Wirtschaftsdemokratie war lange ein integraler Teil des Programms der schwedischen (wie der internationalen) Arbeiterbewegung. Als Schweden im Jahr 1920 die erste sozialdemokratische Regierung bekam, war die Ernennung zweier Kommissionen eine der ersten Maßnahmen der Regierung Hjalmar Branting: Die eine sollte Probleme der »industriellen Demokratie« untersuchen, die andere Vorschläge zur Sozialisierung von öffentlichem und privatem Eigentum liefern. Während die Arbeit der Sozialisierungskommission mehr oder weniger im Sande verlief, mündete die Arbeit der Demokratiekommission in eine der großen politischen Streitfragen der 1920er Jahre, nämlich der sozialdemokratischen Forderung nach Betriebsausschüssen (driftsnämnder). Nachdem das allgemeine und freie Wahlrecht erkämpft war, sollte auch an den Arbeitsplätzen Demokratie geschaffen werden (SOU 1923, 29–30). Laut Vorschlag der Kommission sollte die Demokratie am Arbeitsplatz durch Mitbestimmungsausschüsse in Betrieben mit mehr als 25 Beschäftigten verwirklicht werden. Vergleichbar mit den deutschen Betriebsräten, sollten diese aber von den Mitgliedern der Gewerkschaften im Betrieb ernannt und gewählt werden. Der konkrete Vorschlag war bescheiden. Er lief darauf hinaus, ein gewisses Maß der Mitbestimmung möglich zu machen. Dies war eine Verwässerung des ursprünglichen Auftrags, nämlich Wege zu finden zu einer »Neugestaltung des Verhältnisses […] zwischen den Besitzern der Produktionsmittel, den technischen Leitern der Produktion und den in unterschiedlichen Stellungen an der Produktion Beteiligten, wobei den letztgenannten ein sicherer Einfluss über Verwaltung und allgemeine Entwicklung der betroffenen Betriebe« gesichert werden sollte (22). Im Schlusswort gab die Kommission offen zu, dass man »aufgrund der herrschenden politischen Verhältnisse« nicht der Auffassung war, mehr als »gewisse vorbereitende Maßnahmen« vorschlagen zu können (212). Die Betriebsausschüsse, die daraufhin von den Sozialdemokraten im Reichstag vorgeschlagen wurden, waren letztlich Organe ohne Einfluss auf die Machtverhältnisse in den Betrieben. Der Vorschlag, von den Gewerkschaften ungeliebt, wurde von der bürgerlichen Mehrheit im schwedischen Reichstag vehement abgelehnt. Von kommunistischer Seite lehnte man die »industrielle Demokratie« der Sozialdemokraten ohnehin als reformistischen Klassenverrat ab. Lange sollte dies der letzte Versuch der schwedischen Sozialdemokratie sein, auf Grundlage von Gesetzen und Verordnungen den Einfluss von Belegschaften auf die Produktion zu »sichern«. Der »dritte Weg« Schwedens begnügte sich in den Jahrzehnten zwischen 1932 und 1976 damit, über soziale Reformen und steuerliche Umverteilung den Lebensstandard der Bevölkerungsmehrheit zu erhöhen. Ein wichtiges Element dieses »schwedischen Modells« war dabei der »historische Kompromiss« des Jahres 1938, der den Unternehmern die »Organisation und Führung der Arbeit« im Austausch gegen zentrale Lohnverhandlungen mit den Gewerkschaften und Arbeitsfrieden garantierte. Die starke Stellung der großen schwedischen Kapitaleigentümer wurde nie herausgefordert. In den 1960er Jahren wuchs die Unzufriedenheit, vor allem über die zu langsam steigenden Reallöhne der Industriearbeiter. Die gesellschaftliche Debatte radikalisierte sich. In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts kam es zu einer Woge von wilden Streiks. Unter dem Einfluss der neuen Linken wurden gleichzeitig Rufe nach sozialen Reformen lauter. Die Gewerkschaftsspitzen und in der Verlängerung die regierende sozialdemokratische Partei (SAP) waren gezwungen, Fragen wie Mitbestimmung und Wirtschaftsdemokratie wieder aufzugreifen (Stråth 1998; Göran 2005). Die arbeitsrechtliche Offensive der SAP mündete in ein Gesetzespaket, das zum ersten Mal die individuellen Rechte der Arbeiter am Arbeitsplatz regelte und die Stellung der Gewerkschaften auf Betriebsebene stärkte. Aus den Reihen der Gewerkschaften kam darüber hinaus die Forderung, die Eigentumskonzentration in der Industrie zu brechen. Im Jahr 1971 erhielten die Ökonomen Rudolf Meidner, Anna Hedborg und Gunnar Fond vom Kongress des Verbandes der Industriegewerkschaften, LO, den Auftrag, Methoden zu erarbeiten, die den Belegschaften einen höheren Anteil an den Kapitalgewinnen sichern sollten. 1975 lag dieser Vorschlag vor, der eine »gerechtere Vermögensverteilung« und »mehr wirtschaftliche Macht für Lohnempfänger« bringen sollte (Meidner u.a. 1975, 84).Meidner und Kollegen schlugen vor, »Lohnempfängerfonds« (löntagarfonder) einzurichten. Bis zu 20 Prozent der Gewinne von Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten sollten an von den Gewerkschaften kontrollierte Fonds abgeführt werden. Diese sollten das Kapital in Aktien investieren und es für die Verbesserung von Arbeitsverhältnissen in den Betrieben aktiv nutzen. Ein individualisiertes System der Gewinnbeteiligung würde nichts an den wirtschaftlichen Machtverhältnissen ändern. Doch »die Lohnempfängerfonds werden auf lange Sicht mehr als die Hälfte der Aktien der größeren schwedischen Unternehmen besitzen«1,
Lohnempfängerfonds
Die gescheiterte Demokratiereform