Die Autoindustrie war jahrzehntelang die Leitbranche des deutschen Kapitalismus, der gesellschaftliche Alltag am Auto orientiert. Nicht nur aus ökologischen Gründen kann es so nicht weiter gehen.

Die (Auto-)Mobilität ist im Umbruch begriffen: Der Verbrennungsmotor erhält insbesondere vom Elektroantrieb Konkurrenz, in den Städten verbreiten sich neue Formen des Car- oder Ride-Sharings und Autofahrer*innen könnten perspektivisch von Algorithmen ersetzt werden, die es dem Gefährt ermöglichen, sich »autonom« fortzubewegen (vgl. Daum 2018 und auf LuXemburg-Online). Getrieben werden diese Entwicklungen von verschiedenen Faktoren. Es gibt ein wachsendes Bewusstsein der sozialökologischen Folgen fossilistischer Automobilität sowie deren Politisierung. Darüber hinaus verändern sich Mobilitätsmuster, wurden Abgasnormen verschärft und es steigt die Konkurrenz zwischen den etablierten Autokonzernen auf der einen und neuen Anbietern wie Geely, Tesla oder Unternehmen aus der Technologiebranche auf der anderen Seite (vgl. Wolf in diesem Heft).

Bricht damit schon der »automobile Konsens« (Brand/Niedermoser 2017), also jene tief in die gesellschaftlichen Strukturen und Alltagspraxen eingelassene Normalität der individuellen Automobilität? Was bedeutet dies im Hinblick auf eine sozialökologische Transformation des Mobilitätssystems? Und was bedeutet es für linke Strategien, die eine solche Transformation zu forcieren versuchen?

Ökonomie und Ideologie der Automobilität

Die Autoindustrie ist die Leitbranche des deutschen Kapitalismus. Mehr als 800 000 Menschen arbeiten hier. Hinzu kommen Tankstellen, Autohäuser und -werkstätten, Teile des Baugewerbes und Taxis. Das Wertschöpfungssystem Auto greift weit aus. Dass im Gesundheitswesen und im Bereich Erziehung und Unterricht inzwischen deutlich mehr Menschen beschäftigt sind, nämlich insgesamt 3,8 Millionen, verblasst angesichts der Bedeutung, die dem Auto zugemessen wird. Kein Wunder, ohne die Autoindustrie wäre Deutschland nicht Exportweltmeister in Serie, und auch für die IG Metall ist die Autoindustrie von immenser organisationspolitischer Bedeutung. Dort hat sie relativ hohe Löhne und tarifvertraglich abgesicherte Arbeitsstandards für die mehrheitlich männlichen Beschäftigten durchgesetzt. Und trotz der zunehmenden Rationalisierung und Verlagerung von Produktionsprozessen – vorwiegend nach Osteuropa – ist es ihr gelungen, die Beschäftigungszahlen zumindest stabil zu halten.

Doch diese über mehr als hundert Jahre gewachsene Pfadabhängigkeit stößt an ihre Grenzen. Nicht zuletzt durch den Dieselskandal und eine Zuspitzung der Klimakrise ist offensichtlich geworden, dass es sich beim Verbrennungsmotor um ein Auslaufmodell handelt. Auch die Coronakrise wird diese Entwicklung eher beschleunigen, greift das Virus doch die Atemwege des Menschen an und lenkt die Aufmerksamkeit verstärkt auf gesundheitspolitische Fragen. Jenseits dessen drohen führende Autokonzerne angesichts der wachsenden Bedeutung neuer Technologien und der zunehmenden Digitalisierung zu Hardware-Lieferanten von Konzernen wie Alphabet, Google oder Alibaba zu werden. Zugleich stellt der Wechsel hin zum Elektromotor die etablierten Autohersteller vor große Herausforderungen und gefährdet zahlreiche Arbeitsplätze (vgl. Wolf in diesem Heft).

