Nach der Abschaffung des Instituts für Industrielle Beziehungen (IRI) und den Privatisierungen der 1990er Jahre – zum großen Teil durch Mitte-Links-Regierungen organisiert – gibt es in Italien keine Instrumente der öffentlichen Hand mehr, mit denen in die Wirtschaft eingegriffen werden könnte. Ensprechend gibt es auch keine Instrumente, mit denen die Beschäftigten ihr Unternehmen übernehmen könnten, wenn der Besitzer es loswerden möchte – sei es aufgrund von Krise, finanziellen Überlegungen, Haushaltsproblemen, Unternehmensstrategien o.ä. Einige Vereinbarungen mit Gewerkschaften aus der letzten Zeit vor allem im Bereich von Haushaltsgeräten, bei den Firmen Indesit und Electrolux, beinhalteten finanzielle Anreize, die eine Selbstverwaltung von entlassenen Arbeitern fördern sollten: bislang ohne jede Ergebnisse, da sie sich vor allem als ein Manöver erwiesen, mit dem Unternehmen Beschäftigte aus der Firma herausdrängen wollten, wenn sie Personal abbauen wollten. In den meisten Fällen haben sich die Anstrengungen der Arbeiter in von der Schließung bedrohten Unternehmen darauf konzentriert, einen neuen Unternehmer zu finden, der die Firma übernehmen würde. So auch im Fall von INNSE1, wo der Kampf der Beschäftigten nur zu einem positiven Ausgang gebracht wurde, weil ein Unternehmer die zeitweilig von der Belegschaft verwaltete Firma übernommen hatte. In der Linken wird der Kampf der Beschäftigten von INNSE immer als erfolgreicher Widerstand gesehen, und er hat sicherlich verhindert, dass INNSE Mailand die Produktion einstellte. Doch auch dieses Unternehmen wäre ohne das Eingreifen des neuen Unternehmers nicht zu retten gewesen. Das Beispiel INNSE zeigt den Mangel an öffentlichen oder gesellschaftlichen Mitteln: Weder können öffentliche Unternehmen zur Re-Industrialisierung geschaffen, noch Unternehmen in die Hand von Beschäftigten gegeben werden. Die Belegschaft kann ein Unternehmen übenehmen, 1 | wenn Institutionen vor Ort aktiv werden und die Überführung des Eigentums in Belegschaftshand unterstützen, oder 2 | wenn eine Kooperative gebildet wird und sie das Unternehmen übernimmt. Beides kann scheitern: So muss der frühere Besitzer der Übertragung des Unternehmens zustimmen; die Produktionszwecke müssen den ursprünglich nach den Gebietsverordnungen genehmigten produktiven Zwecken entsprechen; die Kreditversorgung muss gesichert sein; die örtlichen Behörden müssen die unternehmensnahen Dienstleistungen (Stromversorgung u.ä.) garantieren; die gewerkschaftlichen Vereinbarungen müssen sich um alle Beschäftigten kümmern, ggf. Sozialversicherungsrücklagen ersetzen und Verfahren für die Verwaltung des Mehrwerts schaffen. Syntess, eine Textilfirma in Bollate (Provinz Mailand), ist aus den Trümmern von Timavo&Tiene entstanden, die Rohtextilien verarbeitet hat. Die Fabrik bestand aus einem Chemielabor, dem Färbe- und dem Endverarbeitungsbereich und produzierte Baumwoll- und Baumwollmischmaterialien für Unterwäsche, Bettwäsche etc. Seit Anfang der 1980er Jahre war Timavo&Tiene wiederholt von den Krisen des Textilbereichs gebeutelt, im November 2004 wurde sie geschlossen. Im März 2005 entstand mit Hilfe eines Minderheitenpartners die Tintoria di Bollate. Dieser hoffte, dass das Gebiet von der Klassifizierung »industriell« zu »tertiär« wechseln könnte und so höhere Profite möglich wären. Der Stadtrat von Bollate entschied einstimmig für eine dauerhafte Zuordnung als industrielle Nutzung. Zwar schrieb die Tintoria nach wenigen Monaten schwarze Zahlen, doch der Partner zog sich zurück und stellt die Produktion ein. Die Beschäftigten übernahmen die Firma und