US-Präsident Trump scheint eines seiner Wahlversprechen tatsächlich einzulösen: nämlich durch Strafzölle in die Spielregeln des Freihandels eingreifen zu wollen. Nach über zwei Jahrzehnten der linken Globalisierungs- und Freihandelskritik ist es eine rechte Regierung, die den Freihandel ernsthaft in Gefahr bringt. Schon das Einfrieren der TTIP-Verhandlungen im November 2016 wurde Trumps Wahlsieg zugeschrieben. Dabei waren es linke Bündnisse gewesen, die mit beachtlichem Erfolg gegen TTIP mobilisiert hatten. Bei einer Demonstration in Berlin im Oktober 2015 hatten 250.000 Menschen einen sofortigen Verhandlungsstopp gefordert. Eine europäische Bürgerinitiative gegen TTIP sammelte binnen kurzem 1,3 Millionen Unterschriften. Auch das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA könnte Trump in seiner jetzigen Form aufkündigen. Dieser Schritt hätte Symbolcharakter: Schließlich waren es die Zapatisten, die mit der Parole »¡Ya Basta!« (»Es reicht!«) am 1. Januar 1994 ihren Aufstand antraten – dem Tag des Inkrafttretens des neoliberalen Freihandelsabkommens. Der politische Bruch mit dem neoliberalen Empire, der mit einer Verspätung von zehn Jahren nach Ausbruch der großen Finanzkrise einsetzt, wird von einer »nationalistischen Internationale« (Yanis Varoufakis) angeführt – rechten Parteien, Bewegungen, NGOs und Medien, die sich weltweit institutionalisieren und vernetzen. Auch in Europa waren es rechte Kräfte, die nach der Niederlage der SYRIZA-Regierung im Sommer 2015 das Ende der EU in ihrer jetzigen Form einläuteten: mit der erfolgreichen, von rechts geführten Brexit-Kampagne und diversen Wahlerfolgen, sodass völkische Parteien inzwischen in der EU in 17 Länderparlamenten vertreten sind, mit einem durchschnittlichen Stimmenanteil von etwa 19 Prozent (Nielsen 2017).
Die Globalisierungsfalle
Um zu verstehen, weshalb die Neue Rechte als Gewinnerin aus der Krise der Globalisierung hervorgeht und die linke Globalisierungs- und EU-Kritik keine vergleichbare Kraft entfalten konnte, braucht es einen Blick zurück. Als der Neoliberalismus mit den Regierungen Thatcher (1979) und Reagan (1981) seinen Siegeszug antrat, waren die Arbeiterbewegung und die sozialistische Linke bereits geschwächt (vgl. hierzu Decker/Sablowski 2017, 11). Die Wirtschaftskrisen ab Mitte der 1970er Jahre, steigende Arbeitslosigkeit und die wachsende Mobilität des Kapitals schränkten die gewerkschaftliche Verhandlungsmacht und die Spielräume linker Politik insgesamt ein. Kapitalflucht, Währungsabwertungen und außenpolitische Restriktionen wurden zur Drohkulisse, die eine
Politik der Umverteilung und Verstaatlichung angesichts der internationalen ökonomischen Abhängigkeiten immer irrationaler erscheinen ließ. Das Scheitern des real existierenden Sozialismus leistete zusätzlich seinen Anteil daran, dass Teile der Gewerkschaften und der Sozialdemokratie schließlich auf eine neoliberale Wirtschaftspolitik einschwenkten.
Die Internationalisierung der Produktion und die mit ihr einhergehende Globalisierung der Finanzmärkte müssen als ein Prozess verstanden werden, im Laufe dessen eine linke Handlungsperspektive sukzessive verlorenging. Es war der große Verdienst der globalisierungskritischen Bewegung, diesen neoliberalen Konsens infrage gestellt und die Möglichkeit einer alternativen Politik überhaupt wieder in den Fokus gerückt zu haben. Doch neben der Hoffnungsperspektive, wie sie im Slogan »Eine andere Welt ist möglich« erkennbar wird, entwickelte die globalisierungskritische Bewegung keine Strategie, die den weltweiten ökonomischen Abhängigkeiten gerecht wurde. Die zentrale Idee der globalisierungskritischen Bewegung war eine andere Globalisierung, die auf eine Demokratisierung ökonomischer und politischer Strukturen auf globaler Ebene sowie gerechte Austauschbeziehungen zwischen Nord und Süd abzielte. Ob und wie eine andere Globalisierung politisch durchgesetzt werden kann, welche Rolle staatlicher Politik dabei zukommt und wie eine Demokratisierung der (globalen) Ökonomie vonstattengehen kann, blieb dabei unklar.
