In mehr als 70 Städten wurden Kontakte geknüpft, Bündnisse geschmiedet und nicht zuletzt gestreikt. Im Vorfeld kam es zu vielen gemeinsamen Aktionen mit einem starken medialen Echo. Als Fridays for Future im März 2023 während des bundesweiten Klimastreiks die Forderungen der Beschäftigten im Nahverkehr unterstützte, wetterte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) Steffen Kampeter in einem TV-Interview umgehend, die Koalition verlasse den Ordnungsrahmen von Arbeitskämpfen und markiere damit eine ‚gefährliche Grenzüberschreitung‘. Solche Äußerungen eines führenden Vertreters der Kapitalinteressen zeigt die enorme klassenpolitische Relevanz des Ereignisses. Die strategische Verbindung der Produktions- und Organisationsmacht der Beschäftigten mit der Diskursmacht der Klimabewegung hat neue Konflikt- und Bewegungspotenziale freigelegt. Sie hat ein Fenster für eine neue Debatte um politische Streiks für soziale und ökologische Ziele geöffnet – etwa für ein hochwertiges und ökologisches Verkehrssystem mit guten Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Gleichzeitig sind Arbeiter*innen als potenzielle sozial-ökologische Transformationsakteure sichtbar geworden.
Streiken für den Klimaschutz? Die Grenzen des Tarifkampfs
Doch es zeigen sich auch Limitierungen der Kampagne, die bei einigen Klimaaktivist*innen Ungeduld und Frust hervorriefen. In vielen Städten entwickelte sich die Kampagne zu einer reinen Bewegung der Streiksolidarität, die in der Logik der Tarifauseinandersetzung gefangen blieb. Die Ansprache der Beschäftigten, die Forderungen an die Politik, die Umfrage-Aktionen unter den Fahrgästen – all das blieb darauf beschränkt, Unterstützung für die Tarifforderungen von ver.di zu gewinnen. Die Entwicklung von Forderungen und die Verhandlungsführung erfolgte allein in den gewerkschaftlichen Entscheidungsgremien (Tarif- und Verhandlungskommission). Klimapolitische Ziele wurden zwar in Redebeiträgen auf Kundgebungen geäußert, ihre Einbindung in die Mobilisierungsstrategie von ver.di war aber begrenzt und stark von regionalen Akteuren abhängig. Aus ›Streiken für die Verkehrswende‹ wurde in der Praxis eher ›Streiksoli für den Tarifabschluss‹.
Natürlich ist klar, dass es aus gewerkschaftlicher Sicht erhebliche Gefahren mit sich bringt, letztlich nicht tariflich zu regelnde Forderungen in einer Tarifrunde einzubringen. Die Frage des politischen Streiks wäre für diese Tarifauseinandersetzung zu groß gewesen. Klar ist auch, dass tarifpolitische Erfolge an und für sich wichtig und begrüßenswert sind. So bleibt aber weiterhin fraglich, wie die zentrale politische Forderung der Kampagne nach einer Investitionsoffensive in die Infrastruktur und insbesondere in das Personal im Nahverkehr realisiert werden soll – die von der Kampagne geforderten 16 Mrd. Euro jährlich bis 2030 lassen sich im tarifvertraglichen Korsett schwer umzusetzen. Vor diesem Hintergrund verblassen die wohlklingenden Versprechen der politischer Vertreter*innen schnell, sobald der unmittelbare Druck der politischen Bewegung nachließ und wichen dem Verweis auf angespannte Haushaltslagen, Spardruck, politische Arbeitsteilung und Tarifautonomie. Zwar kämpfen viele Klimaaktivist*innen auf der lokalen Ebene weiter gemeinsam mit Beschäftigten für außertarifliche Forderungen, die den Arbeitsalltag im ÖPNV betreffen. Doch es scheint insgesamt unwahrscheinlich, dass großflächig konkrete Maßnahmen umgesetzt werden. An der Frage des Verkehrssystems eine politische Krisendynamik zu entzünden und diese progressiv zu wenden, gelang nicht. Zu selten wurden die Streiks bundesweit und über die Verkehrssektoren hinweg koordiniert, zu dominant waren andere großpolitische Krisenthemen. Die vermeintliche Alternativlosigkeit eines öffentlichen Sparkurses – nicht zuletzt um die zunehmende Aufrüstung zu finanzieren – verengte den Verhandlungsspielraum weiter.
