Weihnachtsgeld für Wirtschaftswachstum
Wie sehr sich die bolivianische Politik auf den Wahlkampf einengt, zeigt sich auch an dem obersten Dekret 1802 vom 20. November 2013, mit dem der Präsident zwei zusätzliche Weihnachtsgehälter einführt. Im ersten Satz dieses Dekretes wird erläutert, dass es sich auf Artikel 316 (Abschnitt 7) der Verfassung bezieht und in diesem Sinne eine gerechtere Reichtumsverteilung anstrebt. Allerdings betrifft diese Maßnahme ausschließlich den formellen Wirtschaftssektor. Davon ausgenommen aber sind die informell Beschäftigten, die 74 Prozent ausmachen – insgesamt 3,7 Millionen Personen (nach Daten der internationalen Arbeitsorganisation von 2010[3]). Weiter orientiert sich das Dekret am Guten Leben[4], wobei aber auch ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Wirtschaftswachstum hergestellt wird: Dieses zusätzliche Weihnachtsgehalt soll in Zukunft nur dann an alle öffentlichen Bediensteten und ArbeiterInnen im öffentlichen sowie privaten Sektor ausgezahlt werden, wenn das jährliche Wachstum des Bruttoinlandsproduktes über 4,5 Prozent beträgt. RentnerInnen sind davon ausgeschlossen, was der bolivianische Wirtschaftsminister Luis Arce damit erklärt, dass es ein Bonus für die Produktivität ist, also nur für all jene, die zum Wirtschaftswachstum beitragen. Die Beiträge von RentnerInnen würden durch andere Programme wie die universelle Altersrente Renta Dignidad gewürdigt.[5] Kritik am Erlass kommt nicht nur von der Opposition, sondern auch aus den Regierungsreihen. Rebeca Delgado etwa, ehemalige Präsidentin der Abgeordnetenkammer des Parlaments und noch Abgeordnete der Regierungspartei MAS[6], argumentiert nicht nur, dass die Regierung dem Parlament ein Gesetz hätte vorlegen sollen, anstatt ein Dekret zu erlassen, sondern auch, dass die Maßnahme dem Kauf von Wählerstimmen diene. Nachdem Morales 2005 54 Prozent und 2009 64 Prozent der Wählerstimmen erhielt, strebt er nach eigenen Aussagen in diesem Jahr 74 Prozent an. Umfragen zufolge sprechen sich jedoch bisher lediglich 31 Prozent für ihn aus.[7]Soziale Basis der Regierung verändert sich
Präsident Evo Morales scheint in den letzten Jahren deutlich an Zustimmung verloren zu haben. Und auch die Beziehung zu seiner sozialen Basis hat sich verändert. Unmut wird laut. Die bolivianische ArbeiterInnenzentrale COB rief im Mai 2013 zu Protesten um höhere Löhne sowie Pensionen im Bergbausektor und im öffentlichen Dienst auf. Mit dem Dekret zum doppelten Weihnachtsgeld jedoch setzte ein plötzlicher Sinneswandel ein, die COB gab sich damit zufrieden. Die zwei indigenen Dachorganisationen, Consejo Nacional de Ayllus y Markas del Qullasuyu CONAMAQ und Confederación de Pueblos Indígenas del Oriente Boliviano CIDOB, sind auf nationaler Ebene gespalten, und der Regierung wird vorgeworfen, diese Spaltungen (mit) induziert und logistisch und finanziell unterstützt zu haben. Im Falle der CIDOB stehen sich die dirigentes Melva Hurtado (von der Regierung unterstützt) und Adolfo Chávez gegenüber; in jenem der CONAMAQ Gregorio Choque (gemeinsam mit Hilarión Mamani, beide von der Regierung unterstützt) und Freddy Bernabé, der mit Rafael Quispe zusammenarbeitet.[8] Auch Organisationen wie die für Menschenrechte, Asamblea Permanente de Derechos Humanos de Bolivia (APDHB), sind uneins, und innerhalb der drei bäuerlichen Organisationen Confederación Sindical Única de Trabajadores Campesinos de Bolivia (CSUTCB), Confederación de Comunidades Interculturales de Bolivia, und Federación de Mujeres Bartolina Sisa existieren Konfliktlinien. Seit der Jahrtausendwende kam es zu intensiven Protesten. Im Zentrum der Auseinandersetzungen stehen seit geraumer Zeit das ökonomische Entwicklungsmodell und der Umgang mit den natürlichen Ressourcen sowie die Umsetzung des plurinationalen Demokratisierungsprozesses.Kritische Debatte auch in der Regierung
