Zerstörung durch Erdölförderung: Der Kampf in Nigeria gegen Shell
In Afrika ist die Situation ähnlich, da die Rohstoffindustrie häufig der einzige Nutznießer des Stromnetzausbaus ist. Rot-grüne Kampagnen wie in Nigeria, wo Aktivisten im Nigerdelta mit gewaltfreien und bewaffneten Aktionen die Ölkonzerne einschüchtern konnten, fordern Öl und Kohle im Boden zu belassen (»leave the oil in the soil and the coal in the hole«). Environmental Rights Action in Port Harcourt bemüht sich um das Ende der Ausbeutung und Erschließung von Förderstätten. Die Nachfahren von Ken Saro-Wiwa und acht seiner Mitstreiter aus der Ogoni-Bewegung konnten im Juni 2009 eine außergerichtliche Einigung mit Shell erzielen; ein Präzedenzfall, der andere Ölfirmen abschrecken könnte. Im militanten Teil der Bewegungen konnte selbst der Teile-und-Herrsche-Effekt einer Amnestie aus dem Jahr 2009 nicht verhindern, dass die Bewegung für die Emanzipation des Nigerdeltas (MEND) weiter ausländische Arbeiter entführte und an der Forderung nach endgültiger Räumung des Deltas festhielt.
Seit Beginn der Bohrungen im Delta in den späten 1950er Jahren sind schätzungsweise 1,5 Mio. Tonnen Öl ausgelaufen, was pro Jahr dem ausgelaufenen Öl der Exxon Valdez entspricht und einen Umweltschaden von mehr als 5 Mrd. USDollar verursacht. Vor Gericht hatten die Kläger Shell vorgeworfen, die nigerianische Polizei korrumpiert, Fahrzeuge und Waffen für die Armee gekauft und militä- rische Unterstützung für den Bau einer Pipeline durch Ogoniland angefordert zu haben. Des Weiteren habe das Unternehmen das nigerianische Militär finanziert und dabei unterstützt, den Widerstand der Ogoni niederzuschlagen sowie an der Verhaftung Saro-Wiwas und anderer auf Grundlage einer falschen Mordanklage mitgewirkt und Zeugen bestochen (Bond/Sharife 2009) zu haben.
Nach Jahren dieser verschiedenen Kämpfe wurde Shell im Juni 2008, 13 Jahre nachdem das Unternehmen Saro-Wiwas Hinrichtung mit veranlasst hatte, aus Ogoniland ausgewiesen. Ein Jahr später erhielten die Familien Saro-Wiwas und der anderen acht Hingerichteten in einer außergerichtlichen Einigung 15,5 Mio. US-Dollar von Shell – die in die Unterstützung der Bewegung flossen.
Die Enthüllungen von Wikileaks über Shells Einfluss auf die Politik in Lagos lassen vermuten, dass sich das ›Ogoni-Virus‹ noch viel schneller ausbreiten muss, wenn Nigeria frei sein und die Ökologie des Nigerdeltas und das Klima verschont bleiben sollen (Bassey 2010).
