Nach den ersten Monaten der Präsidentschaft Donald Trumps zeichnet sich – schon in deutlicheren Konturen – die Lateinamerika-Politik der USA ab. So unterschiedlich Trump und sein Vorgänger Barack Obama erscheinen mögen: Die Herangehensweise der neuen US-Administration ist wird weitgehend von Kontinuität geprägt sein. Gleichwohl werden einige neue Akzente gesetzt, die bedeutsam sind. Die von Trump postulierte protektionistische Politik richtet sich dabei vor allem gegen das Nachbarland Mexiko und – wie alle Kommentatoren hervorheben – kann sie Auswirkungen für ganz Lateinamerika mit sich bringen. Weiteren Grund für Befürchtungen gibt es besonders in Bezug auf das zukünftige Verhältnis der USA zu den Linksregierungen in Kuba, Venezuela, Bolivien und Ecuador.

Lateinamerika – der ›traditionelle Hinterhof‹ der USA

Die ersten Jahre des 21. Jahrhunderts waren von verbesserten Bedingungen für die Sicherung der nationalen Souveränität der lateinamerikanischen Länder und ihrer zunehmend wichtigeren Rolle in den internationalen Beziehungen geprägt. Die dadurch geförderte Selbstständigkeit gegenüber der imperialen Macht im Norden zwang die USA, sich auf diese Entwicklung einzustellen. Die Obama-Administration agierte im Sinne der von Joseph Nye (2011, 302 ff.) entworfenen Linie der smart policy, also einer Politik der »intelligenten Macht«. Sie fand ihren Niederschlag in dem Ende 2015 begonnenen Prozess der Normalisierung der Beziehungen zu Kuba, in der Unterstützung des Friedensprozesses in Kolumbien und in der veränderten Haltung der USA gegenüber großen Ländern wie zum Beispiel zu Brasilien. Das Ziel der US-Politik bestand darin, diese Länder als Alliierte zu gewinnen oder sie zumindest zu neutralisieren, um eine weitergehende Eigenständigkeit zu verhindern. Diese Politik der »intelligenten Macht« stützte sich auf die militärische Präsenz der USA mit insgesamt 70 Militärbasen auf dem lateinamerikanischen Kontinent sowie auf die traditionell engen wirtschaftlichen Beziehungen (verstärkt noch durch den Abschlusses bilateraler Freihandelsabkommen). Außerdem gehört zum Arsenal dieser Politik die Tätigkeit von US-amerikanischen Nichtregierungsorganisationen wie zum Beispiel National Endowment for Democracy (NED) oder Students for Liberty und anderen Institutionen wie der United States Agency for International Development (USAID) sowie der Einsatz von Geheimdiensten, darunter die National Security Agency (NSA).

Die Trump-Administration: Von der smart power zur hard (stupid) power?

Der US-amerikanische Soziologe und Weltsystemtheoretiker Immanuel Wallerstein geht davon aus, dass die technologischen, militärischen und vor allem die wirtschaftlichen Kapazitäten der USA im 21. Jahrhundert nicht ausreichen werden, um allein die Welt zu beherrschen. Die Strategie des Unilateralismus, die von den meisten früheren US-Präsidenten (einschließlich des »liberalen« Präsidenten Barack Obama) präferiert wurde, war verbunden mit wachsenden Ausgaben für die Aufrechterhaltung der militärischen Dominanz der USA. Machten im Jahr 2000 die US-Militärausgaben noch 2,9 Prozent des Bruttoinlandprodukts aus, waren es 2010 schon 4,66 Prozent (Romero 2017a). Der (drohende) Hegemonieverlust hat in den USA eine Debatte ausgelöst, in der Thesen von Zbiegniew Brzezinski, Berater verschiedener, vor allem demokratischer US-Präsidenten, von Bedeutung sind. Diese tauchten auch in den Wahlkampfreden von Donald Trump auf. Bereits in seinem 1971 erschienen Buch »Zwischen zwei Zeiten: Die Rolle der USA in der digitalen Ära« (»Between Two Ages«) schrieb Brzezinski, dass es an der Zeit sei, die Welt neu auszutarieren und eine neue politische globale Ordnung mit einem trilateralen wirtschaftlichen Zusammenschlusses zwischen Japan, Europa und den USA zu schaffen (vgl. Lopez 2017). 

Trumps politischer Ansatz selbst weist in einer Situation, in der das System geschwächt ist, auf eine Vertiefung der kapitalistischen Globalisierung und auf eine Umverteilung und Neuformierung der Kräfte hin. Es stellt sich somit die Frage, welche Rolle Lateinamerika in dieser neuen politischen globalen Ordnung für die USA spielen soll. Lateinamerikanische Kommentatoren wie Juan Eduardo Romero (2017a) gehen in ihren Analysen der Lateinamerika-Politik der neuen US-Administration von einem direkten Einfluss einiger von Brzezinski vertretenen Thesen aus, unter anderem der These vom »konstruktiven Chaos«.[1] Brzezinski bescheinigt Mexiko große interne Probleme, die beunruhigende Dimensionen erreicht hätten. Beispielhaft bezieht er sich auf den seit 2006 im Land tobenden Drogenkrieg. Dieser habe Mexiko im Grunde zu einem »failed state« gemacht, der sich im Zustand eines »konstruktiven Chaos« befinde. Es bestehe so die Gefahr von starken anti-US-amerikanischen Bewegungen, woraus sich wiederum die Notwendigkeit ergebe, Mexiko stärker unter Kontrolle zu bringen (López, 2017). Die Entwicklung in Venezuela wiederum lässt sich aus diesem Blickwinkel als das Zusammenspiel von inneren Widersprüchen des bolivarischen Entwicklungspfades in der globalen (Ressourcenpreis-)Krise und äußerer Destabilisierung und Durchsetzung dieses Konzeptes verstehen: Die politische Instabilität bietet die Möglichkeit, dieses »konstruktive Chaos« auszunutzen. Der kubanische Historiker Elier Ramirez Canedo befürchtet bei der Analyse der entstandenen Situation, dass die von Trump gewählte Sprache, seine politischen Auslassungen und seine ersten politischen Maßnahmen den Übergang von der smart-power-Politik Obamas zu einer hard-power- und damit stupid-power-Politik markieren.