Die Klimabewegung muss sich fragen, wie sie ihre Forderungen zukünftig platzieren und zusammen mit den Beschäftigten verfolgen kann. Die Hoffnung, die Machtressourcen von Beschäftigten für ökologische Forderungen zu mobilisieren, wurde eher enttäuscht. Auch wenn ökologische Themen nicht nur in Redebeiträgen, sondern auch in persönlichen Gesprächen zwischen Beschäftigten und Klimaaktivist*innen immer wieder aufkamen – es fehlten letztlich Zeit und Ideen, um diese Ansätze der Politisierung aufzunehmen. Ungeduldige Klimaaktivist*innen sollten nun aber keinesfalls hinwerfen. An die neuen Verbindungen anzuknüpfen und auf Erfahrungen aufzubauen ist zwingend notwendig, wenn wir weitergehende sozial-ökologische Perspektiven entwickeln wollen. Wie also weiter mit #WirFahrenZusammen? Was wäre der nächste Schritt einer Strategie, die Beschäftigte ins Zentrum des Kampfes gegen die Klimakatastrophe stellt?
Welche Strategie für #WirFahrenZusammen?
Für uns wie für die meisten Engagierten bei #WirFahrenZusammen geht es nicht um die Frage ob, sondern wie sich diese sozial-ökologische Allianz fortführen lässt. Wir möchten einen Beitrag leisten zu der Debatte um die richtigen Forderungen und Strategien und die damit erreichbaren kurz-, mittel- und langfristigen Ziele. Unsere Überlegungen sind dabei explizit als Diskussionsaufschlag und Suchbewegung zu verstehen – mit einem gewissen utopischen Überschuss. Aufbauend auf den skizzierten Erfolgen und Limitierungen von #WirFahrenZusammen formulieren wir einen langfristigen Zielhorizont, wie aus der Kampagnenarbeit und Streik-Solidarität von #WirFahrenZusammen ein öko-sozialistisches Mobilitätswendebündnis entwickelt werden könnte – wir sind uns bewusst, dass auf dem Weg dorthin noch viele konkrete Fragen zu klären sind.
Verstetigung und politische Bildung
Zentral ist aus unserer Sicht, die Erfolge der Bewegung in der Tarifrunde im Nahverkehr zu verstetigen. Gemeinsame Erfahrungen und gewachsene Beziehungen zwischen Beschäftigten und Klimaaktivist*innen sind wertvoll und die Bedingung für eine weitergehende gemeinsame politische Arbeit. Ein Kampagnen-Hopping je nach politischer Konjunktur würde Vertrauen zerstören und kommende Allianzen auf Jahre verunmöglichen. Der Kern der Aktiven muss erhalten bleiben und vor allem qualitativ politisch gestärkt werden. Die Hindernisse auf der tariflichen Ebene sind schwer zu umgehen und begrenzen die Möglichkeit, überbetriebliche ökologische Forderungen unmittelbar zum Gegenstand des Arbeitskampfs zu machen. Darum schlagen wir vor, Ziele und Strategien anzupassen und das Projekt als Beitrag zu einem langfristigen Prozess der öko-sozialistischen Politisierung und gemeinsamen Organisierung zu begreifen. Er zielt darauf, organisierte Arbeiter*innen und Klimaaktivist*innen in den kommenden Konflikten gemeinsam interventionsfähig zu machen und eine öko-sozialistische Perspektive darin sichtbar zu machen. Wollen wir langfristig gewerkschaftspolitische Spielräume erweitern und Arbeiter*innenmacht für den Kampf gegen die Klimakatastrophe mobilisieren, führt an einer behutsamen Politisierungsarbeit kein Weg vorbei. Nur so lassen sich Kräfteverhältnisse in den Gewerkschaften und der gesamten Gesellschaft nachhaltig verschieben. Dabei geht es darum, die Ansatzpunkte aufzugreifen, die für ein entstehendes Klassenbewusstsein und die Sensibilisierung für die drohende Klimakatastrophe essenziell sind. Während unserer Arbeit in der Kampagne sind uns immer wieder solche Aussagen begegnet: ‚So ist das System eben, da geht es nicht um die Menschen, sondern nur ums Geld‘. Beschwerden über ‚die da oben‘ mischten sich bruchlos mit solchen über ‚Sozialschmarotzer‘. Wo kämpferische Wut in den Erfahrungen im (Arbeits-)Alltag auftaucht, kann sie entweder progressiv aufgenommen oder regressiv gewendet werden. Die Erfahrung einer unterdrückten Kollektivität, eines entfremdeten Arbeitskontextes, in dem es eben nicht um die Belange der Beschäftigten geht, kann man fruchtbar aufgreifen, aber auch mit gefährlichen Konsequenzen verlieren. Hier beginnt der Brückenschlag zur antifaschistischen Aufklärungsarbeit für kommende Organisierungsprozesse. Die Logik der gewerkschaftlichen Tarifauseinandersetzung stößt hier an Grenzen, sie kann die gesellschaftspolitische Dimension dieser Fragen nur sehr begrenzt und vermittelt adressieren. Daher kommt der Klimabewegung eine Schlüsselrolle zu.
