Der Streit, der in Deutschland 2023 um das neue Gebäudeenergiegesetz ausgetragen wurde, ist ein Gradmesser dafür, wie umkämpft die sozial-ökologische Transformation ist. Er deutet zudem an, was an Transformationskonflikten künftig zu erwarten ist und welche Akteure und Interessen darin aufeinandertreffen: ökologische Modernisierer*innen, konservativ-liberale Apologet*innen des Status quo und reaktionäre Erdzerstörer*innen, die die Zukunft in der fossilen Vergangenheit zu sehen glauben. Die einzige Position, die zeitlich (im Hinblick auf künftige Generationen), räumlich (im Hinblick auf den globalen Süden) und sozial (im Hinblick auf Klassen- und Geschlechterverhältnisse sowie ein Ende rassistischer Diskriminierungen) verallgemeinerbar ist, bleibt marginal. Es ist die Position einer radikalen sozial-ökologischen Transformation, die nicht nur die energetische Grundlage kapitalistischer Gesellschaften infrage stellt, sondern auch deren kulturelle politische Ökonomie, die also für eine Gesellschaft streitet, in der die demokratisch und unter Berücksichtigung ökologischer Restriktionen auszuhandelnden Bedürfnisse aller statt die Partikularinteressen weniger im Vordergrund stehen.

Dass es diese Position in den gegenwärtigen Auseinandersetzungen so schwer hat, ist auch der Komplexität der Krise geschuldet. Wir haben es nicht nur, wie in den großen Krisen zu Beginn der 1930er- und Mitte der 1970er-Jahre, mit dem möglichen Übergang von einer kapitalistischen Formation in die nächste zu tun, sondern auch mit einer fundamentalen Krise des Kapitalismus selbst und einer ökologischen Krise, die die Bedingungen menschlichen Lebens auf der Erde dauerhaft zum Schlechteren verändert.

Im Folgenden argumentieren wir, dass sich die geologischen und ökologischen Krisenphänomene unter den Vorzeichen des (neoliberalen) Kapitalismus nicht mehr bearbeiten lassen. Gleichzeitig kann Letzterer nicht einfach überwunden werden, weil er vermittelt über die imperiale Lebensweise tief in den gesellschaftlichen Orientierungen, Alltagspraktiken, sozialen Kräfteverhältnissen, Infrastrukturen und Institutionen verankert ist. Diese widersprüchliche Konstellation bildet den Hintergrund für die derzeit stattfindenden Transformationskonflikte.

Anthropozän, ökologische Ungleichheiten und Kapitalozän

Die Menschheit, so lautet eine zentrale Diagnose der Erdsystemwissenschaften, ist in ein neues Zeitalter eingetreten: das Anthropozän. Im Unterschied zum Holozän, der Warmzeit, die vor fast 12 000 Jahren begann und den Hintergrund für die Entstehung menschlicher Zivilisationen bildete, ist es dadurch gekennzeichnet, dass Menschen zu einem geophysischen Faktor geworden sind. Sie haben die natürlichen Systeme und insbesondere das Klima in einem Ausmaß verändert, dass diese nicht mehr als »natürlich« betrachtet werden können. Das gilt vor allem seit der »großen Beschleunigung« des Ressourcenverbrauchs und der Umweltbelastung, wie sie Mitte des 20. Jahrhunderts einsetzte (Steffen u.a. 2011). »Planetare Grenzen« wurden überschritten: In Bezug auf das Klima, die Biodiversität und andere Erdsysteme befindet sich die Menschheit außerhalb ihres safe operating space (Rockström u.a. 2009). Historisch ist die Menschheit erstmals damit konfrontiert, dass die stabilen Hintergrundbedingungen ihrer Geschichte aufgrund menschlichen Handelns in Bewegung geraten und die Lebensbedingungen auf der Erde grundlegend verändern (Chakrabarty 2022: 309). Die vielen Katastrophen der letzten Jahre – die Überschwemmungen in Pakistan, die Feuer in Griechenland, die Trockenheit in Spanien oder Frankreich etc. – sind nur ein Vorgeschmack des Kommenden.

