Wegen ihrer deutlich höheren Kosten werden Robo-Autos keine Mobilität für alle bringen, sondern nur für diejenigen, die sie sich leisten können. Zugleich werden sie durch Leerfahrten das Verkehrsaufkommen erhöhen - wenn sie ihre Nutzer etwa von der Schule oder Kneipe abholen oder sich eigenständig Parkplätze suchen. Timo Daum rechnet diese Probleme allein der beschränkten „Fahrerperspektive“ auf Robo-Cars zu. Würden sie nicht als private Pkw, sondern als öffentliches Verkehrsangebot genutzt, böten sie aus einer „Passagierperspektive“ vielversprechende Vorteile. In Robo-Taxis sieht Daum die Lösung, um öffentliche Angebote im ländlichen Raum zu schaffen. Auch andere, in Wissenschaftsinstituten wie dem WZB, in der Agora Verkehrswende, bei den Grünen und der Linken setzen auf Robo-Taxis, um mit einer (fast) genauso bequemen Alternative dem privaten Pkw den Todesstoß zu versetzen. Auf den ersten Blick nennen sie überzeugende Argumente: Solche Shuttles sollen günstiger sein als heutige Taxis, sie sollen sichere Tür-zu-Tür-Transporte etwa für Reisende oder Senior*innen ermöglichen und so das eigene Auto entbehrlich machen. Auch mich haben die Argumente zunächst überzeugt. Doch die Vorteile sind äußerst voraussetzungsvoll und fallen angesichts der Nachteile kaum ins Gewicht. Inzwischen halte ich das Ziel dieser Technik, die vollautomatisierte fahrerlose Fortbewegung, nicht nur für sinnlos in Bezug auf die Verkehrswende, sondern auch für ein potenziell unbeherrschbares „Monster“ mit erheblichen gesellschaftlichen Risiken und Folgekosten.
Unerreichbare Voraussetzungen
Sicherlich, unter ganz bestimmten Voraussetzungen könnten Robo-Taxis eine sinnvolle Rolle in der Verkehrswende spielen: Sie müssten erstens öffentlich bereitgestellt werden und dürften kein profitorientiertes Konkurrenzprojekt zum ÖPNV sein. Zweitens müssten sie gewissermaßen „vom Himmel fallen“ und dürften keine Unmengen an finanziellen, auch öffentlichen Ressourcen in der weiteren Entwicklung und Umsetzung kosten. Sie müssten drittens reibungslos funktionieren und keine Beschränkungen für andere Verkehrsteilnehmer*innen mit sich bringen. Viertens müssten sie Unfälle bis auf technische Pannen vollständig vermeiden können. Fünftens müsste es möglich sein, als Gesellschaft frei, ohne den Einfluss von Auto- und IT-Konzernen, zu entscheiden, wie und wofür diese Technik eingesetzt wird. Und sechstens müssten die Menschen auf private Pkw verzichten, um mit den neuen öffentlichen Robo-Taxis zu fahren, wenn sie nicht Bus und Bahn nutzen oder per Rad oder zu Fuß unterwegs sind. Wären diese Bedingungen erfüllt, wären Robo-Taxis ein Beitrag zur Verkehrswende. Da sich aber keine einzige dieser Bedingungen erfüllen wird, sind sie es nicht.
Automatisierung ohne Sinn und Verstand?
Auch jenseits dieser Aspekte sehe ich die Vision des vollautomatisierten Fahrens kritisch. Bin ich also – gemäß Timo Daums Argumentation – dem “Fahrspaß“ und damit der Fahrerperspektive verhaftet? Nein, ich habe vielmehr eine Grundskepsis, den Menschen immer mehr Aufgaben und Tätigkeiten abzunehmen. In einem satirischen Radiobeitrag hieß es neulich, dass die ganze Technik im Haushalt eine tägliche Zeitersparnis von 27 Stunden bringt. Zum Zeitvertreib kochen die Leute dann wieder selbst Marmelade oder häkeln. Hier stellt sich die Frage nach dem gesellschaftlichen Sinn und Nutzen: Wozu der gigantische finanzielle und technische Aufwand, um etwas überflüssig zu machen, was die meisten gar nicht stört, sondern im Gegenteil für viele eine der letzten Bastionen ist, selbstbestimmt tätig zu sein? Automatisierung darf kein Selbstzweck sein, sondern muss sich an tatsächlichen Bedürfnissen orientieren und der Gesellschaft dienen.
Die Technik ist noch lange nicht ausgereift
Viele Fürsprecher*innen der Technik ignorieren ihre Voraussetzungen, Restriktionen und Folgen und unterschätzen dadurch völlig die Risiken. Damit spielen sie ihren hehren Absichten zum Trotz der Industrie und dem politischen Gegner in die Hände, die in der Verkehrspolitik allein auf technische Lösungen setzen. Statt das Mobilitätsverhalten der Menschen zu problematisieren, wird der Fokus auf eine „umweltfreundliche“ Antriebstechnik für Pkw und ein angeblich effizienteres automatisiertes Fahren gelegt – weil der Konflikt mit den wahlberechtigten Autofahrer*innen gescheut wird. Viele glauben nun, die Technik kommt sowieso – und es sei daher legitim oder gar unvermeidlich, sich für ihre sinnvolle Verwendung einzusetzen. Ich glaube das aber nicht. Denn anders als E-Autos gibt es Robo-Taxis, die überall und jederzeit einsetzbar sind, noch gar nicht, auch wenn einzelne Erfolgsmeldungen wie von Waymo in Texas anderes suggerieren. Ich bestreite nicht, dass diese Autos schon eine ganze Menge können. Robo-Taxis müssen nicht nur 95% aller Fahrsituationen beherrschen, wie es aktuell der Fall ist. Sie müssen nicht nur in 99,9%[1],