Vergesellschaftung als politisches Projekt geht über einen reinen Wechsel der Eigentümer*innen hinaus und hat zentrale Auswirkungen auf die gesellschaftliche Ordnung und das Zusammenleben als solches. Der Zugang zu Eigentum an Produktionsmitteln konstituiert nicht nur das Klassengefüge einer Gesellschaft. Die Eigentumsordnung bringt darüber hinaus bestimmte Subjektpositionen sowie soziale und intime Beziehungen hervor. So manifestiert die exklusive und absolute Verfügungsgewalt als besonderes Merkmal des modernen Privateigentums bestimmte Beziehungen als gewaltvoll. Diese Beziehungen entwickeln sich entlang von Achsen der Unterdrückung. Hier fokussiere ich auf Geschlecht, rassifizierte Identitätskonstruktionen sowie Sexualität. Ich werde herausarbeiten, dass bestimmte Formen der Unterdrückung nicht nur für eine ungleiche und ausbeuterische Eigentumsordnung ausgenutzt und eingesetzt werden, sondern dass diese erst gemeinsam mit der Entstehung modernen Eigentums ihre jetzige Form entwickelt haben. In anderen Worten, ich will über die einfache Erklärung hinausgehen, dass die dem kapitalistischen System innewohnende Gewalt dazu dient, die Arbeiter*innenklasse gespalten und unterdrückt zu halten, und andeuten, wie diese spezielle Gewalt in bestimmten historischen Prozessen entstanden ist. Hierbei zeigt sich ein sich wechselseitig konstituierender Zusammenhang zwischen dem modernen kapitalistischen Eigentumssystem und dem spezifischen (Er)Leben von vergeschlechtlichten und rassifizierenden Beziehungen. 

Geschichten des modernen Eigentums

Eigentumsverhältnisse bildeten sich nicht auf der Basis von feststehenden Kategorien des Menschseins heraus, vielmehr wurden mit ihrer Etablierung auch vergeschlechtlichte und rassifizierende Beziehungen auf neue Weise geformt. Mit kritischem Blick auf Prozesse der Enteignung, Aneignung und Eigentumsbildung lassen sich deren historische Verschränkungen mit der Zuschreibung bestimmter Kriterien für Menschen erkennen. In diesen Prozessen wird nicht nur Eigentum an Land und Dingen geschaffen, sondern es werden auch bestimmte Menschen zu Eigentümer*innen, (enteigneten) Besitzlosen oder gar zu Eigentum gemacht. Entscheidend für die Entstehung solcher Kategorisierungen und damit einhergehender Identitätskonstruktionen waren der Übergang zum Kapitalismus in Europa, die Zeit der Einhegungen der Allmende, sowie Prozesse der kolonialen Landnahme und Sklaverei.

Im Zuge des Kampfs gegen die Umwandlung von Gemeineigentum in Privateigentum im Europa des 15. bis 19. Jahrhunderts veränderten sich nicht nur die Beziehung zwischen Besitzenden und Enteigneten, sondern auch die Geschlechterverhältnisse. Von nun an nahmen der Privathaushalt und das Familieneigentum eine zentrale Rolle ein. Silvia Federici (2004, 18) beschreibt die Eroberung und Kontrolle des als weiblich markierten Körpers als zentrale Voraussetzung für die Akkumulation von Reichtum und die Etablierung einer geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung. Hinzu kamen die erzwungene Auflösung gemeinschaftlicher Lebensweisen und die Durchsetzung einer strengeren Trennung von produktiver (entlohnter) und reproduktiver (meist unentlohnter) Arbeit. Frauen sollten von nun an unentgeltlich die Versorgungsarbeit für die enteigneten Lohnarbeiter übernehmen. Häusliche Tätigkeiten wurden als ›weibliche‹ Aufgaben konstruiert und damit eine untergeordnete Stellung von Frauen in der Gesellschaft festgeschrieben. 