Will man die Ursachen dieser Entwicklungen begreifen, lohnt ein Blick auf die Befunde der ökologischen Ungleichheitsforschung. Diese befasst sich mit den enormen Unterschieden bei der Verursachung der CO2-Emissionen. So stellt der »Climate Inequality Report» mit Bezug auf 2019 fest:

»Die obersten zehn Prozent der Emittent*innen sind für fast die Hälfte der globalen Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich […]. Mit anderen Worten, die von den unteren 90 Prozent der Weltbevölkerung verursachten Emissionen sind nur geringfügig höher als die der obersten zehn Prozent. […] Das oberste ein Prozent erzeugt mehr als ein Sechstel der globalen Emissionen, wobei seine Pro-Kopf-Emissionen das 16-Fache des globalen Durchschnitts von 2019 betragen. Diese Zahlen beinhalten, dass die Gesamtemissionen des obersten einen Prozents die Emissionen der gesamten unteren Hälfte der Weltbevölkerung übersteigen.« (Chancel u.a. 2023: 23, vgl. Neckel 2023)

Wichtig ist, dass die genannten Zahlen sich nicht nur auf den Konsum, sondern auch auf Investitionsentscheidungen beziehen. Wenn die Superreichen in die Öl- und Gasindustrie oder in die für großflächige Abholzungen verantwortliche industrielle Landwirtschaft des globalen Südens investieren, dann finanzieren sie damit ökonomische Aktivitäten, deren klimapolitische Folgen selbst noch ihren extremen Überkonsum in den Schatten stellen.

Diese Diagnose der ökologischen Ungleichheit ist wichtig, gleichwohl bleibt sie unterkomplex. Denn sie suggeriert, dass die ökologische Krise vor allem durch Umverteilung von Einkommen und Vermögen bearbeitet werden könnte – und nicht durch strukturelle Veränderungen der Produktions- und Lebensweise. Marxistische Krisendiagnosen haben sich demgegenüber mit den Strukturprinzipien beschäftigt, die die ökologischen Ungleichheiten hervorbringen und für den Übergang der Menschheit ins Anthropozän verantwortlich sind. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den raum-zeitlichen Expansionsdynamiken der kapitalistischen Produktionsweise, aufgrund derer sie dazu tendiert, ihre eigenen Existenzbedingungen zu untergraben. Stellt man diese Dynamiken in Rechnung, dann wird das Anthropozän als »Kapitalozän« begreifbar (siehe u.a. Altvater 2017). Damit wird der von den Erdsystemwissenschaften entwickelte und empirisch untermauerte Befund anerkannt, dass der menschliche Stoffwechsel mit der Natur so tief gestört ist, dass die uns bekannten Bedingungen menschlichen Lebens auf der Erde in Frage stehen. Doch im Unterschied zur Anthropozän-These wird der Verweis auf eine abstrakte »Menschheit« als Problemursache durch eine Analyse der konkreten sozialen Verhältnisse, sprich der zerstörerischen kapitalistischen Naturverhältnisse, ersetzt, die für die Krise verantwortlich sind. Damit schürft die Kapitalozän-These auch tiefer als die ökologische Ungleichheitsforschung, die die für die Ungleichheit verantwortlichen gesellschaftlichen Strukturprinzipien weitgehend außer Acht lässt.

Öko-imperiale Spannungen und das Außen des Kapitalismus

Neuere kritische Krisendiagnosen knüpfen an die Kapitalozän-These an, betonen aber stärker die sozial-ökologischen Widersprüche, die an der Grenze zwischen der kapitalistischen Ökonomie und ihren »außerökonomischen« Existenzbedingungen zu verorten sind. Der Kapitalismus, so hebt etwa Nancy Fraser (2023) hervor, ist auf Voraussetzungen in Gestalt von Natur und unbezahlter oder niedrig entlohnter Reproduktionsarbeit angewiesen, die er selbst nicht herstellen kann, sondern im Gegenteil ständig zu untergraben droht. Wichtige Voraussetzungen der Kapitalakkumulation finden sich zudem im globalen Süden. Dazu gehören fossile und metallische Ressourcen, Senken wie die großen Regenwälder, billige Arbeitskraft. Deren Ausbeutung bzw. Aneignung wird nicht selten durch neokoloniale Praktiken in Form von ökonomischem und politischem Druck sowie militärischer Gewalt gewährleistet und in neokolonialen Narrativen der »Entwicklung« normalisiert.

