Wie Recherchen des Norddeutschen Rundfunks und der Süddeutschen Zeitung bekannt machten, hat das Pentagon seit Jahren militärisch motivierte Forschungsprojekte an öffentlichen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen in der Bundesrepublik finanziert. Etwa zehn Millionen Euro sind seit 2013 geflossen, beispielsweise 500000 US-Dollar an die Ludwigs-Maximilian-Universität in München für die Erforschung von Sprengstoffen.1 Informationen zu diesem Themenkomplex bleiben jedoch rar. Auf parlamentarischer Ebene versucht die Linksfraktion, militärische und wehrtechnische Forschung an staatlichen Hochschulen und an öffentlich geförderten außeruniversitären Wissenschaftseinrichtungen aufzudecken.2 Verschiedene Kleine Anfragen an die Bundesregierung belegen, dass hier sowohl im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums geforscht wurde (Bundestagsdrucksache/BT-Drs. 18/241) als auch im Rahmen sogenannter Ressortforschungsaufträge für das deutsche Bundesministerium der Verteidigung (BT-Drs. 18/851). Diese Projekte sind allerdings – wie die Aufträge seitens der Rüstungsindustrie – unter Geheimhaltung gestellt (BT-Drs. 17/3337, 18/851, Schriftliche Einzelfragen 6/204 und 6/205). Wettbewerbsrecht und ›nationale Sicherheitsinteressen‹ stehen über Transparenz und einer öffentlichen Debatte – so die Haltung der Regierung.

Traditionslinien

Die Indienstnahme von Wissenschaft für Kriegszwecke hat eine lange und unrühmliche Tradition. Ohne die Beteiligung von WissenschaftlerInnen an militärischen Projekten wären der Erste und Zweite Weltkrieg so nicht möglich gewesen. Panzer, U-Boote, Kampfflugzeuge und chemische Waffen wurden in Kooperation entwickelt. Ein bekanntes Beispiel ist die Arbeit des deutschen Chemikers Fritz Haber, dessen ›patriotischer‹ Einsatz die Verwendung von Giftgas im Ersten Weltkrieg ermöglichte und Tausenden Menschen das Leben kostete. Zwischen 1933 und 1945 erfasste die Militarisierung einen Großteil der Wissenschaft in Deutschland, weshalb nach 1945 an einigen Hochschulen bereits eine sogenannte Zivilklausel eingeführt wurde, die militärtaugliche Forschung untersagt. Eine Indienstnahme der Wissenschaft für militärische Zwecke setzte sich jedoch im Wettrüsten des Kalten Krieges fort. Als in Deutschland Konrad Adenauer und Franz Josef Strauß 1957 eine Bewaffnung der Bundeswehr mit Atomwaffen anstrebten, stellten sich die »Göttinger 18«, 18 renommierte Atomforscher, dagegen. Sie unterzeichneten eine Verpflichtungserklärung, sich nicht »an der Herstellung, der Erprobung oder dem Einsatz von Atomwaffen« zu beteiligen. Am Atomforschungszentrum in Karlsruhe wurde ebenfalls eine Zivilklausel eingeführt, um die Entwicklung von Kernwaffen zu verhindern. Die Verpflichtung zu einer rein zivilen Forschung erfuhr bis zu den 1980er Jahren immer wieder auch international Zuspruch. Mitten im atomaren Wettrüsten beriefen sich 130 WissenschaftlerInnen und TechnikerInnen auf die Zivilcourage der »Göttinger 18« und unterzeichneten 1984 die »Darmstädter Verweigerungsformel«. Dutzende von Demonstrationen, Kongressen, Ringvorlesungen und Publikationen an Wissenschaftseinrichtungen aus unterschiedlichsten Disziplinen bezogen zu Zeiten der Friedensbewegung gegen militärische Forschung Stellung.

