Grenzwerte biophysikalischer Prozesse (Klima, biologische Vielfalt, Stickstoffkreislauf etc.) rücken entweder näher oder sind bereits überschritten. Im Fall des Klimawandels stellt ein neuer Bericht des Committee to Prevent Extreme Climate Change (Ramanthan et al. 2017; alle folgenden Angaben beziehen sich auf diese Studie) fest, dass sich die Erde bereits im Laufe der nächsten 15 Jahre um 1,5 Grad Celsius erwärmen wird, wenn sich weiterhin nichts am business as usual ändert. Die oft zitierte Zwei-Grad-Grenze würde dann bereits zur Jahrhundertmitte überschritten sein – und bis zum Ende des Jahrhunderts käme es mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent zu einer Erwärmung um vier Grad. Dies würde 70 Prozent der Weltbevölkerung oder sieben Milliarden Menschen tödlichem Hitzestress aussetzen. Bereits eine durchschnittliche Erwärmung um drei Grad würde der Hälfte der heute existierenden Arten die notwendigen Lebensbedingungen entziehen. Schon heute sind 20 Prozent akut vom Aussterben bedroht.
Versuche, das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von Umweltindikatoren wie den ökologischen Fußabdrücken von Produktion und Konsumtion sowie Treibhausgasemissionen absolut und auf globalem Niveau zu entkoppeln, sind bis dato gescheitert (Jackson 2017). Das auf Wirtschaftswachstum setzende, energie- und stoffintensive westliche Wohlstandsmodell lässt sich nicht auf den Rest der Erde übertragen (Fritz/Koch 2016). Im Gegenteil, es unterminiert die Lebensbedingungen anderer Erdteile und kommender Generationen. Für den neurechten Diskurs versteht es sich gewissermaßen von selbst, dass der Wohlstand deutscher oder europäischer Bürger*innen vorrangiger ist als der von anderen Menschen auf diesem Planeten und deshalb zur Not mit Waffengewalt bewahrt werden muss. Eine zeitgemäße linke Antwort fällt da schon schwerer. Will sich die Linke wirklich vom neurechten Diskurs absetzen, indem sie sich für das Wohlergehen aller aktuellen und zukünftigen Erdbewohner*innen einsetzt, bleibt nichts, als einen möglichst sozial inklusiven Degrowth-Prozess zu unterstützen, mitzugestalten und schließlich einzuleiten. Dessen Zielsetzung ist es, dass am Ende die Produktions- und Konsumtionsmuster Deutschlands und Europas kompatibel mit ökologischen Grenzen sind und Entwicklungsspielraum für andere Teile der Welt lassen. Im Folgenden skizziere ich, wie wir in die gegenwärtige Krise geraten sind und welche ökologisch-sozialen Politikstrategien jenseits des kapitalistischen Wachstumsparadigmas zu ihrer Überwindung in Betracht kommen.
Wie sind wir in die Krise geraten?
Bei der Wachstumskonstellation der Nachkriegsjahrzehnte handelt es sich weniger um ein „Wirtschaftswunder” als um eine historisch einmalige politisch-ökonomische Konstellation: Die oft zitierten, auf Nationalstaatsebene abgeschlossenen fordistischen Klassenkompromisse liefen darauf hinaus, dass die Gewerkschaften tayloristische Methoden der Massenfertigung als Prinzip der innerbetrieblichen Arbeitsteilung akzeptierten und dafür mit Arbeitszeitverkürzungen, Reallohnanstiegen und dem Ausbau des Sozialstaats entschädigt wurden. Die Unternehmer waren nicht zuletzt deshalb zu einer wohlfahrtsstaatlichen Ausgestaltung des Kapitalismus und entsprechenden Steuer- und Abgabenzahlungen bereit, weil es während des Kalten Kriegs eine nicht-kapitalistische Alternative gab, deren Attraktivität es von Beginn an zu begrenzen galt. In der daraus ergebenden Prosperitätsphase, die bis in die 1970er Jahre hinein anhielt, wuchs die Nachfrage nach industriellen Massenprodukten parallel zur Erhöhung der Produktionsnormen, sodass sich der materielle „Wohlstand für alle“ beträchtlich steigern ließ.
