»Schreiben über Gewalt und Minorisierung tut weh« schreibt Lia Becker in »Schnitte durch die zweite Haut« (Becker 2022).“ Wie können wir – die Gewalt von Transfeindlichkeit in all ihren Registern erleben, als symbolische, epistemische, strukturelle, ökonomische, und über sie schreiben – mit dieser Gewalt umgehen? Und was bedeutet dies, um in institutionellen Räumen wie der Universität über trans*feminine Erfahrungen in prekärer Lohnarbeit kritisch nachzudenken?
Diese Fragen treiben mich um, denn die Universität ist der Ort, von dem aus ich schreibe, unter dessen Regime ich schreibe: Es ist der Ort, der durch die Sehnsucht nach dem epistemischen Feldherrenhügel geprägt ist, dem Gott-Trick (Haraway 1995), also dem Darüber-Stehen, Unverwundbar-Sein. Es ist der Ort, der durch seine Imperative von Exzellenz und Wettbewerb, von Mobilität und Abstraktion Nähe und Solidarität verhindert. Es ist der Ort, der jene klassistischen, ableistischen und rassistischen Strategien und Umgangsformen forciert, von denen Lia Becker schreibt: Distanzierung von besonders prekarisierten und marginalisierten trans* und geschlechternonkonformen Personen, Herauslösung aus kollektiven Netzwerken der trans* Fürsorge, Abstraktion von meinem eigenen Schmerz als trans*feminine Person. Es ist ein Ort, an dem ich, als weiße, ableisierte trans*feminine Person mit deutschem Pass funktioniere: Aufgrund meiner Privilegien, aufgrund der Ökonomien der Diversität, die manche queere Subjekte – queer, ein Wort, dass wenn überhaupt, nur intersektional Sinn macht (Cohen 1997) – in die neoliberale Hochschule einschließen (Ferguson 2012). Dennoch meine ich, – verwickelt in alle Widersprüche –, dass es auch gerade von hier aus Sinn macht, zu trans*femininer Prekarität zu Schreiben: Weil ich spüre, dass sich mein Schreiben in diesen neoliberalen und hetero-cis-patriarchalen Verstrickungen nicht erschöpft. Die Erfahrung eben dieser weckt ein Begehren nach einem Ende der Gewalt und nach Beziehungen, in denen wir Worte füreinander finden und damit heilen – kollektiv, und hoffentlich solidarisch.
Spätestens hier muss ich erklären, warum ich – zögernd – teils „wir“ schreibe, wenn ich trans*feminine Personen bezeichne. Denn ein „Wir“ zu setzen, ist nie unschuldig. Ein „Wir“ zu behaupten ist stets ein Akt epistemischer Gewalt: Es stellt eine Einheit her, abstrahiert von den unterschiedlichen Erfahrungen Postkoloniale, aber auch proletarische, lesbische und jüdische Feminist*innen haben an der Diskussion um den Begriff der „Frau/en“ auf die Gefahr dieses „Wir“ hingewiesen: Es ist aus einer Sehnsucht weißer, akademischer Frauen erwachsen, ein universelles Opfer und ein universelles revolutionäres/widerständiges Subjekt „Frau/en“ zu kreieren. Aus ihrem Verlangen, das eigene Involviertsein in post/neo-koloniale Formen der Ausbeutung und Gewalt zu verdrängen. Gleiches gilt für trans*feminine Personen. Wenn ich also teils „Wir“ schreibe, um trans*feminine Erfahrungen zu bezeichnen, dann kann ich diesen Effekten nicht entkommen, wiederhole ich diese Sehnsüchte.
