Das letzte, was wir derzeit wollen, ist eine Lockerung der Regeln“, sagte Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank kürzlich. Er hat recht, sich zu sorgen. Denn die Deregulierung der Finanzmärkte ist genau das, was Donald Trump nach der Aufhebung der von der Obama-Regierung erlassenen Klimaschutzvorschriften vorhat. Die Effekte hätten einmal mehr globale Auswirkungen. Der Präsident der Vereinigten Staaten hat die seltsame Vorstellung, dass die US-Banken von internationalen Regelwerken derart gefesselt sind, dass sie genötigt sind, Kapital zu horten, das zum Verleih an die US-amerikanische Wirtschaft zur Verfügung stünde. „Ich kenne so viele Leute, Freunde von mir, die gute Firmen besitzen und sich kein Geld leihen können“, verlautete Trump, als er kürzlich das entsprechende Dekret unterzeichnete. Derweil gibt es wenig Anzeichen dafür, dass die Banken in den USA sich weigern, Geld an kreditwürdige Darlehensnehmer zu verleihen. Das Gegenteil liegt näher: Kredit gibt es in den USA reichlich, ganz wie wir es angesichts hoher Gewinne der US-Banken erwarten würden. Doch das konnte die neue Regierung nicht davon abhalten, für die verschiedensten Probleme die Dodd-Frank-Regelungen, die Antwort des Landes auf die Finanzkrise von 2008-09, zu beschuldigen. Dabei war es nicht zuletzt eine Kreditblase, die zur Krise geführt hatte. Mit Blick auf einen möglichen neuen Protektionismus von Seiten der USA führt Dragee das britische Beispiel an: Britische Firmen leiden bereits unter der Wirkung des Brexit: Die Hälfte der Vorstandsvorsitzenden im Vereinigten Königreich berichteten der EZB, dass ihre Geschäfte unter dem Votum, die EU zu verlassen, in Mitleidenschaft gezogen wurden. Und doch plädieren Stimmen aus Trumps Umfeld für den Rückzug aus internationalen Abkommen: Der republikanische Kongressabgeordnete Patrick McHenry, Vizevorsitzender der Finanzaufsichtsbehörde Financial Services Committee, schlug vor, die USA sollten nicht nur die eigenen Regeln entschärfen, sondern sich auch aus internationalen Körperschaften wie dem Financial Stability Board, FSB)[1] und dem Basler Ausschuss für Bankenaufsicht. Das Argument McHenrys ist, dass US-Banken von diesen „heimlichtuerischen“ internationalen Foren „zu Unrecht abgestraft“ worden seien. 

Es ist schon erstaunlich, dass eine Regierung jenes Landes, das der Welt die Lehman-Brothers-Katastrophe beschert hat, sich so kritisch gegenüber internationalen Bemühungen – mit den USA an der Spitze –, die Bankensicherheit zu erhöhen, äußert. Doch selbst in sich ist das Argument Unsinn: US-Banken gingen als relative Gewinner aus den Reformen hervor. Ihre Dominanz auf den internationalen Finanzmärkten ist sogar größer als sie es vor 2008-09 war. Eine Teil-Erklärung dafür ist sicherlich, dass sie schneller und entschlossener waren, das Extrakapital aufzubringen, das FSB und Basler Komitee verlangten. JP Morgan, Morgan Stanley, Goldman Sachs und andere haben sich vor Jahren zurück ins Rennen begeben, können mit den neuen Regeln gut leben. Ganz im Gegenteil dazu befinden sich zahlreiche große Bankhäuser Europas – zu denken an die Deutsche Bank und Italiens Unicredit – weiterhin in der Krise. Das Alarmierende an Beschwerden im Stile von McHenry ist, dass sie einen direkten Angriff auf die internationale Reformagenda darstellen, sowohl gegen bereits vereinbartes, vor allem aber gegen Regulierungen, die noch verhandelt werden. Denn die verbleibende Arbeit in anderen Bereichen wie Finanzderivaten und zentralen Gegenparteien (ZGP) bei Derviatgeschäften, ist weniger weit fortgeschritten, aber keineswegs nicht weniger wichtig. „Die anhaltende Unterstützung der G20-Führungen ist notwendig, um die Reformen vollständig, konsistent und schnell umzusetzen“, wie der FSB-Vorsitzende Mark Carney, Gouverneur der Bank of England, erinnerte. Denn die 2009 gegründete FSB hat selbst wenig formale Macht und bezieht sich stattdessen auf nationale Vorgaben, um Standards festzusetzen, auf die sich alle Mitglieder einigen können. Ohne die USA käme die gesamte Arbeit zum Stillstand. Auch Draghis Verweis auf das Timing trifft. Augenblicklich verdaut die Welt acht Jahre mit Zinsen nahe Null und diversen Programmen „Quantitativer Lockerung“, deren Nachwirkungen noch unbekannt sind. Doch die Kombination von lockerer Geldpolitik und Deregulation der Finanzmärkte führte in der Vergangenheit zu desaströsen Entwicklungen, bei denen die Krise 2008ff nur das jüngste und spektakulärste Beispiel darstellte. Sicherlich gibt es Bestandteile des Dodd-Frank-Systems, denen kleine Optimierungen nicht schaden könnten – selbst der frühere Kongressabgeordnete Barney Frank, einer der Architekten des Regelwerks, gesteht zu, dass kleine US-Banken zu viel Zeit mit Beschwerden über Regeln verschwendeten, die nicht für sie gemacht wurden. Doch eine großangelegte Verfeuerung von Regulierungen unter einem trumpistischen Banner des „America first“ könnte uns alle verbrennen. Die neue Macht der Wall-Street-Lobbymaschine versetzt selbst viele altgediente US-Banker in Erstaunen. Am Ende könnten sie sich selbst und uns alle ins Verderben führen. 

Der Text erschien zuerst im Guardian. Aus dem Englischen von Corinna Trogisch