Heute wird selbst innerhalb der Regierungsreihen eine nur partielle Umsetzung dieser Ziele bemängelt, wie etwa von Rebeca Delgado oder ehemaligen Regierungsfunktionären, die das Positionspapier Por la recuperación del proceso de cambio para el pueblo y con el pueblo (»Für die Rückgewinnung des Prozesses des Wandels für und mit der Bevölkerung«) unterzeichneten.[9] Auch soziale Bewegungen und AkademikerInnen kritisieren zunehmend, dass das derzeit praktizierte extraktivistische Entwicklungsmodell [10], welches auf der Ausbeutung und dem Export von Primärgüterressourcen beruht, am Ziel eines plurinationalen Staates vorbeigehe, wie es in der Verfassung festgeschriebenen ist. Demnach soll der Staat auf einer pluralen Wirtschaft beruhen und die unterschiedliche Wirtschaftsformen – private, sozial-kooperative und kommunitär-gemeinschaftliche – respektieren und schützen. Die sozial-kooperativen produktiven Aktivitäten sind zu fördern, speziell aber die indigen-kommunitäre Form, welche auf den Prinzipien und Visionen der indigenen originären bäuerlichen Bevölkerungsgruppen gründet. Es kann daher festgehalten werden, dass eine einseitige Förderung des extraktivistischen Sektors und folglich der Primärgüterexporte der bolivianischen Verfassung widerspricht.Prinizipien eines Plurinationalen Staates
Der plurinationale Staat ist ein Konzept, das von den sozialen und insbesondere indigenen Organisationen[11] in Bolivien ausging und sich zu einem gesamtgesellschaftlichen Vorschlag entwickelte. Nach diesem akzeptiert ein solcher Staat die gesellschaftliche Vielfalt und lässt sich von ihr formen. Leitende Prinzipien sind Gleichheit und Selbstregierung. Dabei sollen die territorialen Einheiten, auf denen diese Organisationsformen angesiedelt sind, gestärkt werden. Verfassungsmäßig wurden diese als Autonomien der Bundesländer, Regionen, Kommunen und indigenen Gemeinschaften festgeschrieben. Diese Staatsform gründet darauf, dass indigene Völker selbst als Nationen verstanden und anerkannt werden mit Anspruch auf eigene soziale, spirituelle, politische, wirtschaftliche und juristische Formen. Der Begriff der Nation wird somit doppelt besetzt, da auch die bolivianische Nation, welche dem Staatsterritorium entspricht, weiterhin existieren soll. Angestrebt wird eine Demokratisierung und gleichberechtigte Koexistenz der unterschiedlichen de facto vorhandenen Lebens- und Organisationsformen. Dazu bedarf es eines neuen Fiskalpaktes, und damit auch Einflusses der territorialen bzw. ethnischen Autonomiestrukturen auf die staatliche Einnahmen- und Ausgabenpolitik. Grundlegend dafür ist, dass der erste (und bisher umfassendste) Nationale Entwicklungsplan der Regierung Morales von 2007 sich zum Ziel setzt, ein wirtschaftlich diversifiziertes integrales Entwicklungsmodell zu schaffen. Und dies in zwei Stufen: Erstens soll Mehrwert in extraktiven Sektoren geschaffen werden, welche Erdöl, Erdgas, Bergbau, Elektrizität und andere Umweltressourcen wie Biodiversität, Wasser, Wälder etc. umfassen. In einer zweiten Stufe sollen Einkommen und Arbeitsplätze geschaffen und dabei die Wirtschaft diversifiziert werden, und zwar in den Bereichen der Industrie, Manufaktur, des Kunsthandwerks, Tourismus, Landwirtschaft, Viehzucht, Wohnen, Handel, Transport u.a. Dieses Modell orientiert sich am Guten Leben, welches in diesem Plan als Zugang zu materiellen Gütern und die subjektive und spirituelle Verwirklichung des Menschen in Harmonie mit der Natur und der Gemeinschaft beschrieben wird (vgl. Ministerio de Planificación del Desarrollo 2007, 3).Ökonomische Entwicklung des Plurinationalen Staates
