Die Ergebnisse der Landtagswahlen und der letzten Bundestagswahl zeigen jedoch, dass der Rechtsruck nicht durch eine Annäherung an rechte Inhalte und Politik verhindert werden kann. Weder für die SPD noch für Bündnis 90/Die Grünen ist die Strategie, bei der Asyl- und Migrationspolitik in Richtung konservativer Block zu rücken und damit Stimmen zu gewinnen, aufgegangen. Die Sozialdemokraten hatten argumentiert, sie verfolgten und verwirklichten de facto bereits Merz’ »Fünf-Punkte-Plan« – nur völkerrechtlich abgesichert. Auch der ehemalige grüne Wirtschaftsminister Habeck hatte noch kurz vor der Bundestagswahl mit einem ähnlich restriktiven migrationspolitischen »Zehn-Punkte-Plan« versucht, sich der Union anzubiedern und als potenzieller Koalitionspartner zu empfehlen sowie Wähler*innen für sich zu mobilisieren, die einst Merkel wählten. All das geschah in den Ampelparteien in vorauseilendem Gehorsam auf Druck von CDU/CSU und AfD hin.
Blockierte Transformation
Damit vollzogen bis auf Die Linke alle im Parlament vertretenen Parteien einen deutlichen Rechtsruck und verabschiedeten sich wie Bündnis 90/Die Grünen von ihrem früheren Anspruch, eine verlässliche Stimme für Bürger- und Menschenrechte zu sein. Ein Ende fand damit auch eine neue Phase im migrationspolitischen Bewegungszyklus, die mit viel Hoffnung einhergegangen war. Migrantische und antirassistische Akteur*innen sind in Deutschland seit der Nachkriegszeit Teil emanzipatorischer, progressiver und klassenpolitischer Kämpfe (vgl. z. B. Öztürk u. a. 2025). Trotz der langen Geschichte des gewaltförmigen europäischen Grenzregimes und rassistischer Exklusion und Diskriminierung in den westlichen Migrationsgesellschaften setzte eine seriöse Auseinandersetzung in der Regierung erst in den 2020er Jahren ein. Migration wurde zunehmend als Politikfeld erkannt, auf dem sich die Widersprüche neoliberaler Restrukturierungen, rassifizierter Ausschlussmechanismen und neuer Kämpfe um soziale Gerechtigkeit verdichten. Hinzu kamen neue Organisierungsansätze und zivilgesellschaftliche Auseinandersetzungen nach den rechtsterroristischen Anschlägen des NSU, nach Hanau, Halle und den vielen eklatanten Fällen von Polizeigewalt, der lange Sommer der Migration, die Willkommensbewegung, Black Lives Matter, aber auch erfolgreiche Mieter*innenproteste Anfang der 2010er Jahre, an denen von Gentrifizierung und Verdrängung bedrohte Migrant*innen maßgeblich beteiligt waren (vgl. Hamann/Türkmen 2020). Diese Kämpfe trugen zu einer Situation bei, in der breite Debatten über institutionellen und strukturellen Rassismus und fehlende politische Partizipationsmöglichkeiten stattfanden. Der Migrant Pay Gap rückte neben dem Gender Pay Gap auf die politische Agenda. All die politischen Bemühungen dieser Zeit setzten auf das universelle Gleichheitsversprechen sowie auf die Umsetzung universeller Geltung von Bürger- und Menschenrechten. Am Ende der Regierungszeit der Ampelkoalition zeigte sich jedoch, dass sämtliche Erwartungen an eine progressivere Migrations- und Gesellschaftspolitik bitterlich enttäuscht worden waren. Während damals aber Kämpfe um die Demokratisierung der Demokratie stattfanden, wird heute Demokratieabbau entfesselt.
Antifaschistisches Mosaik: Demokratie verteidigen, Solidarität organisieren
Es sind die vulnerablen Gruppen in dieser Gesellschaft, die die zerstörerischen Kräfte und Auswirkungen des gegenwärtigen rechtsautoritären Umbaus als Erstes am eigenen Leib zu spüren bekommen. Doch die zentralen Fragen bleiben für alle ähnlich: In welcher Gesellschaft werden wir künftig leben? Wie sicher sind demokratische Rechte noch und für wen? Jetzt gilt es, genau hinzusehen: Wo eröffnen sich neue Räume für Widerstand, für solidarische Praxis, für Kämpfe, die über das Bestehende hinausweisen?
Der Wahlerfolg der Linkspartei im Februar war zugleich ein Erfolg der gesellschaftlichen Linken, die die Dynamik einer zunehmenden Faschisierung erkannt und versucht hat, die Stimmung in den letzten Wochen des Wahlkampfes mit ihren breiten Protesten auf der Straße umzukehren. Hieraus ergibt sich auch ein Auftrag an die Partei und eine Handlungsoption für die Mosaik-Linke. Lange Zeit war die Linkspartei mit dem richtigen Schwerpunkt ihres Wahlkampfes auf soziale Fragen, mit ihren konkreten Hilfsangeboten und mit ihrer Oben-unten-Rhetorik wenig erfolgreich. In Wahlumfragen lag sie über Monate lediglich zwischen drei und vier Prozent. Erst nach dem »Dammbruch« im Bundestag im Januar, der eine Polarisierung der deutschen Parteienlandschaft mit sich brachte, gelang es ihr mit ihrer klar antifaschistischen und antirassistischen Haltung, einen Stimmungswechsel herbeizuführen und einem »sozialen Antifaschismus« gesellschafts- und wahlpolitisch zur Geltung zu verhelfen (vgl. Sunkara 2024). Mit Étienne Balibar (2024) gesprochen: »Vom Klassenkampf zur Überschneidung der Bewegungen.« Damit eröffnete sich die Chance für die »neue Linkspartei«, aus einer moralischen Haltung heraus zu einer verbindenden politischen Zukunftsvision und Praxis zu kommen, ohne zu einer Partei des liberalen Multikulturalismus zu werden. Die »alte Linkspartei« litt unter der Trennung zwischen »Klassenpolitik« als traditionellem politischen Feld und »emanzipativer Politik« der sozialen Bewegungen, an der Forcierung von Partikularität und Fragmentierung. Ein Blick in die Geschichte und zurückliegende Kämpfe zeigt hingegen, dass die »Klasse« noch nie nur politisch ausschließlich mit arbeitspolitischen und betrieblichen Forderungen und Anliegen adressiert und mobilisiert werden konnte, sondern schon immer auch eine »Klasse der Vielen« war, viele Widersprüche in sich trug, viele Kämpfe austrug, die auch über die Betriebe hinausgingen. Und dass Teile dieser Klasse immer auch schon queer-feministische, klimapolitische und antirassistische Positionen vertraten. »Soziale Gleichheit« und »Demokratie« dürfen nicht durch eine Art »linken Nationalismus« verengt werden. Sie müssen als universelle Rechte bedingungslos für alle gelten und politische Instrumente dieses Rechts umzusetzen versuchen. Ohne die BSW-Fraktion in der Partei kann dies nun glaubwürdig vertreten werden. Hierin liegt die Aufgabe der neuen Linkspartei.