Dennoch glaube ich, ein zweifelndes, spärlich verwendetes trans*feminines „Wir“ kann in den akademischen Kontexten, in denen ich mich bewege, produktiv störend sein. Denn noch immer sind hier, im akademischen Raum, in dem ich schreibe, trans*feminine Personen fast ausschließlich Objekte von Forschung. Nur schwerlich werden manche von uns hier als Subjekte anerkannt, gelangen gar in die Positionen der Analysierenden. Zugleich stellt auch die Wortwahl „trans*feminine Personen“ eine gewaltvolle Abstraktion dar. Oft wird ein universelles trans*feminines Objekt konstruiert, das ein neues Betätigungs- und Verwertungsfeld von wissenschaftlichen und NGO-Ökonomien darstellt. Die gewaltsamen Tode von insbesondere trans*femininen Sexarbeiter*innen of Colour werden zum Rohmaterial einer abstrahierenden LGBTIQ+ Politik, die zumeist nur Belange weißen Personen verfolgt, und fast ausschließlich aber nicht nur weißen cis-endo Personen Posten verschafft. In diesem Diversitiy Kapitalismus, der in neoliberaler Manier spezifische Differenzen naturalisiert und verwertet, sind „Wir“ als „trans*feminine Personen“ bereits Währung, aus der ökonomisches und politisches Kapital geschlagen wird (Haritaworn/Snorton 2013). Ich wähle abwechselnd „wir“ und distanzierte Formen der Benennung wie „trans*feminine Personen“ wähle, um auf die Spannung hinzuweisen, aus der ich schreibe: Objekt und Subjekt wissenschaftlicher Wissensproduktion zu sein. Mit den annähernden_aneignenden und distanzierten_objektivierenden Bezeichnungen versuche ich auf die Unmöglichkeit hinzuweisen, mich den Ökonomien des Diversity Kapitalismus zu entziehen.
Trans*femin zu sein ist in der neoliberalen geschlechtlichen, politischen und ökonomischen Ordnung des Globalen Nordens für viele von uns zutiefst ambivalente Erfahrung – und abhängig von unseren Privilegierungen und Marginalisierungen eine sehr unterschiedliche. Zwar werden trans* Körper nicht mehr in Psychiatrien gesperrt und zwangssterilisiert, zwar dürfen wir Familien gründen. Transidentität wird schon bald vielleicht nicht mehr als psychische Krankheit gelten. Wir können uns öfter auf Kinoleinwänden und in Streamingdiensten wiedererkennen, ohne uns in tragischen, perversen oder verlachten Positionen wiederfinden. Aber: Mit dem vertieften Imperativ zu Lohnarbeit, neuer Abschottung an den Grenzen der Festung Europa und globaler Militarisierung sowie immer lauter werdendem rechten Hass sind die Freiheiten und Möglichkeiten für trans*feminine Personen zutiefst ungleich verteilt. Die vermehrte gesellschaftliche Teilhabe ist an weiße, ableisierte, neoliberale Leistungsnormen gebunden. Sie ist unentrinnbar verwoben mit vertiefter Gewalt gegen all jene, die nicht diesen gewaltvollen Anforderungen und Normen entsprechen können (Haritaworn/Snorton 2013). Über prekäre trans*feminine Lohnarbeit nachzudenken, ist damit für mich eine der möglichen Weisen, sich den die dominanten Erzählungen des trans Liberalismus (Raha 2015, absichtsvoll ohne Asterix) zu verweigern, die auf individuelle Selbstbestimmung, Identität und rechtliche Gleichstellung fokussieren. Es lohnt lohnt sich, kritisch über Lohnarbeit und die mit ihr verbundene Prekarisierung trans*femininen Lebens nachzudenken: Weil die Kritik an der Gewalt der Lohnarbeit uns dazu bringen kann, das falsche Versprechen zurückzuweisen, dass allein mehr Rechte, medizinische Depathologisierung und positive Sichtbarkeit die Marginalisierung trans*femininer Leben beenden würden.
Mit Lohnarbeit meine ich nicht nur Verwertungsimperative und die Beziehungsweisen, denen sich trans*feminine Personen am Ort und während ihrer Lohnarbeit unterwerfen müssen. Neoliberale Politiken koppeln jede physische und psychische Existenz an Lohnarbeit. Durch Streichung der Sozialleistungen, die zugleich an Lohnarbeit gebunden werden, intensivierte Verwertung von Wohnraum und öffentlicher Infrastruktur, in Form von Moral Panics um Erwerbslose - neoliberale Politiken zielen darauf, jede Form eines Lebens zu verhindern und zu zerstören, die Lohnarbeit nicht in ihr Zentrum stellt. Auch trans*feminine Menschen werden systematisch in Lohnarbeit gedrängt, sollen lernen, sie zu begehren. Trans*feminin Sein ist verbunden mit Zusatzkosten: Transitionsmedizin und oft auch psychologische und rechtliche Unterstützung im Falle von Diskriminierung muss zu großen Teilen aus eigener Tasche finanziert werden. Urbane Gentrifizierungsprozesse treffen trans*feminine Personen besonders hart, weil für viele von uns der ländliche Raum soziale Isolation bedeutet. Zugleich fungiert Lohnarbeit als Mittel zu Teilhabe: Sie verspricht jene Anerkennung, die prekär ist angesichts unserer geschlechtlichen Devianz (Götsch 2018).
