Die Bewegungen der Empörten, auch Occupy Wall Street, reagieren auf eine Krise der Repräsentation, die Herrschaft des einen Prozent über 99 Prozent der Bevölkerung. Die Form ihrer Organisierung reflektiert ihre Forderungen: horizontale und inklusive Formen von Partizipation; „wirkliche Demokratie“. Ihre Beweggründe liegen in den Verletzungen breiter sozialer Interessen und Gerechtigkeitsvorstellungen; es geht gegen die Bearbeitung der Krise zu ihren Lasten, gegen den neoliberalen Kapitalismus, der in die Krise geführt hat. Sie formulieren Forderungen nicht in der üblichen Weise, denn es gibt niemanden, an den sie diese adressieren könnten oder wollten. Das Repräsentationsprinzip an sich wird in Frage gestellt. Es geht um die Ablehnung einer im Neoliberalismus entleerten Demokratie und die Verwandlung des Staates in das Instrument der Bereicherung einer kleinen Minderheit. Das Internetprojekt wearethe99percent.org sammelt in scheinbar endloser Reihe persönliche Erfahrungen von Enteignung, Hoffnungslosigkeit, vom aufgekündigten gesellschaftlichen Vertrag, der verspricht, dass sich harte Arbeit gegen soziale Absicherung tausche und (dass der Kredit ein Wechsel auf eine bessere Zukunft sei). Dadurch reorganisieren sie auch ihre Erfahrungen: Die Einzelnen beginnen, sich kollektiv zu sehen, können handlungsfähig werden. Linke Parteien, Gewerkschaften und Organisationen haben in der Krise bislang keine neuen Formen, keine Reorganisierung hervorgebracht haben. Die Verwicklung der Sozialdemokratie und einiger linkssozialistischer Parteien in den Neoliberalismus bestehen weiter. Sie können kaum als Vertreter einer anderen Zukunft, eines neuen Projektes auftreten. In vielen Bewegungen werden sie als Teil des herrschenden Blocks wahrgenommen und zurückgewiesen. In den USA gibt es ein starkes Bemühen von Occupy, Gewerkschaften, Organizern aus den Communities of Color, zur gegenseitigen Unterstützung und Kooperation. In Europa sind die Wege der Organisationen der Linken und der Lohnabhängigen zu den Bewegungen blockiert. Gestützt auf Exporterfolge (um den Preis von Lohnsenkungen) scheinen besonders in Deutschland die Einbindungspolitiken noch zu funktionieren. Unmut richtet sich gegen die Verantwortungslosen – Banker wie Griechen. Protest flammt nur kurz auf, ist (noch) nicht getragen von der Erfahrung einer Enteignung der Zukunft. Im gleichen Augenblick, als viele Menschen weltweit beginnen, öffentlich die Wiedereinsetzung der Demokratie zu fordern - eine Vertretung der „99 Prozent“ – werden nicht gewählte „Experten“ aus den Finanzinstitutionen als Regierungschefs eingesetzt und dies findet die Zustimmung der herrschaftlich organisierten Öffentlichkeit. Finanzinstitutionen, die nicht unbeteiligt am Zustandekommen der Krise sind und in ihrer Bearbeitung parteilich für Kapitalinteressen, diktieren den Parlamenten die Gesetze und Haushaltsbeschlüsse. Dieser Reorganisation der Herrschaft steht noch keine Reorganisation zu einer Gegenhegemonie gegenüber. Die Gefahr einer fortgesetzten Dialektik der Zurückweisung linker Organisationen und der neu geschaffenen Organisierungsformen, die keinen Niederschlag in der Repräsentation finden wird deutlich: Die Ablehnung der formal-repräsentativen Demokratie, einschließlich der Linksparteien, verhilft z.T. konservativen und rechts-nationalistischen Kräfte in die Regierung. Überall in Europa verlieren Linksparteien an Rückhalt, während sozialdemokratische und formal-sozialistische Parteien, auch Grüne, für ein Festhalten an einer massiven Kürzungspolitik eintreten. Re-Organisierung innerhalb der machtvollen Organisationen von Parteien und Gewerkschaften kann die eigene Basis erweitern. Diese Prozesse haben vielerorts begonnen: Gewerkschaften wenden sich partizipativen, konfliktorientierten Strategien zu. Die Einsicht verbreitet sich, dass die Prekären nicht nur eine Randgruppe der eigenen Mitglieder sind, und eine strategische Rolle spielen könnten. Die Linke ist entstanden als Partei verschiedener linker Strömungen, Gewerkschaften und anderer sozialer Bewegungen; ihr Programm ist – bei allen Schwierigkeiten solcher Diskussionen – der Versuch, eine Plattform für ein linkes Mosaik zu bilden und handlungsfähig zu werden. Die Bewegungen brauchen ihrerseits Formen, wie sie sich verstetigen können und Anker werfen in den alltäglichen Kämpfen. Die Indignados in Spanien sind nach der Besetzung der großen Plätze zur Organisation in den Barrios und zu Besetzungen von Häusern und Hospitälern übergegangen; in den USA werden Strategien entwickelt, von den Versammlungen aus die Organisierung um Belange der Communities anzustoßen: in Oakland werden systematisch zwangsgeräumte Häuser wieder angeeignet. Sie können dabei auf Strukturen des „transformativen Organisierens“ zurückgreifen, die in den letzten zehn Jahren als bewusste Strategie der Verbindung von Einpunkt-Bewegungen zu einem Mosaik der Transformation entstanden sind. Eine neue Bündelung der Bewegungen, Gewerkschaften und Parteien ist notwendig, das Feld muss neu organisiert werden. Eine Demokratisierung von Staat und Ökonomie, Partizipation ist dabei zentral. Kein Teil der pluralen Linken, keine Partei, keine Gewerkschaft, keine linke Avantgarde kann eine Führungsrolle allein beanspruchen kann. Aus der gegenseitigen Akzeptanz, aus dem Verständnis des Aufeinander-Angewiesenseins muss „Führung“ als Handlungsfähigkeit, Reorganisierung zur Gegenhegemonie gemeinsam erarbeitet und organisiert werden.