Environmental Rights Action führte die Klimagerechtigkeitsbewegung in Nigeria, Westafrika und global in Kopenhagen zu einer tiefer gehenden Kritik ökologischer Verantwortung, um solche Zerstörung nicht nur auf lokaler Ebene einzudämmen. ERA und ihr visionärer Anführer Nimno Bassey sehen die Zerstörung vor Ort als Ergebnis der generellen Inwertsetzung der Ressourcen. Angesichts der globalen Finanz- und Ölmärkte und des fortgesetzten Ressourcen-Diebstahls fordern sie, das Öl im Boden und unter dem Golf von Guinea zu belassen. […]
Climate Justice Now und Millionen neue Klima-Jobs
Auch das Netzwerk Climate Justice Now! fordert, fossile Brennstoffe im Boden zu lassen, und hat einige Geschicklichkeit darin bewiesen, der weltkapitalistischen Strategie des Verschiebens, Verzögerns und Stehlens die Verantwortung des Nordens für seine Emissionen entgegenzusetzen. Damit die Reduzierung von Emissionen nicht weiter verzögert wird, fordern sie, dass der Emissionshandel stillgelegt wird, und Klimaschuldenzahlungen, um den Diebstahl durch die Externalisierung der Emissionen des Nordens auszugleichen. […]
Große Bedeutung hat die Idee von »Eine Million Klima-Jobs!«, die in Südafrika im Anschluss an eine ähnliche Kampagne in Großbritannien aufkam (vgl. dazu LuXemburg 1/2011, 98ff, Anm. d. Red. ). Von Kapstadt aus startete das Alternative Information and Development Centre eine Kampagne mit führenden linken Vertretern aus der Metall-, Transport- und Kommunalarbeitergewerkschaft sowie mit Community-Aktivisten und Umweltschützern. Sie fordern die Schaffung von »guten, hauptsächlich im öffentlichen Dienst angesiedelten Arbeitsplätzen, die direkt die Ursachen und Wirkungen des Klimawandels reduzieren« (One Million Climate Jobs Campaign 2011). Klima-Jobs lassen sich im Bau erneuerbarer Energiegewinnungsanlagen, im Bau öffentlicher Transportnetze, die den Bedarf an PKW und LKW mit hohem Kraftstoffverbrauch verringern, im energieeffizienten Gebäude- und Wohnungsbau, in der Transformation der industriellen Landwirtschaft, in der Reform von Produktion und Konsumtion schaffen. Gleichzeitig müsse immer wieder die Steigerung des Energiebedarfs in der Wirtschaft thematisiert werden (ebd.).
Mit solchen Organisationen und Argumenten lassen sich in einer Zeit von Haushaltskürzungen, schwacher Zivilgesellschaft und Repression die raum-zeitlichen Widerstände verschiedenster öko-sozialer Kräfte miteinander verbinden. Die Akteure des sozialen und ökologischen Wandels können sich zunutze machen, dass der Neoliberalismus immer noch ideologisch diskreditiert ist und in den kommenden globalen und nationalen Verhandlungsrunden eine Strategie der Gerechtigkeit verfolgen, die nicht auf der Inwertsetzung von Kohlenstoff beruht.
Das schnelle Scheitern der Klimapolitik der Eliten sollte es dabei leichter machen, Alternativen von unten zu vertreten, einschließlich global koordinierter Aktionen gegen zerstörerische Projekte (wie internationale Kredite für die südafrikanische Kohle). Die Kritik an der Sackgasse von Kyoto-Kopenhagen-Cancún verbreitet sich zunehmend und wird größeres Vertrauen in Analysen, Strategien, Taktiken und Bündnissen möglich machen, die mit der Klimagerechtigkeitspolitik verbunden sind. Erfahrungen von unten müssen zusammengeführt werden, um eine ernstzunehmende rot-grüne Kraft aufzubauen, die linke Regierungen und populare Bewegungen vereinigt und die Initiativen der globalen Linken zur Rechenschaft verpflichtet. Zur Verbindung der Klimakämpfe ist eine stärkere ideologische Orientierung nötig. Ökofeminismus und Ökosozialismus müssen in einer neu belebten Politik der Klimagerechtigkeit zusammengebracht werden.
Ökofeminismus und Ökosozialismus
In den 1960er und 70er Jahren bestand Einigkeit in der südafrikanischen Linken, dass die systematische Diskriminierung Schwarzer durch das Apartheidsystem im Bedarf der Unternehmen an Wanderarbeitern begründet war, wodurch rassistische Unterdrückung und Klassenverhältnisse miteinander verschmolzen. Typischerweise stand hinter jedem schwarzen Mann, der im ersten Jahrhundert organisierter Minen- und Plantagenarbeit in den Minen arbeitete, eine Frau. Sie versorgte ihn durch drei unsichtbare und unbezahlte Unterstützungsleistungen im Rahmen von »Sorgearbeit«, die eine billige Reproduktion der Arbeitskraft gewährleistete.