Vorgehen der Trump-Administration gegen einzelne Länder

Ein aktueller Blick auf Lateinamerika macht deutlich, dass vor allem Fragen der Wirtschafts- und Außenhandelspolitik, die Haltung der USA zu Migrant*innen, die politische Instabilität in Venezuela, die weitere Entwicklung der Beziehungen der USA zu Kuba, der Friedensprozess in Kolumbien und das Drogenproblem im Fokus der US-Politik stehen werden.

Mexiko

Zwischen den USA und Mexiko existieren intensive Beziehungen. Rund 35 Millionen Mexikaner*innen leben in den USA, eine Million US-Bürger*innen wiederum in Mexiko. Täglich passieren eine Million Menschen und 437.000 Fahrzeuge die Grenze. Mexiko ist einer der wichtigsten Handelspartner der USA: Das Handelsvolumen beträgt 352 Milliarden US-Dollar. Mexiko exportiert Waren im Wert von 296 Milliarden US-Dollar in die Vereinigten Staaten, das Volumen der Importe macht 235 Milliarden US-Dollar aus. Das bedeutet 60 Milliarden US-Dollar Überschuss für Mexiko. 64 Prozent der mexikanischen Exporte gehen in die USA, somit sind sie der wichtigste Handelspartner Mexikos (vgl. Main 2017). Mexiko stand sowohl in Trumps Wahlkampf als auch sofort nach seinem Amtsantritt im Mittelpunkt seiner ›Kritik‹: Mexiko sei auf der Basis des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) wirtschaftlich bevorteilt, und die Migration sei ein Teil der Probleme, die die USA belasten. Für Mexiko, das seit 1992 NAFTA-Mitglied ist, beweisen wirtschaftliche Indikatoren, dass der Vertrag im Wesentlichen negative Auswirkungen gehabt hat: Es gab keinen Industrialisierungseffekt, dafür aber einen Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion. Außerdem wurde Mexiko aufgrund seines Lohngefälles zur ›(Re-)Importplattform‹ für die USA. Zum Beispiel gehen 90 Prozent der in Mexiko produzierten Autoteile und Pkw in die USA. Die Maquiladores nutzen die billige mexikanische Arbeitskraft zur Montage von Pkw und anderen Industrieerzeugnissen, die vor allem für den US-Markt bestimmt sind. Sie sind für etwa 60 Prozent des Exports in die USA verantwortlich. Es arbeiten in diesem sogenannten industriellen Sektor mit seinen überaus prekären Beschäftigungsverhältnissen derzeit über 2,6 Millionen Menschen (vgl. Costa 2017). Vom Weißen Haus war zu vernehmen, dass die USA in Zukunft Importzölle von 20 Prozent auf mexikanische Einfuhren erheben wollen, was außerordentliche negative Konsequenzen für die Wirtschaft und die Menschen dort haben würde. Bisher reagierte die mexikanische Regierung auf die Angriffe sehr defensiv. Die Beunruhigung der mexikanischen Unternehmenselite beruht auf der Ungewissheit, ob Trump den NAFTA-Vertrag neu verhandeln oder aufkündigen wird. Inzwischen hat Trump den NAFTA-Vertrag gekündigt. Trump demütigte Präsident Pena Nieto mit der Drohung, US-Truppen an die mexikanisch-amerikanische Grenze zu schicken, um Mexiko dazu zu zwingen, die von Trump angekündigte Mauer zu bauen. Mit dieser Politik versucht Trump nicht nur, wirtschaftliche Ziele zu verwirklichen, sondern Mexiko den geopolitischen Erfordernissen der USA unterzuordnen.

Venezuela

Der Historiker Juan Eduardo Romero (2017b) vom Forschungszentrum für politische strategische Studien in Mexiko beschreibt die Situation in Venezuela als »katastrophalen Patt«. Dieser gefährde die Existenz der linken Maduro-Regierung. Zur schlechten wirtschaftlichen Lage und zu den destablisierenden Aktionen der radikalen Opposition kämen eigene Schwächen hinzu wie etwa die versuchte Ausschaltung des Parlaments durch ein Gerichtsurteil und schließlich durch die Abstimmung über die Verfassungsgebende Versammlung (ANC) am 30.7.2017. Trumps Außenminister Tillerson machte deutlich: »Wir arbeiten mit der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zusammen, um eine Verhandlungslösung für einen demokratischen Übergang zu finden.«[2] Beispielhaft für diese politische Zielstellung verlief die Tagung des Ständigen Rates der OAS am 23. März 2017 in Washington. Aus Protest blieben einige linksregierte Länder (Bolivien, Venezuela, Nicaragua) dem Treffen fern, aber 21 von 34 OAS-Mitgliedsstaaten nahmen die politische Krise in Venezuela zum Anlass, gegen Maduro vorzugehen. Zur Debatte stand eine Resolution, die eine direkte Einmischung in die inneren Angelegenheiten Venezuelas vorsieht. In der Resolution heißt es, dass »im Rahmen der Interamerikanischen Demokratischen Charta zusätzliche Schritte unternommen werden sollen, um eine Normalisierung der demokratischen Institutionen (in Venezuela) abzusichern.« (Proceso.com.mx, 3.4.2017). Sie wurde per Akklamation angenommen. Dabei handelt es sich nach Ansicht von zahlreichen Kommentatoren um die bisher schärfste Verurteilung der Maduro-Regierung, nach Meinung der Regierung Venezuelas aber kommen die in der Resolution vorgeschlagenen Maßnahmen einem »institutionellen Staatsstreich« gleich.[3]