Die materielle Basis dieses sich im Aufbau befindenden plurinationalen Staates liegt in den Staatsfinanzen. Das bolivianische Staatsbudget hat sich von 2001 bis 2011 mehr als vervierfacht von vier Milliarden[12] (2001) auf 16,9 Milliarden US-Dollar (USD) (2011)[13]. Das Verhältnis des Staatsbudgets zum Bruttoinlandsprodukt ist von 48,3 Prozent (2004) auf 81,9 Prozent (2011) deutlich gestiegen, was vor allem durch die Verstaatlichungen im Erdgasbereich[14] unter der Regierung Evo Morales erreicht wurde. In diesem Zusammenhang wurden auch die Exportpreise mit den Regierungen dieser Länder neu verhandelt, von 1,7 USD/MMBTU[15] (1999-2005) auf 5,5 USD (2008) mit Brasilien, und von 2,1 USD auf 7,9 USD nach Argentinien. Ebenso wurde die Produktion gesteigert, nach Angaben des bolivianischen Wirtschaftsministeriums von 8,92 Millionen m3 (2000) auf 37,93 Millionen m3 (2007) und 56 Millionen m3 (2013); für 2025 werden 103 Millionen m3 projiziert.[16] Die steigende Bedeutung des Erdgasssektors spiegelt sich im Staatsbudget klar wider[17]. Während sich das Budget 2005 zu 17,5 Prozent aus den Einnahmen durch die öffentlichen Unternehmen und zu 67,3 Prozent durch das nationale Schatzamt (u.a. Steuern) finanzierte, so beträgt dieses Verhältnis 2011 48,4 Prozent: 43,1 Prozent. Die Mehrwertsteuern, die Steuer auf den Erdöl- und Erdgassektor sowie die Gewinnsteuer machen zusammen über 80 Prozent der Steuereinnahmen aus; letztere beide sind eng mit dem Erdgassektor verbunden. Allerdings gibt es keine direkte Lohn- und Einkommenssteuer, d. h., dass die hohen Einkommen steuerlich nicht (stärker) belastet werden. Außerdem muss die bolivianische Regierung mit starken Einnahmeschwankungen durch schnell wechselnde Preise auf dem internationalen Markt umgehen: Betrug die de facto eingenommene direkte Steuer auf Erdöl und Erdgas 2006 und 2010 ca. 150 Prozent des Voranschlages, und die Lizenzgebühren (Royalties) 2008 155,2 Prozent; waren es 2009 hingegen krisenbedingt lediglich 78,3 Prozent. Ähnliche Tendenzen sind bei der indirekten Steuer auf Erdöl und Erdgas zu beobachten. Die größte Differenz findet sich im Bergbausektor, mit 394,3 Prozent (2006). Auch auf der Ausgabenseite zeigt sich die hohe fiskalische Abhängigkeit vom Extraktivismus: 2011 gingen 35 Prozent des gesamten Staatsbudgets an öffentliche Unternehmen (2001 waren es nur 4 Prozent). Davon 89,9 Prozent an den Erdöl- und Erdgassektor, gefolgt vom Bergbausektor, der 2011 6,2 Prozent ausmachte. Die Ausgaben im Wasser- und Umweltsektor fielen prozentual von 25,8 Prozent im Jahre 2002 auf gerade einmal 1,1 Prozent 2011.[18] Der sogenannte produktive Sektor (vor allem Nahrungs- und Genussmittelerzeugung sowie Verpackungs- und Baustoffproduktion) hingegen erhält gerade einmal 1,2 Prozent der finanziellen Mittel.[19] Die Investitionen[20] zeigen ähnliche Tendenzen: Im Jahr 2011 flossen 42,2 Prozent in die Infrastruktur, und in diesem Rahmen 33,1 Prozent (am gesamten Staatsbudget gemessen) in den Transport[21]. Der Anteil der Investitionen in den produktiven Sektor stieg von 10,5 Prozent (2000) auf 22,8 Prozent (2011) an, wobei im Gegensatz zu den oben erläuterten laufenden Kosten diese hier neben Landwirtschaft und Viehzucht auch extraktivistische Bereiche, wie den Erdöl- und Erdgassektor, umfassen. Von diesen 22,8 Prozent gehen 13 Prozent an den Erdöl- und Erdgassektor und 6,4 Prozent an jenen der Landwirtschaft; ein Verhältnis, das sich seit 2005 umgedreht hat[22]. Die Investitionen in den sozialen Sektor fallen hingegen prozentual von 48,8 auf 30,2 Prozent. Verhältnismäßig bekommt das erdgasreiche Bundesland Tarija am meisten finanzielle Mittel von allen Ländern. Darüberhinaus lässt sich eine hohe Konzentration der Entscheidungen über die finanziellen Mittel feststellen: Die direkte Steuer auf Erdöl und Erdgas wurde in den letzten Jahren zwar zunehmend dezentralisiert.[23] Zählt man jedoch die zentralen Einkünfte zusammen –direkte und indirekte Steuer auf Erdöl und Erdgas, die Royalties vom Erdöl-, Erdgas-, Bergbau- und Forstsektor, die steuerliche Kopartizipation (tax sharing[24]) und der Kompensationsfonds –, so wurden 2011 mit 56 Prozent mehr als die Hälfte dieser Einnahmen auf nationaler Ebene verwaltet (vgl. Ministerio de Economía y Finanzas Públicas/Viceministerio de Presupuestos y Contabilidad Fiscal 2011).Weniger Armut, mehr Arbeit