Das Problem ist nun, dass die außerökonomischen Bedingungen des Kapitalismus im Schwinden begriffen sind. Es schrumpfen die geografischen Räume und gesellschaftlichen Sphären, auf die sich die sozial-ökologischen Kosten der kapitalistischen Produktionsweise in der Vergangenheit verlagern ließen: Die natürlichen Senken sind mit der Aufnahme der Emissionen überfordert; wichtige Rohstoffe gelten zunehmend als »kritisch«; und die Aneignung und Ausbeutung von Arbeitskraft gerät an ihre Grenzen. Die kapitalistische Ökonomie ist drauf und dran, ihre eigene Substanz – die außer-ökonomischen Bedingungen, die sie selbst nicht herstellen kann, auf die sie aber angewiesen ist – zu verschlingen. Verschärft wird dieser Prozess noch dadurch, dass sich der fortgeschrittene Kapitalismus konkurrenzvermittelt über seine historischen Zentren hinaus ausdehnt, sodass auch ehemalige Ökonomien des globalen Südens nun darauf angewiesen sind, ihre sozial-ökologischen Kosten zu externalisieren. Gleichzeitig werden neue Formen und Räume als Außen geschaffen, wenn wir etwa an den Tiefseebergbau oder an die Speicherung von Emissionen unter der Erde oder im Meeresuntergrund denken. Die Konsequenz sind zunehmende öko-imperiale Spannungen zwischen den alten Zentren und ihren jungen Herausforderern. Der Mechanismus der Externalisierung gerät ins Stocken, das Angewiesensein auf ein Außen schlägt in eine existenzielle Bedrohung der kapitalistischen Produktionsweise um, die Schaffung von externen Sphären bringt neue Probleme und Konflikte.

In dieser Situation liegt ein zentrales Transformationshemmnis darin, dass der Kapitalismus vermittelt über die imperiale Lebensweise tief in den gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen, den wirtschaftlichen und politischen Institutionen, den physischen Infrastrukturen sowie den Alltagswahrnehmungen und -praktiken verankert ist. Eine effektive Bearbeitung der öko-imperialen Spannungen und der Krise kapitalistischer Naturverhältnisse wird dadurch erschwert oder gar verunmöglicht. Der Horizont dessen, was als vorstellbar und machbar gilt, wird begrenzt.

Chronologien der Krise

Ein Symptom dieser Widerspruchskonstellation ist die Verschränkung verschiedener Chronologien. Dabei sind mehrere Krisenprozesse zu unterscheiden, die mit den zuvor diskutierten Zeitdiagnosen in den Blick geraten. Erstens bricht die »planetarische Zeit« der geologischen Geschichte in die historische Zeit der Menschheitsgeschichte ein und dynamisiert deren zuvor weitgehend unbewegliche Hintergrundbedingungen in einer für die Menschheit und für nicht-menschliche Lebewesen existenzbedrohenden Art und Weise. Die planetarische Krise und das Alltagsleben stehen in einem engen Zusammenhang. Erstere sickert in Letzteres ein und geht gleichzeitig »teilweise auf Entscheidungen zurück […], die wir in unserem Alltagsleben treffen (wie etwa ob wir fliegen, Fleisch essen oder anders mit Energie aus fossilen Brennstoffen umgehen)« (Chakrabarty 2022: 20 f.). In jedem Fall ist die ökologische Krise eine globale Krise, die sich in ihrem Ausmaß und in ihren Wirkungen nur in geologischen Zeiträumen denken lässt.

Im Hinblick auf ihre Ursachen, so ein Befund der Kapitalozän-Debatte, handelt es sich jedoch um eine Krise auf einer zweiten, weitaus niedrigeren Zeitebene, nämlich jener der kapitalistischen Produktionsweise. Mit dem fossilen Metabolismus und dem Akkumulations- und Wachstumsimperativ, die dem Kapitalismus innewohnen, hat sich die Menschheit innerhalb weniger Jahrhunderte in die geologische Geschichte eingeschrieben. »Reduziert man die Geschichte unseres Planeten auf einen Tag mit 24 Stunden, dann erschien der Homo habilis erst in der letzten Minute, das Holozän begann im letzten Viertel einer Sekunde und die industrielle Revolution in den letzten zwei Tausendsteln einer Sekunde.« (Bonneuil/Fressoz 2017: 4 f.)

Eine dritte, noch niedrigere Zeitskala, auf der sich derzeit krisenhafte Veränderungen ereignen, ist die der kapitalistischen Formation. In der Finanzkrise von 2008/09 haben sich die Widersprüche des Postfordismus zugespitzt. Der Finanzkrise folgte 2019 die Coronapandemie, in deren Zuge viele Lieferketten unterbrochen wurden, die lange Zeit das Rückgrat der kapitalistischen Globalisierung gebildet hatten. Letztere ist zudem durch die zunehmenden geopolitischen und -ökonomischen Spannungen zwischen den USA und China bedroht. Statt von globaler wirtschaftlicher Integration ist nun von Entflechtung und – in der EU – von »strategischer Autonomie« die Rede. Diese Entwicklungen deuten an, dass wir uns in einer Krise des neoliberalen, finanzdominierten Kapitalismus befinden, der sich seit den 1970er-Jahren herausgebildet hat. Auch auf dieser Zeitskala hat die Krise eine sozial-ökologische Dimension: Im Postfordismus hat sich die fossilistische imperiale Lebensweise in den kapitalistischen Zentren vertieft und über diese hinaus weiter ausgebreitet. Der Ressourcenverbrauch und die CO2-Emissionen sind enorm gestiegen. Der oben zitierten Ungleichheitsforschung zufolge hat eine drastisch verschärfte soziale Ungleichheit die ökologischen Zerstörungspotenziale, über die die Reichen und Superreichen der Welt verfügen, vervielfältigt.