Um diese sich nach und nach etablierende kapitalistische Geschlechterordnung abzusichern, bedurfte es Gesetze zur Regulierung des Familienlebens, der Ehe, der (weiblichen) Sexualität und Reproduktion. Die Familie fungierte nun als zentrale Institution, um bestimmte Besitzverhältnisse und Eigentumsbeziehungen fortzuschreiben sowie den exklusiven Zugang zu diesen sicherzustellen. Über die patrilineare Erbschaft wird Eigentum zuverlässig übertragen und vermehrt. Schon Friedrich Engels (1884) bezeichnet diese Notwendigkeit der Männer, ihren Besitz an ihre rechtlich nachfolgenden Erben weiterzugeben, als Entstehungsgrund der bürgerlichen heterosexuellen monogamen Ehe und Familie. Dafür wurden Frauen als Eigentum des Mannes ohne eigene Rechte aufgefasst. Eva von Redecker macht deutlich, wie dies gewaltvolle vergeschlechtlichte Beziehungen kreierte, die in gewisser Form bis heute Bestand haben. Im Zuge der sogenannten Befreiung aus der Leibeigenschaft wurden „soziale Beziehungen nach dem Muster des Eigentums“ verdinglicht (Redecker 2020, 28). Mit dem Begriff der „Sachherrschaft“ beschreibt sie, wie bestimmten (weißen, männlichen) Besitzlosen zumindest die Verfügungsgewalt über ihre Frauen und Kinder zugestanden wurde.

Für die Entstehung kapitalistischer Eigentumsverhältnisse war des Weiteren insbesondere die Herausbildung gewaltförmiger sozialer und intimer Beziehungen im Zuge der Kolonisierung und Versklavung zentral. Koloniale Formen der Enteignung und Eigentumsbildung wurden und werden sowohl mit kriegerisch-vernichtenden als auch mit sozial-legalistischen Praktiken und Gesetzen durchgesetzt. Diese Praxen sind nicht nur rassistisch, sondern rassifizierend, das heißt, sie kreieren race erst als relevante Kategorie. Um beispielsweise Land als ›unbewohnt‹ (terra nullius) deklarieren zu können, um es dann problemlos enteignen zu können, müssen die Menschen, die auf und mit diesem Land leben, mithilfe von festgelegten Kriterien als besitzunfähig erklärt werden. Brenna Bhandar (2018) beispielsweise betont die rassifizierenden Eigenschaften des britischen kolonialen (Eigentums-)Recht und zeigt, wie die koloniale Aneignung von Land von der Markierung bestimmter ontologischer Eigenschaften des Menschen abhängig war und umgekehrt. Je nach Rechtsdoktrin und Staatsverständnis unterschieden bzw. unterscheiden sich die Aneignungsbegründungen und -dynamiken. Insbesondere in der Rolle der Familie zeigt sich erneut die Bedeutung einer bestimmten Konstruktion von Geschlecht (und Sexualität). Für die Besitznahme von Land und Körpern waren die Zerstörung bestehender sowie die Herausbildung bzw. staatliche Förderung bestimmter Gemeinschafts-, Familien- und Verwandtschaftsgefüge zentral. Hortense Spillers (1987) beschreibt etwa für Nordamerika die besondere Rechtsstellung von Kindern von versklavten Frauen. Aufgrund der in den englischen Kronkolonien geltenden Rechtsdoktrin partus sequitur ventrem („Das, was geboren wird, folgt dem Mutterleib“) erbten alle Kinder den Status ihrer Mütter. Das heißt, sie wurden in die Sklaverei hineingeboren. So reproduzierten versklavte Frauen, die Kinder gebaren, faktisch auch die Eigentumsverhältnisse. Weiße Männer konnten Frauen, die sie als ihr Eigentum ansahen, vergewaltigen, ohne durch ihre potenzielle Vaterschaft dieses Eigentumssystem zu gefährden. Ganz im Gegenteil: weißes, männliches Eigentum an Menschen konnte dadurch vermehrt und somit weiter gefestigt werden. Darin manifestiert sich nicht nur eine von Besitzansprüchen geprägte Konstruktion von race, sondern auch von Geschlecht und Sexualität.