Diese Verteilungspolitik zeigt, dass die staatliche (und mit ihr verbundene private) extraktivistische Ökonomie im Gegensatz zu den anderen Wirtschaftsformen (wie oben erwähnt die indigen-gemeinschaftliche und sozial-kooperative) überproportional gefördert wird. Auch eine rechtliche, sozial- und verteilungspolitische Untersuchung zeigt, dass indigene Rechte seit 2005 zwar verstärkt anerkannt wurden, jedoch dem vorherrschenden Entwicklungsmodell untergeordnet sind. Artikel 367 der Verfassung bekräftigt, dass sich die Erdgasaktivitäten nicht nur explizit den Entwicklungszielen des Landes, sondern auch den konsumorientierten Zielen unterordnen müssen. Und das Konsummuster ist wiederum eng mit dem extraktivistischen Regime verwoben. Einige Einnahmen aus der Erdgaspolitik werden umverteilt, wie Sozialboni an Schulkinder, an Menschen im Pensionsalter und Frauen von der Schwangerschaft bis zum ersten vollendeten Lebensjahr ihres Kindes. Diese drei Maßnahmen umfassten 2010 eine geschätzte Investition von 313 Millionen USD. Zudem gibt es das aus u.a. venezolanischen Zuschüssen finanzierte Programm Evo Cumple mit Investitionen in die Bereiche Sport, Bildung und Kommunenausstattung. Und 2010 wurden Kleinkreditprogramme der Produktiven Entwicklungsbank von 4,2 Millionen USD vergeben. Außerdem wurden Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten für Strom, Telekommunikation sowie die Gesundheitskampagne Operación Milagro und eine (bereits abgeschlossene) Abphabetisierungskampagne durchgeführt. In diesem Zusammenhang konnte die Armut deutlich verringert werden. Nach Daten der Regierungsinstanz Unidad de Análisis de Políticas Sociales y Económicas (UDAPE) konnte die relative Armut im ländlichen Raum von 62,9 Prozent (2005) auf 40,9 Prozent (2012), im städtischen Raum von 24,3 Prozent (2005) auf 12,2 Prozent (2012) und die extreme Armut insgesamt von 38,2 Prozent (2005) auf 21,6 Prozent (2012) verringert werden.[25] Damit ist Bolivien nicht mehr das ärmste Land des Kontinents, sondern steht an zweiter Stelle, nach Paraguay. Nach Daten der Weltbank existiert auch ein direkter Zusammenhang zwischen »indigen sein« und »arm sein«. Zahlen von 2005 zeigen, dass das Arbeitseinkommen von Nicht-Indigenen ca. 2,2-mal höher ist als jenes von Indigenen. Die durchschnittliche Schulbildung liegt mit 5,9 Jahren bei Indigenen deutlich unter dem Schnitt der Nicht-Indigenen (9,6 Jahre).[26]Ursachen der Ungleichheit bleiben
Die Arbeitslosenrate in den Städten verringerte sich nach Angaben der bolivianischen Medien und des Wirtschaftsministeriums von 8,7 Prozent (2004) auf unter 3,2 Prozent 2013. Der Mindestlohn wurde im Zeitraum von 2005 bis 2013 von 54 USD auf ca. 172 USD angehoben.[27] Diese sozialpolitischen Maßnahmen tasten aber nur begrenzt die Ursachen der Ungleichheit an, denn diese konnte nach Angaben von UNDP in den letzten 40 Jahren (1970-2007) nicht verringert werden.[28] Hingegen verringerte sich seit 2007 der Gini-Koeffizienz, welcher die Einkommensverteilung von 0 (am gleichsten) bis 1 (am ungleichsten) misst; der lateinamerikanische Durchschnitt liegt 2010 bei 0,506, 2012 bei 0,496 und fällt in Bolivien von 0,565 (2007) auf 0,472 (2011).