Seit Herbst 2015 jagt eine Asylrechtsverschärfung die nächste. Während Kanzlerin Merkel noch für offene Grenzen eintrat, bereitete das Bundesinnenministerium – getrieben von Populisten wie dem bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer – bereits eine härtere Gangart gegenüber Flüchtlingen auf dem Rechtsweg vor. Diese soll Handlungsfähigkeit und Entschlossenheit demonstrieren, zur Bewältigung der eigentlichen Herausforderungen, die die Aufnahme großer Zahlen von Flüchtlingen mit sich bringt, nutzen die beschlossenen Asylpakete fast gar nichts. Stattdessen tragen sie dazu bei, die feindliche Stimmung in Teilen der Bevölkerung weiter anzuheizen. Folge dieser Politik ist, dass Errungenschaften im Flüchtlingsrecht abgebaut werden, es droht ein Rollback in schnellen Schritten.
Sondergesetze gegen Balkan-Flüchtlinge
Bis in den Spätsommer 2015 richtete sich der öffentliche Abwehrdiskurs primär gegen Asylsuchende aus den Balkanländern. Seit Jahren werden Menschen aus diesen Ländern meist in diskriminierender Absicht als Wirtschaftsflüchtlinge dargestellt. Schon im Vorjahr hatte man drei Balkanländer – nämlich Bosnien und Herzegowina, Mazedonien und Serbien – als »sichere Herkunftsländer« eingestuft. Während die Zustimmung grün mitregierter Länder im Bundesrat im Vorjahr noch zu Unruhen an der grünen Basis geführt hatte, regte sich diesmal bei der Erweiterung der Liste »sicherer Herkunftsländer« um Albanien, Montenegro und Kosovo im Herbst 2015 kaum noch Widerstand.
Die Unterscheidung der Flüchtlinge in ›gute‹ und ›schlechte‹ wurde über Jahre von wechselnden Bundesinnenministern propagiert. Den »unerwünschten« Balkan-Flüchtlingen wurde der Missbrauch der Sozialsysteme unterstellt – diese diskriminierende Zuschreibung wurde umgemünzt in Gesetzesverschärfungen, die für alle Schutzsuchenden aus den Balkanländern den Zugang zum Flüchtlingsstatus verbauten. Das rechtliche Konstrukt des sicheren Herkunftsstaates ist grundsätzlich problematisch. Als sicher gelten Staaten demnach, wenn »aufgrund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, dass ein Ausländer aus einem solchen Land nicht verfolgt wird« (Grundgesetz, Art. 16a [3]). Asylanträge von Staatsangehörigen dieser Länder können dann pauschal als »offensichtlich unbegründet« abgelehnt werden. Eine unproblematische Menschrechtssituation lässt sich jedoch nicht per Gesetz beschließen. Es ist Sache der RechtsanwenderInnen, festzustellen, ob im Einzelfall eine Menschenrechtsverletzung vorliegt. Das Konzept des sicheren Herkunftsstaats hebelt eine solche Einzelfallprüfung aus.
Bei den Balkanstaaten kommt hinzu, dass die dortige Menschenrechtslage alles andere als unproblematisch ist. (1)