Der Streit um Keystone XL, einer Erweiterung der Ölpipeline, die zwischen der Provinz Alberta im westlichen Kanada und den US-Bundesstaaten Illinois, Oklahoma und Nebraska verläuft, hat vor allem mit der außergewöhnlichen Bedeutung zu tun, die dem Projekt bei der Erderwärmung zukommt. Auch Präsident Obama erkannte diese an, als er im Juni dieses Jahres öffentlich verlautbaren ließ, er werde seine Zustimmung zum Bau von Keystone XL verweigern, sollten ForscherInnen zu dem Ergebnis kommen, dass die Fertigstellung »das Problem des CO2-Ausstoßes signifikant verschärfen« werde. (Der Präsident hat das letzte Wort in dieser Angelegenheit, weil die geplante Pipeline eine internationale Grenze überschreiten wird). Befürworter von Keystone XL – einige davon im engsten Umkreis des Präsidenten – messen dem Projekt einen hohen geopolitischen Stellenwert bei. Sie reklamieren, es werde die amerikanische Wirtschaftskraft steigern und das Land gegenüber Unzuverlässigkeiten der Energieversorgung aus Übersee weniger anfällig machen. Nach der Veröffentlichung einer vom State Department (Außenministerium) in Auftrag gegebenen Studie am 31. Januar dieses Jahres, die behauptet, der Bau von Keystone werde keine bedeutsame Zunahme der weltweiten Treibhausgasemissionen nach sich ziehen, weil so viel aus Teersandöl über die Eisenbahn und andere Transportwege ins Land komme, wird sich dieses Argument am Ende vermutlich durchsetzen können. Aber anstatt für mehr Sicherheit in den USA zu sorgen, produziert dieser Ansatz zwangsläufig neue Risiken und Gefahren.

Dass nationale Sicherheitsfragen höher bewertet werden als die Zukunft unseres Planeten, mag vielen absurd erscheinen, aber wahrscheinlich nicht denjenigen, die die strategischen Überlegungen dieser Regierung und ihre Entwicklung in den vergangenen Jahren verfolgt haben. Anfangs formulierte Obama den Rückzug von Bodentruppen aus dem Mittleren Osten und die Verbesserung des Images der USA in der Welt als die wesentlichen Ziele seiner Außenpolitik. Energiefragen spielten nur eine untergeordnete Rolle, es sei denn, man konnte sie dazu nutzen, Obamas Ansehen als Verfechter grüner Technologien aufzupolieren. Neuerdings jedoch ist Obama bestrebt, den als Verlust wahrgenommenen Rückgang des globalen Einflusses von Washington mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln aufzuhalten, wobei selbst ein neuer militärischer Interventionismus nicht mehr ausgeschlossen erscheint. Eine Energiepolitik, die all diese Aspekte mit einbezieht, wird hier als besonders zweckdienlich betrachtet. Heute verspricht das Weiße Haus, durch eine erhöhte Energieförderung aus einheimischen und kanadischen Quellen könnten sich die Vereinigten Staaten aus ihrer Abhängigkeit von Öllieferungen aus dem Mittleren Osten befreien und damit eine wesentlich eigenständigere Außenpolitik betreiben.

Diese Perspektive ist nicht zuletzt auch ein Ergebnis der Entwicklung und verstärkten Anwendung modernster Technologien wie horizontale Bohrungen und hydraulic fracturing (Fracking), mit denen man Gas und Öl aus zuvor undurchdringlichen Schieferformationen herausholen kann. Vor Obamas erstem Amtsantritt gingen fast alle davon aus, dass sich der abrupte Rückgang der inländischen Ölförderung aufgrund der abnehmenden Reserven weiter fortsetzen würde. So sagte noch 2006 ein von der Energy Information Administration (EIA) herausgegebener Bericht voraus, die Menge des in den USA geförderten Rohöls werde zwischen 2010 und 2030 von 5,9 Millionen Barrel am Tag auf 4,6 Millionen Barrel fallen. Doch der steile Anstieg bei der Öl- und Gasgewinnung aus Schiefergestein hat all diese Annahmen komplett auf den Kopf gestellt. Im Januar dieses Jahres rechnete die EIA nun vor, die Rohölförderung würde bis 2030 um 0,8 Barrel pro Tag zunehmen – wobei ein Großteil des Zuwachses auf aus Schiefer gewonnenes Öl zurückgeht.

