Wir veröffentlichen hier einen aktualisierten Teil der gleichnamigen Broschüre der Autorin, Heft 226 der Reihe „Pankower Vorträge“, die von Helle Panke e.V. – Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin herausgeben wurde. Dieser Ausschnitt fokussiert vor allem auf die Bodenfrage auf dem Land und in den Kommunen.

Warum dieses Thema?

Der Boden ist keine Ware wie jede andere, kein normales Konsumgut. Er ist begrenzt verfügbar, nicht beliebig reproduzier- oder vermehrbar, als Fläche auch nicht transportabel. Er ist ein Klimaakteur, indem er der Atmosphäre CO2 entzieht und eine Kühlfunktion hat. Wie Luft und Wasser ist er ein Grundlebensmittel und damit unentbehrlich für jeden Menschen. Die Crux: Seine Verfügbarkeit ist begrenzt, das Privateigentum daran aber nicht. Das ist ein nach Auflösung drängender Widerspruch, auch angesichts einer wachsenden Bevölkerung. Dass der Boden privat sein muss, ist nicht naturgegeben, es ist in Gesetzen niedergeschrieben, und die sind von Menschen gemacht und können geändert werden.

In der Bundesrepublik Deutschland gewährleistet das Grundgesetz das Eigentum, auch das private an Grund und Boden. Diese Gewährleistung schließt aber keinen Renditeschutz ein. Die Sicherung unbegründeter Eigentumsakkumulation ist nicht Inhalt des Eigentumsschutzes. „Ungleichheit darf ein gewisses Maß nicht überschreiten, sonst geht sie über in Unfreiheit”. Darauf hatte schon der inzwischen verstorbene Rechtsdenker und ehemalige Verfassungsrichter Ernst -Wolfgang Böckenförde (ein Sozialdemokrat) 1995 in seinem Sondervotum zur Reformierung der Vermögensteuer hingewiesen. Ein Gedanke, an den es angesichts der “spekulativen Geldmaschine Grundeigentum” anzuknüpfen gilt. Es gibt kein grundgesetzlich verankertes Recht auf Wuchermieten und maßlose Renditen durch Bodenspekulation. Dazu hatte das Bundesverfassungsgericht anlässlich einer Klage zur sogenannten Mietpreisbremse der Vermieterseite folgende Ansage gemacht: „Auf dem sozialpolitisch umstrittenen Gebiet des Mietrechts müssen Vermieter mit häufigen Gesetzesänderungen rechnen und können nicht auf den Fortbestand einer ihnen günstigen Rechtslage vertrauen. Ihr Vertrauen, mit der Wohnung höchstmögliche Mieteinkünfte erzielen zu können, wird durch die Eigentumsgarantie nicht geschützt.“ Das Private unterliegt also Grenzen, die das Gemeinwohl setzt. Deshalb gehört die Frage, wem gehört das Land zu den zentralen strategischen Zukunftsfragen der Gesellschaft.

Privates Grundeigentum ist kein Naturrecht. Schicksal und Wohlbefinden von Stadt- und Landbewohnern dürfen nicht von Spekulation und Gewinnerzielungsabsichten weniger Besitzender abhängig sein.


Wohnen ist für alle existenziell, also ein Grundrecht und bezahlbares Wohnen eine Frage der Menschenwürde. In der freien Marktwirtschaft aber, in der Befürworter die beste aller Welten sehen, ist eine so grundlegende Sache wie das Wohnen keine Selbstverständlichkeit oder gar ein Recht, sondern eine Frage des Angebots und der Zahlungskraft. Das Grundgesetz garantiert Freizügigkeit (also das Recht der freien Wahl des Wohnorts), aber kein Recht auf eine bezahlbare Wohnung. Art.14 GG “Eigentum verpflichtet” muss also auch für Immobilienkonzerne und für Wohnungseigentümer generell als Gebot gelten, nicht ausschließlich dem auf Profitmaximierung gerichteten Individualinteresse zu folgen. Sonst mutiert Wohnen zum Luxusgut. Dem Recht auf Wohnen gebührt Vorrang vor dem Profitinteresse. Das zu sichern, erfordert eine Novellierung des Bodenrechts. Eine soziale Bodenordnung ist zur Humanisierung des Zusammenlebens der Menschen unverzichtbar und überfällig. Der Markt hat eklatant versagt, das Wohnungsproblem zu lösen. Besonders in Bereichen der Daseinsvorsorge und der Strukturen, die den sozialen Zusammenhalt und das Gefühl einer funktionierenden Gesellschaft vermitteln, haben Markt und Profit nichts verloren. 


