Die Frage nach der wirksamsten Strategie im Umgang mit einem aufkommenden Faschismus ist so alt wie die Arbeiterbewegung selbst. Wäre sie einfach zu lösen, hätten sich nicht schon vor hundert Jahren Kommunistinnen und Sozialisten in aller Ausführlichkeit darum gestritten. Und der Aufstieg der Faschisten in den 30er Jahren oder rechtspopulistischer Kräfte in den letzten Jahrzehnten mag uns zwar wichtige Einsichten liefern, doch Geschichte wiederholt sich nicht einfach. Die Frage nach der richtigen Strategie ist darum nicht abstrakt oder im luftleeren Raum zu beantworten und historische Erfahrungen lassen sich nicht ohne weiteres auf die Gegenwart übertragen.
Debatten am Reißbrett
Dennoch prägen die zwei großen Linien auch heute linke Debatten zum Umgang mit der AfD und den gegenwärtigen Massenprotesten: Brauchen wir eine breite Volksfront oder doch eine konzertierte, zwischen Linken abgestimmte Einheitsfront? Die Begriffe klingen veraltet, die Frage dahinter ist es nicht, wie zwei paradigmatische Beiträge aus der jüngsten Zeit zeigen.
Kürzlich forderte etwa Thomas Goes in der Luxemburg sowie im nd einen „republikanischen Antifaschismus“, was im Grunde eine breite Volksfront zwischen linken und sozialdemokratischen Kräften mit liberalen und konservativen Kräften meint. Er schreibt ausführlich: „Wir brauchen einen republikanischen Antifaschismus, der breite Bündnisse schmiedet, der auch um Teile der Christdemokratie und der Liberalen ringt, der gemeinsam mit ihnen die Republik verteidigt, die uns als Sozialist*innen nicht genügt. Einen Antifaschismus, der Freiheit, politische und soziale Rechte verteidigt und daran arbeitet, den Raum des Sagbaren in Richtung der extremen Rechten zu verkleinern.“ Zwar möchte Goes dies mit einem „sozialen“ und einem „kulturellen“ Antifaschismus flankieren, doch dieser bleibt recht allgemein und das Verhältnis der drei Ansätze unklar.
Simin Jawabreh argumentiert bei Jacobin prototypisch für den anderen strategischen Ansatz: einer linken Einheitsfront. In ihrer Analyse liegen zwischen den Deportationsphantasien der AfD und der realen Migrationspolitik der Ampelregierung keine Welten, vielmehr gleichen sie sich. Die Ampel, so das Fazit, sei Teil des Problems und nicht der Lösung, weshalb sich gemeinsamer Protest ausschließe. Wie genau diese Einheitsfront aussehen müsste, wen sie ein- oder ausschließt, lässt Jawabreh zwar offen, aber offensichtlich sind konservative Politiker, seien sie noch so liberal, nicht mitgemeint.
Zwischen den beiden Polen steht ein weiterer Ansatz, der qua Sozialpolitik und Regierungsbeteiligung den Aufstieg der AfD verhindern will. Jan Schlemermeyer buchstabiert diesen Ansatz in seinem Plädoyer zur Verteidigung der liberalen Demokratie in nd aus. Dieses ist nicht konkret auf die Massenproteste, wohl aber allgemein gegen einen „autoritären Kapitalismus“ gemünzt, den AfD und Rechtspopulisten wie Donald Trump darstellen. Zwar dürfe man sich nicht „brav hinter die Ampel-Regierung stellen“, doch am Ende geht es darum, die progressiven Anteile der Ampel für eine Reformregierung herauszulösen. Hier ist gar nicht das Eingreifen in den Protest das Ziel, sondern die Verteidigung und Erweiterung der liberalen Demokratie durch Wahlen und Regierungen.