Erstens zogen Frauen in den ländlichen »Bantustans« – den ökologisch degradierten Apartheid-Homelands – die Wanderarbeiter auf, da der Staat abwesend war. Die Reproduktion des Haushalts wurde dort staatlich nicht unterstützt, während es in den Städten eher Zugang zu Kinderbetreuung und dem Schulsystem gab. Zweitens waren Frauen auf dem Land genötigt, kranke Arbeiter gesund zu pflegen, da sie auf ihr Zuhause zurückgeworfen waren. Staat und Unternehmen boten keine Krankenversicherung wie im Westen, wo Arbeiter lange und hart dafür gekämpft hatten. Schließlich, wenn der männliche Arbeiter zu alt zum Arbeiten war und ohne ausreichende Rente in die Bantustans zurückkehrte, übernahmen wieder die Frauen die Verantwortung für die Pflege (Bond et al. 2007, 1ff).
Natürlich ist dies keine Eigenheit des Apartheid-Kapitalismus. Die Reproduktion der globalen Arbeitskraft ist allgemein durch die unbezahlte Arbeit von Frauen gesichert worden. Mittlerweile, da Staat und Kapital den ›sozialen Lohn‹ drücken und über Jahrzehnte errungene Sozialpolitik demontieren, nähert sich die Gesamtsituation der des südafrikanischen Systems. Dieser Prozess erstreckt sich auch auf reproduktive Gesundheit und Rechte, für die feministische Bewegungen kämpften.
Neoliberale Politik und die Macht der Unternehmen haben das Outsourcen der Arbeit, Prekarisierung und die Zunahme informeller Arbeit zur Folge. Angesichts zunehmend prekärerer Lebensverhältnisse bilden Frauen das Sicherheitsnetz für die Reproduktion des Haushalts, während sie ohnehin schon den verwundbarsten aller Sektoren der Arbeit besetzen. Doch sie sind auch die treibenden Kräfte im Widerstand gegen diesen Prozess gewesen – in der Überwindung des lokalen Mikropatriarchats und in den meisten südafrikanischen Graswurzelkampagnen zu Themen wie Zugang zu Wasser oder AIDS-Medikamenten sowie anderen Strategien, Gemeingüter zu verteidigen oder zu erweitern.
Teresa Brennan hat eine Verbindung zwischen der Ebene der Familienhaushalte und des Klimawandels hergestellt. Die Umgestaltung der räumlichen Anordnung und Re/produktion – wie das Ende der Bantustan-Wanderarbeit – wäre entscheidend. »Je näher die Energie- und Rohstoffressourcen am Wohnort liegen, desto eher halten sich die Reproduktionskosten in Grenzen: Bezahlte und häusliche Arbeit werden weniger ausgebeutet, die Umwelt weniger erschöpft.« (2003, 160)
Dies ist eine der Einsichten einer ökofeministischen politischen Ökonomie, die in die Analysen von Klimastrateginnen wie Nicola Bullard (in diesem Heft, Anm. d. Red.) eingehen. Eine typische Diskussion mit Neoliberalen dreht sich um die Frage, ob die Globalisierung der Industrie geholfen hat, feudal-patriarchale Verhältnisse aufzubrechen, indem sie Frauen aus der Unterdrückung in mexikanische Maquiladoras oder Bangkoks Sweatshops gebracht hat. Solches exportgetragene Wachstum ist eine unhaltbare ›Entwicklungsstrategie‹, die auf der versteckten Unterstützung durch die Sorgearbeit von Frauen basiert.
Bullard unterteilt die Erzählungen über Klimapolitik in drei Diskurse: Fortsetzung der bisherigen Praxis, Katastrophismus und Klimagerechtigkeit. Die erste wird von der Wirtschaft und den meisten Regierungen aus dem Norden vertreten, die zweite von einigen kleineren und verwundbareren Ländern und vielen NGOs. Katastrophismus »führt zu gefährlichen Panikstrategien wie GeoEngineering, Nuklearmärkten und Emissionshandel« (2009). Klimagerechtigkeit wird von einer breiten zivilgesellschaftlichen Bewegung unterstützt, die 2007 bei den Verhandlungen in Bali ins Leben gerufen wurde und in der Folge wenigstens eine lateinamerikanische Regierung, Bolivien, integrieren konnte.
