Früher oder später wird sich die schrittweise Klimaveränderung in eine nicht mehr aufzuhaltende Katastrophe verwandeln. Um das zu verhindern, muss der Ausstoß an Kohlendioxid, Methan und anderen Treibhausgasen drastisch reduziert werden. Hierfür sind staatliche Regulierung und internationale Abkommen erforderlich, aber es bedeutet auch viel Arbeit – und also Arbeitsplätze. Wir müssen Wind-, Wasserkraft- und Solaranlagen bauen, wir müssen unsere Häuser renovieren und isolieren und ein preiswertes Bus- und Bahnnetz zur Verfügung stellen. Als Klimaaktivisten und Gewerkschafter fordern wir die britische Regierung dazu auf, eine Million Klima-Jobs zu schaffen.

In Großbritannien gibt es zweieinhalb Millionen Arbeitslose. In vielen Ländern wird derzeit die Erfahrung gemacht, dass die Absätze deutlich steigen müssen, bevor sich auch der Arbeitsmarkt entspannt. Wir haben lange Jahre der Massenarbeitslosigkeit vor uns. Eine Million Klima-Jobs werden nicht alle wirtschaftlichen Probleme des Vereinigten Königreichs lösen. Aber sie ermöglichen es einer Million Menschen, statt von Sozialhilfe leben zu müssen, an einer besseren Zukunft zu arbeiten.

Wir wollen Klima-Jobs, nicht »grüne Jobs«. Klima-Jobs sind Arbeitsplätze, die dazu beitragen, die Treibhausgase, die wir in die Luft blasen, zu reduzieren und somit den Klimawandel zu verlangsamen. »Grüne Jobs« können alles Mögliche sein – Arbeitsplätze in der Wasserwirtschaft, in Nationalparks, in der Landschaftspflege, in Vogelschutzgebieten, in der Schadstoffkontrolle usw.

Wir wollen eine Million neue Arbeitsplätze. Es geht uns nicht um bereits bestehende Arbeitsplätze, die irgendetwas mit Klima zu tun haben. Wir wollen keine alten Jobs unter neuem Namen oder mit dem Wort »nachhaltig« in der Berufsbezeichnung, und wir meinen auch nicht die Arbeitsplätze im Emissionshandel.

Wir wollen die neuen Arbeitsplätze – jetzt. Wir wollen, dass die Regierung jeden Monat 83 300 Arbeiter einstellt. Nach zwölf Monaten hätten wir so eine Million Arbeitsplätze geschaffen.

Wir wollen Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst. Diese Idee ist neu. Bislang haben sowohl Labour als auch die Konservativen darauf gesetzt, die Privatwirtschaft mit Hilfe von Subventionen und Steuernachlässen dazu zu bewegen, in erneuerbare Energien zu investieren. Dahinter steht die Vorstellung, den Markt über Anreize zu stimulieren. Wir dagegen wollen eine Form, die an die des staatlichen Gesundheitssystems (National Health Service) angelehnt ist: Die Regierung richtet eine Nationale Klimaagentur ein und diese beschäftigt das Personal für die viele Arbeit, die getan werden muss. Arbeit im öffentlichen Dienst bedeutet sichere, flexible und unbefristete Beschäftigung. Die Arbeiter mit den neuen Klima-Jobs werden nicht ihr Leben lang das gleiche tun. Sie werden umgeschult, wenn andere Arbeiten gebraucht werden.

Niemand wird außen vor gelassen. Zwar werden einige ihre Arbeitsplätze verlieren, wenn wir auf eine CO2-arme Wirtschaft umstellen. Aber die Nationale Klimaagentur könnte jedem, der durch die Umstellung seinen Job verliert, neue Arbeit zu gleichem Lohn garantieren und die nötige Umschulung organisieren. Viele Arbeiter haben Angst um ihre Jobs. Wir aber brauchen ihre Unterstützung. Auch sie sorgen sich wegen des Klimawandels, sie sind hin- und hergerissen zwischen der Rettung ihrer Arbeit und der Rettung unseres Planeten. Eine Garantie auf einen Arbeitsplatz würde den Knoten lösen. Aber wir müssen es damit auch ernst meinen. Sie müssen sicher gehen können, dass wir um ihre Arbeitsplätze kämpfen werden.