Nachdem das Bundesverfassungsgericht im April 2021 das Vorhaben der Berliner Landesregierung gestoppt hat, per Mietendeckel die Explosion der Wohnkosten zu dämpfen, kommt der Drosselung der Bodenpreise eine primäre Bedeutung zu. Wohnungspolitik allein kann gegen Bodenspekulation wenig ausrichten. (…)

Boom von Ackerlandpreisen

In vielen Dörfern, vor allem aber nicht nur in Ostdeutschland, herrscht Konkurrenz um Agrarflächen wie bei Bauland auf dem Wohnungsmarkt der Großstädte. Galoppierend entwickeln sich dementsprechend nicht nur Baulandpreise, sondern auch die Preise für Acker- und Grünland. Diese sind laut Bundeslandwirtschaftsministerium je Hektar seit 2005 um 193 Prozent gestiegen. Im Bundesdurchschnitt wurden 25.500 € je Hektar gezahlt, in Ostdeutschland waren es 15.600 €. Auch dieser Auftrieb wurde nach der Finanzmarktkrise durch die niedrigen Zinsen und den dadurch geförderten Run auf „grünes Gold“ als langfristig sichere Kapitalanlage angeheizt. In Mecklenburg/Vorpommern, Brandenburg und anderen neuen Bundesländern erwarben so genannte “Tiefladerbauern” aus Niedersachsen, aus Holland und anderen Gegenden große, vordem zu Volkseigenen Gütern (VEG) gehörende Ackerflächen. Diese bestellen sie im Frühjahr mit eigenen, auf Trucks mitgebrachten Maschinen und ernten auf gleiche Weise im Herbst. Arbeitsplätze für ortsansässige Menschen entstehen dort nicht. Auch Branchenfremde wie die schon genannte finanzstarke Allianz, aber auch die Münchener Rückversicherung, die Stiftung der Industriellenfamilie Zech, eine Stiftung der Aldi-Erben, selbst Möbelproduzenten und Lebensmittelhändler wie Lidl, Aldi, Logistik-Riese Fiege und andere sind mit ihrer Nachfrage an der „Landnahme“ beteiligt und heizen Boden- und Pachtpreise an. Ortsansässige Landwirte und Existenzgründer können die nicht bezahlen. Ihnen bleibt oft nur, in Städte abzuwandern, um dort Wohnung und Arbeit zu suchen. Auch den traditionellen Agrargenossenschaften machen sie die Lebensgrundlage streitig. Bewirtschafteten diese 1999 mit 1,7 Millionen Hektar noch rund 30 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Ostdeutschland, so sind es aktuell nur noch 23 Prozent. 

Der Verkauf ehemals volkseigener Flächen geht weiter. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) hat laut Auskunft des Bundesfinanzministeriums an die Fraktion Die Linke im Bundestag im ersten Halbjahr 2019 rund 80 Prozent ihrer verkauften Liegenschaften an privat abgegeben. Die Bima gehört dem Bund und ist mit 466.000 Hektar und etwa 36.000 Wohnungen eine der größten Immobilieneigentümerinnen Deutschlands. Von den 613 verkauften Liegenschaften wurden 492 an Privatpersonen oder private Unternehmen veräußert. In 65 Fällen ging es um land- oder forstwirtschaftliche Flächen. 121 Liegenschaften wurden an Gebietskörperschaften, also die öffentliche Hand, abgegeben. 

Ein wesentlicher Treiber für den stetigen Anstieg der Bodenpreise sind sogenannte Share Deals (Anteilsverkäufe). Sie erlauben auch Investoren aus dem nicht-agrarischen Bereich, in den Besitz von Boden zu kommen. 

Das „Landgrabbing“ durch große, zum Teil branchenfremde Betriebe hat riesige Ausmaße angenommen. In Mecklenburg/Vorpommern lagen nach einer Studie des bundeseigenen Thünen-Instituts anno 2017 41 Prozent der Flächen in den Händen nicht ortsansässiger, überregional agierender Eigentümer. Das war bundesweit trauriger Spitzenwert. Es folgten Sachsen mit 32, Thüringen mit 23 und Sachsen-Anhalt mit 22 Prozent. Als ortsansässige Agrarbetriebe definiert das Institut dabei jene, deren Eigentümer weniger als 30 bis 50 km vom Sitz des Unternehmens entfernt wohnen.

