Im Rundschreiben wird darauf hingewiesen, dass es bei der Behandlung von Geflüchteten Ausnahmen beim Leistungsumfang gibt. In der Zentralen Erstaufnahme (ZEA) Hamburgs wird eine ärztliche Erstuntersuchung von ÄrztInnen im Auftrag der Innenbehörde durchgeführt. Bei diesen Erstuntersuchungen ist das Augenmerk auf akute und ansteckende Krankheiten zu legen. Im Rahmen der Eingangsuntersuchungen sind Vorsorgeuntersuchungen möglich, die auch die amtlich empfohlenen Schutzimpfungen umfassen. Nach dieser Erstuntersuchung erfolgt die Anmeldung des Asylsuchenden bei der AOK Bremen/ Bremerhaven. Die hohe Zahl der Flüchtlinge brachte im Sommer 2015 dieses Verfahren ins Stocken, weshalb den Geflüchteten zur Überbrückung eine „Bescheinigung zur Vorlage beim behandelnden Arzt“ durch die zuständigen Sachbearbeiter ausgehändigt wurde.
Ohne das große ehrenamtliche Engagement ist die Betreuung der vielen Geflüchteten in Hamburg nicht leistbar. Die freiwilligen HelferInnen müssen deshalb, ebenso wie allen anderen BürgerInnen der Stadt, frühzeitig über alle Schritte zur Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen informiert werden. So kann Vorbehalten rechtzeitig begegnet und die Bereitschaft zu helfen, geweckt werden. Der Ausbau der sozialen Infrastruktur müssen den BewohnerInnen von Kommunen wie auch den Flüchtlingen und Asylsuchenden gleichermaßen zugutekommen, um jedwede Diskriminierung zu vermeiden.
Fazit
Die jahrelange Unterfinanzierung des ÖGD und der damit einhergehende Personalabbau, haben fatale Folgen. So können inzwischen Eingangsuntersuchungen in Hamburg nicht mehr flächendeckend abgesichert werden. Der ÖGD als die einzige staatliche Säule und Teil des Gesundheitssystems muss generell gestärkt und in das öffentliche Bewusstsein gerufen werden. Er ist nicht nur ein aufsuchender Dienst, er nimmt auch sozialkompensatorische Aufgaben wahr. So führen Ärzte des ÖGD die Schuleingangs- und Folgeuntersuchungen bei allen Kindern (und Jugendlichen) durch. Er bietet Beratung, Hilfe und Unterstützung in Problemanlagen an. Mütterberatung, Früherkennungsuntersuchungen sowie Hilfe bei Entwicklungsstörungen u. a. gehören zu seinen Aufgaben. Der Abschluss von Honorarverträgen mit niedergelassenen Ärzten, wie derzeit praktiziert, kann deshalb nur eine kurzfristige Lösung sein.
Ein gut aufgestellter ÖGD verfügt nicht nur über Kinder- und JugendärztInnen und ZahnärztInnen, sondern auch über SozialarbeiterInnen, Hebammen, HygienikerInnen, GesundheitsberaterInnen u.a. Deshalb muss für die politisch Handelnden die erste und wichtigste Konsequenz aus der gegenwärtigen Situation sein, den ÖGD finanziell und personell ausreichend auszustatten. Dafür benötigen die Länder und Kommunen entsprechende Mittel. Die Schuldenbremse mit ihren Sparzwängen, die vor allem den Kommunen kaum Handlungsmöglichkeiten lässt, muss deshalb aufgehoben werden. Hier muss auch der Städte- und Gemeindebund bzw. der Deutsche Städtetag sich lautstark artikulieren und Druck auf die Bundes- und Landespolitik ausüben.
[1] Vgl. stopsylblg.de.
[2] Vgl. Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. – www.menschliche-entwicklung-staerken.dgvn.de .
[3] Vgl. www.sueddeeutsche.de/politik/2.220/desolates-gesundheitswesen-im-irak – eingesehen am 2.2.2016
[4] www.tagesschau.de/inland/fluechtlinge-gesundheit-101.html .
[5] Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951
[6] Auf eine Debatte darüber, ob diese Situation bei gründlicher Analyse durch die Bundesregierung vorhersehbar war und eine frühere und stringente Vorbereitung hätte erfolgen können, wollen wir uns hier nicht einlassen.
[7] Dass es in anderen europäischen Ländern teilweise nicht besser, aussieht ist kein Argument für den schlechten Zustand in Deutschland.
[8] Vgl. den Beitrag von Joachim Gardemann am 19.10.2015 in Düsseldorf auf der Fortbildungsveranstaltung „Medizinische Versorgung von Flüchtlingen durch den ÖGD“ ,www.akademie-oegw.de/aktuelles/fluechtlinge.html .
[9] Bundesverband der Krankenhäuser in der Bundesrepublik Deutschland Hinweise zur medizinischen Versorgung von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Krankenhäusern, November 2015.
[10] Entsprechend des Infektionsschutzgesetzes vom 01.07.2000 36 Abs. 4.
[11] www.aerzteblatt.de/nachrichten/54197/Oeffentlicher-Gesundheitsdienst-leidet-unter-Aerztemangel.
[12] Die Verantwortlichen in Ländern und Kommunen haben bisher die Tragweite des Problems nicht erkannt. Bereits 2014 wurde deshalb auf dem 117. Ärztetag eine adäquate ärztliche Personalausstattung in den Gesundheitsämtern gefordert.
[13] www.aerzteblatt.de/nachrichten/58863/Den-Oeffentlichen-Gesundheitsdienst-aufwerten -eingesehen am 21.1.2016.
[14] Positionspapier zur medizinischen Versorgung von Asylsuchenden. beschlossen am 10. Mai 2015 auf der bvmd-Medizinstudierendenversammlung in Mannheim.
[15] Nach Angaben des Hamburger Senats werden Untersuchungen von minderjährigen Flüchtlingen statistisch nicht erfasst – Drucksache 21/00973.
[16] NDR 90,3 vom 27.04.2015 aufbauend auf der Kleinen Anfrage der fraktionslosen Abgeordneten Dora Heyen in der Drucksache 21/240 des Hamburger Senats.
[17] Einer Studie zur Folge werden nicht nur erhebliche administrative Ausgaben durch die Gesundheitskarte (Bremer Modell) gespart, auch die Gesundheitsausgaben für Asylsuchende können gesenkt werden. Ärztezeitung v. 24. 7.2015.