Die etablierten liberal-demokratischen Verfahren sind für die Bearbeitung von Krisen, die auf derart unterschiedlichen und zugleich verschränkten Zeitskalen auftreten, denkbar schlecht gerüstet (vgl. Görg 2016). Die Logiken, denen sie folgen, werden der Tiefe und den zeitlichen Dimensionen der Krisen nicht annähernd gerecht. In geologischen Zeiträumen oder auch in Begriffen wie dem der kapitalistischen Produktionsweise zu denken ist in den bestehenden Institutionen kaum möglich. Es fällt durch das Raster der epistemischen Selektivitäten, die den institutionellen Horizont dessen, was vorstellbar und machbar ist, systematisch begrenzen.

Bestenfalls erlauben es die Institutionen der liberalen Demokratie, die Krisenbearbeitung als ökologische Modernisierung und als Übergang in eine – gleichwohl nicht als solche bezeichnete – neue kapitalistische Formation zu imaginieren und zu gestalten. Doch selbst dies ist hochgradig umkämpft. Getragen wird die ökologische Modernisierung von grünen Kapitalfraktionen aus der Branche erneuerbarer Energien, aus der Bauindustrie (Gebäudesanierung, Passiv- und Niedrigenergiehäuser), zunehmend auch der Chemie und der Stahlindustrie (grüner Wasserstoff) oder dem Mobilitätssektor (E-Automobilität) (vgl. Haas/Sander 2013). Deren Produkte und Technologien haben heute einen höheren Reifegrad als noch in der Krise 2008ff. Die Unternehmen, die sie herstellen, sind an einem verlässlichen politischen und rechtlichen Rahmen für weitere Investitionen interessiert. Gewerkschaften wie die IG Metall unterstützen die industrielle Modernisierung, in der Erwartung, dass Industriearbeitsplätze gesichert oder auch neu geschaffen werden.

Allerdings sind die politischen und gesellschaftlichen Kräfte, die den fossilen und neoliberalen Kapitalismus getragen und von ihm profitiert haben, noch immer stark und widersetzen sich selbst kleinsten Veränderungen. Dies zeigt sich unter anderem an der Ampelkoalition in Deutschland, in der eine antiökologische Klientelpartei Maßnahmen wie ein Tempolimit auf Autobahnen, die Umstellung der Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien oder das Auslaufen des Verbrennungsmotors blockiert. Dass sie dazu in der Lage ist, hängt mit der Hegemonie und damit auch den institutionellen Einschreibungen der imperialen Lebensweise zusammen. Dass die Kämpfe dennoch geführt werden, verweist auf die objektiven Grenzen Letzterer, die zunehmend sichtbar werden.

Interregnum und globale Solidarität

»Die Krise besteht gerade in der Tatsache, dass das Alte stirbt und das Neue nicht zur Welt kommen kann.« (Gramsci 1991: 354) Diese von Antonio Gramsci 1930 vorgenommene Charakterisierung der Epoche, die mit dem Ersten Weltkrieg begann, lässt sich auf die heutige Zeit übertragen: Die herrschende Klasse hat »den Konsens verloren«, sie ist nicht mehr »führend«, sondern nur noch »herrschend«, »Inhaberin der reinen Zwangsgewalt«. Die Menschen haben sich von den traditionellen Ideologien entfernt und glauben nicht mehr an das, woran sie zuvor geglaubt haben (ebd.). Allerdings sind die Kräfte des Alten, in unserem Fall: des fossilen Kapitalismus, noch stark genug, um jene des Neuen daran zu hindern, ihrerseits führend und herrschend zu werden. Die Konturen des Neuen sind je nach zeitlicher Ebene sehr unterschiedlich bzw. übersteigen in Bezug auf die Ebene der planetarischen Zeit sogar unsere Vorstellungskraft. Gramsci benutzt für diese Konstellation des Übergangs den Begriff des Interregnums, der ursprünglich die Zeit zwischen dem Tod oder Abdanken eines Herrschers und dem Amtsantritt des Nachfolgers bezeichnet.