Eine Million Klima-Jobs werden weitere neue Arbeitsplätze schaffen. Die Nationale Klimaagentur wird Leute direkt beschäftigen – etwa für den Bau von Windkraftanlagen, für Montage, Installation und Wartung. Diese zählen zu den eine Million neuen Jobs. Dar- über hinaus braucht es Menschen, die in den Zulieferbetrieben arbeiten, die Stahl für die Turbinen und Schiffe liefern, die die Hämmer und Sägen für die Renovierungsarbeiten und die Farbe für die neuen Busse herstellen und die die diversen Dienstleistungen für die Nationale Klimaagentur ausführen. Eine angemessene Schätzung ist, dass durch die eine Million neuen eine weitere halbe Million »indirekter Arbeitsplätze« entstehen. Zusätzlich wird es »induzierte Arbeitsplätze« geben. Anderthalb Millionen Arbeiter werden mehr Geld ausgeben als zuvor, als sie noch von Sozialhilfe lebten. Sie werden Schuhe, Kleidung, Kameras, Angelruten oder Kino- und Konzertkarten kaufen, sie werden Essen gehen und ähnliches. Um diese Dinge herzustellen oder zu ermöglichen, müssen zusätzlich Leute eingestellt werden. Diese werden dann ebenfalls mehr Geld ausgeben können, was wiederum mehr Arbeitsplätze schafft. Eine angemessene Schätzung ist, dass eine zusätzliche Viertelmillion Arbeitsplätze entstehen. Wir gehen davon aus, dass die Nationale Klimaagentur 1,75 Millionen Menschen in Arbeit bringen wird. Selbst wenn wir berücksichtigen, dass wir gerade in den ersten zehn Jahren des Programms auch Arbeitsplätze verlieren, können wir mit einem Nettoanstieg in Höhe von 1,33 Millionen rechnen.

Klima-Jobs werden gute und sichere Arbeit sein. Die Regierung kann entscheiden, wo die Arbeitsplätze entstehen. Arbeit im Baugewerbe und im Transportsektor wird dort zunehmen, wo viele Menschen leben. Die Arbeitsplätze in der verarbeitenden Industrie aber können dort angesiedelt werden, wo sie am meisten gebraucht werden, und zwar ganz ohne teure Steuervergünstigungen für private Unternehmen. Menschen mit Behinderungen und Frauen, die sonst einige der Jobs nie bekommen würden, hätten eine Chance. Auch könnte Schulabbrechern durch Ausbildungsstellen ein besserer Start ins Leben ermöglicht werden. Außerdem wollen wir gerechten Lohn und gute Arbeitsbedingungen. Viele Klima-Jobs sind gefährlich. Ein Großteil ist Fabrikarbeit, oftmals mit giftigen Chemikalien. Arbeit auf See, auf Offshore-Windanlagen oder ähnlichem war schon immer riskant. Kein Vertrag kann eine angemessene Bezahlung, gute Arbeitsbedingungen oder Sicherheit wirklich garantieren, der Zusammenschluss in Gewerkschaften dagegen schon. Diejenigen, die in Zukunft für die Nationale Klimaagentur arbeiten, bekommen ihre Arbeit dank einer Massenbewegung. Sie werden in der Lage sein, sich zu organisieren.

Wie kann die Regierung eine Million neue Klima-Jobs finanzieren? Regierungen tun durchaus Dinge, die »zuviel kosten«, wenn es ihnen wirklich wichtig ist. Der Irakkrieg ist ein Beispiel dafür, die Bankenrettung ein weiteres. Als die Finanzkrise uns traf, mussten wir feststellen, dass Regierungen mal eben bis zur Mittagspause hunderte Milliarden Dollar oder Pfund ausgeben konnten. Ein Teil des Geldes werden sie zurückbekommen, aber niemand weiß, wie viel. Nach Schätzung des IWF hat die britische Regierung mindestens 200 Milliarden Pfund (ca. 232 Milliarden Euro) verloren. Das entspricht 8000 Pfund (ca. 9 283 Euro) pro britischem Arbeiter.

Wir schätzen, dass eine Million Arbeiter über den Zeitraum von zehn Jahren für weniger Geld beschäftigt werden können, als die Regierung in einem Jahr an die Banken verschenkt hat. Das liegt daran, dass eine Million Klima-Jobs die Regierung tatsächlich gar nicht sonderlich viel kosten. Die Regierung wird an Steuern und Sozialleistungen sparen. Wer seine Arbeit verliert, bezahlt deutlich weniger Steuern und nimmt mehr Sozialleistungen in Anspruch. Somit kostet jeder Arbeitslose die Regierung Geld. Die Regierung erhält weniger Steuern und muss zugleich mehr Sozialleistungen zahlen. Zusätzlich spart die Regierung durch die indirekten Arbeitsplätze.