Zu den gelebten und verkörperten trans*femininen Erfahrungen in Lohnarbeit zu schreiben, ist Arbeit an und gegen Verletzungen. Denn Lohnarbeit bedeutet für trans*feminine Personen oftmals Gewalt. Dabei ist transmisogyne Gewalt durch Lohnarbeit zugleich interpersonale und strukturelle, ökonomische Gewalt. Die Diskriminierungen durch Kolleg*innen, Kund*innen und Vorgesetzte weisen trans*femininen Personen spezifische Positionen in Unternehmen sowie auf demArbeitsmarkt zu. Gleichzeitig spricht aus ihnen die Entwertung trans*femininen Lebens – eine Entwertung, die sich aus im kulturellen Gedächtnis verankerten Bildern als unproduktivee, weil ‚kranke‘trans*feminine Personen speist. Transmisogynie ist somit dem Kapitalismus inhärent, wie kolonial-kapitalistische Normen Transmisogynie mit prägen (Steinsberger 2022).
Entsprechend sind die Gespräche, die ich mit trans*femininen Personen über ihre Erfahrungen zu prekärer Lohnarbeit führe, oft stockend, beklemmt teils von Scham, auch anklagend, voller analytischer Schärfe. Sie zeugen von Ausschlüssen, Diskriminierungen, Beschämungen, Versprechen, die nicht erfüllt wurden. So heißt Trans*feminin-Sein für viele meiner Gesprächspartner*innen, kein gesichertes Arbeitsverhältnis zu haben, am Rande der Belegschaft zu sein, in den Innendienst versetzt zu werden, ‚um das Ansehen der Firma nicht zu gefährden‘. Aber auch: Als ‚exotisches‘ Diversity-Versprechen willkommen zu werden – und dann Diskriminierung und Gewalt durch Kund*innen alleine aushalten zu müssen. Es impliziert zumeist, ständig unter Beobachtung zu sein, Beleidigungen, Getuschel und nicht selten fortwährende sexualisierte Gewalt zu erleben. Als trans*feminine Person zu lohnarbeiten bedeutet oftmals, sich der Sicherheit halber als Mann ausgeben zu müssen und dennoch von cis-männerbündischen Strukturen ausgeschlossen zu sein. Nicht-binär sein und als binäre trans* Frau zu arbeiten, über die eigenen Genitalien ausgefragt zu werden, immer und immer wieder. Trans*feminine Lohnarbeit geht vielfach einher mit Überausbeutung – im Tausch für den ‚toleranten Arbeitsplatz‘ –, mit ständiger Erschöpfung, Burnout, schließlich Frühverrentung und Altersarmut. Bei all dem gilt es, bloß nicht belastend zu sein für Kolleg*innen und Vorgesetzte. Der Imperativ, die gute trans*feminine Kolleg*in und Angestellte sein zu müssen: verständnisvoll, humorvoll, produktiv.
Sicher, einige von uns, vor allem jene mit Weiß-Seins, Ability und Klassenprivilegien, finden Nischen im diversifizierten neoliberalen Arbeitsmarkt, wo wir relativ geschützt und abgesichert sind, wenige von uns werden angesichts der mittlerweile flexibilisierten Geschlechternormen sogar reich. Doch noch immer sind trans*feminine Personen über die gesamte EU hinweg weit öfter erwerbslos wie ihre cis-Kolleg*innen. Auch verdienen im Mittel jene von uns, die Lohnarbeit finden, auch im ‚liberalen‘ deutschsprachigen Raum weit unterdurchschnittlich. Diese Erfahrungen widersprechen jenem liberalen Optimismus, der weiße trans*feminine Personen als glückliche Verkörperungen von Diversität darstellt – einer Diversität in der, wie antirassistische Wissenschaftler*innen kritisieren, weiße LGBTIQ diskursiv umarmt werden, um den Ausschluss von BpoC und Migrant*innen zu verdecken.