[29] Es zeigt sich also, dass die intensiven sozialen Mobilisierungen seit der Jahrtausendwende zwar teilweise zu Erfolgen geführt haben: Es wurden Verstaatlichungsprozesse v.a. im Erdgassektor initiiert und aus den generierten Einnahmen auch in einzelne sozialpolitische Programme umverteilt. Eine Diversifizierung der Wirtschaft jedoch ist bisher ausgeblieben, und somit konnte einer pluralen Wirtschaft und vor allem der verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Staates, die indigen-gemeinschaftliche Wirtschafts- und damit auch Lebensform zu stärken, nur in geringem Maße nachgekommen werden. Dies fördert zusehends Unmut in der Bevölkerung, wie sich auch in den seit 2009 andauernden Auseinandersetzungen um ein neues Bergbaugesetz zeigt. In Interviews mit indigenen Organisationen, MinenarbeiterInnen und ParlamentarierInnen wird kritisiert, dass indigene Gemeinschaften und ihr kommunitär organisierter Bergbau nicht als produktive Akteure anerkannt werden. Diese umfassen laut des neuen, am 29. Mai angenommenen, Gesetzes[30] nur die staatliche, private und Kooperativenarbeit. Der langwierige und konfliktreiche Weg zum Erlass dieses neuen Bergbaugesetzes, und dass im traditionell zentralen Bergbausektor bis heute keine umfassende Verstaatlichung durchgesetzt wurde, zeigt die Schwierigkeiten auf, mit diesen strukturellen – und nicht lediglich konjunkturellen und auf Wahlstimmen abzielenden – Themen umzugehen. Insgesamt werden verschiedene politische Projekte auf unterschiedlichen Ebenen deutlich: Das extraktivistische Modell ist in einem globalen Akkumulationsregime verankert und mit speziellen Nord-Süd-Beziehungen und Konsummustern (v.a. auch im Norden bzw. weiter gefasst in zentralen Ländern) verbunden; die Verstaatlichungsforderungen seit der Jahrtausendwende beziehen sich auf die nationale Ebene, und das plurinationale Staatsprojekt fordert eine staatliche Anerkennung und Stärkung der bestehenden territorialen Strukturen entsprechend der existierenden gesellschaftlichen Organisationsformen. Gemessen am Zweistufenmodell im Entwicklungsplan der bolivianischen Regierung ist eine zeitliche Verschiebung festzustellen, da der erste Schritt (die Intensivierung des extraktiven Sektors) bereits klare Konturen angenommen hat, der zweite (die Diversifizierung der Wirtschaft) jedoch nicht. Kurz gefasst: Die globale Ebene konnte bisher wesentlich mehr Druck ausüben als die innergesellschaftlichen Forderungen nach einer Demokratisierung mithilfe eines plurinationalen Staatsmodells. Es ist an der Zeit, diese zentralen strukturellen Probleme zu thematisieren und zu fragen, wie die gesellschaftlichen – nicht nur staatlichen – Akteure in diesen transformativen Prozess stärker einbezogen werden können.Literatur
Arze Vargas, Carlos und Javier Gómez, 2013: Bolivia: El »proceso de cambio« nos conduce al Vivir Bien?, in: dies., Promesas en su laberinto. Cambios y continuidades en los gobiernos progresistas de América Latina, La PazEstado Plurinacional de Bolivia, 2013: Informe de Gestión 2013, www.presidencia.gob.bo/documentos/mensaje_22-01-2014.pdf
Manifiesto 22 de junio, 2012: Por la recuperación del proceso de cambio para el pueblo y con el pueblo Ministerio de Economía y Finanzas Públicas/Viceministerio de Presupuestos y Contabilidad Fiscal, 2011: Presupuesto General de la Nación 2001-2011. Angefragte Daten, La PazMinisterio de Hidrocarburos y Energía, 2008: Estrategia Boliviana de Hidrocarburos. La Paz: ZOON, Estudio de Diseño Gráfico
Ministerio de Planificación del Desarrollo, 2007: Plan Nacional de Desarrollo »Bolivia Digna, Soberana, Productiva y Democrática para Vivir Bien«. Lineamientos Estratégicos 2006-2011, La Paz, www.herramienta.com.ar/herramienta-web-9/bolivia-manifiesto-22-de-junio[16]Vgl. Ministerio de Hidrocarburos y Energía (2008) und Estado Plurinacional de Bolivia (2013).