Nun waren nicht nur Frauen und ethnische Minderheiten vom Klassenkompromiss weitgehend ausgeschlossen, denn dieser wurde in der Regel ausgehandelt durch weiße und männliche Repräsentanten des „korporatistischen Dreiecks“ aus Kapital, Arbeit und Staat. Er hatte darüber hinaus eine stoffliche und energetische Dimension (Koch 2012). Der fordistische Aufschwung beruhte auf einer internationalen Arbeitsteilung zwischen den industrialisierten Ländern und den sogenannten Entwicklungsländern, in der Letztere weitgehend auf den Status von Rohstoff- und Energieexporteuren reduziert waren, auch wenn es Versuche nachholender Entwicklung gab. So verbrauchten 1973 – auf dem Höhepunkt des Fordismus – die OECD-Länder 60 Prozent der globalen primären Energie und waren verantwortlich für zwei Drittel des weltweiten CO2-Ausstoßes – bei einem Anteil an der Weltbevölkerung von gut 18 Prozent.
In den darauffolgenden Jahrzehnten des finanzgetriebenen Kapitalismus wurde der Klassenkompromiss der westlichen Länder „von oben“ aufgekündigt, während sich die Prinzipien der internationalen Arbeitsteilung insofern änderten, als Länder wie China, Indien oder Brasilien ihre Wirtschaften öffneten und ihre Attraktivität für ausländische Direktinvestitionen und als Produktionsstandorte zunahm. Allein Chinas Wirtschaft wuchs über einen Zeitraum von über 30 Jahren im Jahresdurchschnitt um 10 Prozent. Dies stellte die materielle Grundlage für die Globalisierung der westlichen, auf die Zeiten des Fordismus zurückgehende Konsumtionsnorm dar. Während diverse Kulturindustrien von dieser Entwicklung profitieren, sind die ökologischen Folgen für den Planeten desaströs. Insbesondere hat der Übergang vom fordistischen zum finanzgetriebenen und globalisierten Akkumulationsregime nichts an der fossilen Grundlage des Energieregimes geändert. Immer noch basiert der weltweite Energieverbrauch, der sich seit 1973 noch einmal mehr als verdoppelt hat, zu vier Fünfteln auf fossilen Quellen. Auch der globale CO2-Ausstoß hat sich seitdem mehr als verdoppelt.
Bei diesen fatalen Entwicklungen haben Klasseninteressen und -konflikte eine nicht zu vernachlässigende Rolle gespielt. Bei einer entsprechenden Klassenanalyse wäre es allerdings unerlässlich, die räumlichen (Regulations-)Ebenen auseinanderzuhalten, auf denen die relevanten Klassenkämpfe ausgetragen werden, insbesondere die nationale und die globale Ebene. So blieb der Kompromisscharakter des westlichen Nachkriegskapitalismus auf die nationale Ebene beschränkt, während er stofflich und energetisch auf Imperialismus und ungleichem Tausch mit weiten Teilen der Welt beruhte. Weder dieser Sachverhalt noch die oben skizzierten Veränderungen in der Weltwirtschaft lassen sich ohne Rekurs auf transnationale Klassenbeziehungen und insbesondere die Veränderungen in den Strategien der transnationalen kapitalistischen Klasse begreifen. Zu ihrem Verständnis haben etwa Leslie Sklair (2001) und William Robinson (2004) wichtige Beiträge geleistet (vgl. meinen Literaturüberblick in Koch 2009). Leider hinken transnationale Organisationsversuche der globalen Arbeiterschaft denen des Kapitals beträchtlich hinterher.