Zugleich haben kanadische Konzerne mit erheblicher ausländischer Unterstützung damit begonnen, beträchtliche Mengen an synthetischem Rohöl aus zuvor nicht verwertbaren Bitumenvorkommen (Teersand oder Ölsand) in der Region rund um Atahabesca in der Provinz Alberta zu gewinnen. Nach Angaben der EIA wird die Ölförderung in Kanada von 3,6 Millionen Barrel am Tag (2010) auf 6,6 Millionen Barrel im Jahr 2035 emporschnellen. Wenn man diese zusätzliche Förderleistung mit der wachsenden Produktion in den USA zusammenrechnet, ist es nicht mehr schwer, sich eine nicht allzu entfernte Zukunft vorzustellen, in der die USA fast gänzlich unabhängig von Öl aus asiatischen oder afrikanischen Ländern sein werden – etwas, wovon US-Strategen seit Jahrzehnten träumen.

Es sind, bis dieser Traum wahr werden kann, allerdings noch einige Hindernisse zu überwinden. Denn das aus Teersand gewonnene Öl enthält wesentlich mehr Kohlenstoff als das gewöhnliche Petroleum, und seine Förderung bedarf eines wesentlich größeren Energieaufwandes. Umweltgruppen wie 350.org und Friends of the Earth versuchen den Bau von Pipelines wie Keystone XL, mit denen dieser schmutzige Kraftstoff in und quer durch die USA transportiert werden soll, zu verhindern. Darüber hinaus könnte der gegenwärtige Boom der Schieferölförderung relativ schnell zu Ende gehen, da die reichhaltigsten Quellen in Texas und North Dakota bereits weitgehend erschöpft sind. Aber all dies ist nicht so wichtig, vergleicht man es mit den politischen Implikationen dieses Booms – insbesondere die Entstehung eines nationalen Diskurses über die von den Energieressourcen angetriebene ›Revitalisierung‹ Amerikas.

»Die Welt ändert wieder einmal ihr Gesicht durch eine Energiewende in den USA«, verkündete die Financial Times 2012 in einem Kommentar zum Thema, geschrieben von dem Energiespezialisten und Industrieberater Daniel Yergin: »Die Unabhängigkeit der USA im Energiesektor, über Jahrzehnte ein Gegenstand von Spinnereien, hat sich aufgrund der wiederbelebten Öl- und Gasförderung in den USA zu einer realistischen Perspektive entwickelt.« Er fügte hinzu: »Unabhängig davon, ob diese wirklich so eintritt: Die gegenwärtige Entwicklung in den USA wird sowohl erheblichen Einfluss auf die nationale Wirtschaft nehmen als auch auf die internationalen Beziehungen und die globalen Aussichten im Energiebereich.«

Petro-Machismo

Für Yergin und andere, die diese Anschauung teilen, begünstigt der explosionsartige Anstieg der Energieerzeugung die geopolitische Stellung der Nation in mehrfacher Hinsicht. Erstens versorgt er die energieintensiven Industrien wie die Zementhersteller und Aluminiumhütten mit billigen Kohlenwasserstoffen, womit eine »neue industrielle Revolution« angefeuert und die US-Wirtschaft gestärkt wird. Noch wichtiger ist, dass das Land damit nicht länger auf Energievorkommen im Ausland angewiesen ist. Mitglieder des Komitees zu auswärtigen Angelegenheiten des US-Abgeordnetenhauses richteten im Februar 2013 einen Brief an Präsident Obama, in dem sie behaupteten, dass die Keystone-XL-Pipeline »unsere nationale Sicherheit befördern wird«, indem sie »einen geschützten Zugang zu Petroleum aus Kanada bietet« und die Vereinigten Staaten »bei der Energieversorgung weniger anfällig gegenüber politischen und sicherheitsbedingten Störungen« machen würde.