Der Einstieg zahlungskräftiger überregionaler Riesen in die Landwirtschaft hat die Boden- und Pachtpreise explodieren lassen. Ortsansässige Landwirte haben mangels erforderlichen Kapitals das Nachsehen. Die Folgen: Höfe gehen kaputt, junge Leute verlassen die Dörfer, da große Betriebe im Schnitt pro Hektar mit weniger Arbeitskräften auskommen, und die Kulturlandschaft leidet. Aspekte wie Landschaftspflege und Dorfentwicklung spielen für Branchen- und Ortsfremde bei unternehmerischen Entscheidungen eher eine untergeordnete Rolle. Eigentlich können die Behörden laut Grundstücksverkehrsgesetz Käufe von Ackerland verhindern, wenn der Erwerber nicht Landwirt ist und ein Bauer die Fläche benötigt. Diese Regeln aber werden umgangen, wenn der Käufer im Rahmen eines sogenannten Share Deals nicht das Land allein erwirbt, sondern Anteile an Agrarbetrieben, denen der Boden gehört oder die Eigentümergesellschaft ganz kauft. Skandalös obendrein: Die „Investoren“ drücken sich damit um die Grunderwerbssteuer. Und der Clou: Die Gewinne aus der Nutzung des Bodens und milliardenschwere Agrarsubventionen fließen aus den Gemeinden ab, denn überregionale Kapitaleigentümer zahlen keine Ertrags- oder Einkommensteuer am Sitz ihrer Tochterunternehmen, sondern am Wohnort, und der ist meist in wohlhabenderen westlichen Gefilden. Attraktiv ist der Landkauf im Osten auch wegen der je Hektar gezahlten EU-Agrarsubventionen. Die versprechen angesichts des Niedrigzinsniveaus für andere Anlagen eine sichere Rendite. 

Diese Praktiken wären längst vermieden worden, wenn die Bundesländer Agrarstrukturgesetze verabschiedet und somit klare Linien für Erwerb und Nutzung von Agrarflächen formuliert hätten. Denn seit der Föderalismusreform von 2006 sind sie für das landwirtschaftliche Bodenrecht zuständig und damit für die Reformierung des Grundstücksverkehrsgesetzes des Bundes. Geschehen ist das bisher nur in Baden-Württemberg. In Brandenburg sollte ein derartiges Gesetz im Jahre 2021 verabschiedet werden (ein Entwurf wird derzeit noch geprüft, Stand Februar 2022, Anm. d. R.). Auf solcher Basis können Landesregierungen intervenieren, wenn Flächenverkäufe an agrarfremde Investoren erfolgen sollen oder Verpachtungen gegen bestimmte Prinzipien verstoßen. 

In Mecklenburg/Vorpommern wollten Bauern nicht länger warten bis das entsprechende Gesetz in ihrem Bundesland vorliegt. Einige haben Genossenschaften gegründet, zum Beispiel eine Biobodengenossenschaft. Mit Einlagen der über 4.600 Mitglieder hat der Verband bereits mehrere Tausend Hektar Land aufgekauft und gezielt den Biobauern vermittelt. 

Eine dringende gesellschaftliche Aufgabe ist es, den noch im Bundesbesitz verbliebenen Boden im öffentlichen Eigentum zu halten und langfristig an Landwirte zu verpachten. Auch wenn Bauern aus Altersgründen ihren Hof abgeben, kann der Boden aufgekauft, in einem öffentlichen Bodenfonds gehalten und der Verpachtung zugeführt werden. 


Eine Art ursprüngliche Akkumulation wie in Ostdeutschland geht im Agrarsektor auch in anderen ehemals sozialistischen Ländern Osteuropas vor sich. Dieses Thema hat also nicht nur nationale Bedeutung. Bodeneigentumsverhältnisse und Bodenpreisentwicklung spielen ebenfalls global eine relevante, leider jedoch negative Rolle. Zu denken ist besonders an die Aneignung großer Flächen in Afrika durch kapitalkräftige Spekulanten.