Eine „ökologische Klassenpolitik“, wie sie im Rahmen dieser Zeitschrift eingefordert wird, muss mit der von Stephan Lessenich (2017) skizzierten Verkomplizierung der Klassenverhältnisse, die sich aus den Unterschieden in der Klassenformierung auf nationaler und transnationaler Ebene ergibt, umgehen lernen. Zwar sind, was die Verursachung des Klimawandels anbelangt, auf nationaler Ebene Klassenunterschiede relevant, da ärmere Haushalte weniger Treibhausgase produzieren als reichere. Nichtdestotrotz liegt der ökologische Fußabdruck vieler einfacher Arbeiter*innen, großer Teile des Prekariats oder der Erwerbslosen weit über dem, was vom planetarischen Standpunkt aus vertretbar wäre. Klassenstrukturell befinden sich diese Gruppen damit in einer Situation, die der Weberianer Frank Parkin (1983) mit dem Begriff des dual closure beschrieben hat: ausgebeutet vom nationalen Kapital, aber zugleich aufgrund eines nationalen Pakts in der Lage, andere Weltbewohner*innen von dem auszuschließen, was vom westlichen Wohlfahrtsstandard bleibt. Ähnlich wie die nordirische protestantische Arbeiterklasse während der troubles vor der Wahl stand, sich entweder mit den katholischen Klassengenossen gegen die Unternehmerklasse insgesamt zu verbünden oder aber den eigenen Wohlstand durch Exklusion der Katholiken zu verteidigen (wofür sie sich in der Regel entschied), geht es heute für das Gros der Lohnabhängigen darum, sich zwischen einer globalen und intertemporalen ökologisch-sozialen Solidarität und einem Wohlstandschauvinismus à la “America first” zu entscheiden.
Green Growth versus Degrowth
Wie diese Entscheidung ausfällt, hängt nicht zuletzt davon ab, was sich als progressiv verstehender Parteien und Organisationen an politischen Vorschlägen anzubieten haben, wie denn auf ökologische Herausforderungen wie den Klimawandel zu reagieren ist. Der EU-Mainstream – in Deutschland repräsentiert durch die Grünen, SPD, FDP und die Unionsparteien – setzt sich vom neurechten Diskurs durch eine Politikstrategie des “Green Growth” ab. Im Programm „Europa 2020“ geht es darum, die EU zum dynamischsten Wirtschaftsstandort der Welt zu machen und dabei BIP-Wachstum mit sozialer Inklusion und ökologischer Nachhaltigkeit zu verbinden. Der politische Vorteil dieser Strategie besteht zweifellos darin, sich keinerlei Feinde zu machen. Ihr Nachteil ist allerdings, dass sie in diametralem Widerspruch zu allem steht, was wir über die Machbarkeit von gewissen Vorhaben wissen, etwa Wirtschaftswachstum vom ökologischen Fußabdruck zu entkoppeln. Dies funktioniert allenfalls „relativ“, wenn pro produzierten Euro der relative Ressourcenverbrauch zurückgeht. Für das Klima aber ist nur eine „absolute“ Entkopplung der beiden Größen von Belang: Wir brauchen einen schnellen Rückgang des absoluten Ressourcenverbrauchs, insbesondere von fossiler Energie. Dafür aber gibt es bei gleichzeitigem Wirtschaftswachstum bis dato so gut wie keine empirischen Hinweise. Lediglich in akuten ökonomischen Krisensituationen wie in Russland in den 1990er Jahren ist es zu einem solchen Rückgang gekommen. Sollen der Durchlauf (throughput) von Stoff und Energie in Produktion und Konsumtion und der ökonomische Fußabdruck westlicher Gesellschaften so reduziert werden, dass sie dem Niveau der planetarischen Grenzen entsprechen, bleibt uns nichts anderes übrig, als das Wachstum des BIP durch stoffliche, energetische und soziale Parameter als oberstes Politikziel zu ersetzen. Da keine andere Partei dieses Ziel verfolgt, liegt hier durchaus eine Chance für Die Linke, in die politische Offensive zu kommen.