Begleitet wurde die Debatte im Rahmen der OAS von einer Einschätzung des Chefs des Südkommandos der US-amerikanischen Streitkräfte, Admiral Kurt Tidd, die er dem Komitee für militärische Angelegenheiten im US-Senat übermittelte. Nach Tidd stellt Venezuela einen »destabilisierenden Faktor« in der Region dar, was durch »die sich verschärfende humanitäre Krise eine regionale Antwort erfordern könnte«. Darüber hinaus warnte er vor dem »russischen, chinesischen und iranischen Einfluss in der Region«, der die Interessen der USA in Lateinamerika bedrohe. [4] Trump persönlich rief im Februar 2017 den Präsidenten Panamas, Juan Carlos Varela, an, um mit ihm über Venezuela zu reden, zu dessen Regierung Panama bislang gute Beziehungen pflegte. Offenbar hat Trump vor, unter Ausnutzung der wirtschaftlichen Interessen Panamas Varela dazu zu drängen, seine Haltung gegenüber zu Venezuela zu ändern. Venezuela steht im Zentrum der Aufmerksamkeit der Trump-Administration, da es um die Erdölvorräte des Landes geht. So hat ExxonMobil großes Interesse an der Ausbeutung des auf 1,4 Milliarden Barrel geschätzten Erdölvorkommens an der venezolanisch-guyanischen Grenze.[5] Tatsächlich hat US-Außenminister Rex Tillerson noch eine Rechnung mit Venezuela offen, da er als ehemaliger Chef von ExxonMobil eine Neuverhandlung der Erdölverträge mit Venezuela ablehnte, woraufhin 2007 die Anlagen des Konzerns in Venezuela verstaatlicht wurden (vgl. Neuber 2017). Neben der OAS ist Kolumbien, das schon jetzt einen Wirtschaftskrieg gegen Venezuela führt, derzeit ein geeigneter Partner für die Vorhaben der US-Regierung, da die politischen Interessen der herrschenden Elite Kolumbiens deckungsgleich mit denen der USA sind. Auch die kolumbianische Regierung, die die Energiesicherheit des Landes erhöhen will, hat großes Interesse an dem venezolanischen Erdöl.[6] Mit der Trump-Administration wächst die Gefahr einer militärischen Intervention in Venezuela. In einer Situation, in der die Welt vor allem auf die Entwicklungen im Nahen Osten, insbesondere in Syrien schaut, ist eine militärische Aktion seitens der USA in Lateinamerika nicht ausgeschlossen. Nach der Durchführung der Abstimmung über die Verfassungsgebende Versammlung (ANC), die von der Opposition boykottiert wurde, haben die USA weitere Sanktionen gegen Venezuela angekündigt. Alle Aktiva, die Präsident Maduro in den USA hat, werden eingefroren und alle Transaktionen verboten. Angedroht werden Einschränkungen (Importverbote) auf dem Erdölsektor. (Die USA sind hauptsächlicher Abnehmer von Erdölexporten aus Venezuela.) Die USA-Administration betrachtet die Abstimmung zur ANC als »Verletzung demokratischer und institutioneller Rechte«[7]. Das Schatzamt der USA verhängte diese Sanktionen gegen Präsident Maduro, weil er mit der Durchsetzung der neuen Verfassung zum »Diktator« mutiert sei. Diesen Reaktionen der USA folgten in treuer Anhänglichkeit sowohl die OAS wie auch einige lateinamerikanische Länder wie Chile und Peru, dessen Botschafter aus Venezuela ausgewiesen wurde.

Am 10.8.17 erklärte Trump, dass »wir viele Optionen für Venezuela offenhalten, einschließlich einer militärischen, wenn es erforderlich ist«.[8] Vizepräsident Pence, der auf einer Rundreise verschiedene lateinamerikanische Länder besuchte, relativierte die Äußerung Trumps, nachdem sich u.a. der Präsident Kolumbiens Santos gegen militärische Maßnahmen gegen Venezuela ausgesprochen hatte. Pence erklärte, dass Venezuela auf dem Weg in eine Diktatur sei. Dabei würden die USA nicht »ruhig bleiben«. Das südamerikanische Land sei ein »gescheiterter Staat«, der »eine Bedrohung für die Sicherheit und den Wohlstand der ganzen Hemisphäre« darstelle.[9] Die Reise Pence’ durch Lateinamerika diente offensichtlich dem Ziel, Venezuela von anderen Ländern des Kontinents zu isolieren. Mit der Trump-Administration wächst die Gefahr einer militärischen oder ähnlich gelagerten Intervention in Venezuela. In einer Situation, in der die Welt vor allem auf die Entwicklungen im Nahen Osten, insbesondere in Syrien schaut, ist eine militärische Aktion seitens der USA in Lateinamerika nicht ausgeschlossen.