Mit Klimawandel befasste Feministinnen bringen die verschiedenen Formen der Unterdrückung miteinander in Verbindung, um vor dem Erstarken ihrer Gegner in Krisenzeiten zu warnen. Die Gruppe Asian Communities for Reproductive Justice (2009) dokumentiert die schweren politischen Schäden, die Hurrikan Katrina hinterlassen hat: »Nach einer Katastrophe werden regelmäßig Frauen of Color – besonders afroamerikanische Frauen, Frauen mit niedrigem Einkommen und Migrantinnen – als Bürde für den Staat und als Ursache von Überbevölkerung, Umweltschäden, Armut, Kriminalität und wirtschaftlicher Instabilität angegriffen.« (Ebd.) Mehr als für Männer ist ein Ende der ökonomischen Unsicherheit von Frauen wesentlicher Bestandteil des Kampfs für Gerechtigkeit.
Nie war es wichtiger, Einsichten des Ökofeminismus und Ökosozialismus zusammenzubringen, um Themen, Analysen, Herausforderungen und Bündnisbemühungen miteinander zu verbinden. Steht Ökosozialismus auf der Tagesordnung? Die kurze Antwort darauf ist nein, es gibt kein ausreichendes Netzwerk von Organisationen und Aktiven, das fähig wäre, im nationalen oder globalen Rahmen die Elemente zu verbinden. Doch eine solche Bewegung muss entstehen, wenn wir überleben wollen; einige Überlegungen zu dieser Herausforderung:
Rot-grüne Organisationen bilden Netzwerke, ökosozialistische Bewegungen bestehen aus tausenden Organisationen in allen Teilen der Welt. Sie vertreten zunehmend antikapitalistische Auffassungen im Kampf gegen Umweltzerstörung. Das zeigt sich offen in Manifesten, Analysen, Pressemeldungen, Forderungen, Flugblättern, Slogans der vergangenen Jahre. Die Netzwerke sind jedoch in der Regel Einpunkt-Bewegungen und verbinden Themen selten über verschiedene Sektoren hinweg. Dies liegt häufig daran, dass sie sich um spezifische Ziele herum bilden und ihre Finanzierung und wichtigsten eigenen intellektuellen Ressourcen eng an den einzelnen Inhalt gebunden sind.
Den Angriff des Kapitalismus auf die Natur verstehen sie oft als ein Problem, das sie jedoch nicht in der Lage sind zu verallgemeinern, geschweige denn durchschlagende umfassende Lösungen dafür vorzuschlagen. Dies führt zu einer Leerstelle, nicht nur in der Benennung des Problems (ein unersättlicher Kapitalismus), sondern auch in der Formulierung einer globalen sozialistischen Lösung – die natürlich Unterschiede und ungleiche Entwicklung sowohl des Kapitalismus als auch der gegen ihn gerichteten Bewegung beachten müsste. Die meisten Manifeste dieser Bewegungen zeigen kein besonderes Geschlechterbewusstsein. Weitere verzahnte und überlappende Formen der Unterdrückung und des Widerstands – Rassismus, indigenes Erbe, Behinderung, sexuelle Orientierung, Generationen und andere – werden nicht ausreichend berücksichtigt, um eine wirkungsvolle Kritik zu entfalten.
Der nächste Schritt für Gruppen wie Climate Justice Now! ist es, gemeinsame Sache mit anderen Umweltbewegungen zu machen, die ähnliche Analysen, Strategien, Taktiken, Feinde und Verbündete haben. Allerdings gibt es kaum Gelegenheit zu systematischen Zusammentreffen und wenig Wissen über einander. Trotzdem müssen die Verbindungen geschaffen werden, wenn wir es mit der übergreifenden Macht der patriarchalen, rassifizierenden, ungleichen kapitalistischen Entwicklung aufnehmen wollen, um das Überleben des Planeten und der Menschheit zu sichern. Klimagerechtigkeit wird nichts weniger als das erfordern.
Leicht bearbeitete Fassung des Schlusskapitels aus: Politics of Climate Justice. Paralysis Above, Movement Below, Durban: University of KwaZulu-Natal, 2012. Aus dem Englischen von Daniel Fastner.