Für den Klimaschutz ist Gebäudesanierung ein wichtiges Instrument. Sie ist absolut notwendig, um die Ziele des Pariser Abkommens und die deutschen Klimaschutzziele zu erreichen. Der Gebäudebereich ist für ein Drittel der energiebedingten CO2-Emissionen sowie für rund 35 Prozent des Endenergieverbrauchs verantwortlich, von denen 28 Prozent auf Raumwärme entfallen (DUH 2014). Da zwei Drittel des Gebäudebestands private Wohnhäuser sind, ergibt sich hier besonderer Handlungsbedarf. Laut Klimaschutzplan der Bundesrepublik müsste der Gebäudebestand bis 2050 nahezu emissionsfrei werden. Der Primärenergiebedarf der Gebäude müsste dafür um 80 Prozent gesenkt werden.
Die Art, in der die Gebäudesanierung heute umgesetzt wird, hat aber in vielen Fällen unsoziale Folgen. Die Vermieter*innen dürfen die Kosten für Modernisierungen, zu denen auch energetische Sanierungen gehören, auf die Miete umlegen. Auf diese Weise können die Maßnahmen als Instrument der Mietsteigerung missbraucht werden. Die hohen Kosten für die Mieter*innen führen zu Verdrängung und verschärfen den Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Zudem bietet dieses Modell den Eigentümer*innen wenig Anreize, hochwertige und energieeffektive Maßnahmen zu ergreifen: Ob die Maßnahmen tatsächlich Energie einsparen oder nicht, spielt für die Mieterhöhung keine Rolle und muss auch nicht im Nachhinein überprüft werden.
Dass energetische Sanierung als Mittel zur Profitsteigerung missbraucht wird, ist also nicht nur sozial ungerecht, sondern auch destruktiv für den Klimaschutz. Nicht zuletzt deshalb, weil es in den Augen vieler Betroffener das wichtige Anliegen der Gebäudesanierung diskreditiert und ökologische und soziale Frage in einen Gegensatz bringt. Dies ist fatal – denn klimagerechtes Wohnen ist ein zentrales Element einer solidarischen Stadt, gerade angesichts der Energiearmut vieler einkommensschwacher Haushalte. Damit ist die Gebäudesanierung ein Feld, wo exemplarisch Ansätze entwickelt werden können, die zeigen, dass Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit zusammengehören.
Warum energetisch saniert werden muss
Dass Gebäude dringend energetisch saniert werden müssen, gilt nicht nur aufgrund der hohen Einsparpotenziale. Alle anderen Elemente der Energiewende sind eng damit verbunden, allen voran der Ausstieg aus der Kohle, perspektivisch aber auch der Ausstieg aus dem Gas. Das betrifft vor allem die Umstellung der Wärmeversorgung von fossilen auf regenerative Energieträger. Erneuerbare Alternativen zu Heizöl und Gas für den Wärmebereich gibt es durchaus. Zu den unterschiedlichen Wärmetechnologien gehören etwa Solarthermie, Wärmepumpen, Geothermie, Power-to-Heat oder Biomasse. Ihr Einsatz ist vom Standort und Zustand der Gebäude abhängig.
Die Nutzung von Wärme aus regenerativen Energieträgern setzt aber technische Umstellungen und somit Baumaßnahmen voraus. So benötigen etwa Heizsysteme, die erneuerbare Wärme nutzen, ein niedrigeres Temperaturniveau als solche, die fossile Brennstoffe verwenden. Darum muss bei einer Umstellung baulich in die Gebäudehülle eingegriffen werden. Eine angemessene Gebäudeeffizienz ist notwendig, um die Palette an verschiedenen, insbesondere dezentralen Technologieoptionen für erneuerbare Wärme einsetzen zu können (vgl. ifeu et al. 2018). Die Energiewende ist folglich ohne Änderungen im Gebäude- und Wohnungsbereich kaum denkbar. Es müssen jedoch sozialräumliche Folgen und Dimensionen sozialer Ungleichheit mitgedacht werden. Die Energiewende kann und muss auch mit der Bekämpfung von Energiearmut einhergehen.