Einer, der den Erwerb von Grund und Boden als sicheres Investment mit hohem Inflationsschutz rasch erkannt hat und überaus professionell nutzt, ist der US-Mehrfachmilliardär Bill Gates. Er ist der größte Farmerlandbesitzer in den USA. Er nennt aktuell fast 110.000 Hektar Agrarboden in 18 unterschiedlichen Bundesstaaten sein eigen. Nicht, dass er das Land selbst beackert bzw. beackern lässt, er ist Pächter, kauft Ackerflächen und verpachtet sie. Sie werden immer wertvoller. Die Verdoppelung der Bodenpreise innerhalb von zehn Jahren ist keine Ausnahme, sondern die Regel.

»Krieg« gegen den Boden 

Besorgniserregend ist, dass -verstärkt durch die Zunahme agrarfremder Bodeneigentümer – aus Profitgründen ein “Krieg gegen den Boden” geführt wird. Er wird betoniert, asphaltiert, gebaggert, planiert und versiegelt. Flussläufe werden weiter begradigt. Nur ein Drittel der ursprünglichen Überflutungsflächen stehen bundesweit noch zur Verfügung. Die restlichen Flächen sind zugebaut mit Infrastruktur, Gewerbe, Industrie und Wohnhäusern, so der NABU-Präsident im Juli 2021. Dem Land wird Ackerboden dadurch entzogen, dass verkaufte Flächen zum Beispiel für die Errichtung von Solarfeldern zur Energiegewinnung zweckentfremdet werden. Noch nie in der Geschichte ist die Menschheit derart flächendeckend gegen die eigenen Lebensgrundlagen – wörtlich – zu Felde gezogen. Die üblich gewordene Form der Bodenbearbeitung tötet nicht nur das Leben im Boden, sondern sorgt auch für massive Erosion durch Wind und Wasser. „So gehen täglich in Deutschland Bodenflächen in der Größe von 150 Fußballfeldern verloren.” (Schwinn 2019, 100) Dazu trägt auch die Erteilung von Baugenehmigungen für landwirtschaftliche Flächen bei, wodurch sich deren Wert um ein Vielfaches steigert. Der Zugewinn fließt in die Tasche des Bodenbesitzers.

Die jüngste Hochwasserkatastrophe hat überdeutlich gemacht, dass eine nachhaltige Bewirtschaftung der Äcker und Felder bessere Möglichkeiten bietet, Wasser absickern zu lassen, als die intensive Bewirtschaftung von Flächen. Vorgeschlagen wird von Fachleuten das Aufbrechen versiegelter Flächen in Siedlungen durch Begrünungen, um große Wassermengen so ablaufen zu lassen, dass sie keine großen Schäden anrichten können.

Naturverträgliche Landwirtschaft beruht seit Jahrhunderten auf vielgliedriger Fruchtfolge. Die aber wird wegen des Profitstrebens verdrängt. Der Anbau konzentriert sich zunehmend auf die Kette Mais-Roggen-Raps-Mais-Roggen-Raps. Dabei gehören auch Kartoffeln und Rüben auf den Acker und Klee, Lupine, Erbsen, um die Stickstoffbilanz der Böden anzureichern! Artenschutz wird wegen des Plusmachereifiebers zum Fremdwort, und biologische Vielfalt geht verloren. Auch angestammte Bauern können sich dem Kostendruck nicht entziehen, aber die wirklichen Profiteure sitzen eher in den Konzernzentralen des vor- und nachgelagerten Bereichs, die ihre Profitgier gnadenlos mit erpresserischer Marktmacht durchsetzen können. 

 Leitbild müssen Landwirtschaft und Ernährung werden, die die sichere und gesunde Versorgung der Bevölkerung und den Landwirten ein auskömmliches Leben gewährleisten statt maximale Profite der Konzerne, die mit der Produktion möglichst billiger Waren für einen sozial und ökologisch blinden Weltmarkt produzieren. Gefördert gehören Stoffkreisläufe mit regionaler Verarbeitung und Vermarktung, mit minimierten Transportwegen sowie Schutz der Biodiversivität und des Klimas. So können Ernährungssouveränität gesichert und gleichzeitig die ländlichen Räume erhalten und gestärkt werden. 