Bundeswehr 2.0 und dual use

Der Kalte Krieg ist Geschichte – von einer Zivilisierung der Außenpolitik und mit ihr der Wissenschaft sind wir aber weit entfernt. Gerade in der Bundesrepublik erleben wir seit 1990 eine neue Stufe der Militarisierung von Außenpolitik: Der Umbau der Bundeswehr zur global einsetzbaren Hightech-Armee ist proklamiertes Ziel. Der Beschaffungsetat für Ausrüstung, Transport und Kriegsmaschinerie steigt. Die vergangene Dekade kann als ›goldenes Jahrzehnt‹ der Rüstungsindustrie bezeichnet werden, die führenden deutschen Rüstungsunternehmen steigerten ihre Verkaufsumsätze seit 2001 von vier auf knapp sieben Milliarden US-Dollar.3 Die in der Bundesrepublik entwickelten und produzierten Waffen sind weltweit im Einsatz, und auch der relativ neue Markt der Sicherheitstechnologie lockt mit hohen Wachstums- und Profitraten.4 Vor diesem Hintergrund nimmt auch die Forschung und Entwicklung im wehrtechnischen Bereich weiter zu: Im Vergleich zum Zeitraum 2000 bis 2010 stiegen allein in den letzten vier Jahren die Auftragsvolumina des Bundesverteidigungsministeriums für Rüstungsforschung an öffentlichen Hochschulen um 150 Prozent und an außeruniversitären Forschungseinrichtungen um 70 Prozent (BT-Drs. 17/3337, 18/851). Details sind auch hier der Öffentlichkeit nicht zugänglich – wegen vermeintlicher »Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland«. Politisch legitimiert werden soll diese Entwicklung durch einen neuen Sicherheitsbegriff, der äußere und innere Sicherheit argumentativ miteinander verknüpft (vgl. Hauswedell in diesem Heft). Klassische Kriege zwischen Staaten treten in den Hintergrund, vielmehr wird der »globale Terrorismus« als neuer Feind ausgemacht. Auch Kämpfe um Ressourcen und Transportwege oder Flüchtlingsbewegungen werden als Bedrohung der Sicherheit eingestuft. Seit den 1990er Jahren wird die Umstrukturierung der Forschungslandschaft politisch vorangetrieben: Zivile und militärische Forschung werden unter dem Stichwort dual use gezielt verzahnt, und damit wird der militärischen Forschung von der Politik die Tür zur zivilen Forschungslandschaft geöffnet.5 Wissenschaftsethisch relevante und gesellschaftlich umstrittene Fragen, wie beispielsweise ob im Rahmen der Werkstoffforschung zu Sicherheitsglas ein direkter Nutzen für Militärfahrzeuge entstehen könnte oder ob im Rahmen der Entwicklung optischer Bauelemente auch an der Verbesserung von Drohnen und »präzisionsgelenkter Munition« gearbeitet wird, werden mit Verweisen auf dual use schlicht umgangen.

Widerstand heute: Offenlegung und Zivilklauseln jetzt!

Durch diese Verschränkung von ziviler und militärischer Forschung sowie durch die Geheimhaltungspraxen lässt sich oft nur schwer gegen die militärische Nutzung von Forschungsergebnissen an öffentlichen Einrichtungen vorgehen. Seit 2009 wächst jedoch eine Bewegung von kritischen WissenschaftlerInnen, Studierenden und Gewerkschaften, die für eine Verankerung von Zivilklauseln an Hochschulen und öffentlichen Forschungseinrichtungen streitet. Gefordert wird eine Selbstverpflichtung, ausschließlich zivile und friedliche Forschung zu betreiben, auch gegen die politische motivierte Argumentation der Gegenseite, Zivilklauseln würden die im Grundgesetz verankerte Wissenschaftsfreiheit einschränken. Als die LINKE 2012 die Bundesregierung dazu aufforderte, gemeinsam mit den Bundesländern Verantwortung für Forschungsfolgen zu übernehmen und sich dafür einzusetzen, Zivilklauseln in den Statuten der Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie in den jeweiligen Landeshochschulgesetzen zu verankern und ihre eigene Auftragsvergabe nach rein zivilen Kriterien zu gestalten (BT-Drs. 17/9979), wies sie dieses Anliegen zurück. Inzwischen jedoch gibt es bundesweit 20 Hochschulen an denen Zivilklauseln entweder »ausschließlich zivile Forschung und Lehre« ermöglichen oder aber – freier interpretierbar – Forschung und Lehre für »friedliche Ziele« fordern. Da die Bundeswehr ihrem Selbstverständnis nach im Ausland auch auf »Friedensmissionen« ist, bietet die weichere Formulierung Möglichkeiten, die Selbstverpflichtung auf zivile Forschung zu umgehen. Leider werden aber auch klarer formulierte Zivilklauseln regelmäßig unterlaufen (BT-Drs. 18/241, 18/851). Mit der Festschreibung von Zivilklauseln in den Statuten der Hochschulen wird es also nicht getan sein. Vielmehr muss sich um deren Einhaltung vor Ort aktiv gekümmert werden. Dafür braucht es wache und engagierte WissenschaftlerInnen sowie funktionstüchtige demokratische Hochschulgremien, die über Geldgeber und Ziele der jeweiligen Forschungsprojekte gut informiert sind. Hier spielen entsprechende Anfragen der Linksfraktionen eine große Rolle. Ein positives Beispiel setzt momentan die Technische Universität Darmstadt mit einer vorbildlich eingebetteten Zivilklausel in transparente Entscheidungsprozesse. Mittlerweile hat sich hierzulande eine Art Zivilklausel-Community herausgebildet, die an zahlreichen Hochschulen präsent ist – auch ein Beispiel für eine alternative Außen- und Sicherheitspolitik.