Gebäudesanierung und Energiearmut
Energiearmut betrifft Haushalte, die einen zu hohen Anteil ihres Einkommens für den Bezug von Energie (Wärme, Warmwasser und Licht) ausgeben müssen. Energiearmut kann zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Krankheiten führen, vor allem in den Wintermonaten, wenn die Wohnung nicht ausreichend beheizt wird. Die Heizkosten werden oft »zweite Miete« genannt, denn allein für Raumwärme müssen private Haushalte ungefähr eine 13. Monatsmiete zahlen (vgl. Michelsen/Ritter 2017). Je nach Berechnungen sind in Deutschland zwischen 7,7 und 25,1 Prozent der Haushalte von Energiearmut betroffen. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Menschen, die zur Miete wohnen (BPIE/RAP 2018). Die mangelnde Energieeffizienz von Gebäuden zieht steigende Energieausgaben nach sich und ist eine wichtige Ursache von Energiearmut. Ein sanierter Gebäudebestand schützt vor steigenden Energiepreisen. Aktuell sind die Erdgaspreise (und 50 Prozent der Haushalte heizen mit Gas) eher niedrig, doch sie sind Schwankungen ausgesetzt (Stede et al. 2018).
Die energetische Gebäudesanierung ist also nicht nur ein wichtiger Pfeiler für die Wende in der Klimaschutz- und Energiepolitik. Sie reduziert zusätzlich die Energieausgaben und die Risiken von Energiearmut für Mieter*innen und sorgt für einen höheren Wohnkomfort. Zumindest in der Theorie. In der Umsetzung zeigen sich allerdings große Diskrepanzen zu diesem Anspruch.
Motor der Verdrängung?
Dass die Gebäudesanierung in ihrer jetzigen Form weder sozial noch klimagerecht ist, liegt an den wirtschaftlichen und wohnungspolitischen Rahmenbedingungen und der Art ihrer Ausführung. Das zeigt sich bei der Verteilung der Kosten, die oft unter dem Schlagwort »Vermieter-Mieter-Dilemma« oder »Investor-Nutzer-Dilemma« diskutiert wird. Zentral ist dabei die Frage, wer für die Kosten der Maßnahmen verantwortlich ist und wer davon profitiert: die Vermieter*innen, denen die Wohnung gehört, oder die Mieter*innen, die darin leben? Aktuelle gesetzliche Grundlage ist Paragraf 559 des Bürgerlichen Gesetzbuches, wonach Vermieter*innen bzw. Eigentümer*innen bis zu 8 Prozent (bis Dezember 2018 waren es bis zu 11 Prozent) der anfallenden Kosten bei Modernisierungen auf die Miete umlegen dürfen. Sanierungsmaßnahmen zählen zu solchen (energetischen) Modernisierungen.
Die Umlagefähigkeit wurde in den 1970er Jahren eingeführt, als die Zinsen viel höher waren. Heute sind die Zinsen sehr niedrig, die Umlage ist jedoch weiterhin sehr hoch. Das Modell der Modernisierungsumlage wird durch die Annahme gerechtfertigt, dass Sanierungen dank der sogenannten Warmmietenneutralität zu keiner zusätzlichen Belastung von Mieter*innen führen. Durch die eingesparte Energie, so das Versprechen, würden in der Zukunft geringere Nebenkosten (Heiz- und Warmwasserkosten) anfallen, was die Mieterhöhung ausgleichen würde. Schlussendlich, so das Argument, würden Mieter*innen von höherem Wohnkomfort und geringeren Heizkosten profitieren und Vermieter*innen würden zum Sanieren motiviert.