Generierung leistungsloser Einkommen

Das Privateigentum an Grund und Boden erbringt leistungslose Einkommen. Es wirkt als „stille, aber gigantische Umverteilungsmaschine“ (Löhr 2018) nicht selten durch Geldwäsche per Betongold. Das Bundeskriminalamt geht davon aus, dass in Deutschland pro Jahr rund 100 Milliarden Euro aus illegalen Quellen (Drogen- und Zigarettenhandel, Waffenschmuggel, Schwarzarbeit, Erpressung, Steuerhinterziehung, Raub, Zwangsprostitution usw.) in den legalen Wirtschaftskreislauf geschleust werden. (…)

Den größten Anteil am rasant wachsenden Nettovermögen reicher Haushalte in Deutschland stellen Immobilien dar. Leistungslos sind diese Einkommen, weil der Bodenpreis in den Städten ein Produkt der Gesamtleistung aller städtischen Akteure und nicht der Bodeneigner ist. Es war John Stuart Mill (1806–1873), einer der Väter des Liberalismus, von dem der Satz stammt: »No man made the land«. Kein Grundstückseigentümer hat dessen Wert selbst geschaffen. Erst die öffentlichen Vorleistungen, die von der Allgemeinheit, den Steuerzahlenden finanzierte Planung, die Infrastrukturinvestitionen, die kommunale Organisation etc. verleihen dem Boden seinen Wert. Die private Aneignung und Maximieruneg dieses Wert- und Preisanstiegs bestraft letztlich viele von denen, die einen hohen Anteil an der Aufwertung der Grundstücke haben. Das sind vor allem die Zahler von Lohn- und Verbrauchssteuern. Das Bodeneigentum selbst wird dahingegen bislang nur in homöopathischen Dosen besteuert. Vor allem die Mieter in Großstädten zahlen doppelt: Steuern für die Finanzierung der Infrastruktur, die die Grundstücke aufwertet und dem Boden Wert verleiht und dann die erhöhten Mieten, in denen sich die gestiegenen Bodenerträge widerspiegeln. Öffentlich geschaffene Werte werden also in großem Maße privatisiert. Gleichzeitig werden Mieterinnen und Mieter durch steigende Mietkosten schleichend enteignet, weil sie immer mehr von Lohn bzw. Rente (im Schnitt 30 Prozent, oft mehr) fürs Wohnen ausgeben müssen. Es findet also eine rasante Umverteilung von den Einkommen lohn- bzw. rentenabhängiger Mieter zu Kapitalvermögenden statt.

Den Aktionären der Immobilienkonzerne hat die Wohnungsnot in den vergangenen fünf Jahren eine Verdoppelung ihrer Aktienwerte eingebracht. Daran, am Shareholder-Value, wird der Erfolg ihrer Manager gemessen, nicht am Wohl von Wohnungssuchenden. (…)

Ansätze, die Spekulation mit Grund und Boden kurzfristig einzudämmen 

Was wären Ansätze dazu, wie wäre unmittelbar Machbares mit einem längeren Horizont zu verbinden, wie wäre die Spekulation mit Grund und Boden einzudämmen und so zu anderen als den gegenwärtigen Gesellschaftsverhältnissen beizutragen? 
 

