Ob ein Bündnis mit der Labour Partei allerdings noch einen sozialen Wandel ermöglichen wird, ist fraglich. Robin Murray, Co-ops UK, sieht Gewerkschaften und Genossenschaften zusammen in einer Schlüsselrolle bei der Ausgestaltung der von den Parteien vorgeschlagenen genossenschaftlichen Initiativen. Zwar befürchten Gewerkschaften, dass die Übernahme klassischer staatlicher Dienstleistungen durch Genossenschaften eine »Privatisierung durch die Hintertür« darstellt. Doch Murray stellt »public-social-partnership« den »private-public-partnerships« gegenüber – und sieht sie als einen Schritt nach vorn, weil Gesellschaften mit vielen Anteilshaltern eine verstärkte Beteiligung der Gewerkschaften ermöglichten. Die von New Labour angedachte »VerGenossenschaftlichung« von am Markt »versagenden« Wasserstraßen, Fußballclubs, Kneipen und lokalen Geschäften böten eine Chance für Zusammenarbeit zwischen Genossenschaften und Gewerkschaften. Allerdings müsste man darauf achten, »dass derartige Gemeinschaftsprojekte stark genug sind und gegen einen Politikwechsel geschützt werden können«.
Soziale Bewegungen
Persönliches Engagement und individuelle Bindungen sind auch die Ursache für Überschneidungen und Zusammenarbeit zwischen Kooperativen und sozialen Bewegungen. Der Aktivistin und Genossenschaftlerin Katy Brown zufolge gibt es zwar keine formalen Verbindungen, aber einen Wissenstransfer auf individueller Ebene: »Das trifft besonders für Entscheidungsfindung und -techniken zu, da Kooperativen ein guter Ort sind, um nicht-hierarchische Entscheidungsfindung zu lernen. Das ist für beide Seiten von Vorteil.« Dan Hasan von Ethical Producer hält die Erfahrung kooperativer Organisierung für zentral: »Jeder hat die Möglichkeit, jede wichtige Tätigkeit zu lernen und auszuüben, so dass die Leute sich breite Fähigkeiten aneignen. Im weiteren Sinne fördert das die Eigenverantwortung und ein ganzheitliches Verständnis von Organisationen. Kooperativen sind eines der am weitesten entwickelten Werkzeuge, die wir für eine Überführung von Sachen in gemeinsames Eigentum haben.« Die Trennung von Kooperativen und sozialen Bewegungen oder Community Organisationen habe einen guten Grund: »Genossenschaften sind am Ende doch Unternehmen, sie unterliegen anderen Anforderungen und sind nicht nur für die Versorgung einer größeren Community da. Sie existieren, um Arbeitsplätze zu schaffen und die Bedürfnisse der Mitglieder zu befriedigen.« (David Coulter, Cooperatives UK)
Der Nutzen für die Allgemeinheit
Dennoch nutzen Kooperativen den Gemeinden, in denen sie verwurzelt sind. Beschäftigte leben vor Ort, wodurch Interessen der Kooperativen und der Gemeinden zusammenlaufen. Katy Brown, die im sozialen Zentrum Next to Nowhere in Liverpool arbeitet, ist dankbar für die Unterstützung des kooperativen Buchladens News from Nowhere bei der Gründung des Zentrums: »Sie sind unsere Vermieter, räumen uns aber günstige Konditionen ein. Im Gegenzug stellen wir Räume für Signierstunden und reparieren Sachen am Gebäude. Wir kaufen Bücher von ihnen für unsere Bibliothek. Sie sind Teil unseres Kollektivs.« In der Regel verhindert die Verankerung vor Ort eine Kapitalflucht. Einige Kooperativen – wie der erfolgreiche Lebensmittelladen Unicorn in Manchester – lassen einen Teil ihrer Profite in einen Sozialfonds fließen, der Kampagnen und Gruppen vor Ort zugute kommt.
