Mit Blick auf die Sozialstruktur der AfD-Wähler*innen ist die Thematisierung der nach wie vor in Teilen offenen sozialpolitischen Flanke der AfD von großer Bedeutung – auch wenn sich darüber nur ein Teil ihrer (potenziellen) Wähler*innen erreichen lässt. In einer Studie des DIW hat Marcel Fratzscher gezeigt, dass die konkrete Politik dieser Partei sich vor allem gegen diejenigen richtet, die zu ihren Hauptgruppen gehören.
Unsicherheit und Kontrollverlust sind maßgebliche Treiber für die Wahl der AfD. Der allgegenwärtige Transformationsdruck trägt maßgeblich zu diesen Verunsicherungen bei und trifft auch diejenigen, die sich gegenwärtig in gesicherten Jobs befinden. Hier kommt es darauf an, solchen begründeten Ängsten mit gewerkschaftlichen bzw. linken politischen Angeboten zu begegnen und das Feld nicht der AfD zu überlassen.
Konkurrenz durch Wagenknecht-Partei?
Die Ankündigung einer neuen Partei durch Sahra Wagenknecht und ihre Mitstreiter*innen Ende Oktober kam nicht überraschend – auch nicht für die AfD. Ihr wird eine besondere Konkurrenz durch das bis jetzt nicht einmal gegründete Parteiprojekt vorhergesagt. Und tatsächlich zielt das bisher unter BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) laufende Projekt auf eine ähnliche Klientel wie die AfD: Abhängig Beschäftigte aus dem eher klassischen Industriebereich, die durch den Transformationsdruck massiv verunsichert sind und kleine und mittlere Selbstständige, die von der Klima- und Wirtschaftspolitik der Ampel abgeschreckt sind.
Im Umfeld der AfD setzt man sich seit vielen Jahren und intensiv mit einem von Wagenknecht repräsentierten Links-Konservatismus auseinander. Vor allem das intellektuelle Umfeld des völkisch-sozialpolitisch orientierten Teils der Partei nutzt die „Bedrohung“ durch Wagenknecht, um für ihre eigene Vorstellung einer völkisch grundierten Sozialpolitik der AfD stärker zu werben. Nur Verachtung hat man in diesem Teil des AfD-Umfelds für das bürgerlich-konservative Lager der Partei übrig, die Wagenknecht auch heute noch mit der Antikommunismus-Keule bezwingen wollen. Man selbst gibt sich unaufgeregt, begreift das neue Parteiprojekt schon als Konkurrenz, der man jedoch mit gelassener Selbstsicherheit begegnen werde (ein Beispiel findet sich bei Benedikt Kaiser auf den Seiten der Sezession im Netz). Die Achillesferse der neuen Partei sei die Migrationspolitik, bei der man sie vor sich hertreiben werde, denn einen Wettbewerb in dieser Frage werde man immer gewinnen. Schon zirkulieren in rechten Kreisen Grafiken mit dem Abstimmungsverhalten z.B. von Amira Mohamed Ali als Fraktionsvorsitzende der Linken zu migrationspolitischen Themen, verbunden mit der Bezeichnung, hier handele es sich um eine „Migrationsfetischistin“.
Stiftungsfinanzierung rückt in die Ferne
Ein halbes Jahr nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Finanzierung der Parteinahen Stiftungen haben Ampelkoalition und Union einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem die staatliche Finanzierung der AfD-nahen Desiderius Erasmus Stiftung (DES) auch zukünftig ausgeschlossen werden soll. Direkt auf die AfD zielt die Änderung, nach der Parteien erst nach einem dreimaligen Einzug in den Bundestag in den Genuss der Förderung ihrer Stiftungen kommen können. Das schiebt die Entscheidung über die DES zumindest bis ins Jahr 2025. Hinzu kommen inhaltliche Anforderungen, mit denen man hofft, DES bzw. AfD auch perspektivisch aus der Förderung heraushalten zu können. Das umfasst u.a. ein „aktives“ Eintreten für die freiheitlich demokratische Grundordnung und für Völkerverständigung. Einer Förderung widersprächen nicht nur eine „verfassungsfeindliche Prägung der politischen Grundströmung“ der Stiftung, sondern auch entsprechende Veröffentlichungen oder das Mitwirken von Beschäftigten oder Beauftragten, die sich demokratiefeindlich betätigten, so der Gesetzentwurf. Die Entscheidung über die entsprechende politische Einordnung der Stiftungen soll dem Innenministerium und damit wohl dem Verfassungsschutz übertragen werden.
Bis 2025 wird man die DES so wohl aus der Förderung heraushalten können. Die Indienstnahme des Extremismusansatzes für die weitere Ausschlussbegründung und vor allem die Delegation der Entscheidung an das BMI sind problematisch: Historisch und auch in jüngster Vergangenheit hat sich immer wieder gezeigt, dass Maßnahmen unter dem Extremismus-Label immer auch gegen die politische Linke in Stellung gebracht wurden; zuletzt etwa bei der zeitweiligen Aberkennung der Gemeinnützigkeit der VVN. Offenbar nimmt man diesen „Nebeneffekt“ gerne in Kauf.
Die AfD wird ohne Zweifel erneut versuchen, durch eine Verfassungsbeschwerde die Finanzierung der DES zu erzwingen. Die meisten Gutachter*innen des Gesetzentwurfs sehen einer solchen Prüfung jedoch gelassen entgegen.
AfD-Verbotsdebatte
Die Debatte um ein mögliches AfD-Verbot hat in den letzten Monaten an Fahrt aufgenommen. Nachdem ein Gutachten des Deutschen Instituts für Menschenrechte zu dem Ergebnis gekommen ist, ein solches Verbot sei rechtlich möglich, wird die Diskussion auch im politischen Raum verstärkt geführt. Hintergrund ist natürlich der scheinbar unaufhaltsame Aufstieg der AfD und die damit verbundenen Sorgen bezüglich der Stabilität der liberalen Demokratie.
Maßgeblich angestoßen wurde die Debatte vom Rechtsanwalt Alexander Hofmann und der antifaschistischen Zeitschrift „der rechte rand“, wobei Hofmann vor allem auch die strategisch nützlichen Seiten der Debatte um ein solches Verbot betont. Für die gesellschaftliche Linke insgesamt wäre es sehr wichtig, sich eine differenzierte Position in dieser schwierigen Frage zu erarbeiten.