Tom Donilon, der bis Juni dieses Jahres als Nationaler Sicherheitsberater des Präsidenten fungierte, schien von diesen Argumenten besonders angetan zu sein. Der dramatische Anstieg der einheimischen Ölproduktion habe zwei tiefgreifende »geopolitische Auswirkungen«, erläuterte er im vergangenen April vor einem Auditorium an der Columbia University in New York. Erstens »kommt er unmittelbar der nationalen Wirtschaft zugute […], indem er eine wirkmächtige Botschaft sendet, wonach die USA sowohl über die Ressourcen als auch über die Entschlossenheit verfügen, auch in den kommenden Jahren die führende Weltmacht zu bleiben.« Zweitens erlaube es »die neue Energiesituation Amerikas, von einer Position der größeren Stärke aus zu agieren. Die steigende inländische Energieerzeugung wirkt wie ein Puffer, der sicherstellt, dass wir globalen Versorgungsengpässen und Preisschocks nicht länger hilflos ausgeliefert sind. Sie verschafft uns außerdem eine vorteilhaftere Position, um unsere Sicherheitsinteressen international effektiver verfolgen und umsetzen zu können.«

Das klingt nach reiner, unverfälschter Geopolitik, die besser zu Leuten wie Theodore Roosevelt, Winston Churchill oder Politikern eines ähnlichen Schlages gepasst hätte. Auf den ersten Blick scheint sie fehl am Platz in Obamas Weißem Haus mit seinem (öffentlichen) Diskurs über neue, auf Zusammenarbeit setzende Formen internationaler Beziehungen. In Anbetracht des sinkenden Einflusses Washingtons in der Welt liegt es jedoch nahe, dass die Parole mehr Energiekontrolle – oder nennen wir es Petro-Machismo – im Weißen Haus auf große Zustimmung stößt.

Auswirkungen auf den Mittleren Osten

Obama hat sich inzwischen ganz und gar diesem Ansatz verschrieben, was in seinen Worten und seinen Taten zum Ausdruck kommt. In seiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen im September 2013 zum Beispiel gab er zu verstehen, dass die Vereinigten Staaten trotz ihrer verringerten Abhängigkeit von Energielieferungen aus dem Mittleren Osten weiterhin daran festhalten werden, die endgültige Kontrolle über Ölexporte aus dem Persischen Golf auszuüben. Er erklärte: »Die Welt ist immer noch auf die Versorgung mit Energie aus dieser Region angewiesen, und eine ernsthafte Disruption wäre dazu in der Lage, die gesamte Weltwirtschaft zu destabilisieren.« Dementsprechend werden die USA – und voraussichtlich niemand anders – »für einen freien Energieverkehr in und aus dieser Region sorgen, um die Versorgung der Welt sicherzustellen«.

Eine verringerte Abhängigkeit der USA vom Öl aus dem Mittleren Osten hat den Präsidenten in die Lage versetzt, sich für verstärkte Sanktionen gegenüber Iran einzusetzen – ohne Angst vor einem weltweiten Ölpreisschock infolge iranischer Angriffe auf Petroleumtransporte haben zu müssen. Die USA haben sich im Zuge ihrer Kampagne, Teheran von seinem Atomwaffenprogramm abzubringen, auf mühevolle diplomatische Maßnahmen eingelassen, erklärte Donilon seinen Zuhörern an der Columbia University. »Sie haben versucht, andere Nationen davon zu überzeugen, kein iranisches Öl mehr zu importieren oder zumindest die Einfuhr merklich zu reduzieren. […] Die erhebliche Steigerung der Ölproduktion in den USA und anderswo bedeutete, dass die USA und ihre Verbündeten die Sanktionen verschärfen und über eine Million Barrel pro Tag gefördertes Öl aus Iran ersetzen konnten, was den Druck auf den Rest der Welt minimierte.«

Druck auf China

Der Petro-Machismo wirkt sich auch zunehmend auf die Beziehungen zwischen den USA und China aus. Die EIA hat berechnet, dass zwischen heute und 2040 die US-amerikanischen Ölimporte von 9,5 Millionen Barrel pro Tag auf 6,9 Millionen Barrel fallen werden, während die chinesischen von 5,0 auf 14,2 Millionen ansteigen werden. Die Obama-Regierung ist eifrig bemüht, diesen strategischen Nachteil Chinas so gut wie möglich auszunutzen. Bei der Verschiebung der militärischen und diplomatischen Aufmerksamkeit der USA weg von Europa und vom Mittleren Osten hin zum asiatischen-pazifischen Raum, aus dem gewöhnlich ein so großes Tamtam gemacht wird, handelt es sich im Wesentlichen um eine veränderte Strategie für den Einsatz der Kriegsmarine: Verteilten sich zuvor die US-amerikanischen Marineeinheiten zur einen Hälfte auf den atlantischen und zur anderen Hälfte auf den pazifischen Raum, so hat sich das Verhältnis zugunsten des Pazifiks verschoben und beträgt nun 40 zu 60. Ein großer Teil der zusätzlichen Seestreitkräfte wird sich im Indischen Ozean sowie im ost- und südchinesischen Meer konzentrieren – den wichtigsten Gewässern und Verkehrswegen, über die Importe nach China gelangen.