Kuba

Schon während des Wahlkampfes hatte Donald Trump seine Ablehnung der Politik Obamas gegenüber Kuba deutlich gemacht. Er hatte die »Öffnung« gegenüber Kuba als eine »schandhafte Annäherung an die Tyrannen, die nur die Militärdiktatur festigt«, genannt und verkündet: »Wir werden das Recht der Kubaner verteidigen, sich vom Kommunismus zu befreien« (zit. nach Salazar 2017). US-Außenminister Tillerson unterstützte Trump, indem er die entsprechenden US-Institutionen aufforderte, alle von Obama bezüglich Kuba eingeleiteten Schritte rückgängig zu machen. Dazu gehören die Visaerleichterungen, wirtschaftliche Maßnahmen sowie die Entfernung Kubas von der berüchtigten Liste von Terrorstaaten der US-Regierung. Gleichzeitig forderte Tillerson den Senat und das Abgeordnetenhaus Anfang des Jahres dazu auf, das Wirtschaftsembargo gegen Kuba nicht aufzuheben. Nach der Amtsübernahme Trumps erwartete die Miami-Fraktion der Exilkubaner konkrete Schritte vom neuen Präsidenten. Doch weder er noch der Beauftragte für kubanische Angelegenheiten, Jann Greenblath, wurden bisher aktiv geworden. Weder ist es zu Einschränkungen des Tourismus gekommen noch wurde dem Unternehmen Cuba International Network (Sitz in Florida) die Lizenz für sein kubanischen Büro verweigert, das vorhat, auf der Karibikinsel für den Verkauf in den USA bestimmte Radio-, Fernseh- und Filmproduktionen zu realisieren. 

Die kubanische Regierung reagierte ihrerseits besonnen und zurückhaltend auf die Angriffe während des US-Wahlkampfes. Präsident Raul Castro erklärte im Januar 2017 auf der 5. Tagung der Gemeinschaft Lateinamerikanischer und Karibischer Staaten (CELAC) in Santo Domingo die Bereitschaft Kubas, den Dialog mit den USA weiterzuführen und die begonnene Kooperation unter Beachtung unterschiedlicher Positionen fortzusetzen (vgl. CELAC 2017). Nach einer Zeit des Abwartens und der Wahl eines geeigneten Ortes und Ereignisses erklärte Präsident Trump im Juni 2017 alle von der Obama-Administration mit Kuba vereinbarten Schritte zur Normalisierung der Beziehungen und Abkommen für beendet. »Ich erkläre den bilateralen Vertrag der letzten Regierung für beendet. Ich erkläre hiermit eine neue Politik, wie ich sie während der Wahlkampagne versprochen habe. Ich unterzeichne diesen Vertrag (»Memorando Presidencial de Seguridad Nacional sobre el fortalecimiento de la Política de los Estados Unidos hacia Cuba« – Präsidentenmemorandum über nationale Sicherheit zur Stärkung der Politik der USA gegenüber Kuba«) an diesem Tisch sofort.«[10] Diese Sätze sprach Trump in Miami vor enthusiastischen Exilkubanern, die schon lange auf eine solche Maßnahme gegen Kuba gewartet hatten. Zu den verhängten Maßnahmen zählen u. a. die Einschränkung von Dollarzahlungen, ein Verbot des individuellen Tourismus, ein Verbot von Geschäften mit kubanischen Unternehmen, die mit militärischen Einrichtungen realisiert werden, und die Aufrechterhaltung der Blockade, die seitens der USA gegen Kuba seit über 60 Jahren völkerrechtswidrig (seit 1992 als Gesetz) realisiert wird. Mit diesen Maßnahmen entsprach Trump den Forderungen rechter und nationalistischer Kräfte, was einer Rückkehr von Praktiken aus der Zeit der Blockkonfrontation entspricht. Mit diesen Maßnahmen wird deutlich, wie die Trump-Administration gedenkt, die Beziehungen zu Kuba grundsätzlich zu ändern.

Welchen Platz wird Lateinamerika in der Politik der Trump-Administration einnehmen?

In Lateinamerika wird darauf verwiesen, dass eine Antwort auf die Frage, welche Richtung die Politik der Trump-Administration am Ende einschlagen wird, noch nicht umfassend möglich ist. Es bedürfe einer genaueren Fall-zu-Fall-Analyse, da Vieles davon abhänge, welche politischen und militärischen Positionen unterschiedliche Interessengruppen, aber vor allem entscheidende Stellen im bürokratisch-militärischen Apparat und ihre Vertreter in Regierungsfunktionen einnehmen werden (vgl. Salazar 2017). Ganz offensichtlich und besonders zu beachten ist dabei zweifellos die starke Repräsentation der Erdöllobby (u.a. durch Rex Tillerson, Rick Perry und Scott Pruit) in der gegenwärtigen US-Regierung. Was Trump und andere Kräfte umtreibt, ist die bröckelnde Dominanz der USA in Lateinamerika. Die Existenz linksgerichteter Regierungen und Bewegungen, die sich nicht im Sinne der strategischen Linie der USA bewegten, ist ein wesentlicher Ausgangspunkt für Trumps Losung, »Amerika wieder groß zu machen«. Das erinnert die Lateinamerikaner an die historischen Erfahrungen mit der aggressiv-interventionistischen Politik des »Big Stick« (»Großer Knüppel«) und der Monroe-Doktrin, die 1823 von den USA zunächst als defensive Doktrin der Nichteinmischung gegen die Westeuropäer formuliert worden war (»Amerika den Amerikanern«) und dann als politisch-ideologische Rechtfertigung für die Interventionspolitik der USA im zentral- und südamerikanischen ›Hinterhof‹ (patio traseiro) diente. 