In den Gesprächen kamen auch immer wieder Bezüge zu Umweltthemen auf: ‚Eigentlich bräuchte es wirklich ein grundlegend anderes, viel ökologischeres Verkehrssystem‘, ‚E-Autos, der letzte Scheiß sag ich euch, wer soll sich das leisten und nachhaltig ist das auch alles nicht‘, aber auch Aussagen, die die Klimakrise herunterspielten oder deren Lösung in phantastischen Technologien und einem Zurück zur Kernenergie sahen. Hier müsste eine gemeinsame politische Diskussion und Bildungsarbeit über die Zusammenhänge von Kapitalismus, Wachstum, Beschäftigung und Umweltkatastrophe ansetzen – Themen, die es sonst kaum aus aktivistischen und akademischen Zirkeln herausschaffen. Mit Filmabenden über Potentiale eines ökologischen Arbeiter*innenkampfes konnten wir auch mit Busfahrer*innen politisch diskutieren, wie wir der Klimakatastrophe noch begegnen können. Ebenso konnten wir gute Erfahrungen machen mit Bildungsworkshops für Betriebsräte der Thüringer ÖPNV Betriebe zu den Zusammenhängen von Klimawandel, Mobilität und Kapitalismus. Doch solche Veranstaltungen wurden nur vereinzelt durchgeführt und nicht breiter entwickelt und strukturiert durchgeführt. Wir glauben jedoch, dass sich etliche der neu gewonnen Mitstreiter*innen für solche Formate begeistern ließen.
Um die Arbeit und die Kontakte vor Ort zu verstetigen, ist eine gemeinsame, strukturierte und ausführliche Auswertung des Tarifkampfs und des Bündnisses nötig. Selbstverständlich sollte auch die nächste Tarifrunde im Nahverkehr anvisiert werden, in der Ortsgruppen dann eben nicht erst aufgebaut werden müssen, sondern bereits politisch und organisatorisch gestärkt in diese Kämpfe gehen. Um das zu erreichen, gibt es in der Zeit bis zu den nächsten Tarifrunden mit weitergehender Politisierungs- und Strukturaufbauarbeit viel zu tun. Nun, nach dem Ende der hohen Schlagzahl der Tarifkampagne, könnten die hierfür notwendigen Zeitressourcen frei werden.
Überbetriebliche Vernetzung stärken
Das bedeutet außerdem, die überbetriebliche Vernetzung zu stärken. Während einige Betriebe und Ortsgruppen eine außerordentliche Kampfbereitschaft an den Tag legten, hatten andere mit großen Problemen und widrigen Umständen zu kämpfen. Der gemeinsame Flächentarifvertrag ist demnach für einige ‚überdurchschnittlich‘, während andere das Gefühl haben, dass ‚mehr drin gewesen wäre‘. Eine Vernetzung der Ortsgruppen und Betriebsaktiven einer Region kann helfen, die allgemeine Streikbereitschaft und -fähigkeit zu erhöhen. Doch der überbetriebliche Kommunikations-, Struktur- und Solidaritätsaufbau kann und sollte viel weiter gehen und mittelfristig gezielt den gesamten Mobilitätsbereich in den Blick nehmen.
Nicht nur die Verlautbarungen des Arbeitgeberchefs waren ein Erfolgssignal für die neue und gemeinsame Mobilisierung von ver.di und FFF, sondern auch die gemeinsame Pressekonferenz von ver.di und EVG zu ihren jeweiligen Tarifauseinandersetzungen im März 2023. #WirFahrenZusammen sollte versuchen, Verbindungen zu anderen Betrieben, Beschäftigten und Gewerkschaften des Nah- und Fernverkehrs wie der EVG und der GDL zu forcieren. Kontakte zu Beschäftigten und Gewerkschaften im Fernverkehr müssen ausgebaut und intensiviert werden, um langfristig koordinierte Tarifrunden und Streiks im Nah- und Fernverkehr zu erreichen. Auf diesem Weg würden wir uns Schritt für Schritt einer klassenpolitischen Mobilitätswendepolitik annähern, die branchen- und gewerkschaftsübergreifend alle Beschäftigten im gesamten Verkehrsbereich anzusprechen versucht. Sie muss darauf orientieren, Kämpfe für bessere Arbeitsbedingungen und um Arbeitsplatzerhalt branchenübergreifend als Kampf für eine umfassende Mobilitätswende zu bündeln.
