Der Diskurs der Ökologie ist schizophren. Während die einen ihn mit Wachstum koppeln, pochen die anderen auf Verzicht. Beides geht am Problem vorbei. Stattdessen trifft die Wahrheit: Eine ökologische Wende zum Vorteil aller gibt es nur mit sozialer Gleichheit. Wachstum des Kapitals kann nicht ökologisch kompatibel sein, weil es mit steigendem Ressourcendurchsatz einhergeht. Den gilt es zu reduzieren, den Bergbau zurückzufahren und die Landnahme für Agrofuels und Nahrungsmittel zu stoppen. Anders als in der ziemlich angestaubten Nachhaltigkeitsdebatte gilt es, das gesellschaftliche Verhältnis zu benennen, das zum wachsenden Output an Produkten führt: das Kapital. Nicht eine nebulöse »Wirtschaft« wächst, sondern das Kapital und seine Macht, in Gestalt von Waren. Um die »Energiewende« und auch um den Ersatz nicht-erneuerbarer durch organische Materialien müssen wir uns keine Sorgen machen. Die herrschenden Klassen haben langfristig gar keine andere Wahl als diese Wende zu vollziehen und wissen oder ahnen das häufig auch. Die so genannte Green Economy soll der zukunftsfähige Kapitalismus sein. Sicherlich ist es wichtig, für eine rasche Wende hin zu den Erneuerbaren zu kämpfen, tendiert das Kapital doch dazu, die für es technisch viel günstigeren fossilen Energien und Metalle so lang wie möglich auszubeuten und darin getätigte Investitionen zu verteidigen. Noch wichtiger ist, den Kapitalismus zu überwinden, der die Technologien erneuerbarer Ressourcen zu ebenso katastrophalen Waffen gegen den Menschen schmiedet wie jene auf der Basis fossiler Stoffe. Biomasse, die in jedem künftigen Energie- und Stoffregime die Hauptrolle wird spielen müssen, ist ausgesprochen flächenintensiv; wie ja überhaupt die Fläche zur wichtigsten Ressource des post-fossilen Energie- und Stoffregimes werden wird. Die riesenhaften Ansprüche des Kapitals und der zu befriedenden Arbeiterklasse im globalen Norden, die nicht vom Auto lassen möchte, damit zufrieden stellen zu wollen, kann deshalb nur in groß angelegten Vertreibungen enden. Freilich, auch wer eine solche massenhafte Proletarisierung etwa in Afrika mit allem Zynismus, der dafür nötig ist, gut heißen wollte, sollte bedenken, dass nach Peak Oil und den Metall-Peaks, die etwa bei Kupfer auf der Tagesordnung stehen, das Kapital kaum mehr integrative Wirkung wird entfalten können wie im 19. Jahrhundert und insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg. Mit mehr als 20 Jahren Verspätung kommt nun ein Teil der Ökologiebewegung darauf, die Nachhaltigkeit kritisch zu hinterfragen. Niko Paech etwa predigt Verzicht mit Verweis auf so genannte Subsistenz (2011). Anders als in der Subsistenzperspektive der Bielefelder Feministinnen aus den 1990er Jahren (vgl. Mies/Shiva 1993) meint Paech damit aber nicht eine kollektive, solidarische und antipatriarchale Produktion jenseits von Kapital und Markt, sondern eine individualisierte, geschlechterblinde Armutsökonomie in vorgeblich regionalen Wirtschaften, die nach wie vor Teil eines Weltmarktes sein sollen. Beide Ansätze zu einer Ökologisierung verheißen also keineswegs Gutes. Die Mär vom Grünen Wachstum nicht, weil das Wachstum des Kapitals sich von steigenden Ressourcendurchsätzen nicht entkoppeln lässt. Profit ohne Maß zählt, nicht der Respekt vor Grenzen. Die Predigt des Verzichts nicht, weil die Ursache des Kapitalwachstums nicht der Konsum der Lohnabhängigen ist, und das Ausmaß des Konsums wie des Verbrauchs durch Investitionen gar nicht ihrem Einfluss unterliegt. Der Verzicht auf Warenkonsum, selbst wenn er eine gangbare Strategie darstellte, wäre jedoch ohnehin der falsche Ansatzpunkt. Denn das Kapital lässt nicht für die Befriedigung von Bedürfnissen via Warenkonsum produzieren, sondern für den Profit. Und der entsteht gerade aus dem Teil des Gesamtprodukts, der nicht konsumiert wird.

