Nach den ersten Monaten der Präsidentschaft Donald Trumps zeichnet sich – schon in deutlicheren Konturen – die Lateinamerika-Politik der USA ab. So unterschiedlich Trump und sein Vorgänger Barack Obama erscheinen mögen: Die Herangehensweise der neuen US-Administration ist wird weitgehend von Kontinuität geprägt sein. Gleichwohl werden einige neue Akzente gesetzt, die bedeutsam sind. Die von Trump postulierte protektionistische Politik richtet sich dabei vor allem gegen das Nachbarland Mexiko und – wie alle Kommentatoren hervorheben – kann sie Auswirkungen für ganz Lateinamerika mit sich bringen. Weiteren Grund für Befürchtungen gibt es besonders in Bezug auf das zukünftige Verhältnis der USA zu den Linksregierungen in Kuba, Venezuela, Bolivien und Ecuador.
Lateinamerika – der ›traditionelle Hinterhof‹ der USA
Die ersten Jahre des 21. Jahrhunderts waren von verbesserten Bedingungen für die Sicherung der nationalen Souveränität der lateinamerikanischen Länder und ihrer zunehmend wichtigeren Rolle in den internationalen Beziehungen geprägt. Die dadurch geförderte Selbstständigkeit gegenüber der imperialen Macht im Norden zwang die USA, sich auf diese Entwicklung einzustellen. Die Obama-Administration agierte im Sinne der von Joseph Nye (2011, 302 ff.) entworfenen Linie der smart policy, also einer Politik der »intelligenten Macht«. Sie fand ihren Niederschlag in dem Ende 2015 begonnenen Prozess der Normalisierung der Beziehungen zu Kuba, in der Unterstützung des Friedensprozesses in Kolumbien und in der veränderten Haltung der USA gegenüber großen Ländern wie zum Beispiel zu Brasilien. Das Ziel der US-Politik bestand darin, diese Länder als Alliierte zu gewinnen oder sie zumindest zu neutralisieren, um eine weitergehende Eigenständigkeit zu verhindern. Diese Politik der »intelligenten Macht« stützte sich auf die militärische Präsenz der USA mit insgesamt 70 Militärbasen auf dem lateinamerikanischen Kontinent sowie auf die traditionell engen wirtschaftlichen Beziehungen (verstärkt noch durch den Abschlusses bilateraler Freihandelsabkommen). Außerdem gehört zum Arsenal dieser Politik die Tätigkeit von US-amerikanischen Nichtregierungsorganisationen wie zum Beispiel National Endowment for Democracy (NED) oder Students for Liberty und anderen Institutionen wie der United States Agency for International Development (USAID) sowie der Einsatz von Geheimdiensten, darunter die National Security Agency (NSA).
Die Trump-Administration: Von der smart power zur hard (stupid) power?
Der US-amerikanische Soziologe und Weltsystemtheoretiker Immanuel Wallerstein geht davon aus, dass die technologischen, militärischen und vor allem die wirtschaftlichen Kapazitäten der USA im 21. Jahrhundert nicht ausreichen werden, um allein die Welt zu beherrschen. Die Strategie des Unilateralismus, die von den meisten früheren US-Präsidenten (einschließlich des »liberalen« Präsidenten Barack Obama) präferiert wurde, war verbunden mit wachsenden Ausgaben für die Aufrechterhaltung der militärischen Dominanz der USA. Machten im Jahr 2000 die US-Militärausgaben noch 2,9 Prozent des Bruttoinlandprodukts aus, waren es 2010 schon 4,66 Prozent (Romero 2017a). Der (drohende) Hegemonieverlust hat in den USA eine Debatte ausgelöst, in der Thesen von Zbiegniew Brzezinski, Berater verschiedener, vor allem demokratischer US-Präsidenten, von Bedeutung sind. Diese tauchten auch in den Wahlkampfreden von Donald Trump auf. Bereits in seinem 1971 erschienen Buch »Zwischen zwei Zeiten: Die Rolle der USA in der digitalen Ära« (»Between Two Ages«) schrieb Brzezinski, dass es an der Zeit sei, die Welt neu auszutarieren und eine neue politische globale Ordnung mit einem trilateralen wirtschaftlichen Zusammenschlusses zwischen Japan, Europa und den USA zu schaffen (vgl. Lopez 2017).
Trumps politischer Ansatz selbst weist in einer Situation, in der das System geschwächt ist, auf eine Vertiefung der kapitalistischen Globalisierung und auf eine Umverteilung und Neuformierung der Kräfte hin. Es stellt sich somit die Frage, welche Rolle Lateinamerika in dieser neuen politischen globalen Ordnung für die USA spielen soll. Lateinamerikanische Kommentatoren wie Juan Eduardo Romero (2017a) gehen in ihren Analysen der Lateinamerika-Politik der neuen US-Administration von einem direkten Einfluss einiger von Brzezinski vertretenen Thesen aus, unter anderem der These vom »konstruktiven Chaos«.[1] Brzezinski bescheinigt Mexiko große interne Probleme, die beunruhigende Dimensionen erreicht hätten. Beispielhaft bezieht er sich auf den seit 2006 im Land tobenden Drogenkrieg. Dieser habe Mexiko im Grunde zu einem »failed state« gemacht, der sich im Zustand eines »konstruktiven Chaos« befinde. Es bestehe so die Gefahr von starken anti-US-amerikanischen Bewegungen, woraus sich wiederum die Notwendigkeit ergebe, Mexiko stärker unter Kontrolle zu bringen (López, 2017). Die Entwicklung in Venezuela wiederum lässt sich aus diesem Blickwinkel als das Zusammenspiel von inneren Widersprüchen des bolivarischen Entwicklungspfades in der globalen (Ressourcenpreis-)Krise und äußerer Destabilisierung und Durchsetzung dieses Konzeptes verstehen: Die politische Instabilität bietet die Möglichkeit, dieses »konstruktive Chaos« auszunutzen. Der kubanische Historiker Elier Ramirez Canedo befürchtet bei der Analyse der entstandenen Situation, dass die von Trump gewählte Sprache, seine politischen Auslassungen und seine ersten politischen Maßnahmen den Übergang von der smart-power-Politik Obamas zu einer hard-power- und damit stupid-power-Politik markieren.