#WirFahrenZusammen – #WirProduzierenZusammen
Damit kommen wir zur Kür einer solchen Perspektive: dem Brückenschlag zur Industrie. Ein Kollege aus dem ÖPNV sagte uns sinngemäß: ‚Wir brauchen jetzt schon mehr Busse, mehr Bahnen, mehr Schienen, mehr Netz. Vorher brauchen wir über ticketlosen ÖPNV oder eine ökologische Mobilitätswende eigentlich gar nicht reden‘. Diese Feststellung hallt seitdem nach, sie offenbart die gesellschaftliche Irrationalität ‚privatkapitalistischer Vernunft‘. Aus Klimaschutzgründen brauchen wir dringend ein massiv ausgebautes öffentliches, auf Zügen, Bussen, Rädern etc. basierendes Verkehrssystem. Für dessen Aufbau und Betrieb würden viele Arbeitsressourcen und Fähigkeiten von Arbeiter*innen benötigt. Zeitgleich werden in den Mobilitätsindustrien viele Beschäftigte entlassen, während andere gezwungen sind, nicht-nachhaltige Benziner- und E-PKWs zu bauen. Und das geht über die Automobilindustrie weit hinaus: Seit Jahren stehen die Alstom Standorte der Zug- und Bahnproduktion in Henningsdorf, Bautzen und Görlitz unter Druck, in Niesky schloss 2023 die letzte Produktion von Güterwaggons. Die seit Corona explodierte Fahrradproduktion mit ca. 24.000 Beschäftigten in Deutschland befindet sich nun in einer strukturellen Überproduktion, durch schlechte Tarifbindung droht Schließung und Abwanderung. Auch die Beschäftigten der Stahlindustrie für die Produktion von Schienen und Verkehrsgütern werden gebraucht, stehen jedoch aktuell vor unsicheren Transformationsbedingungen in ihrer Branche, die ihre Arbeitsplätze gefährdet.
Eine öko-sozialistische Politik sollte langfristig die Kämpfe aller Beschäftigten, die im erweiterten Mobilitätssektor für gute, sichere und angemessen entlohnte Arbeit streiten – sei es im Dienstleistungs- oder im Produktionsbereich nachhaltiger Mobilität – mit der Klimabewegung und Fahrgastinitiativen verknüpfen. Eine solche Perspektive stößt die Tür in Richtung eines ökologischen Umbaus der Industrie durch die Beschäftigten selbst auf, und zwar unter der Bedingung von Beschäftigungssicherung. Auch hier gibt es bereits Anknüpfungspunkte in der Praxis. Als die Aktiven in der Jenaer Stadtversammlung die knappen öffentlichen Finanzen mit dem Aufrüstungswahnsinn in Verbindung setzten und mahnten, dass eine sozial-ökologische Verkehrswende keinesfalls die Kolleg*innen in der Industrie und ihre Interessen vergessen dürfe, ernteten sie zustimmenden Beifall aus der Stadtgesellschaft und auch von den Beschäftigten des Nahverkehrs. Und auch in den Mobilitätsindustrien selbst gibt es Pionieransätze. Ob bei Bosch München, bei V(erkehrs)W(endestadt) Wolfsburg oder beim Automobilzulieferer GKN – hier fanden und finden Auseinandersetzungen um die Entwicklung alternativer, gesellschaftlich nützlicher ökologischer Produktion in der Industrie statt. Diese Beispiele machen Mut, dass auch Industriearbeiter*innen für den Kampf für eine ökologische Transformation gewonnen werden können.