Ökologische Wende durch soziale Gleichheit?

Ein klassisches Thema der Linken, führwahr, führte die Gleichheit seit dem Aufstieg des Neoliberalismus doch ein Kümmerdasein. Zumeist überschattet von der nichts sagenden Gerechtigkeit, ebenso moralistisch gefärbt wie der Verzicht, wollte sich ihrer kaum eineR erinnern. Zu sehr war die Rechte damit erfolgreich gewesen, Gleichheit mit dem Verweis auf den angeblich realen Sozialismus zu denunzieren. Gleichheit bedeutet aber nicht die Beseitigung von Diversität, sondern bezweckt gerade die Entfaltung sozialer und individueller Vielfalt. Darüber hinaus ist eine Gesellschaft der sozialen Gleichheit mit Kommandostrukturen, wie sie den realen Sozialismus prägten, unvereinbar. Heute, am Beginn einer großen Krise epochaler Dimension, und angesichts von Massenprotesten gegen die gestiegene Ungleichheit, erinnern sich ihrer jedoch immer mehr. Und sie erhält ein noch viel schärferes, wissenschaftliches Profil, als es in den mehr intuitiv-emotional argumentierenden Bewegungen früherer Perioden der Fall gewesen ist. Soziale Gleichheit, so etwa Richard Wilkinson und Kate Pickett (2009), ist der wichtigste Faktor für Gesundheit und Wohlbefinden in den reichen Industrieländern und, so bliebe anzumerken, in den armen Ländern vermutlich ein ebenso wichtiger Wohlstandsfaktor wie der Güteroutput. Dagegen ist der absolute Güteroutput zumindest in den reichen Ländern für Gesundheit und Wohlbefinden gänzlich unerheblich.

Die Angst vor Statusverlust führt zu großem Stress (Dickerson/Kemeny 2004). Nicht nur Angst davor, auch ein niedriger sozialer Status als solcher führt zu mehr Stress (Wilkinson/Pickett 2009). Beide steigen mit der sozialen Ungleichheit. Status hängt in einer kapitalistischen Gesellschaft eng mit dem Einkommen zusammen und ist vor allem über Warenkonsum für andere sichtbar. Mit wachsender Ungleichheit, ablesbar am Einkommen, steigt daher auch der Warenkonsum und damit der ökologische Schaden. Die Kfz-Dichte steigt mit wachsender Einkommensungleichheit ebenso wie die durchschnittliche Größe von Wohnungen und der Wasserverbrauch, dagegen sinken Anteil und Länge der Radfahrten (Exner i.E.) und, wie Wilkinson und Pickett zeigen, sogar das Recycling. Auch der Inlandsmaterialverbrauch korreliert mit der Einkommensungleichheit, noch stärker aber mit der Profitquote. Je größer der Anteil der Profite am Volkseinkommen, desto mehr wird in einem Land verbraucht (Ebd.).