Wenn die Wachstumsökonomie an ihre planetarischen und historischen Grenzen gelangt ist, was wären dann die allgemeinen Merkmale einer Postwachstumsökonomie und -gesellschaft? Die wahrscheinlich wichtigste Aufgabe bestünde darin, die dominierende Orientierung am monetären Wachstum – oder Tauschwert – durch ein primär biophysikalisches Verständnis der Ökonomie, also eine Gebrauchswertorientierung, zu ersetzen. Im derzeit prominentesten Ansatz in der ökologischen Ökonomie, dem der steady-state economy (Daly 1977), geht es hauptsächlich darum, den throughput von Stoff und Energie auf ein Minimum zu begrenzen: vom Zeitpunkt der Extraktion von Rohstoffen aus der Natur bis zu ihrer Rückgabe in Form von Abfällen. Nun hat Herman Daly seine steady-state economy nicht im Hinblick auf die globale Ebene entwickelt. Dies wäre aber notwendig, sind doch ökologische Risiken wie der Klimawandel definitionsgemäß global, da es vom Standpunkt der Atmosphäre keine Rolle spielt, von welchem Standort des Planeten Treibhausgase emittiert werden. Der globale ökologische Fußabdruck und der globale throughput von Energie und Stoff müssten insgesamt signifikant zurückgehen, damit die Produktions- und Konsumtionsnormen des ganzen Planeten derart angepasst würden, dass sie endlich ökologische Grenzen respektieren. In einer weltweiten steady-state economy wären daher auf der Basis naturwissenschaftlicher Erkenntnisse Schwellenwerte für den throughput von Stoff und Energie zu definieren, innerhalb derer sich nationale und lokale Ökonomien entwickeln könnten. Dies dürfte auf eine weitaus geringere Steuerungsrolle für Marktkräfte als gegenwärtig hinauslaufen, auf mehr gesellschaftliche Planung sowie eine gemischte Wirtschaft, getragen von kollektiven, kommunalen, staatlichen und privaten Akteuren. Eine kritische politische Ökonomie und kritische Sozialwissenschaften hätten hier einen wichtigen Beitrag zu leisten, bestehen in Degrowth-Kreisen doch gewisse Vorbehalte, sich eingehender mit den sozialen Strukturen des finanzgetriebenen Kapitalismus zu beschäftigen, woraus eine Unterschätzung der gesellschaftlichen Hegemonie dieser Strukturen resultiert, die im Alltagsbewusstsein in der Regel als „natürlich“ wahrgenommen werden (Koch 2017).
Da sich die materielle Reproduktion nicht nur der reichen, sondern auch einer Vielzahl sich entwickelnder Länder bereits jetzt schon sozusagen jenseits ökologischer Grenzen vollzieht (Fritz/Koch 2016) – und wir es beim Klimawandel mit extrem kurzen Zeitfenstern zu tun haben, innerhalb derer gehandelt werden müsste –, gibt es einstweilen keine Anzeichen dafür, dass „Wohlfahrt“ innerhalb einer ökologisch nachhaltigen Weltökonomie viel mehr beinhalten könnte als die Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse (Koch et al. 2017). Dies ist auch gegenüber manchen Degrowth-Ansätzen hervorzuheben, in denen es für möglich gehalten wird, die gegenwärtig hohen Werte subjektiven Wohlbefindens in westlichen Ländern während eines ökonomischen Kontraktionsprozesses auch kurzfristig beizubehalten. Dagegen sprechen nicht nur Erkenntnisse der Forschung zu loss aversion, sondern auch die Tatsache, dass das Gros der gegenwärtigen gesellschaftlichen Institutionen und mentalen Infrastrukturen eng mit dem Wachstumsparadigma verkoppelt ist. Auf dem Weg zu einer Postwachstumsgesellschaft müssten sich deshalb eine ganze Reihe von Institutionen gleichzeitig verändern (Büchs/Koch 2017), wofür es unter demokratischen Vorzeichen historisch kaum Beispiele gibt. Dies ist nicht als Argument gegen eine sozioökologische Transformation hin zur Postwachstumsgesellschaft zu verstehen, sondern eher als Mahnung zum Realismus. Der Weg dorthin ist alles andere als einfach und wäre für unsere Region – abgesehen von den ärmsten Bevölkerungsgruppen – mit Einschnitten im materiellen Wohlstandsniveau verbunden. Hier gilt es so aufrichtig wie möglich zu sein – auch angesichts von Burnout-Erfahrungen mancher Aktivist*innen, die dazu tendieren, die enorme Macht sozialer Strukturen, gegen die sie aufbegehren (ohne genug über sie zu wissen), zu unterschätzen. Eine solidarische Alternative zu einer hier lediglich grob skizzierten sozioökologischen Transformation aber existiert nicht, denn ein „Weiter so“ würde aufgrund der schnellen Verschärfung der ökologischen Krise mittelfristig zu einem sinkenden subjektiven Wohlbefinden überall auf der Erde führen.