Die Zukunft des automobilen Konsenses hängt aber nicht nur von ökonomischen Entwicklungen ab. Wohl kein anderes Konsumgut ist derart symbolisch aufgeladen wie das Auto (vgl. Sachs 1984). Die Möglichkeiten individueller Fortbewegung, die durch den Druck aufs Gaspedal ausgelöste Potenzierung von Kräften und das von Organisationen wie dem ADAC popularisierte Freiheitsversprechen machten das Auto zum Sehnsuchtsobjekt und zum zentralen Massenkonsumgut im Fordismus. Es gibt kein Gerät, das so sehr mit der öffentlichen Zurschaustellung männlicher Dominanz und entsprechend konnotierter Eigenschaften wie Aggressivität und Technikaffinität verbunden ist (vgl. Aljets in diesem Heft). In Deutschland gilt es außerdem als Symbol für den nationalen Wohlstand, ist ein bedeutender Teil der Identitätskonstruktion.

Gleichwohl hat sich die Ideologie des Autos in den letzten Jahrzehnten verändert. Mit der Massenmotorisierung endete das Freiheitsversprechen immer häufiger im Stau. Und die Zahl der Verkehrsunfälle und Unfallopfer ist trotz neuer Sicherheitstechnologien (ABS, Gurte) noch immer enorm. Damit änderte sich auch die kulturelle Aufladung des Autos. In bestimmten Preis- und Gewichtsklassen wurde es mehr und mehr zu einem Rückzugsraum gegen die Zumutungen der Massenmotorisierung. Exemplarisch dafür ist der Trend zu sogenannten Sport Utility Vehicles (SUVs), die aufgrund ihrer Größe und PS-Zahl emblematisch geworden sind für die automobile Aufrüstung und zelebrierte Rücksichtslosigkeit. Dazu passt es, dass die Autokonzerne versuchen, ihr Produkt über immer ausgefeiltere Infotainment-Pakete und die Aussicht auf autonomes Fahren als »Third Living Space« (neben dem Zuhause und dem Büro) zu popularisieren (Haas 2018).

Automobilisierte Klassen- und Geschlechterverhältnisse

War das Auto in seinen Anfangsjahren Statussymbol der herrschenden Klassen, folgte mit der Fließbandfertigung des Ford Model T in den USA die Motorisierung der Massen. In der BRD setzte diese erst im Zuge des sogenannten Wirtschaftswunders der 1950er und 1960er Jahre ein. Je stärker die Infrastrukturentwicklung auf das Automobil ausgerichtet und der öffentliche Verkehr zurückgebaut wurden, desto gefährlicher und unattraktiver wurden das Zufußgehen und Fahrradfahren. Das Auto hingegen war zunehmend unverzichtbar, um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.

Waren es zu Beginn der Massenmotorisierung noch vorwiegend männliche Erwerbstätige, die die neuen automobilen Freiheiten auskosteten (und die damit verbundenen Zwänge in Kauf nahmen), so veränderte sich die geschlechterpolitische Dimension des Autos in den folgenden Jahrzehnten. Männer fahren zwar im Durchschnitt immer noch deutlich mehr und größere Autos als Frauen. Die sozialstrukturellen Verschiebungen und Kontinuitäten seit den 1970er Jahren – vor allem die partielle und häufig prekäre Feminisierung von Erwerbsarbeit, die nicht mit einer entsprechenden Maskulinisierung von Sorgearbeit einherging (Sauer 2003, 113) – machten das Auto aber auch für Frauen zu einem oft unentbehrlichen Alltagsgegenstand. In vielen Gegenden ermöglichte es erst der private Pkw, verschiedene Anlaufstellen (Kita, Supermarkt, Arbeitsstätte etc.) in einer Wegekette miteinander zu verknüpfen.

Aus einer Klassenperspektive blieb das Auto ambivalent. Eine kostensenkende Massenproduktion, die Ausbreitung des Lohnverhältnisses und die von den Gewerkschaften erkämpften Lohnsteigerungen machten es erschwinglicher. Gleichzeitig wurden für den Autokauf spezielle günstige Bankkredite vergeben, die den Autobesitz für eine große Mehrheit möglich machten. Heute, in Zeiten der Finanzialisierung, bieten die Autokonzerne selbst Kredite an. Für diese Entwicklung steht in Deutschland symbolisch und terminologisch der »Volkswagen«. Das Auto wurde zu einem Massenprodukt und trug maßgeblich zur Sozialisation der Menschen im Kapitalismus, zur »Einübung« in diesen bei. André Gorz (2009, 53) schreibt dazu: »Der Massenautomobilismus ist die Konkretisierung eines vollständigen Triumphs der bürgerlichen Ideologie auf der Ebene der Alltagspraxis: Er begründet und unterhält die trügerische Vorstellung, dass sich jedes Individuum auf Kosten aller mehr Geltung verschaffen und bereichern kann.« Klassenunterschiede drücken sich eher im Neben- und Gegeneinander verschiedener Fahrzeug-»Klassen« sowie in der Konkurrenz um den öffentlichen Raum zwischen verschiedenen Mobilitätsformen aus.