In jeder sozial ungleichen Gesellschaft gibt es Statuskonkurrenz. Unter den Bedingungen von Marktwirtschaft ist diese Konkurrenz allseitig, wirkt permanent, bar jeglicher moralischer Tabus oder sozialer Grenzen, und bedroht sogar das wirtschaftliche Überleben. Marktwirtschaft bedeutet, dass die Konkurrenz auf einer nach oben offenen, scheinbar endlosen Statusleiter verläuft. Geld, das den gesellschaftlichen Stoffwechsel unter der Herrschaft des Kapitals vermittelt und damit zum absoluten Reichtum und ersten Statusmarker aufsteigt, unterscheidet sich von sich selbst nur quantitativ. Es macht nicht satt. Das Streben danach ist folglich unersättlich. Je größer ein Vermögen, desto massiver der Zwang, desto eher aber auch die Möglichkeit, es noch weiter zu vermehren. Freilich gilt das nur für die Kapitalistenklasse, weshalb die innerhalb ihres Umfangs wirkende Statuskonkurrenz auch für das Kapitalwachstum von entscheidender Bedeutung ist. Die Kapitalistenklasse hat Zugriff auf die den Reichtum schaffende Potenz als solcher, menschliche Arbeitskraft. Den Lohnabhängigen dagegen ist die Akkumulation verwehrt. Die mehr oder weniger engen Grenzen ihres Konsums können sie nur kollektiv durch Umverteilung hinausschieben. Ihre Statuskonkurrenz ist daher ein Nullsummenspiel und vom Kapitalwachstum abhängig. Kommen wir auf den Zusammenhang von Inlandsmaterialverbrauch und Lohnanteil zurück: Ganz allgemein scheint mehr Gleichheit das Verantwortungsbewusstsein und die Solidarität zu erhöhen. Gleichere Länder schneiden besser am Global Peace Index ab und geben mehr von ihrem BIP für Entwicklungshilfe aus, dafür ist der Anteil der Werbeausgaben an ihrem BIP geringer (Wilkinson/Pickett 2009, 232, 61, 228). Soziale Gleichheit ist ein Schlüssel zur Ökologisierung, die der Gesellschaft gut tut anstatt die Verheerungen des Kapitalismus auch noch in das Zeitalter der erneuerbaren Energien und Stoffe mit vielleicht noch schärferer Gewalt fortzusetzen. Ihre positiven Auswirkungen bilden einen Dreischritt, der ökologisch erst den großen Sprung nach vorne möglich macht. Erstens ist soziale Gleichheit selbst der wichtigste, das Gute Leben fördernde Faktor zumindest in den reichen Industrieländern, und in den armen Ländern vermutlich ebenso wichtig wie der Güteroutput. Im Norden, der eine starke Schrumpfung des Output vollziehen muss, um dem Süden noch physisches Wachstum (nicht aber Kapitalwachstum) zu ermöglichen und global ein Degrowth zu erlauben, kann soziale Gleichheit daher Lebensqualität verbessern trotz sinkendem Output. In einer Studie des WWF ist Kuba das einzige Land mit einem hohen Entwicklungsniveau, das die Grenzen globaler Ressourcen-Gleichheit nicht überschreitet, gemessen am ökologischen Fußabdruck (WWF 2007, zit. in Wilkinson/Pickett 2009, 221); die Lebenserwartung ist gleich hoch wie in den USA. Zweitens erlaubt nur soziale Gleichheit, ökologisch schädliche Statuskonkurrenz und damit den Output konsensual zu reduzieren.Damit diese Reduktion im Sinn eines Solidarischen Postwachstums realisiert werden kann, ist drittens die Kooperation zwischen den produktiven und reproduktiven Einheiten unabdingbar. Umfassende Kooperation ist mit dem Markt nicht zu vereinen. Erst in einem kooperativen Zusammenhang kann es eine bewusste Verteilung von Ressourcen geben, die einen Ausgleich der historisch durchgesetzten Ungleichheiten zwischen Nord und Süd und unterschiedlichen sozialen Schichten bewirkt. Diese Kooperation benötigt soziale Gleichheit innerhalb der Betriebe. Sie kann nur auf genossenschaftlicher Grundlage florieren, was hier nicht die so genannte bürgerliche Rechtsform bezeichnen soll, sondern die gemeinschaftliche Kooperation im Sinne freier Assoziation, also wenn die Klassenspaltung überwunden ist. Dies nicht nur, weil die Trennung in Kapitalisten und Arbeitskraftverkäufer die Existenz einer »Marktwirtschaft« im Unterschied zu einer »Wirtschaft mit Märkten« (Polanyi 1977, 71ff) historisch begründet, die Ungleichheit der Einkommen erzeugt und als