Die Grenzen des Nationalstaats
Die globalisierungskritische Bewegung konnte folglich kein reales Politikangebot unterbreiten, als die neoliberale Globalisierung mit dem Ausbruch der Finanzkrise vor nunmehr zehn Jahren selbst in eine strukturelle Krise geriet. Die Platzbesetzungen sowie die Parteiprojekte links der neoliberalen Sozialdemokratie, die vor dem Hintergrund der Finanz- und Eurokrise Zulauf erhielten, stellten Versuche dar, so etwas wie linke Gegenmacht überhaupt wieder herzustellen. Das griechische OXI-Referendum vom 5. Juli 2015 steht sinnbildlich für die damalige Hoffnung, dass der »autoritäre Neoliberalismus« wirksam angegriffen, wenn nicht gar nachhaltig geschwächt werden könnte. Umso schmerzhafter machte sich erneut das Fehlen eines Handlungskonzepts bemerkbar, das linke Politik nicht auf die nationalstaatliche Ebene beschränkt, sondern zusammen mit ihren transnationalen Ermöglichungsbedingungen zusammendenkt.
Linke Politiker*innen und Wahlbündnisse könnten bei den kommenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Spanien, in den USA (beide 2020) sowie in Frankreich und in Großbritannien (beide 2022) durchaus die Regierungsmacht erringen. Doch es ist bereits abzusehen, dass die radikale Umverteilungspolitik einer Regierung Sanders, Corbyn oder Mélenchon auf innenwie außenpolitische Widerstände und ökonomische Grenzen stoßen würde und ähnlich wie bei den Regierungen Mitterrand oder Tsipras schmerzhafte Kompromisse eingegangen werden müssten. Die Schwächung linker Gegenmacht in den zurückliegenden Jahrzehnten und die zunehmenden Abhängigkeiten nationaler Wirtschaftsräume von transnationalen Wertschöpfungsketten lassen sich durch eine Übernahme der Regierungsmacht nicht einfach umkehren. Der Neoliberalismus hat sich in Verfassungen, Gesetze und staatliche Verfahren eingeschrieben und wird trotz seiner Legitimationskrise durch die strukturelle Macht der transnationalen Kapitalfraktionen gestützt.
Imperiale Lebensweise
Die Globalisierung des Kapitalismus hat sich dabei nicht nur auf die Struktur des Staates, sondern auch auf die Lebensweise der Lohnabhängigen ausgewirkt. Wie Markus Wissen und Ulrich Brand in ihrem Buch »Imperiale Lebensweise« aufzeigen (vgl. auch dies. in diesem Heft), entstand mit der Internationalisierung der Produktion seit den 1970er Jahren ein neuer Klassenkompromiss in den frühindustrialisierten Ländern. Löhne stagnierten, Sozialleistungen sanken, gleichzeitig eroberten neue Massenkonsumgüter den Markt, die nicht selten über Kreditschulden finanziert wurden. Sie basieren auf verschärfter Ausbeutung und Landnahmen in den Peripherien.
Es entstanden zudem neue Mittel- und Oberschichten in den aufstrebenden Ökonomien, die im Zuge der neoliberalen Globalisierung in globale Wertschöpfungsketten eingebunden wurden (etwa in den BRICS-Staaten). Die Ausbreitung der imperialen Lebensweise in diesen Ländern »macht die Ausweitung des Kapitalismus für immer mehr Menschen so attraktiv« (Brand/Wissen 2017). Trotzdem basiert die imperiale Lebensweise nicht auf Freiwilligkeit. Es handelt sich um eine »Produktions- und Lebensweise, die den Menschen strukturell aufgezwungen wird und ihnen gleichzeitig unter den gegebenen Bedingungen erweiterte Lebens- und Handlungsspielräume gibt« (ebd.).
Polarisierung?
Die Globalisierung stellt linke, auf eine Überwindung des Kapitalismus abzielende Politik vor ein doppeltes Dilemma. Einerseits wurden die Möglichkeiten für ein Ausscheren aus der Politik des neoliberalen Wettbewerbsstaates systematisch verengt. Andererseits gibt es durch divergierende Lohn- und Sozialstandards und den imperialen Zugriff auf die Arbeitskraft und Natur peripherer Räume zwischen den Lohnabhängigen auf internationaler Ebene immer mehr Interessengegensätze. Klassenverhältnisse artikulieren sich globale, die »Akkumulation des sozialen Reichtums« (Neumann/Mezzadra 2016) findet global statt, doch eine »globale Klassenpolitik« ist nicht in Sicht. Selbst innerhalb der Europäischen Union weisen die Konfliktmuster der Arbeiterklasse starke Unterschiede auf. Oskar Lafontaines Äußerung, man dürfe »bei der Hilfe für Menschen in Not das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit nicht außer Kraft setzen« (Neues Deutschland, 22.9.2017) ist zwar krude, hat aber durchaus System. Die Abschottung nach außen wird akzeptiert, um damit vermeintliche Vorteile bei den sozialen Verteilungskämpfen im Inneren zu haben.