Mit den Bestrebungen, diese Wasserstraßen zu kontrollieren, ist eine deutliche Botschaft an Peking verbunden: Je unabhängiger wir von ausländischem Öl werden, desto mehr finden wir Gefallen an einer »härteren Gangart« (um Donilons Begrifflichkeit zu verwenden) in den internationalen Beziehungen. Ihr jedoch habt das Problem, immer abhängiger von Ölimporten zu werden, und seid zudem noch in der unschönen Situation, dass demnächst auch noch Eure wichtigsten Versorgungsrouten von der US-Navy kontrolliert werden.

Auch wenn die Botschaft etwas subtiler formuliert worden ist, ist sie bei der chinesischen Regierung sehr wohl angekommen. Dies erklärt auch, warum China gerade dabei ist, neue Öl- und Gaspipelines nach Russland und Zentralasien zu bauen, und warum es verstärkt in modernste Kriegsschiffe und Marinetechnologie investiert. Diese Maßnahmen haben darüber hinaus zu einer engeren strategischen Zusammenarbeit zwischen Peking und Moskau geführt, was sich nicht zuletzt darin zeigt, dass China immer mehr neue Waffensysteme in Russland erwirbt und beide Länder der Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit beigetreten sind, einem Sicherheitspakt, an dem die meisten zentralasiatischen Staaten beteiligt sind.

Befürworter von Keystone XL machen sich die zunehmende Rivalität zwischen den USA und China zunutze und behaupten, Kanada werde sein Teersandöl an China verkaufen, wie vom kanadischen Premierminister Stephen Harper bereits angedroht, würde die Pipeline nicht zu Ende gebaut. Von der Ablehnung des Keystone-Projekts, so die Mitglieder des Foreign-Affairs-Komitees in ihrem Brief an Obama, würden »allein die wirtschaftlichen Konkurrenten profitieren, die wie die staatseigenen chinesischen Ölkonzerne alle darauf aus seien, sich einen dauerhaften Zugang zu Energiequellen in Nordamerika zu verschaffen.«

Es ist schwer vorauszusehen, welche andere Formen der Petro-Machismo in den nächsten Jahren noch annehmen wird. Es gibt jedoch wenig Zweifel daran, dass die neuen Bande zwischen Kanada und den USA bei der Energieversorgung, mit Aussicht auf durchaus lukrative Exportmöglichkeiten in der Zukunft, den Ton und das Wesen der US-amerikanischen Außenpolitik bereits verändert haben.

Muskelspiel mit Risiken

All diejenigen, denen der Geltungsverlust der USA im Ausland ein Dorn im Auge war, werden diesen neuen geopolitischen Ambitionen aus verschiedenen Gründen begrüßen. Befürworter einer Ausweitung von Flüssiggas-Exporten zum Beispiel vertreten die Ansicht, diese würden dabei helfen, die dominante Position von Russland auf dem europäischen Gasmarkt anzugreifen und seinen politischen Einfluss zu schmälern – eine Haltung, die angesichts der von Russland unternommenen Krim-Intervention zweifelsohne noch mehr Spannungen erzeugen wird.

Es wäre von US-amerikanischen Außenpolitikern jedoch außerordentlich unklug, wenn sie die Steigerung der inländischen Ölförderung mit einem Blankoscheck verwechseln würden, der es ihnen erlaubt, China, Russland und andere Rivalen herumzukommandieren und unter Druck zu setzen. Tatsächlich verfolgen die Regierungen Chinas und Russlands mit Sorge die politischen Implikationen der wachsenden Energieerzeugung in den USA und unternehmen erste Schritte, um darauf zu reagieren: Die chinesische Regierung importiert mehr Öl und Gas auf dem Landweg, Russland verkauft mehr Energie nach Asien. Keine der beiden Staaten wird sich jedoch von Washington einfach einschüchtern lassen. Wahrscheinlicher ist, dass sie – wenn überhaupt – eher feindselig reagieren und nach Wegen suchen werden, wie sie dem wahrgenommenen Wettbewerbsvorteil der USA etwas entgegensetzen können – und dies könnte für alle Beteiligten gefährlich werden. Eine stärkere Präsenz der chinesischen Kriegsmarine im ost- und südchinesischen Meer und ein allgemein aggressiveres Auftreten sind eine naheliegende Reaktion auf die neue geopolitische US-Strategie, engere militärische Beziehungen zwischen China und Russland eine andere. Am Ende wird es für Washington eher schwieriger werden, seine sicherheitspolitischen Interessen in diesen Regionen durchzusetzen, nicht einfacher.