Wenn die reichsten ein Prozent der britischen Bevölkerung fünf Prozent höhere Einkommenssteuern zahlen würden, ergäbe das zusätzliche Einnahmen von fünf Milliarden Pfund (5,8 Milliarden Euro) jährlich. Die reichsten ein Prozent der britischen Steuerzahler verdienen alle mehr als 100 000 Pfund (116 000 Euro) pro Jahr, ihr jährliches Durchschnittseinkommen liegt bei 225 000 Pfund (261 000 Euro). Mit Steuervergünstigungen zahlen sie zur Zeit 27 Prozent Einkommenssteuer. Würden sie fünf Prozent mehr zahlen, wären das immer noch lediglich 32 Prozent ihres Einkommens.

Unsere Regierungen haben lange Zeit die konventionelle Energieerzeugung und den Individualverkehr subventioniert. Autos wurden über die kostenlose Bereitstellung von Straßen und Brücken subventioniert. Die Flugindustrie wurde durch steuerfreien Treibstoff, den Ankauf von Militärflugzeugen und den Bau von Flughäfen subventioniert. Die Öl-, Gas- und Kohleindustrie wird von der Regierung unterstützt, ebenso der Bau von Pipelines. Es gibt buchstäblich hunderte weiterer solcher Beispiele. Doch die größten Subventionen sind überall auf der Welt in die Atomenergie geflossen.

Wir können uns die Klima-Jobs leisten. Selbst wenn das Geld nicht da wäre, müssten wir handeln, um den Klimawandel zu verhindern. Die britische Regierung schafft zur Zeit keine Arbeitsplätze. Stattdessen hat sie Haushaltskürzungen von 25 Prozent über fünf Jahre angekündigt. Das Land sei pleite, die Staatsverschuldung sei außer Kontrolle und Beschäftigte aus dem öffentlichen Dienst zu entlassen, löse das Problem – so das Argument. Erstens: Wir sind nicht pleite. Die britische Staatsverschuldung liegt bei 75 Prozent des Nationaleinkommens. David Cameron und George Osborne warnen nun davor, dass, wenn die Staatsverschuldung die 75 Prozent überschreitet, das Land »pleite« sei. Mit dieser Messlatte war Großbritannien für die meiste Zeit seiner Geschichte seit 1750 »pleite«. Im frühen 19. Jahrhundert lag die Verschuldung nicht bei 75 Prozent des Nationaleinkommens, sondern bei 200 Prozent. Zweitens: Mit den Kürzungen wird nicht viel gespart. Wenn die Regierung eine Arbeiterin entlässt, zahlt sie keine Steuern mehr und muss Sozialleistungen in Anspruch nehmen. Weil die entlassenen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ihre Arbeit verlieren, geben sie sehr viel weniger Geld für Waren und Dienstleistungen aus. Das bedeutet wiederum, dass andere ihre Jobs verlieren, ebenfalls keine Steuern mehr zahlen und Sozialleistungen beantragen müssen. Die öffentlichen Ausgaben inmitten einer Rezession zu kürzen, setzt eine Spirale nach unten in Gang.

Um unser Ziel zu erreichen, müssen Gewerkschafter und Klimaaktivisten zusammenarbeiten. Die Forderung nach einer Million Klima-Jobs hat das Potenzial, eine Massenbewegung für eine Alternative zu den Sparvorgaben hinter sich zu versammeln. Sie könnte den Fatalismus aufbrechen, von dem Gewerkschaften und Basisbewegungen schon zu lange befallen sind. Jeder Streik, der Arbeitsplätze sichert, kann auch Klima-Jobs schaffen. Autofabriken überall auf der Welt schrumpfen oder werden geschlossen. Die betroffenen Arbeiter können fordern, dass die Regierung ihre Arbeitsplätze rettet und die Fabriken auf Elektrobusse oder -autos umstellt. Von der Entlassung bedrohte Bauarbeiter können Arbeit in der Gebäudedämmung fordern. Fabrikarbeiter können eine Umstellung der Fabrikation auf energiesparende Waschmaschinen fordern. Wir können für eine Million Klima-Jobs als nationales Regierungsprojekt von oben kämpfen. Aber wir können für Klima-Jobs ebenso von unten kämpfen, Betrieb für Betrieb. Wir können zeigen, dass eine andere Welt praktisch möglich ist.

Aus dem Englischen von Daniel Fastner. Der Text ist ein Ausschnitt aus der Broschüre One Million Climate Jobs Now! Solving the economic and environmental crises, hgg. von der Campaign Against Climate Change Trade Union group UK, Oktober 2010. Sie wurde für die Gewerkschaften PCS, UCU und TSSA verfasst. Daran beteiligt waren Klima- und Umweltaktivisten, Gewerkschafter, Sozialisten sowie weitere Aktivisten, Intellektuelle und Wissenschaftler. Siehe www.climate-change-jobs.org.