  • Zunächst geht es um die parlamentarische Abwehr aller Versuche, Gebote des Grundgesetzes auszuhöhlen oder gar abzuschaffen, die auf Schutz von Formen der Gemeinwirtschaft hinauslaufen. Ich erinnere mich, wie in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre die damalige FDP-Fraktion (allerdings vergeblich) den Antrag in den Bundestag einbrachte, Artikel 15 aus dem Grundgesetz zu streichen, um jedweden „neuen Enteignungs- und Sozialismus-Versuchen zu wehren“. Artikel 15 besagt bekanntlich, dass Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden können. Die Liberalen hätte wenigstens nachdenklich stimmen können, was schon die ansonsten gern zitierte und einer besonderen Sozialismus-Nähe unverdächtige Hannah Ahrendt zur Eigentumsfrage festgestellt hatte, nämlich: „In dem Streit zwischen Kapitalismus und Sozialismus wird meist vergessen, dass es der Kapitalismus war, der mit Enteignungen angefangen hat.” (Ahrendt 1998, 76, 80–81) Nichts dergleichen ist geschehen. Die Liberalen riefen 2019 Artikel 15 abermals und wiederum vergeblich als Problem auf, sehen darin ein Verfassungsrelikt. Bei einer möglichen Beteiligung an einer Bundesregierung werden sie wieder versuchen, Hand an Artikel 15 GG zu legen.
  • Städte und Kommunen sollten mit einem preislimitierten Vorkaufsrecht für zu veräußernde private Immobilien ausgestattet werden, damit sie sich nicht weiter dem spekulativen Markt unterwerfen müssen. Bodenverfügbarkeit entscheidet über die Gestaltungsfähigkeit der Kommunen.
  • Dringlich wäre ein Moratorium für die Privatisierung von ehemals volkseigenem Grund und Boden. Die Privatisierung der noch in Regie der Treuhandgesellschaft BVVG befindlichen Flächen soll bis 2030 abgeschlossen sein. Der Behörde waren Anfang der 1990er Jahre 3,68 Millionen Hektar landwirtschaftlicher, ehemals ostdeutscher volkseigener Flächen übertragen worden. Die waren 2020 bis auf 250.000 Hektar privatisiert. Das ist zwar nur noch ein Rest, aber hier könnte der Privatisierung, also dem Verkauf an Private, durch Verpachtung sofort eine Grenze gesetzt werden. 
  • Allein in Mecklenburg/Vorpommern hat die dem Bundesfinanzministerium unterstellte Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) in den letzten 10 Jahren knapp 2.000 Liegenschaften mit einer Gesamtfläche von 1.845 Hektar meistbietend verkauft. Erlös: 107 Mio Euro. Die Angaben stammen aus der Antwort auf eine von der Linksfraktion im Bundestag gestellte Anfrage. Zumindest die restlichen Bundesliegenschaften (z.B. das Flugplatzgelände Neubrandenburg/Trollenhagen, Teile der Kaserne Fünfeichen in Neubrandenburg usw.) müssen in öffentlicher Hand verbleiben. 


Im Land Brandenburg verfügt die BVVG (Bodenverwertungs- und –verwaltungs-GmbH) noch über 36.300 Hektar Ackerland. Es besteht die Gefahr, dass Agrarkonzerne und Fonds die Felder aufkaufen und auf eine enorme Wertsteigerung spekulieren, die durch Umwidmung zu Bauland zu erwarten wäre. Richtig wäre die Abgabe der Flächen an das Land. In Sachsen-Anhalt hat die BIMA im 1. Halbjahr 2019 laut Auskunft des Bundesfinanzministeriums rund 80 Prozent ihrer verkauften Liegenschaften an privat abgegeben. (…)

Gegenwärtig mögliche Schritte in Richtung einer gemeinwohlorientierten Bodenordnung

Auch wenn etwas mit einer „Bodenreform“, die den Namen verdient, nicht in Sicht ist, darf das Ziel nicht aus den Augen verloren werden. Es können kurz- und längerfristige Schritte in Richtung einer gemeinwohlorientierten Bodenordnung gemacht werden. 

Möglichkeiten wären: 

