur Privatisierung »freigegeben« wird (Malito 2025). Auch bundesstaatliche Mittel für Wissenschaft und Forschung, Bildung und Umwelt stehen weit oben auf der Streichliste. Bei den staatlichen Repressions- und Sicherheitsapparaten wurde das Führungspersonal mit Blick auf ideologische und persönliche Loyalität hin ausgetauscht. In allen Ministerien und Behörden, auch beim Militär und FBI, hat Trump die Beamt*innen in Schlüsselpositionen durch ihm ergebene Leute ersetzt (Cooper 2025).
Letztlich scheint DOGE mehrere unterschiedliche Ziele zu verfolgen: von der Digitalisierung staatlicher Arbeitsabläufe und Effizienzsteigerungen über die Abschaffung von Behörden, die die Umsetzung von Umwelt-, arbeitsrechtlichen und anderen Vorschriften für Unternehmen kontrollieren, Streichungen und Kürzungen bestimmter, aber nicht unbedingt der teuersten Programme und Einrichtungen bis hin zu massiven Privatisierungen. Zum Teil widersprechen sich diese Ziele und in fast allen Fällen führen sie zu Friktionen im Staat und zu Protesten – und absehbar nicht zu den versprochenen Einsparungen (Herb u. a. 2025).
Kampf gegen »antiamerikanische« Ideologie
Der Staatsumbau verbindet sich mit einer autoritären Politik gegen bestimmte Migrantengruppen und die Errungenschaften sozialer und Bürgerrechtsbewegungen. Wie im Wahlkampf versprochen, erklärte Trump »illegale Immigration« sofort nach Amtsantritt zum nationalen Notstand, beschnitt das Asylrecht und instruierte das Militär, beim Mauerbau an der Grenze sowie bei Abschiebungen zu helfen. Neu ist die Berufung auf den bislang nur im Kontext von Kriegen angewendeten Alien Enemies Act (von 1798), mit dem Trump die Verhaftung von Hunderten von angeblichen lateinamerikanischen »Gangmitgliedern« und ihre Abschiebung, ohne jegliche Anhörung, geschweige denn Gerichtsverhandlung, in riesige Hochsicherheitsgefängnisse in El Salvador – jenseits US-amerikanischer Gerichtsbarkeit – begründet hat. Auch Menschen, die vermeintlich gegen US-Interessen opponieren, können nun abgeschoben werden, darunter ausländische Studierende und Forscher*innen mit gültigen Visa oder Green Cards, deren »Vergehen« im Einsatz für die Rechte der Palästinenser*innen besteht. Sie wurden im Stil von Kidnappings verhaftet und entweder abgeschoben oder in Abschiebehaft genommen – bislang ohne jegliche Anhörungen. Außenminister Rubio erklärte, dass er bereits mehr als 300 Widerrufe von Visa mit dem Ziel der Abschiebung unterschrieben habe (Wong 2025).