Die These von einer Polarisierung, die ein Erstarken linker wie rechter Gesellschaftsprojekte seit der Finanzkrise diagnostiziert, ist nicht falsch, verstellt jedoch den Blick auf die zentrale Problematik. Der politische Nationalismus hat seine Ermöglichungsbedingungen im Kontext der Globalisierung nicht eingebüßt. Im Gegenteil: Er verfügt über eine realistische Handlungsperspektive und eine Erzählung, die viele Menschen emotional anspricht und in der multiplen Krise des globalen Kapitalismus Abhilfe verheißt. Nachdem das Glücksversprechen der Globalisierung gebrochen wurde, ist »Abschottung« zum Allheilmittel geworden, mit dem man sich angeblich gegen Migrant*innen, ausländische Investoren oder internationale Regelwerke zur Wehr setzen kann. Im Niedergang der westlich dominierten Weltordnung und im tatsächlichen oder imaginierten sozialen Abstieg der Lohnabhängigen in den Gesellschaften des globalen Nordens wird die Neue Rechte zu einem geschichtlichen Akteur, der an globalhistorischen Entwicklungen ansetzt und ihnen eine politische Richtung gibt.
Transformation als Gegenprojekt?
Natürlich ist auch der neue Nationalismus mit Widersprüchen konfrontiert. Tatsächlich bricht er nicht mit neoliberaler Wirtschaftspolitik, sondern radikalisiert eher dessen sozialchauvinistische Ausrichtung. Ob er den materiellen Lebensstandard seiner Anhängerschaft langfristig steigern kann, darf bezweifelt werden. Bei Versuchen, in die Spielregeln des neoliberalen Wettbewerbskapitalismus einzugreifen, sind die Widerstände der transnational orientierten Kapitalfraktionen und der auf sie ausgerichteten Staaten immens, wie sich derzeit am Beispiel der USA und der Politik der Trump-Regierung studieren lässt. Darauf zu warten, bis autoritär-nationalistische Hegemonieprojekte sich flächendeckend selbst diskreditieren oder durch liberale oder konservative Kräfte zu Fall gebracht werden, ist jedoch keine gute Strategie. Der neue Nationalismus funktioniert vor allem auf rhetorischer Ebene und stellt seinem Wesen nach eine Form der »passiven Revolution« dar, die die Unzufriedenheiten der Lohnabhängigen mit der neoliberalen Politik so bearbeiten und umlenken soll, dass Märkte und Produktionsverhältnisse nicht grundlegend politisiert werden.
Damit eine neue, global ausgerichtete Linke ein politisches Angebot unterbreiten kann, muss sie ihrerseits einen positiven Bezug auf die Krise der westlichen neoliberalen Weltordnung entwickeln. Gerade unter diesem Gesichtspunkt ist die aktuelle Dominanz der Transformationsperspektive in progressiven Debatten ein zentrales Problem. Zum einen verbleibt sie in abstraktakademischen Gefilden, ist kaum emotional vermittelbar und verspricht eher noch mehr Unsicherheit und Instabilität als robuste Krisenlösungen. Vor allem aber dethematisiert der Transformationsdiskurs systematisch das, was die Rechten sehr erfolgreich betreiben: Kritik an der Globalisierung sowie an ihren regionalen Erscheinungsformen. Der Transformationsbegriff zwingt nicht dazu, die Richtung anzugeben, die ein progressiver Politikwechsel nehmen müsste. Die Herausforderung besteht aber darin, die fortschreitende Internationalisierung der Produktion, die weitere Ausbreitung der Finanzmärkte, die Kommodifizierung sämtlicher Lebensbereiche und den Abbau demokratischer Gestaltungsmöglichkeiten aufzuhalten und umzukehren.
Plan B?
Somit greift die Forderung nach einer sozialökologischen Transformation zwar ein bestehendes gesellschaftliches Unbehagen auf, knüpft jedoch nicht an die maßgebliche Konfliktachse unserer Zeit an. Die dominante gesellschaftliche Konfliktlinie verläuft zwischen denjenigen politischen Kräften, die am Prinzip »There is no Alternative« festhalten und die ökonomische Globalisierung noch vertiefen wollen, und denen, die beides kritisieren und neue Formen internationaler Koordination entwickeln. Es existieren unterschiedliche Kooperationsformen abseits des westlich dominierten Global-Governance-Systems, die teils progressiven Zielen folgen (z. B. die ALBA-Vernetzung1 oder die Bank des Südens), vor allem aber geoökonomische Handlungsspielräume eröffnen wollen (z. B. die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit oder die BRICS-Gemeinschaft). Daher ist es berechtigt, von einer »partiellen oder selektiven Deglobalisierung« zu sprechen (Wahl 2015, 1ff). Auch der Desintegrationsprozess der EU könnte bereits den Punkt überschritten haben, an dem eine weitreichende institutionelle Reform noch greifen könnte.