Diese Doktrin, so die Befürchtung, könnte durch die Trump-Administration eine Wiederbelebung erfahren. Damit droht eine neue Welle politischer Destabilisierung und ökonomischer Zerrüttungen. Im besonderen Maße wird sich diese Politik auch gegen die Integrationsbestrebungen der lateinamerikanischen Länder richten, die in Zusammenschlüssen wie der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR), der Bolivarianischen Allianz für die Völker unseres Amerika (ALBA) und in der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) zum Ausdruck kommen. Für die USA wird Lateinamerika im Hinblick auf die weltweit existierenden Konflikte, auf die die Trump-Administration reagieren muss und wird, weiterhin eine bedeutende Rolle spielen. Als ›Hinterhof‹ hatte Lateinamerika, historisch betrachtet, immer eine außerordentliche Bedeutung für die USA. Es war immer Hinterland, Rohstofflieferant, dem US-Kapital untergeordnet, politisch abhängig und quasi eine ›friedensberuhigte Zone‹. Und Trump hat offenkundig mit seinen bisherigen Erklärungen und Handlungen die Regierungen Lateinamerikas leicht verschreckt. Bei einer Analyse der Reaktion lateinamerikanischer Länder auf die Wahl Trumps zum US-Präsidenten kann festgestellt werden, dass die führenden Vertreter Lateinamerikas wohl auf einen Wahlsieg Hillary Clintons gesetzt hatten, weil sie befürchten mussten, dass Trump die existierenden bilateralen und internationalen Verträge infrage stellen würde, um sie zugunsten wirtschaftlicher Interessen der USA neu zu regeln.[11] Die offenkundige Orientierungslosigkeit der mexikanischen Führung erstreckt sich auf die Eliten ganz Lateinamerikas. Gegenwärtig reagieren sie eher pragmatisch und sind nicht in der Lage, eigene politische Alternativen zu präsentieren. Das hat auch zur Folge, dass sich der Zerfallsprozess des Gemeinsamen Markts Südamerikas (Mercosur) und der damit verbundenen regionalen Integrationsbemühungen fortgesetzt hat. Es dominiert nunmehr die Tendenz, Freihandelsverträge zum Beispiel mit der EU abzuschließen. Argentinien und Brasilien versuchen zudem, mit China ins Gespräch zu kommen. Dabei bedenken sie nicht, dass sie im Fall eines Handelskrieges zwischen den USA und China mit harten Folgen rechnen müssten. Im Übrigen setzen die Staaten Lateinamerikas weiter auf den Export von Rohstoffen (vgl. Katz 2017).

Mögliche Szenarien einer zukünftigen US-Politik gegenüber Lateinamerika

a) Ausbau der neoliberalen Front mit Brasilien und Argentinien

Nach der Niederlage linksgerichteter Regierungen in Argentinien und Brasilien hat sich in Lateinamerika eine neue neoliberale Front gebildet. Die Folge ist eine veränderte geopolitische Situation. Dies erhöht den Druck auf andere Länder, wie zum Beispiel auf Venezuela, und es stellt die bisher erreichten sozialen Errungenschaft infrage. Faktisch drohen diese gänzlich zurückgedrängt zu werden. Präsident Mauricio Macri in Argentinien und Präsident Michel Temer in Brasilien haben sich beeilt, Signale in Richtung Washington auszusenden, die eine bewusste Unterordnung unter die Interessen der USA erwarten lassen. Temer hat erklärt, dass die USA ein bedeutender Handelspartner Brasiliens seien, sodass es trotz des dort vorherrschenden nationalistischen und protektionistischen Diskurses zu keinen negativen Folgen für Brasilien kommen werde. Brasilien sei nicht Mexiko, sodass er überzeugt sei, Brasilien werde in der Lateinamerika-Politik von Trump eine »zentrale Rolle spielen«. Für seine Regierung sind die Beziehungen zu den USA prioritär, wobei vor allem kommerzielle Interessen und die Zusammenarbeit auf militärischem, wissenschaftlichem und technischem Gebiet im Vordergrund stehen. Es geht unter anderem um die Ausbeutung der Erdölvorkommen vor der Atlantikküste Brasiliens (Pre-Salt). Die Temer-Regierung hat erste Schritte eingeleitet, um die von der Lula-Regierung getroffenen Maßnahmen zur Nutzung des Erdöls im nationalen Sinne rückgängig zu machen. Wirtschaftliche Konsequenzen sind möglich, wenn es – wie von Trump angekündigt – zu einer Zinserhöhung kommen wird, da daraufhin ein Kapitalabfluss aus lateinamerikanischen Ländern zu erwarten ist. Ähnliches gilt für die Spekulation mit Rohstoffen (Soja, Eisenerz und Erdöl), da diese unmittelbare Auswirkungen auf die öffentlichen Schulden hat. 

Insgesamt aber bleibt die Unsicherheit für die Temer-Regierung, welche wirtschaftliche Richtung Trump einschlagen wird. Das erhöht damit auch den Druck auf diese instabile Regierung, von der die ökonomischen Eliten in Brasilien lukrative Ergebnisse erwarten. Mauricio Macri wiederum hat einen schlechten Start mit Trump erwischt, da bekannt geworden ist, dass er auf Hillary Clinton gesetzt hatte. Politisch, vor allem in Bezug auf Migration, steht er nahe bei Trump. Auch in Argentinien ist eine Reform der Einwanderungsgesetzgebung geplant, die Einreiseerlaubnisse per Dekret regeln soll. Für Aufsehen sorgte nach Trumps Machtübernahme die 60-tägige Suspendierung des Vertrages über den Export von Zitrusfrüchten in die USA. Enttäuscht ist Macri auch, weil er sich Visaerleichterungen für Argentinier für die USA erhofft hatte. Trump dagegen fordert konsularische Anhörungen, bevor ein Visum erteilt wird. Ein Besuch Macris in den USA erbrachte nicht die gewünschten Ergebnisse.[12] Macri positionierte sich als der Hauptverbündete der USA in Lateinamerika, mehr aber als das Versprechen seitens Trumps, die Importrestriktionen für argentinische Zitrusfrüchte aufzuheben, konnte Macri nicht erreichen. Jedoch wollen die USA die Aufnahme Argentiniens in die OECD befürworten.