Auch in anderen kolonialen Siedlungskontexten kamen immer wieder Heirats-, Erb- und Vormundschaftsgesetze zum Einsatz, die den Zugang zu Land und Ressourcen sowie zu den Arbeiter*innen und ihren Körpern regeln und kontrollieren sollten. Das ging Hand in Hand mit sexualisierter Gewalt sowie der (sexuellen) Erniedrigung von kolonialisierten Menschen, differenziert nach unterschiedlichen Geschlechtsmarkierungen. In den deutschen Kolonien wurden sogenannte „Mischehen“ verboten. Es wurden also Heiratsverbote zwischen Siedlern und kolonisierten Frauen ausgesprochen, um zu garantieren, dass die Aneignung sowie Weitergabe von Eigentum nur innerhalb bürgerlicher weißer Familienstrukturen erfolgte. Zunächst wurde dieses Mittel der Bevölkerungs- und Eigentumskontrolle in Deutschlands vorrangiger Siedlungskolonie, dem heutigen Namibia, angewandt. Später wurde es auf andere deutsche Kolonien wie Samoa oder das heutige Tansania ausgedehnt. Während zu Beginn der Kolonialisierung Eheschließungen noch genutzt wurden, um dadurch an das Land von einheimischen Eliten zu gelangen, wurden nach Verstetigung der Siedlungskolonien die Grenzen zwischen weißen Kolonialherren und Schwarzen Kolonialisierten strenger gezogen und rassifizierende und rassistische Bestimmungen erlassen, um die gewünschten Eigentumsverhältnisse zu legalisieren und zu festigen (Wildenthal 2001). Während den Kolonialisierten verweigert wurde, zu besitzen und Eigentümer*in zu sein, wurden die Kolonialisierer*innen nicht nur als Eigentümer*innen von Land und Ressourcen bestätigt, sondern auch mit absoluter Verfügungsmacht über die produktiven und reproduktiven Fähigkeiten der Kolonialisierten ausgestattet. Eheverbote sind ein Beispiel dafür, wie die weiße männliche Vorherrschaft durchgesetzt wurde. Sie verhinderten Besitzansprüche kolonialisierter Frauen und ihrer Kinder, stützten so die Hegemonie der weißen Familie und sicherten ihren exklusiven Zugang zu Besitz. Dabei sollten die Gesetze jedoch möglichst wenig den (oftmals mit Gewalt durchgesetzten) Anspruch der männlichen Siedler auf die Körper kolonialisierter Frauen einschränken – sondern gerade dessen Folgenlosigkeit garantieren. Der Eingriff in und die gewaltsame Umwandlung von Familienstrukturen im Interesse der besitzenden Klasse war ein globaler Prozess. Er war Voraussetzung für weitreichende Enteignung und Ausbeutung und ermöglichte erst die weltweite Herausbildung und Verfestigung kapitalistischer Verhältnisse.