Wir sollten uns also davor hüten, anzunehmen, dass sich Steigerungen bei der Energieerzeugung in den USA und Kanada automatisch in geopolitische Vorteile übersetzen lassen und es dem Präsidenten erlauben, in der internationalen Arena offensiver aufzutreten. Machismo ist bereits in Beziehungen zwischen Frauen und Männern ein großes Problem, ein noch größeres in internationalen Beziehungen – insbesondere wenn damit ein Verhalten verbunden ist, das aus der Sicht der anderen ihre grundlegenden nationalen Interessen bedroht und sie dazu provozieren könnte, riskante Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Was tun?

Auch für UmweltaktivistInnen ist hieraus eine Lehre zu ziehen. Die ökologischen Argumente gegen den Bau von Keystone XL und andere solche Vorhaben sind allgemein bekannt: Die Fertigstellung der Pipeline und/oder die Erweiterung der Eisenbahnlinien, über die Teersandöl in die USA transportiert werden sollen, werden die Treibhausgasemissionen in die Höhe treiben und stellen eine ernsthafte Bedrohung für die Landwirtschaft, die Versorgung mit sauberem Wasser und die menschliche Sicherheit dar. Aspekte der nationalen Sicherheit erhalten in der Debatte viel weniger Beachtung – zumindest außerhalb des Universums der Thinktanks und Lobbygruppen, die lauthals die geopolitischen Vorteile des Energiebooms in Nordamerika rühmen. UmweltaktivistInnen müssen diese Behauptungen entkräften und die Schwachpunkte betonen, um in der nationalen Debatte die Oberhand zu gewinnen. Es müsste vor allem herausgestellt werden, dass die Priorisierung von geopolitischen gegenüber ökologischen Belangen weder für mehr Sicherheit noch für eine intakte Umwelt sorgen wird

Auf Kosten des Klimas

Das Streben nach geopolitischen Vorteilen durch eine verstärkte Unabhängigkeit im Energiesektor befördert Abenteuertum in Übersee und stellt damit eine zunehmende Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA dar. Je mehr Keystone XL und Fracking als geopolitische Aktiva genutzt werden, desto größer ist das Risiko, dass rivalisierende Staaten zu Gegenmaßnahmen zur Kompensation der vermeintlichen Vorteile der USA greifen werden. Und selbst wenn die Verbündeten der USA von Plänen zur Ausweitung der Exporte von aus Schiefergestein gewonnenem Öl und Gas profitieren sollten, werden die Energiepreise im Ergebnis zu Hause wieder anziehen. Dasselbe trifft auf den zu erwartenden Anstieg von Exporten verschiedener Raffinerieerzeugnissen zu, die aus all dem importierten Teersand aus Kanada hergestellt werden.

Aber entscheidender sind die Auswirkungen, die vermehrte Treibhausgasemissionen – ein Ergebnis der wachsenden Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, insbesondere von Bitumen mit seinem hohen Anteil an Kohlenstoffen – auf die nationale Sicherheit haben. Die zunehmende Verwendung von Bitumen wird den Anstieg von Treibhausgasen noch beschleunigen und ist daher mitverantwortlich dafür, dass der Klimawandel noch mit größerer Wucht über uns hereinbrechen wird, als bisher angenommen. Damit wächst die Bedrohung für die Sicherheit und die Überlebensfähigkeit unserer Städte, unserer Landwirtschaft, unserer Wälder und Küsten. Keine andere Herausforderung, mit der unsere Gesellschaft konfrontiert ist, ist annähernd so dringlich, so massiv und so bedrohlich nah. Die Vorteile des Projekts Keystone XL für die »nationale Sicherheit« hervorzuheben, bedeutet, der Verwüstung und dem Verderben unseres Landes Tür und Tor zu öffnen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei The Nation unter dem Titel »How the US Energy Boom Is Harming Foreign Policy«. Aus dem Englischen von Britta Grell