Ob und inwiefern wir uns heute (noch) in einem solchen befinden, ist umstritten. So diagnostiziert Mario Candeias für die Gegenwart ein »Ende des Interregnums«, das mit der Krise 2008/09 begann. »Wir leben in keiner offenen gesellschaftlichen Situation mehr, die Entwicklungspfade sind umkämpft, viele mögliche Alternativen aber bereits verunmöglicht, Wege verschlossen.« Zu beobachten sei die Herausbildung eines hegemonialen »grünen Katastrophen-Kapitalismus«, der sich räumlich gleichwohl sehr unterschiedlich auspräge (Candeias 2023).

Wir würden die Zeitdiagnose eines Katastrophen-Kapitalismus mit grünen Elementen teilen, halten dessen hegemoniale Potenziale aber für begrenzt. Zweifellos lassen sich heute vielerorts grün-kapitalistische Strategien beobachten, die trotz starker Widerstände wirkmächtiger werden. Doch die vielen sich zuspitzenden Krisen machen es unwahrscheinlich, dass sich eine auch nur halbwegs stabile grün-kapitalistische Entwicklungsweise herausbildet. Die disruptiven Ereignisse, die zunehmend auch in den Alltag der kapitalistischen Zentren einbrechen, lassen sich hegemonial kaum bearbeiten. Insofern deutet sich eine neue Qualität von sozialen und internationalen Auseinandersetzungen an, für deren geordnete Austragung es weder Erwartungshorizonte noch entsprechende Institutionen gibt.

Für die Linke in Europa ist dies eine enorm herausfordernde Situation. Vielerorts befindet sie sich in der Defensive und ist weit davon entfernt, wirkmächtig in die Umbrüche einzugreifen. Gleichzeitig ist die Linke die einzige gesellschaftliche und politische Kraft, die in der Lage ist, Strategien mit der nötigen Eingriffstiefe zu formulieren und zu verfolgen (siehe die vielen Vorschläge in Klein 2022). Letzteres geschieht denn auch an den unterschiedlichsten Orten und in unterschiedlichen Formen einer »globalen Solidarität« (Behr 2022). Das ist äußerst mühsam, von ständigen Rückschlägen, Ratlosigkeit und Ernüchterung begleitet. Dazu kommt der scharfe Gegenwind von ganz rechts. Gleichzeitig ist es alternativlos, am Projekt der Emanzipation festzuhalten. Dessen Kern besteht heute darin, die Überwindung von Ausbeutung und Unterdrückung mit der Sicherung und Reparatur der Bedingungen menschlichen und nicht-menschlichen Lebens auf der Erde zu verbinden.

Wichtige Eckpunkte eines solchen Projekts sind erstens der Kampf gegen den erdzerstörerischen Reichtum der Wenigen und für den Rückbau der von ihnen kontrollierten Produktion. Zweitens geht es um die Vergesellschaftung und Aufwertung der für das Überleben und ein gutes Leben aller nötigen Infrastrukturen. Dies ist die Essenz zahlreicher progressiver Kämpfe, wie sie sich derzeit weltweit beobachten lassen. Sie werden umso wichtiger, je stärker und häufiger die Infrastrukturversorgung durch die Klimakrise bedroht wird und gleichzeitig in den Mittelpunkt der Klimaanpassung rückt. Die Herausforderung dieser Situation liegt darin, eine solidarische Resilienz zu organisieren: durch vergesellschaftetes Wohneigentum, lokale und klimaangepasste Ernährungssysteme, funktionierende Einrichtungen der Pflege und Gesundheitsfürsorge oder ein nachhaltiges Mobilitätssystem. Das waren schon immer linke Kernforderungen. In Zeiten der Klimakrise wird ihre Realisierung zu einer Frage des Überlebens bzw. des guten Lebens im Schlechten (Brand u.a. 2022). Drittens geht es um Wiedergutmachung. Die kapitalistische Produktionsweise hinterlässt immense sozial-ökologische Schäden. Einige, etwa die Folgen des Meeresspiegelanstiegs und des Biodiversitätsverlusts, sind irreversibel. Andere werden die Reparaturarbeit vieler Generationen in Anspruch nehmen. Wiederum andere müssen sofort wiedergutgemacht werden, um die Lebensbedingungen vieler Menschen vor allem im globalen Süden zu sichern. Auch wenn dies gelingt, werden Flucht und Migration zunehmen. Dies ist eine vierte Herausforderung für die Linke, die – mit Blick auf die derzeitige Verschärfung der europäischen Asylpolitik – immer dringlicher wird: die Solidarität mit denen zu organisieren, die die ökologischen Folgen einer zerstörerischen Produktions- und Lebensweise nicht länger tragen können und die Schutz und ein besseres Leben suchen.