b) Erweiterung des Einflusses der Pazifischen Allianz in Lateinamerika

Besonders die Regierungen Brasiliens und Argentiniens haben konkrete Schritte unternommen, um den Ausschluss Venezuelas aus dem Mercosur zu erreichen. Das würde die Möglichkeit eröffnen, den Mercosur an die Pazifische Allianz heranzuführen. Offensichtlich besteht Übereinstimmung, dass die Pazifische Allianz das neoliberale Integrationsmodell für Lateinamerika sein soll. Aber auch in dieser Frage herrscht noch Ungewissheit, weil konkrete Schritte der Trump-Administration noch ausstehen. »Die von den Regierungen Macri und Temer gegen Venezuela ergriffenen Maßnahmen im Rahmen von Mercosur wie auch die Versuche, die UNASUR zu schwächen und sich der Pazifischen Allianz anzunähern, zeigen die Richtigkeit dieser Analyse.« (Romero 2017a) Mit der Entscheidung der Außenminister Brasiliens, Argentiniens, Uruguays und Paraguays vom 6.8.2017 die Mitgliedschaft Venezuelas im Mercosur zu suspendieren, ging ein monatelanges Ringen zu Ende. Die Regierung Uruguays, die sich lange den Bestrebungen Brasiliens und Argentiniens widersetzt hatte, gab ihren Widerstand auf, sodass eine einstimmige Entscheidung herbeigeführt werden konnte, Venezuela aus »politischen Gründen« aus dem Mercosur auszuschließen. Diese Entscheidung hat solange Gültigkeit, bis die »demokratischen Institutionen« Venezuelas wiederhergestellt werden. Schon im Dezember 2016 beschlossen die Mitglieder des Mercosur eine »juristische Suspendierung« Venezuelas. Der politische Ausschluss wird mit der »Beseitigung der demokratischen Institutionen« nach der Gesetzgebenden Versammlung (ANC) begründet.[13] Der Ausschluss Venezuelas ist ein weiterer Schritt zur Isolierung des Landes in Lateinamerika und der angestrebten Gleichschaltung neoliberaler Politik zwischen der Pazifischen Allianz und den Mitgliedern des Mercosur.

c) Ausbau der militärischen Präsenz der USA in Lateinamerika

Aufbauend auf der Konzession der Macri-Regierung zum Ausbau von US-Militärbasen in Ushaia und im Dreiländerdreieck Argentinien, Brasilien und Paraguay, könnte es den USA gelingen, sowohl ihre Kontrolle im Südatlantik auszubauen als auch ihren Zugriff auf die Antarktis und auf die Wasserreserven des Guarani-Reservoirs noch stärker abzusichern. Die Präsenz des britischen Militärs auf den Malvinen garantiert einen NATO-Stützpunkt im Südatlantik. Nun hat die Regierung Temer nachgezogen und wird erstmalig seit Regierungsübernahme durch Präsident Lula 2003 Militärmanöver gemeinsam mit US-Truppen im Amazonasgebiet zulassen. Zwischen dem 6. und 13. November werden Militärmanöver im Amazonasgebiet stattfinden. Sie laufen unter der Bezeichnung AmazonLog und werden in der Gemeinde Tabatinga am Dreiländereck Peru, Kolumbien und Brasilien durchgeführt. Die offiziell erklärten Aufgaben des Manövers bestehen in der verstärkten Kontrolle der illegalen Migration, in der Durchführung humanitärer Hilfsmaßnahmen bei Großveranstaltungen und von Friedensmissionen in entlegenen Gebieten, in Maßnahmen gegen den Drogenhandel und im Vorgehen gegen »Umweltvergehen«.[14] Erstmalig in Lateinamerika – so schreibt der uruguayische Journalist Raul Zibechi – nehmen US-amerikanische Truppen an einem Militärmanöver im brasilianischen Amazonasgebiet teil. Nach seiner Darstellung stellt die Durchführung dieses Manövers eine grundsätzliche Veränderung der bisherigen Position Brasiliens dar. [15] Wie die Befürchtungen brasilianischer Experten erkennen lassen, kann dieses Manöver den US-Militärs die Tür zum Amazonasgebiet öffnen. Nach Meinung von Sektoren nationalistisch eingestellter Militärs stellt die »Einladung US-amerikanischer Streitkräfte zu Manövern mit unseren Streitkräften in Amazonasgebiet ein Verbrechen« dar. Andere Experten beurteilen in Übereinstimmung mit diesen Militärs dieses Manöver als Einschränkung der Souveränität Brasiliens, denn bisher wurden niemals ausländische Militärkräfte im »Instruktionszentrum des Dschungelkampfes« der brasilianischen Armee akzeptiert. Mit diesem Manöver ist die Befürchtung verbunden, dass die zeitweilige Militärbasis in Tabatinga in eine permanente verwandelt werden wird und die Temer-Regierung die bisherige Position Brasiliens, sehr vorsichtig mit der nationalen Absicherung des Amazonasbeckens umzugehen, aufgeben wird. Die Politik der letzten Regierungen Brasiliens, die im Hinblick auf die großen Wasservorräte und der einmaligen Biodiversität des Amazonasbeckens bedacht war, diese Ressourcen im nationalen Interesse zu nutzen, wird offensichtlich im Interesse der Annäherung an die Trump-Administration verändert.[16] Die Umorientierung der brasilianischen Position kommt den Interessen des US-Militärs wesentlich entgegen, die vor allem auch die Militärbasis Brasiliens in Alcantara im Blick hatten. Verweigert wurde ihnen der Zugriff auf diese Basis durch die Regierungen Lulas und Rousseffs.[17]

d) Ausbau der Zusammenarbeit der USA mit Kolumbien und dessen Kooperation mit der NATO

Möglich ist auch, dass die USA und die NATO ihre Zusammenarbeit mit Kolumbien verstärken werden. 2013 einigte man sich bereits auf eine Kooperationsvereinbarung (vgl. XY). Dies gestattet eine verstärkte Kontrolle über die Biodiversität des Amazonasbeckens und die Ölreserven dieser Region. Schon im Rahmen des Plan Colombia der Bush-Administration aus dem Jahre 2000 hatten die USA 71 Prozent der dafür vorgesehenen 141 Milliarden US-Dollar in die militärische Aufrüstung Kolumbiens gesteckt. Insgesamt werden mit diesen Mitteln 420.000 Mann in Kolumbien unter Waffen gehalten (Cosoy 2016).