Der konkurrenzielle Aspekt der alltäglichen Automobilität scheint sich gegenüber ihren egalisierenden Wirkungen heute wieder stärker in den Vordergrund zu schieben. Davon zeugt die Polarisierung zwischen SUVs und Kleinwagen sowie zwischen Autos und anderen Mobilitätspraxen wie Zufußgehen, Fahrradfahren und Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Diejenigen, die auf Letzteren angewiesen sind oder bewusst auf das Auto verzichten, sind oft nicht länger bereit, die Autonormalität zu akzeptieren. Davon zeugen etwa die Aktivitäten der Fußgängerlobby oder fahrradpolitische Initiativen, die Alternativen fordern und die enormen Gefahren des Autos für andere Verkehrsteilnehmer*innen skandalisieren (vgl. Petri und Leidig in diesem Heft). Zudem scheint in urbanen Räumen vor allem bei der jüngeren Generation die Fixierung auf das Auto nachzulassen. Stattdessen steigt die Bereitschaft, verschiedene Verkehrsmittel miteinander zu kombinieren und neue digitalisierte Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.

Der Autostaat

Die Massenmotorisierung wäre aber ohne eine aktive, auch über staatliche Politik abgesicherte Privilegierung des Autos nicht möglich gewesen. So wurden Infrastruktur- und Raumentwicklung jahrzehntelang einseitig auf das Auto ausgerichtet. Der öffentliche Transport wurde sowohl in den Städten als auch im Überland- und Fernverkehr zunehmend marginalisiert. Eindrücklich zeigt sich das »Programm zur Autoerziehung« (Canzler/Knie 2018, 38) auch in der Vision des so­zialdemokratischen Verkehrsministers Georg Leber (1966 bis 1972), der zufolge niemand in mehr als 20 Kilometern Entfernung von der nächsten Autobahnauffahrt leben sollte. Zwar hat sich dies nicht erfüllt, dennoch wurde dem Siegeszug des Automobils bereits in den 1950er Jahren aktiv der Weg bereitet. Zu nennen sind die Zweckbindung des Mineralölsteueraufkommens für den Straßenbau, die Einführung der Pendlerpauschale sowie des Dienstwagen- und Dieselprivilegs und eine Reihe anderer Instrumente. Während das Straßennetz immer dichter wurde, kam es sowohl im Fern- als auch im Nahverkehr zu einem Rückbau der Schieneninfrastruktur. Allein seit 1990 wurden in Deutschland 6 500 Schienenkilometer stillgelegt.

Auch heute noch protegiert die Bundespolitik das Auto. Trotz Dieselskandal, der im September 2015 aufgedeckt wurde, hielt die Bundesregierung ihre schützende Hand über die Autokonzerne und versuchte, Fahrverbote zu verhindern. Auch dem E-Auto (und den Hybriden) wird der rote Teppich ausgerollt, die Liste der Privilegien ist lang: Laut Elektromobilitätsgesetz aus dem Jahr 2015 sollen E-Autos beispielsweise auf Busspuren fahren dürfen, 2016 wurde eine Kaufprämie beschlossen und als Dienstwagen werden Elektroautos noch größere Privilegien eingeräumt als Verbrennern. Der im Klimapaket der Bundesregierung anvisierte »Masterplan Ladesäuleninfrastruktur« basiert auf immensen öffentlichen Investitionen.

Gleichwohl spitzen sich insbesondere in den urbanen Räumen die Widersprüche des Autoverkehrs zu, Stickoxid- und Feinstaubemissionen werden nicht länger als unvermeidliche Begleiterscheinung individueller Automobilität akzeptiert. Und die im Unterschied zu anderen Sektoren nicht rückläufigen CO2-Emissionen des Straßenverkehrs werden auch von staatlicher und politischer Seite zunehmend als zentrale klimapolitische Herausforderung begriffen. So hat die Europäische Union im Dezember 2018 neue Grenzwerte festgelegt: Bis 2030 müssen die europäischen Autohersteller die CO2-Emissionen von Neuwagen um 37,5 Prozent gegenüber 2021 reduzieren. Dies dürfte die Abkehr vom Verbrennungsmotor beschleunigen.