Betriebsalltag der Ungleichheit Legitimität verleiht. So hat eine Forschungsgruppe um Wolfang Weber gezeigt, dass in demokratischen Betrieben mit weitgehender Gleichheit prosoziale Orientierungen und demokratische Einstellungen auch gegenüber der Gesellschaft, ganz im Sinn einer Solidarischen Ökonomie, stärker ausgeprägt sind als in kapitalistischen Betrieben (Weber u.a. 2009, Unterrainer u.a. 2011). Soziale Gleichheit fördert also solidarische Beziehungen anstelle der strukturell rücksichtslosen Marktverhältnisse, in denen nur das Tauschobjekt zählt und der Mensch bloß als Vehikel. Beziehungen mehren Vertrauen: die wichtigste Vorbedingung für freiwillige Kooperation. Kooperation bestärkt Gleichheit, weil sich benachteiligte Gruppen besser Gehör verschaffen – ein Tugendzirkel, der sich in allen Strukturen einer solidarischen Postwachstumsgesellschaft vollzöge, bis zur kontinentalen Kooperation. Im Kapitalismus nimmt die soziale Ungleichheit in Gestalt der Klassenspaltung, worüber sich als feine Textur die Einkommensungleichheit legt, eine zentrale Stellung ein. Das Kapital ist eben nicht ökonomistisch verkürzt zu verstehen, sondern umfasst eine Reihe von geschlechtlichen, ethnischen und anderen Hierarchisierungen, wie zum Beispiel Silvia Federici für die Geschlechterverhältnisse gezeigt hat (2004). Herrschaftsfreiheit im Allgemeinen und die Überwindung des Kapitalverhältnisses durch Ausweitung Solidarischer Ökonomien und von Commons im Besonderen bilden den Zugang zum Postwachstum (Exner/Kratzwald 2012). In herrschaftsfreien Strukturen ist die Statuskonkurrenz stark abgeschwächt und strebt nicht mehr zum wachsenden Kommando über die Lebenszeit anderer Menschen und ihrer Produkte. Erst durch den Abbau von sozialer Ungleichheit, das heißt auch von Herrschaft, wird Postwachstum möglich: nämlich solidarisch. Wird eine solche Gesellschaft neue Ungleichheiten mit sich bringen? Das mag sein, denn sie entsteht ja nicht am Reißbrett; sie wird erst in sozialen Kämpfen entwickelt und durchgesetzt. Historische, von Egalität geprägte Gesellschaften verfügten über wirksame Mechanismen sozialen Ausgleichs. Gleichheit wird ebenso wie Ungleichheit sozial hergestellt. Es verwundert folglich nicht, dass etwa geschlechtsegalitäre Gesellschaften durchaus partielle Ungleichheiten zeigen können, wie Ute Luig und Ilse Lenz darstellten (1995). So verstanden bedeutet Egalität also nicht unbedingt die Freiheit von jeglicher Normierung und damit gesetzten Ausschlüssen. Soziale Gleichheit in ihrem tiefsten Sinn zeigt sich dagegen gerade in ihrer Akzeptanz der Vielfalt und der Auflösung von Normierung. Auch ist keineswegs vorauszusehen, wie weit eine Solidarische Postwachstumsökonomie historisch durchgesetzte soziale und ökologische Ungleichheiten rückgängig machen wollte oder könnte. Sie müsste dazu beispielsweise einen bedeutenden Teil der in Infrastrukturen festgelegten Metalle global umverteilen. Es hängt also davon ab, wie sich eine solche Gesellschaft konkret herstellt. Es gibt starke Argumente, dass soziale Gleichheit eine Verabschiedung von Markt, Staat und eine so weit wie möglich gehende Auflösung von Zwangsnormierungen bedeuten muss. Dies würde einen bedingungslosen Zugang zum kulturell Lebensnotwendigen mit einbegreifen. Ohne einen solchen Zugang, den die strategisch interessante Idee des Grundeinkommens in widersprüchlicher, weil noch an die Geldform und damit an das Kapital gebundener und den Staat voraussetzender Weise thematisiert, könnte sich leicht eine Abhängigkeit von bestimmten sozialen Gruppen ergeben. Diese würde erpressbar machen, Ungleichheiten provozieren und deren Verfestigung ermöglichen. Freilich, menschliche Voraussicht ist begrenzt, die Gesellschaft ist nicht steuerbar und eine Anpassung an neue ökologische Bedingungen häufig schon von sich aus schwierig und fehleranfällig. Gleichheit schützt sicherlich nicht vor Unwissenheit, die auch ökologische Krisen heraufbeschwören kann. Jedoch, ohne Gleichheit nützt alles Umweltwissen nichts.