Drohende Gefahren für Lateinamerika

Feststeht, dass der Region Lateinamerika in den nächsten Jahren vonseiten der USA unter Trump verschiedene Gefahren drohen. Fünf seien hier benannt:

  1. In einer Einschätzung der Sociedad Latinoamericana de Economía Política y Pensamiento Crítico (SEPLA) wird davon ausgegangen, dass Trump die Offensive gegen die Länder der Peripherie und die Werktätigen verstärken wird. Die gesellschaftliche Spaltung zwischen Arm und Reich werde sich vertiefen. Dies kann sich aber zugleich durchaus destabilisierend auf das kapitalistische System auswirken.[18]
  2. Trump ist der neuen Rechten in Lateinamerika durchaus sehr willkommen und wird durch seine nationalistische und rassistische Politik ein direkter Partner sein. Die Rechten sehen damit die Möglichkeit, in Zukunft noch mit größerer Gewalt gegen indigene Völkern und Afrolateinamerikaner vorgehen zu können. Das Wiederaufkommen einer neuen Rechten in Lateinamerika richtet sich gegen Transformationsprozesse, die von linksgerichteten Regierungen angestrebt wurden. Ein Beispiel dafür war der kürzlich in Ecuador ausgetragene Wahlkampf, in dem die Rechte mit allen Mitteln versuchte, den Sieg des Kandidaten der sozialistischen Partei Alianza PAIS, Lenin Moreno, zu verhindern. Die Wahl um das Präsidentenamt im April 2017 in Ecuador fand vor dem Hintergrund einer neuen globalen politischen Konstellation statt, in der die USA eine Zurückdrängung der Multi- zugunsten einer Bipolarität anstreben. Dass Lenin Moreno am Ende gewonnen hat und dem bisherigen Präsidenten Rafael Correia nachfolgte, ist damit ein positives Signal für alle, die auf dem Kontinent eine progressive Politik verfolgen.
  3. Aufgrund des weltweiten Erstarkens neokonservativer und neoliberaler Kräfte werden Gewalt und Unterdrückung allgemein zunehmen. Der Kapitalismus wird in seiner vom US-Kapital abhängigen Form nach neuen Mitteln der Ausbeutung und Unterdrückung suchen. Die Trump-Administration wird sehr aggressiv vorgehen. Dies zeigt schon allein das Beispiel Mexiko. Es dient als Modell, das auf die gesamte Region ausgedehnt werden kann (vgl. Zibechi 2017).
  4. Mit der Erneuerung der Vorherrschaft der USA in Lateinamerika erhält das Problem der Ausschaltung möglicher regionaler Widersacher eine neue Dringlichkeit. Das zeigt sich im besonderen Maße in dem Bestreben von US-Unternehmen, lästige Konkurrenten, etwa einflussreiche brasilianische Unternehmen, aus dem Weg zu räumen. Mit der Aufdeckung von erheblicher Korruption im Zusammenhang mit dem halbstaatlichen Erdölunternehmen Petrobras in Brasilien gelang es der US-Justiz etwa, unter aktiver Beihilfe brasilianischer Staatsanwälte dieses Unternehmen in bedeutende wirtschaftliche Schwierigkeiten zu bringen. Das Ziel dürfte sein, Petrobras gänzlich als Konkurrenten auszuschalten. Dabei handelt es sich um die Offensive einer mächtigen kapitalistischen Struktur gegen eine weniger starke Struktur. Damit wird die brasilianische Industrie und Wirtschaft insgesamt geschwächt, das Land verliert international an Bedeutung und darüber hinaus eine Unmenge an Arbeitsplätzen (vgl. Lima 2017).
  5. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich in Lateinamerika die nationalen Eliten in erschreckender Weise diskreditiert. Davon betroffen sind auch die linken Kräfte und Bewegungen, die in den letzten knapp zwei Jahrzehnten an die Regierungsmacht gekommen waren. Für sie stellt das eine herbe Niederlage dar und es wird viel Zeit beanspruchen, um diese Rückschläge zu überwinden. An deren Stelle könnten andere Kräfte (u.a. die Evangelikalen) treten und damit ihren negativen Einfluss auf die lateinamerikanischen Gesellschaften ausweiten. Nicht auszuschließen ist auch die Zunahme von sozialer und gesellschaftlicher Unzufriedenheit, die sich in neuen Formen politischen Protestes äußern kann.