Die autozentrierte Verkehrsentwicklung wird damit aber nicht infrage gestellt. Eher wird versucht, sie durch Elektrifizierung zu retten. Die entsprechende Lobby tritt für eine Vorwärtsverteidigung ein und kann dabei auf ihre staatlichen Bastionen zählen. Das zeigt nicht zuletzt das Klimapaket der Bundesregierung, in dem zwar einerseits die Bahn moderat aufgewertet wird, das aber auch diverse Privilegien für E-Autos und eine Anhebung der Pendlerpauschale vorsieht. Dennoch sehen sich der Autostaat und die Autoindustrie einem erstarkenden Widerstand gegenüber. Die Proteste gegen die Internationale Automobilausstellung 2019 in Frankfurt am Main sind exemplarisch dafür.[1]

Mobilitätswende als ökologische 
Klassen- und Geschlechterpolitik

Der automobile Konsens zeigt also Risse aufgrund von sozialen Kämpfen, technischen Entwicklungen, verschärfter Konkurrenz und einer Politisierung der ökologischen Krise. Ob diese weiter aufbrechen oder zugekittet werden können, hängt von den kommenden gesellschaftlichen Auseinandersetzungen ab, die wiederum wesentlich durch die Corona-krise und damit verbundene Deutungsmuster und Bearbeitungsstrategien geprägt sein werden. Drei Aspekte erscheinen uns zentral:

  1. Die dominanten Akteure setzen auf eine technische und ökologische Modernisierung der (Auto-)Mobilität, in deren Rahmen entscheidende Fragen gar nicht erst gestellt oder aber falsch beantwortet werden. So wird kaum über Verkehrsvermeidung gesprochen; die derzeitigen Verkehrsströme werden als unveränderliche Tatsache gesetzt. Auch die Verlagerung von Güter- und Personentransporten auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel spielt nur eine untergeordnete Rolle. Was bleibt, ist die (vermeintliche) ökologische Verbesserung der individuellen Automobilität via Elektrifizierung – die Mobilitätswende verkümmert zur Antriebswende. Aus einer linken Perspektive müsste die Mobilitätswende ausgehend von der Frage gedacht werden, welche Verkehrsströme tatsächlich notwendig sind und wie diese umweltfreundlich gesteuert werden können. So formuliert, zielt die Frage dann nicht auf die Verkehrspolitik allein, sondern auch auf Raumordnung, Stadtentwicklung und die Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern.
  2. Der soziale Aspekt von Mobilität wird unter völlig falschen Vorzeichen diskutiert. Im Modus der ökologischen Modernisierung erscheint die soziale Frage lediglich als Res­triktion einer ökologischen Alternative. Es gilt, Politik zugunsten »der Umwelt« sozial ausgewogen zu gestalten, denn schließlich ist es »der kleine Mann«, der von der ökologischen Wende vermeintlich am stärksten betroffen ist. Aus einer linken Perspektive verhält sich das genau umgekehrt: Das individuell-automobile »Weiter so« ist das Problem. Denn die Wahrscheinlichkeit, an einer unwirtlichen, lauten und gefährlichen Ausfallstraße zu leben, ist für eine Hartz-IV-Empfängerin deutlich höher als für einen Unternehmensvorstand. Dazu kommt, dass in Zeiten, in denen der Autobesitz wieder stärker zur Klassenfrage wird, die Milliarden an Steuermitteln, die noch immer in den Erhalt und Ausbau der Straßenverkehrsinfrastruktur investiert werden, eine massive Umverteilung von unten nach oben darstellen.
    Eine ökologische Klassen- und Geschlechterpolitik für den Mobilitätsbereich setzt an dieser Stelle an. Sie skandalisiert, dass der Bundesverkehrswegeplan 2030 trotz Klimakrise noch immer deutlich höhere Investitionen in Fernstraßen als ins Schienennetz vorsieht – nämlich 133 gegenüber 112 Milliarden Euro. Sie kämpft gegen die Kolonisierung des öffentlichen Raums durch den rollenden und ruhenden motorisierten Individualverkehr. Sie macht die (Klassen-)Interessen sichtbar, die sich hinter diesen scheinbaren Selbstverständlichkeiten verbergen und nimmt es nicht länger als gegeben hin, dass Schwächere dadurch benachteiligt und gefährdet werden. Und sie orientiert sich an der Einsicht von Mike Davis (2010, 33), der bereits vor zehn Jahren darauf hinwies, dass die egalitären Aspekte des Stadtlebens – ein gut ausgebauter und die Mobilität aller gewährleistender ÖPNV ebenso wie ein energetisch sanierter öffentlicher Wohnungsbestand – die besten Voraussetzungen für eine Schonung der natürlichen Ressourcen und für eine Reduktion der CO2-Emissionen sind.
    Eine Politik zugunsten des Umweltverbunds, der aus einer Kombination von nicht-motorisierten und öffentlichen Verkehrsmitteln besteht, würde zudem jede Menge gesellschaftlich sinnvoller Arbeitsplätze schaffen. Gepaart mit einem Programm der Arbeitszeitverkürzung oder der »kurzen Vollzeit« (Riexinger/Becker 2017) könnte dies die Lebensqualität der Beschäftigten steigern und den unvermeidlichen Stellenabbau in der Autoindustrie kompensieren. Da viele der neu zu schaffenden Stellen in der Metallbranche entstünden (Bau und Instandhaltung von Gleisanlagen, Schienenfahrzeugen und Bussen), sollte sich auch die IG Metall für ein entsprechendes Investitions- und Konversionsprogramm erwärmen können. Das Marx’sche Diktum, demzufolge die kapitalistische Produktionsweise »die Erde und den Arbeiter« ausbeutet, würde dadurch ins Positive gewendet: Die ökologische Transformation würde zur Ermöglichungsbedingung nicht nur der Aufhebung von Naturbeherrschung, sondern auch der Infragestellung von Klassenherrschaft. Auch in geschlechterpolitischer Perspektive wäre hier einiges zu gewinnen: In Kombination mit einem intelligenten Umweltverbund würde eine veränderte Stadt- und Raumplanung dazu beitragen, dass sich Sorge-, Erwerbs- und andere Tätigkeiten besser miteinander verbinden lassen – etwa durch sichere Wege und Transportmittel jenseits des Autos.
  3. Schließlich müssen Kämpfe um künftige Formen von Mobilität auch die Frage der Vergesellschaftung und Demokratisierung von sozialen Infrastrukturen adressieren, denn grundlegende gesellschaftliche Versorgungssysteme, deren Verfügbarkeit und Qualität entscheiden maßgeblich über die Möglichkeit, ein gutes Leben zu führen. Im Verkehrssektor droht hingegen eine weitere Kommodifizierung, also Inwertsetzung, von Systemen des öffentlichen und kollektiven Transports (Wissen 2019). Dafür stehen die diversen Car- und Ride-Sharing-Dienste, mit denen große Autohersteller und neue Akteure wie Uber oder Lyft derzeit versuchen, einen Fuß in die Tür des städtischen Personentransports zu bekommen. Auch wenn sie dabei teils mit den lokalen öffentlichen Verkehrsunternehmen kooperieren, wie in Berlin, drohen sie diesen ausgerechnet auf den lukrativen innerstädtischen Strecken mit flexiblen Mobilitätsangeboten Konkurrenz zu machen. Das Verkehrsaufkommen steigt dabei eher, als dass es sinken würde, und an der Unterversorgung suburbaner und ländlicher Räume ändert sich nichts.

Für eine linke Mobilitätspolitik ist dies Herausforderung und Chance zugleich. Mit einem umfassenden Ausbau von öffentlich kontrollierten und demokratisierten Infrastrukturen (vgl. DIE LINKE 2017) würden die gesellschaftlichen Teilhabechancen gerade der Subalternen unmittelbar verbessert werden. Der Autoverkehr ließe sich zurückdrängen und die Risse im automobilen Konsens ließen sich vertiefen. Dies wäre eine »revolutionäre Realpolitik« (Brie/Candeias 2018) im besten Sinne: unmittelbar alltagsrelevant und gleichzeitig zentraler Baustein einer sozialökologischen Transformation.

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