Die Rechnung der Warmmietenneutralität geht in den meisten Fällen allerdings nicht auf, vor allem dann nicht, wenn die Umlagemöglichkeit voll ausgeschöpft wird (Wissenschaftliche Dienste 2018). In vielen Fällen stehen die Mieterhöhungen in keinem Verhältnis zu den eingesparten Nebenkosten (Berliner Mieterverein e. V. 2017). Denn die Kosten können unabhängig von den erwarteten oder tatsächlichen Energieeinsparungen umgelegt werden. Das bedeutet, dass selbst bei schlecht gemachten Maßnahmen, die kaum Energieeinsparungen bringen, die volle Umlage bezahlt werden muss.
Durch diese mietrechtlichen Rahmenbedin- gungen werden keine Anreize für sinnvolle und gut ausgeführte Maßnahmen geschaffen. Stattdessen werden aus Gründen der Wirtschaftlichkeit gern die teuersten Mittel ergriffen. Für die Mieterhöhung spielen die tatsächlichen Einspareffekte von Modernisierungsmaßnahmen keine Rolle – eine Kontrolle der Durchführung oder eine Beurteilung der Maßnahmen nach Fertigstellung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Außerdem bleibt die Mieterhöhung auch dann bestehen, wenn die Baukosten längst amortisiert wurden.
Die Mietererhöhungen verschärfen besonders in städtischen Ballungsräumen mit angespannten Wohnraumsituationen die Wohnungsnot. Viele Menschen können sich weitere Mietsteigerungen nicht leisten und sind gezwungen auszuziehen. Die Wohnungen werden dann teurer neuvermietet. Ein von vielen Vermieter*innen gewünschter Effekt. Auf diese Weise erhöhen sich zudem die Durchschnittsmieten und der Mietspiegel, was zu einer weiteren Reduktion des ohnehin knappen preiswerten Wohnungsbestands führt. Diese rein profitorientierte Form von energetischer Sanierung ist aber nicht nur unsozial, sondern auch problematisch für den Klimaschutz. Selbst höhere Sanierungsraten sagen noch nichts über die Qualität der Sanierung aus, wenn diese nicht geprüft wird. Es herrscht ein enormer Mangel an empirischen Daten und Auswertungen zur Anzahl und Qualität von Gebäudesanierungen.
Die Liste der Probleme ließe sich weiter fortsetzen: Vermieter*innen versäumen jahrelang die Instandsetzungen der Gebäude (die sie selbst bezahlen müssten), um dann aufwendig zu modernisieren und alle Kosten auf die Miete umzulegen, und sie nehmen Luxussanierungen vor, die mit Klimaschutz nichts zu tun haben. Zusätzlich fehlt es an Fachkräften zur qualitativen Ausführung von Sanierungen. Hinzukommen eine unübersichtliche Förderlandschaft und komplexe ordnungsrechtliche Anforderungen. Es gibt durchaus auch Positivbeispiele: gut ausgeführte energetische Sanierungen mit erwiesenen Energieeinsparungen und Umrüstungen auf erneuerbare Wärmetechnologien, die Bestandsmieter*innen weiterhin zu angemessenen Mieten wohnen lassen.
Sie werden oft von Genossenschaften und öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften als Modellprojekte umgesetzt. Dabei wird auf die volle Umlage auf die Miete verzichtet, zudem werden öffentliche Fördergelder eingesetzt. Eine solche Form der energetischen Sanierung und Instandhaltung zu verallgemeinern und zu verstetigen, verlangt jedoch eine gesellschaftliche Umverteilung von Einkommen und Ressourcen. Sie ist damit Teil einer weiterreichenden sozialökologischen Transformation.
Ein ökosoziales Paradox
Dass ein klimapolitisches Instrument, das die Energiearmut bekämpfen und die Energiewende stützen soll, solche negativen Folgen hat, kann nur im Kontext aktueller Phänomene wie Gentrifizierung und Verdrängung verstanden werden. Gentrifizierung bezeichnet die Verdrängung einkommensschwächerer durch wohlhabendere Haushalte in meist innerstädtischen Stadtteilen. Sie beschreibt einen Aspekt sozialer Ungleichheit im Rahmen der neoliberalen Stadtentwicklung und der Verwertungslogik.