China in Lateinamerika

Der Außenhandel Chinas mit Lateinamerika erhöhte sich zwischen 2000 und 2013 von 13 Milliarden auf 262 Milliarden US-Dollar. Damit nimmt China nach den USA den zweiten Platz als wichtigster Handelspartner Lateinamerikas ein. Bedeutend angewachsen sind die Kapitalinvestitionen, womit eine bedeutende ökonomische Ausweitung der Aktivitäten Chinas zu verzeichnen ist. Besonders die linksgerichteten Regierungen profitierten davon, weil es dadurch unter anderem möglich wurde, die Armutsquote in Lateinamerika im Zeitraum zwischen 2002 und 2014 von 44 auf 28 Prozent abzusenken (Main 2017). Mit dieser Entwicklung ist China in der Region zu einem ernsten Konkurrenten der USA herangewachsen. Nach dem Amtsantritt Trumps stellt sich die Frage, ob sich der Einfluss von China in der Region noch verstärken und wie darauf die neue US-Administration reagieren wird. Wie Admiral Tidd unterstrich, ist für die US-Administration die Präsenz Russlands und Chinas in Lateinamerika sehr beunruhigend. Venezuela will russische Waffen kaufen und die Putin-Regierung hat dem Land Beratung in militärischen Fragen zugesagt. China hat beträchtliche Mengen von Kapital in die Erdölproduktion und andere Bereiche in Venezuela investiert. Ausgehend von den Fakten, die China in Lateinamerika geschaffen hat, ist zu vermuten, dass Präsident Trump entsprechend seiner Ankündigungen im Wahlkampf und danach eine Offensive gegen die Präsenz Chinas in Lateinamerika einleiten wird. Die Frage ist, wer sich auf den Märkten Lateinamerikas durchsetzen wird und kann. Trump will den USA dazu verhelfen, verlorenes wirtschaftliches Terrain zurückzugewinnen. In erster Linie wird es dabei um den Erdölmarkt gehen – und damit um den Ölpreis. Verschärft sich die Politik Trumps in Bezug auf China, werden für eine Reihe Länder erhebliche Probleme entstehen. Der Druck wird wachsen, weniger mit China zu handeln und den USA stärker entgegenzukommen. Nicht nur Brasilien, sondern ganz Lateinamerika befindet sich damit in einer Phase der Ungewissheit: Werden die jeweiligen Regierungen dazu in der Lage sein, ihre pragmatische Politik aufrechtzuerhalten und die mit China getroffenen Vereinbarungen und Verträge einzuhalten oder müssen sie dem Druck der USA nachgeben und ihre Beziehungen zu China zurückfahren? Ein wesentlicher Teil des lateinamerikanischen Wirtschaftssektors hält eine Vertiefung der Beziehungen zur EU und zu den asiatischen Ländern, besonders zu China, für erforderlich. Das Gleiche gilt in Bezug auf eine Annäherung an das chinesische Projekt der Asien-Gemeinschaft und die Aufrechterhaltung der Beziehungen zu den BRICS-Staaten. Sollte, wie vorausgesagt, der US-Dollar im Wert steigen, kann das China sichtliche Vorteile für seine Exportpolitik bringen. Unter diesen Gesichtspunkten wird sich die Auseinandersetzung zwischen den USA und China im Wesentlichen um die entscheidenden Positionen in Lateinamerika und im pazifischen Raum drehen.

[1] Dieses Konzept Zbigniew Brzezinskis besagt Schaffung von Instabilität, verstärkter Gewalt und chaotischen politischen Zustandes, d.h. Balkanisierung.

[2] Zit. nach www.resumenlatinoamericano.org/2017/01/22/el-secretario-de-estado-de-trump-insiste-en-buscar-una-transicion-a-la-democracia-en-venezuela. 
[3] Zit. nach www.resumenlatinoamericano.org/2017/04/06/a-los-rumores-de-golpe-interno-la-unidad-del-pueblo-venezolano.

[4] Zit. nach www.resumenlatinoamericano.org/2017/04/06/comando-sur-de-ee-uu-tomaria-acciones-contra-venezuela. 
[5] Vgl. http://misionverdad.com/la-guerra-en-venezuela/exxon-mobil-acelerar-sus-planes-para-robarse-el-petroleo-venezolano 
[6] Vgl. http://www.anh.gov.co/Operaciones-Regalias-y-Participaciones/Sistema-Integrado-de-Operaciones/Paginas/Estadisticas-de-Produccion.aspx. 
[7] https://elpais.com/internacional/2017/07/31/estados_unidos/1501526497_220591.html, Estados Unidos impone sanciones económicas a Maduro.

[8] http://www.telesurtv.net/news/Trump-no-descarta-una-opcion-militar-en-Venezuela-20170811-0067.html. 
[9] https://amerika21.de/print/183016.

[10] www.elsiglo.cl/2017/06/16/trump-cancela-el-acuerdo-bilateral-con-cuba/Trump cancela el acuerdo bilateral con Cuba

[11] Der gegenwärtige Präsiden Argentiniens, Mauricio Macri, hat sich vor einigen Jahren (2015) zum Beispiel beklagt, er habe schlechte Erfahrungen mit Trump als Geschäftspartner gemacht. Vgl. hierzu http://www.perfil.com/politica/macri-sobre-trump-previo-a-que-fuera-electo-presidente-esta.phtml und www.noticiasargentinas.com.ar/nuevosite/57128-el-gobierno-aseguro-que-esta-mas-cerca-hillary-clinton-que-trump.html.

[12] https://www.clarin.com/politica/macri-salon-oval-trump-tarde-capitolio_0_ryLg1i0Rg.html

[13] https://elpais.com/internacional/2017/08/05/actualidad/1501946948_015024.html

[14] http://www.defesanet.com.br/br_usa/noticia/25642/AMAZONLOG---Exercito-dos-EUA-participara-de-exercicio-militar-inedito-na-Amazonia-a-convite-do-Brasil. 
[15] http://www.ihu.unisinos.br/169-noticias-2015/548354-os-estados-unidos-ganham-no-brasil-artigo-de-raul-zibechi . 
[16] http://www.defesanet.com.br/br_usa/noticia/25662/BR-US---TOA-%E2%80%93-Tropas-dos-EUA-na-Amazonia--Saiba-o-que-esta-em-jogo/. 
[17] http://www.cartamaior.com.br/?/Editoria/Politica/Base-de-Alcantara/4/38354.

[18] Vgl. hierzu http://sepla21.org/declaracion-de-sepla-sobre-el-gobierno-trump/

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