Sozialökologische Politik als reale Utopie
Wie aber kommt man von der kapitalistischen Wachstumsgesellschaft zu einer solidarischen und nachhaltigen Postwachstumsgesellschaft? Erik Olin Wright (2017) erinnert daran, dass es innerhalb der vom kapitalistischen Wachstumsimperativ dominierten Gesellschaft Sektoren gibt, die anderen als Profitprinzipien folgen und die politisch zu stärken wären. Einige dieser nicht-kapitalistischen Enklaven haben das Potenzial von realen Utopien, da ihre Ausweitung zugleich eine Marginalisierung und potenzielle Überwindung des Profitmotivs als herrschendem ökonomischen Steuerungsprinzips bedeuten würde. Wenn auch in embryonaler Form, lässt sich hier unter vielem anderem an alternative Praktiken in Handwerk und Kunst, an Teile der Dienstleistungsökonomie, des Non-Profit-Sektors oder an kommunale und lokale Konsumgemeinschaften denken. Solche oft lokalen Initiativen können aber nur den notwendigen gesellschaftlichen Einfluss entfalten, wenn sie durch lokale, nationale, regionale und globale Politikansätze und Governance-Modelle unterstützt werden (Soper 2016).
Eine auf die mittelfristige Überwindung des Status quo abzielende solidarische und nachhaltige Reformstrategie hätte insbesondere die sogenannte „doppelte Ungerechtigkeit“ zu entschärfen. Diese besteht darin, dass diejenigen Gruppen, die am wenigsten zu ökologischen Bedrohungen wie dem Klimawandel beigetragen haben, auch am wenigsten in der Lage sind, mit seinen Auswirkungen umzugehen. Dies gilt einerseits in globaler Perspektive: Die meisten Bewohner*innen von Bangladesch können nichts für den Klimawandel, aber müssen leidvoll erfahren, wie ihr Land von verheerenden Überschwemmungen heimgesucht wird und vollends zu versinken droht. Sie verfügen auch nicht über die notwendigen finanziellen Mittel, um ihren Notstand zu lindern. Anderseits verursachen auch innerhalb der reichen Länder die ärmsten Haushaltsgruppen am wenigsten Treibhausgase, verfügen aber zugleich über die geringsten finanziellen Ressourcen, um etwa „klimasmartes“ Wohnen zu bezahlen (vgl. Büchs et al. 2011). Damit ökologische Nachhaltigkeit nicht auf Kosten sozialer Inklusion geht – und damit von den Wähler*innen abgelehnt wird –, muss Klima- und ökologische Nachhaltigkeitspolitik mit Sozialpolitik flankiert werden. Im Idealfall kommt es zu sogenannten eco-social policies oder auch zu einer „ökologischen Klassenpolitik“, um den Begriff aufzunehmen, die auf eine dreifache Umverteilung von Vermögen, Zeit und Verschmutzungsrechten zielen (dazu ausführlich Büchs/Koch 2017: 112 ff.). Es sei hier nur darauf hingewiesen, dass in der ökologischen Ökonomie und in der Degrowth-Forschungs-Community nicht nur über ein bedingungsloses minimales Grundeinkommen diskutiert wird, sondern auch die Festlegung eines maximalen Einkommens aus Vermögen und Gehalt für notwendig erachtet wird, womit die „wirtschaftliche Dynamik“ bewusst verlangsamt und sowohl soziale Ungleichheit als auch demonstrativer Konsum begrenzt werden soll. Eine 100-prozentige Besteuerung sämtlicher Einkommensarten jenseits einer gewissen Obergrenze hätte zweifellos das Potenzial einer realen Utopie und wiese über den Kapitalismus hinaus. Eine gleichzeitige Verkürzung der Regelerwerbsarbeitszeit dürfte nicht nur bei der Verringerung des throughputs, sondern auch bei der Gestaltung der Work-Life-Balance von Nutzen sein. Der Staat schließlich könnte seine Macht einsetzen, um klimafeindliche Konsumpraktiken wie Fliegen, Fleischkonsum oder Autofahren nicht nur deutlich teurer zu machen, sondern sie durch Kampagnen in ähnlicher Weise zu ächten, wie das etwa beim Rauchen der Fall ist. Warum auch sollte ein Verhalten, mit dem ich mir hauptsächlich selber schade, moralisch weit verwerflicher eingestuft werden als Konsumpraktiken, die zur Überschwemmung, Verwüstung und langfristigen Unbewohnbarkeit ganzer Erdteile beitragen?