Die in der #WirFahrenZusammen-Kampagne oft zu kurz gekommene gesellschaftspolitische Dimension wird nur aus der Perspektive solcher Kämpfe sichtbar. Die relative Begrenztheit der Tariflogik kann nicht nur durch die Einwirkung von außen, durch soziale Bewegungen politisiert und überwunden werden. Die Zusammenarbeit verschiedener Beschäftigtengruppen in unterschiedlichen Branchen und Tarifen hat bereits eine gesellschaftspolitische Dimension und das Potenzial, die Grenzen zu überschreiten. Hier wäre es entscheidend, dass es uns als Aktivist*innen gelingt, den Zusammenhang zwischen den Interessen der Mobilitätsdienstleister*innen und den Produzent*innen der Mobilitätsgüter plausibel darzustellen – in der Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, in Gesprächen und Diskussionen mit den Beschäftigten, in der Streiksolidarität und perspektivisch in verkehrspolitischen Forderungen. Ausgehend von den legitimen Partikularinteressen einzelner Betriebe und Branchen können wir als Klimaaktivist*innen gemeinsam mit den Arbeiter*innen in diesem Feld ein allgemeines Interesse der Klasse sichtbar machen und über Kämpfe und Vernetzung ein gemeinsames Bewusstsein als (Mobilitäts-)Arbeiter*innen entwickeln. Tarif-, Betriebs- und Gesellschaftspolitik müssen sich dabei keinesfalls ausschließen. Lohnprozente, Arbeitszeitfragen und Gesundheitsschutz sind absolut essenziell für eine erfolgreiche Mobilisierung der Beschäftigten. Die Finanzierbarkeit, die katastrophale Privatisierung der Bahn, die Industriepolitik und die Klimakatastrophe wiederum sind Fragen, die über tarifierbare Forderungen hinausgehen und die Verbindung mit anderen sozialen Kämpfen erfordern. Tarifforderungen auf gesamtgesellschaftliche Fragen zu beziehen und nach geteilten Interessen und Forderungen verschiedener Arbeitskämpfe zu suchen, die innerhalb einzelner Tarifrunden gar nicht verwirklicht werden können, hat erhebliches Potenzial, die einzelnen Konflikte zu politisieren, zuzuspitzen und auszuweiten.
Eine übergreifende Politik verschiedener Gewerkschaften, Branchen und Beschäftigungsgruppen ist natürlich voraussetzungsvoll. Doch gerade aufgrund der hohen Motivation vieler Aktivist*innen von #Wirfahrenzusammen für die Mobilitätswende und weil auch die Ortsgruppen grundsätzlich unabhängig von ver.di aufgestellt sind, können sie eine solche Perspektive in die Kämpfe hineintragen. Die Eigenständigkeit, Verstetigung und Stärkung der jeweils örtlichen #WirFahrenZusammen-Bündnisse ist dabei zwingende Voraussetzung aller weiteren strategischen Überlegungen. Zudem müssen die Ideen mit Blick auf die jeweiligen regionalen Bedingungen konkretisiert werden. Die Akteure der Klimabewegung, aber auch das Bewusstsein der Beschäftigten, die Kräfteverhältnisse und Orientierungen in den Gewerkschaften sowie die Perspektiven und Konflikte in den Industrien unterscheiden sich von Region zu Region. Darum ist es wichtig, dass die lokalen #WirFahrenZusammen-Gruppen verstetigt und interventionsfähig sind und dass sie zugleich nach Verbindungen zu überregionalen Kampagnen und Vernetzungsmöglichkeiten suchen.
Für eine öko-sozialistische Mobilitätswendepolitik
Lasst uns #WirFahrenZusammen zu einer breiten branchen- und gewerkschaftsübergreifenden sozial-ökologischen Mobilitätswendekampagne weiterentwickeln! Lasst uns für gute Arbeit im Nah- und Fernverkehr kämpfen, für einen ökologischen Ausbau der Infrastruktur! Lasst uns die Auto-, Waggon-, Zug- und Stahlindustrien zu Zukunftsbranchen einer sozial-ökologischen Verkehrswende machen – gemeinsam mit den Beschäftigten! Wenn in den nächsten Jahren mal wieder ein Auto- oder Waggonbauwerk von der Schließung bedroht ist, sollten wir als Klimaaktivist*innen mit den Kolleg*innen aus dem Nah- und Fernverkehr solidarisch an der Seite der Beschäftigen stehen und ihren Kampf unterstützen – und zugleich mit ihnen diskutieren, wie ihre Fähigkeiten für die sozial-ökologische Mobilitätswende genutzt werden könnten – etwa, indem sie Busse, Bahnen oder Schienen produzieren. Und wenn erneut im Nah- oder Fernverkehr gestreikt wird, hoffen wir umgekehrt auf die Solidarität der Kolleg*innen in der Industrie. Gegen eine Vereinzelung der Kämpfe und für eine gemeinsame Mobilitätswende: Wir fahren zusammen heißt dann auch: Wir produzieren zusammen!