Klima- und umweltpolitische Instrumente, die gewollt oder ungewollt Konsequenzen für die sozialräumliche Zusammensetzung von Stadtteilen haben, können als eine Form der Gentrifizierung gedeutet werden. Maßnahmen wie Sanierungen oder Grünflächenmanagement mit negativen sozialen Folgen werden als »ökologische« bzw. »grüne« Gentrifizierung bezeichnet. Im Falle von Gebäudesanierung wird von einer »energiebedingten« oder »energetischen« Gentrifizierung gesprochen: Die Mieterhöhungen nach einer Sanierung können sich tendenziell nur einkommensstärkere Haushalte leisten. Selbst von der Energieeinsparung profitie- ren finanziell schwächere Haushalte am wenigsten: Sie haben in der Regel niedrigere Energieausgaben, aber müssen insgesamt mehr bezahlen, als sie durch den geringeren Energiebedarf einsparen. Wenn sie durch die Gebäudesanierung gezwungen sind, in eine billigere, unsanierte Wohnung zu ziehen, trägt diese direkt zum Austausch von Bevölkerungsgruppen bei (Großmann et al. 2014).
Andrej Holm (2011) hat dieses Phänomen ein »ökosoziales Paradox« genannt. Er bezieht sich auf umweltpolitische und vorgeblich »nachhaltige« Maßnahmen, die durch ihre Einbettung in die kapitalistische Logik des Immobilienmarktes soziale Ungleichheiten in der Stadt verstärken. Verdrängungseffekte werden im Namen des Klimaschutzes legitimiert und Kritik wird mit Verweis auf den Umweltschutz abgewiesen. Gesellschaftliche Verantwortung wird somit abgegeben, soziale Härten werden auf »den Klimaschutz« geschoben.
Aber nicht die Klimaschutzmaßnahmen an und für sich verursachen die Verdrängungseffekte, sondern ihr marktwirtschaftlicher Rahmen und ihre Einbettung in die neoliberale, profitorientierte Wohnungspolitik. Denn auch ohne Sanierung kommt es zu Mietsteigerungen und Gentrifizierung (vgl. Holm 2016). Untersuchungen legen nahe, dass Sanierungen an Orten ohne starken Wohnungsmangel nicht zu großen Mieterhöhungen und Verdrängungen führen (Hentschel/Hopfenmüller 2014). Vor allem dort, wo Wohnraum ohnehin schon knapp ist, zeigen sich Verdrängungseffekte. So gibt es umgekehrt in Gebieten mit genügend erschwinglichem Wohnraum auch weniger Sanierungen, da die Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Ertragssteigerung fehlen. Hier zeigt sich wieder: Es geht in vielen Fällen gar nicht um den Klimaschutz. Wo der profitable Anreiz fehlt, wird kaum saniert.
Es besteht die Gefahr, dass soziale und ökologische Argumente gegeneinander ausgespielt werden – auf Kosten vieler und im Interesse weniger. Doch klimagerechtes Wohnen ist wichtig und gehört genauso zu einer sozial gerechten Stadt wie das Recht auf Wohnraum für alle. Die Gebäudesanierung als ein notwendiger Schritt für den Kohleausstieg und die Wärmewende darf daher nicht abgeschrieben werden. Positive Beispiele zeigen: Gebäudesanierungen sind machbar, finanzierbar und bringen reale Einsparungen. Um das zu erreichen, muss die Gebäudesanierung aber von immobilienwirtschaftlichen Mechanismen entkoppelt werden.
Neben der Streichung des § 559 BGB müssen dringend alternative Konzepte erarbeitet werden, die zeigen, wie qualitativ hochwertige Gebäudesanierungen finanziert und sozialverträglich umgesetzt werden können. Dabei müssen Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit Priorität haben und dürfen nicht weiterhin als ein – im besten Fall –
positiver Nebeneffekt von wertsteigernden Maßnahmen gelten. Deshalb ist es notwendig, Klimaschutz und das Recht auf Wohnen zusammenzudenken und für eine sozial und ökologisch gerechte Stadt zu kämpfen.