bildeten im März 2006 Syntess Srl – mit politischer und wirtschaftlicher Unterstützung der Provinz, der Gemeinde und der Gewerkschaften. Der Grundbesitzer stellte Verträge mit günstigen Pachtbedingungen für das Gelände und die Maschinen aus. Besonders der damalige Provinzrat für Arbeit, Bruno Casati von der Rifondazione Comunista, beförderte den Prozess. Juristisch war Syntess keine Kooperative, sondern eine Kapitalgesellschaft aus Einzeleignern mit gleichen Anteilen von 1 500 Euro; hinzu kamen 200000 Euro von der Provinz als Förderung der Selbstverwaltung: 2200 Euro pro Kopf reichten aus, um die Firma zu übernehmen. Syntess hatte Probleme, die Firma mit Kapital auszustatten, das Fabrikland anzukaufen und das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen. Der Textilsektor war insgesamt in Schwierigkeiten und Finanzierungen für notwendige Ausrüstung und Maschinen zu bekommen, war kaum möglich. Das produktive Potenzial konnte nicht ausgeschöpft werden, die Einnahmen reichten nicht, um Auslagen für Produktion, Pacht und Strom zu decken. Ein Projekt, mit dem eigene Stromproduktion durch Fernwärme möglich werden sollte, konnte nicht realisiert werden und die Arbeiter waren nicht in der Lage, die Firma mit ihren eigenen Mitteln zu rekapitalisieren. Es mangelte an Aufträgen, Syntess wurde boykottiert, und die Mittel für Abfindungen schmolzen dahin. Für die verbleibenden Mitarbeiter wurden neue Anstellungen gesucht. Anders war der Fall einer Krawattenfabrik in der Provinz Reggio Emilia. Das Unternehmen war bankrott und vom Besitzer aufgegeben. Die Arbeiter bildeten eine Kooperative und übernahmen die Produktion. Auch in diesem Fall war der Einsatz eines Vertreters der Rifondazione Comunista wichtig: Gianni Tasselli, in der Partei zuständig für Kooperativen. Die Arbeiter konnten aus ihren Ersparnissen und dem Abfindungsfonds Anteile von etwa 10000 Euro aufbringen und mit Hilfe von Legacoop eine Kooperative gründen. Anders als Syntess – das Teil einer Produktionskette war –, stellt die Krawattenfabrik ihr Produkt in Gänze her und bringt es direkt auf den Markt (nicht an Endverbraucher, aber an den Einzelhandel). Ausbleibende Bestellungen waren insofern kein Problem. Legacoop ist ein Verband von verschiedenen Kooperativen und Genossenschaften: produzierende, konsumierende, Wohnungsgenossenschaften und solche, die sich um soziale Aspekte gründen. Es verfügt über Finanzen, die von Coopfond verwaltet werden; Coopfond arbeitet non-profit und dient ausschließlich dem Ziel, Kooperativen in Gründung zu unterstützen. Ein Gesetz aus dem Jahr 1992 erlaubt »Fonds zur gegenseitigen Hilfe« 1 | Unterstützung bei der Gründung von Kooperativen; 2 | Anteile von Genossenschaften oder von Belegschaftsbetrieben zu halten; 3 | spezielle Programme zur Bildung von Genossenschaften zu finanzieren. In diesem Fall konnten die Arbeiter auf Legacoop zurückgreifen und Mittel von Coopfond für die Übernahme des Unternehmens als Kooperative und die technische Unterstützung für den Übergang erhalten. Das Mittel der Kooperative hat Grenzen: Es ist nur anwendbar bei kleinen Unternehmen, die ein kleines Marktsegment bedienen und eine überschaubare Belegschaft mit einem guten Zusammenhalt haben. Sie kann auch so eingesetzt werden, dass sie keinen gesellschaftlichen Wert hat: Die Interessen, Steuern zu sparen und die Arbeiter noch mehr auszubeuten, können im Vordergrund stehen. Das lässt sich nicht verallgemeinern – doch es werden Kontrollmechanismen benötigt, um zu verhindern, dass Kooperativen für Kapitalinteressen missbraucht werden. 

Übersetzung Eric Canepa und Christina Kaindl