  • die Aufnahme von Regelungen in die Verfassungen der Bundesländer für den demokratischen Umgang mit noch im öffentlichen Eigentum befindlichen Flächen. In Berlin z.B. müssten Schulgebäude auch auf Baugrundstücken des Bundes errichtet werden können. Insbesondere das Mittel des Erbbauvertrages sollte als Möglichkeit in Betracht gezogen werden. Dann könnte das Land ein Schulgebäude auf einem BIMA-Grundstück gegen Zahlung eines Erbbauzinses errichten und unterhalten.
  • Auch bundeseigene Grundstücke und Gebäude sollten zukünftig nur noch an Kommunen und Genossenschaften und in Erbpacht abgegeben werden.
  • Freie kommunale Wohnungsbauflächen sollten nur noch per Erbbaurecht[1] vergeben werden, was ermöglicht, über Baugemeinschaften und Genossenschaften bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und so soziale und ökologische Projekte zu fördern. Berlin hat damit begonnen.
  • Keine Vergabe von öffentlichen Grundstücken an den Meistbietenden des Immobilienmarktes. Es sollte Festpreise geben.
  • Wirkungen erzielen könnte auch die generelle Verpflichtung, finanzschwächere Kommunen beim Kauf von Bodenflächen aus Landesbesitz zu unterstützen, um dort bezahlbaren Wohnraum entstehen zu lassen. Kommunale Bodenpolitik ist die beste Gewähr für den Zugang zum Boden – beispielsweise über öffentliche Bodenfonds, an denen auch Bürgerbeteiligung möglich sein sollte.
  • Überfällig ist ein Verbot des Verkaufs von Ackerland an branchenfremde Großinvestoren, die in den Dörfern keine Arbeitsplätze schaffen, heimische Landwirtschaftsbetriebe verdrängen, die Landflucht anheizen, was wiederum das Wohnungsproblem in den Großstädten verschärft und die obendrein vor Ort keine Steuern zahlen. Bevorzugt ausgeweitet gehört der genossenschaftliche Sektor.
  • Geschaffen werden sollten in jedem Bundesland ein zum Beispiel als Stiftung oder Landesgesellschaft organisierter und vor künftiger Privatisierung geschützter gesellschaftlicher Bodenfonds. In den könnten die noch von der Bodenverwertungsgesellschaft verwalteten Flächen, solche von erbenlosen Eigentümern/Bewirtschaftern oder solche aus Schenkungen eingehen. Bei der Verpachtung dieser Flächen sollten agrarstrukturelle Ziele Vorrang haben vor fiskalischen Zielen. Die Entscheidung über Verpachtungen sollte nicht nur nach Höchstgebot, sondern auch nach geplanter Art der Bewirtschaftung erfolgen.
  • Land(frei)kauf, indem ein Hof aus traditionellem Familienbesitz in gemeinnützige Trägerschaft überführt wird. Beispiele dafür gibt es in Norddeutschland. Rechtsträger sind in der Regel eingetragene Vereine. 
  • Erstellung einer „Höfeordnung“, die die Übergabe des Hofes an die nächste Generation regelt, ohne die Wirtschaftlichkeit zu gefährden und zu verhindern, dass Gutbetuchte aus fremden Regionen den ersten Zugriff haben. 
  • Beschränkung der Flächengrößen, die an einzelne Interessenten verkauft werden, vor allem Verhinderung der Flächenkonzentration in den Händen weniger Großkonzerne. Ende 2017 gab es nach Auskunft des Bundeslandwirtschaftsministeriums sogenannte Agrarholdings, die bis zu 30 Standorte mit 20.000 Hektar und mehr Fläche bewirtschafteten. 
  • Erhebung einer Steuer auf gehortete, nach einer bestimmten Frist nicht der Bewirtschaftung zugeführte Flächen. 
  • Einführung einer Bodengewinnsteuer zur Verhinderung der spekulativen Baulandpreisexplosion.[2]
  • Die Anhebung der Grunderwerbssteuer wie mitunter gefordert, ist m. E. keine tragfähige Idee. Wohlhabende hält das nicht davon ab, Grundstücke zu kaufen, sie zunächst zu horten und damit zu spekulieren. Da die Grunderwerbssteuer die einzige von den Kommunen autonom gestaltbare Steuerquelle ist und ihnen zufließt, gibt es dort durch eine entsprechende Steuersatzgestaltung ein Erhöhungsinteresse. 
  • Knüpfung europäischer Netzwerke, um Einfluss auf die Gemeinsame Agrarpolitik der EU zu nehmen, die bislang dem Landraub kein Stoppsignal setzt. So sind die jährlichen Direktzahlungen von 285 Euro pro Hektar problematisch, die Agrarbetriebe von der EU erhalten. Da es keine Begrenzung der Zahlungen gibt, sind diese ein sicheres Einkommen für Investoren. Ebenfalls bedenklich ist, dass bei der Beteiligung eines Investors an einem landwirtschaftlichen Betrieb Grunderwerbssteuer nur dann anfällt, wenn er 95 oder mehr Prozent des Betriebs übernimmt. Bei einer Übernahme von 94,9 Prozent fällt keine Steuer an, während ein Bauer, der den Nachbarbetrieb übernimmt, Steuern zahlen muss.
  • Überprüft werden sollten die großen Flächenverkäufe nach 1990 in den neuen Bundesländern auf Rechtmäßigkeit und Analyse der ökonomischen sowie sozialen Folgen.


Die meisten solcher Wege sind in Einzelfällen bereits erfolgreich gegangen worden. Ja, es sind kleine Schritte gesellschaftlicher Veränderung, die noch nicht zu einer größeren Umwälzung über den Kapitalismus hinausführen. Sie stehen ihr aber auch nicht im Wege, und es wäre daher töricht, auf sie zu verzichten. Es kommt darauf an, eine gesellschaftliche Stimmung für solche Veränderungen zu erzeugen und diese bewusst sowie breiter in Angriff zu nehmen.