Zugleich bricht sich in den Erfahrungen, die meine Gesprächspartner*innen mit mir teilen, häufig die gelebte Sehnsucht Bahn, sich anders zu sich selbst und zu anderen in Beziehung zu setzen. Sie erzählen von den kleinen und großen Fluchten aus der neoliberalen Lohnarbeit, den Bewegungen des Entziehens und der Verweigerung. Manche meiner Gesprächsparter*innen kritisieren die Zuweisungen, happy diversity zu verkörpern, andere disidentifizieren sich von der Lohnarbeit als jenem Ort, der ihnen Anerkennung und Zugehörigkeit verspricht, und treiben intersektionale wie antikapitalistische Kämpfe voran. Sie zeichnen ein widersprüchliches affektives Terrain, dass hegemoniale Weisen trans*femininer Repräsentation verkompliziert. In der Lohnarbeit und in der Beziehung zu ihr praktizieren die Personen, mit denen ich spreche, kleine, alltägliche Kämpfe gegen die Zumutungen ihrer Lohnarbeit. Es sind situierte Absetzbewegungen und Praktiken des Widersprechens, kein radikales Jenseits der Lohnarbeit, das linksradikale und queere-Sehnsüchte nach einem revolutionären oder hyper-subversiven Subjekt befriedigen würde.
In unseren Gesprächen merke ich, wie Klassendifferenzen, die sich in unserem Habitus und unseren Lohnarbeitstätigkeiten manifestieren, oft das Reden erschweren, wie die Verwerfung als Lohnarbeitssubjekt oft Frustration und Schmerz und manchmal Momente der Sebsterhebung hervorbringt. Auch deswegen versuche ich, Francis Seeck (2021) Überlegungen zu Fürsorge in Forschung zu folgen: Zuzuhören, Zeit nehmen, Einchecken, Nachsorgen. Verbunden-Sein, das mich in meine Verantwortung ruft, als diejenige, die die Leben anderer trans*femininer Personen repräsentiert und objektiviert. Verbunden-Sein, das mir die Uni, mein befristeter Arbeitsvertrag dort, nahelegt, abzustreifen: Weil Fürsorge sich nicht konvertieren lässt in die Währung der Hochschule: Abschlüsse, Publikationen und eingeworbene Projektgelder. Fürsorge hat keinem Platz im unternehmerischen Selbst, dass uns die neoliberale Hochschule anmahnt, zu verkörpern. Nicht nur der Kapitalismus ist strukturell sorglos, nicht nur er verwirft und marginalisiert Sorge um sich und andere. Auch die neoliberale Universität ist es, und wir Forschenden sollen es auch sein.
Wenn es einen Sinn hat, über trans*feminine Leben analytisch und aus der Universität zu schreiben, dann liegt er wohl darin, auf unserer Komplexität, Heterogenität und Widersprüchlichkeit zu insistieren. Unsere gewaltvollen Unterwerfungen unter, Verwicklungen in sowie Widerstände in Herrschaftsverhältnissen herauszuarbeiten. Es gilt, schreibend deutlich zu machen: Trans*feminine Personen sind weder Bot*innen einer neuen Welt, noch sind wir jene psychopathologischen, immerzu von ihrer Identität besessenen Opfer, als die wir in rechten sowie manchen linken Diskursen porträtiert werden. Die Beziehungen trans*femininer Personen zu prekärer Lohnarbeit zu beschreiben, ist ein möglicher Ausgangspunkt für eine solche kritische, ent-unterwerfende Verortung.Die Erzählungen meiner Gesprächspartner*innen über Erfahrungen mit und in der Lohnarbeit sprechen Bände über diese Verstrickungen, Widersprüche, Widerständigkeiten unterschiedlich gesellschaftlich positionierter Weisen trans*femininen Seins. Ein trans*feministisches Schreiben aus der Universität, das diese nachzeichnet, ihnen nahe und damit verletzlich ist, kann helfen, die Parameter zu befragen und zu verschieben, in denen trans*geschlechtliche Emanzipation gedacht wird. Es kann so zu jenen individuellen und kollektiven trans*feministischen Kämpfen, zu denen Lia uns anstiftet, beitragen, sie befeuern. Es ist ein Schreiben des Schmerzes und der Gewalt – aber zugleich der Hoffnung und womöglich sogar der Zärtlichkeit.