Ausbeutung
Nicht alle Kooperativen dienen der Allgemeinheit. Betsy Bowman zeigt, dass in einigen Kooperativen mehr als 40 Prozent der Arbeit von Nichtmitgliedern gemacht wird. In diesen Fällen kann von einer kollektiven Ausbeutung von Lohnarbeit gesprochen werden. Eine Produktionsgenossenschaft in Manchester stellt Zeitarbeiter für ihre Kommissionierung und das Packen an. Diese Beschäftigten verdienen weniger als die Mitglieder und werden in Verträge gezwungen, die auf zehn Monate begrenzt sind. Dadurch haben sie keinen Anspruch auf Arbeitgeberleistungen, die allen unter britischen Gesetzen arbeitenden Zeitarbeitern zustehen. Auch die Mitglieder arbeiten meist mehr und länger für weniger Geld, weil sie sich als weniger entfremdet von ihrer Arbeit empfinden. Es wird kritisiert, dass Kooperativen wenig mehr tun, als Waren für den freien Markt zu produzieren, so dass ihr Verhältnis zum Kapital sich nur wenig von dem anderer Unternehmen unterscheidet – was zu Selbstausbeutung führe und dem Kapitalismus nützt. Tim Huet (Co-operative Manifesto) sieht viel Anlass für Kritik an und Protest gegen das Wirtschaftssystem. Für dauerhafte und starke Gegenbewegung sind vielfältige Initiativen notwendig. Betriebliche Modelle ökonomischer Demokratie sind Teil dieser Vielfalt – neben Gewerkschaften, Einpunktbewegungen etc. Wir brauchen eine Polykultur des Dissenses und nicht eine Monokultur nur reagierender und oppositioneller Politik.
Ein Grosshandelserfolg
Die größte Kooperative in Großbritannien ist Suma. Der Großhändler für Vollwertkost setzt jährlich über 24 Millionen Pfund um, womit er auf Platz 51 der größten Genossenschaften und auf Platz 1 der unabhängigen Großhändler für Vollwertkost in Großbritannien steht. Suma begann 1975 und sollte einige genossenschaftliche Bioläden in Nordengland versorgen. Heute beliefert Suma 2500 Märkte. Noch gibt es keine innere Hierarchie, was die Mitglieder als wesentlich für ihren Erfolg begreifen. Die Struktur ist einfach: Alle Mitglieder und Beschäftigten bekommen denselben Stundenlohn, unabhängig von ihrer Arbeit oder ihrer Verantwortung. Sie haben eine gewählte Betriebsleitung, um Entscheidungen und Geschäftspläne umzusetzen; die Entscheidungen werden auf einem regelmäßigen übergreifenden Treffen im Konsensverfahren getroffen. Praktisch heißt das, dass die alltägliche Arbeit von eigenständigen Teams aus Beschäftigten ausgeführt wird, die alle den gleichen Lohn bekommen, das gleiche Stimmrecht und den gleichen Anteil am Erfolg der Unternehmung haben. Die Mitglieder sind kompetent in allen Bereichen des Unternehmens und haben immer mehr als eine Rolle in der Genossenschaft. Sie erweitern dadurch ihre Qualifikation und erhalten Einblick in den Gesamtzusammenhang. Dies nutzt der Kooperative, wenn Kreativität und Problemlösungen gefragt sind. Kooperativen ermutigen zu eigenständigem Alltagshandeln – eine Revolutionierung unseres Alltags. Solange wir sie reflektieren und entwickeln, anpassen und Widersprüche bearbeiten, können sie helfen, eine starke, selbstbewusste und lokal verwurzelte Bewegung aufzubauen, die über Ressourcen und Fähigkeiten verfügt, der Hegemonie des Kapitals den Kampf anzusagen.
Aus dem Englischen von Jana Seppelt. Mit freundlicher Genehmigung von redpepper.org.uk