Geschichtliche Gegenwärtigkeit und Vergesellschaftung 

Es bedarf verschiedenster Formen von Gewalt und ihrer Legitimierung, um Besitzverhältnisse und die damit einhergehenden Beziehungsweisen aufrechtzuerhalten und fortzuschreiben. Gerade auch deswegen ist es wichtig, die Verbindung zwischen Eigentum und der spezifischen Formierung und Positionierung von verschiedenen Körpern in diesem System zu betonen. Gesellschaften und ihre Kategorisierungssysteme verändern sich durch das Ringen zwischen sozialen Kämpfen und immer neuen Formen extraktivistischer kapitalistischer Aneignungsprozesse. In heutigen sozialen Beziehungen leben die Spuren dieses Ringens weiter, teils als neue oder anders artikulierte Unterdrückungsformen. Feministische Kritiker*innen haben die Verbindung zwischen der aktuellen Eigentumsordnung und geschlechtsspezifischer Gewalt herausgearbeitet. Dabei wird vergeschlechtlichte, sexualisierte und häusliche Gewalt in einen klaren Zusammenhang mit ökonomischer Gewalt gestellt. Insbesondere feministische Bewegungen in Süd- und Lateinamerika wie beispielsweise Ni Una Menos, eine Bewegung, die in Argentinien begann, haben theoretisch-politische Analysen entwickelt, „wie die sexuelle Ordnung mit dem Privateigentum an Körpern und Territorien korrespondiert“ (Cavallero/Gago 2021; eigene Übersetzung). Verónica Gago und Lucie Cavallero haben zum Beispiel untersucht, wie die Schuldenkrise in Argentinien die Spaltung der Gesellschaft zwischen Eigentümer*innen und Eigentumslosen noch verstärkt hat. Damit gehen intensivierte Abhängigkeits- und Ungleichheitsstrukturen einher, die sich insbesondere in hetero-patriarchalen Geschlechterverhältnissen und Arbeitsteilungen zeigen und unter denen vor allem Frauen und queere Menschen leiden. Ein Kampf gegen patriarchale, geschlechtsspezifische Gewalt kann also nicht individuell geführt werden. Die hier beschriebene Verbindung zwischen Identitäts- und Besitzkonzeptionen legt nahe, dass die herrschenden Unterdrückungs- und Gewaltverhältnisse, die auf weißen, rassistischen, patriarchalen, heteronormativen und europäischen Herrschaftsansprüchen basieren, nur gemeinsam mit den ausbeuterischen Eigentumsverhältnissen bekämpft werden können – und andersrum.

Es gibt heute (wieder) eine öffentliche Debatte darüber, wem die Mittel zur Produktion und Reproduktion unseres gemeinschaftlichen Lebens gehören (sollen). Fragen nach Vergesellschaftungsweisen haben die Debatten von reinen Verteilungsfragen gelöst, die lange den Horizont bildeten, wenn es darum ging, wie die bestehende Eigentumsordnung überwunden werden kann.

Im Kontext der Diskussion über Vergesellschaftung geht es darum, welche Formen des kollektiven Eigentums, der Kontrolle darüber und des Zugangs dazu wir uns vorstellen können. Wenn Privateigentum zu vergesellschaftetem Eigentum wird, dann bedeutet dies, in einem gewissen Rahmen gemeinsam über die Verwaltung von Gütern, Ressourcen etc. zu entscheiden. Gemeingüter oder vergesellschaftetes Eigentum führen zu einer Entprivatisierung bzw. Entindividualisierung der Verfügungsgewalt und bringen andere Beziehungsweisen mit sich. Doch lösen sie weder die Frage der Exklusivität oder des Ausschlusses von Gemeingütern noch die der Verfügungsgewalt über solche Güter endgültig. Gerade deshalb ist der Verweis auf die bestimmte Eigentumsförmigkeit sozialer und intimer Beziehungen weiterhin wichtig. Dabei geht es darum, wie Menschen und Bevölkerungsgruppen mithilfe von sich wandelnden Kategorisierungssystemen gesellschaftlich positioniert werden und somit der (Verfügungs)Gewalt anderer ausgeliefert sind, um (über)leben zu können (beispielsweise um Wohnraum zu er- oder zu behalten). Bei Diskussionen um ›Identität‹ geht es daher immer um mehr als um ›Symbolpolitik‹ – auch das machen die aufgezeigten Verbindungen zu Eigentum und Besitzkonzeptionen deutlich. Denn die Konstruktion von Identitäten und sozialen Merkmalen ist immer verwoben mit materiellen Fragen. Diese Perspektive – die darauf achtet, wie Eigentum Subjektivitäten konstituiert – lenkt den Blick darauf, dass es nicht nur dringend notwendig, sondern auch möglich ist, weit mehr zu erreichen als nur eine Umverteilung sozialer Güter und Ansprüche. Schlussendlich geht es dann nicht nur um einen Eigentumswechsel, sondern auch um ein anderes Sich-aufeinander-Beziehen. Die Eigentumsfrage wird damit – kritisch – zu einer Frage nach neuen Formen sozialer Beziehungen und Praxen des Zusammenlebens in Differenz ohne Ausbeutung und Unterdrückung.