Selbst am Mindeststandard formaler Gleichheit gemessen, hat der ANC Rückschritte gemacht. Die Women’s League hat ihre Nähe zur herrschenden Fraktion der Partei nicht einmal zum eigenen politischen Vorteil nutzen können. Die ins Kabinett und Parlament aufgenommenen Frauen konnten beispielsweise nicht verhindern, dass ihre Partei ein Gesetz verabschiedet, das die Rechte von Frauen bedrohte, die unter traditionellen Autoritäten leben. Es bedurfte einer von außerhalb der Partei angestoßenen Kampagne der Alliance for Rural Democracy, um dieses Gesetzes abzuwenden. Die »Abteilung für Frauenfragen« ist außerdem offenbar nicht fähig, den Kampf gegen sexualisierte Gewalt zu führen. So fragte sie im August 2015 per Twitter: »Was sollen wir mit Frauen tun, die [aufgrund von erlittener Gewalt] klagen und die Klage anschließend zurückziehen?« AktivistInnen, die gegen sexualisierte Gewalt kämpfen, kritisierten, dass die Abteilung offenbar kein angemessenes Verständnis von der Komplexität hat, die der Umgang mit dem Justizsystem mit sich bringt. Einen Women’s Month auszurufen, entbehre jeglicher Bedeutung, wenn gleichzeitig die Mittel zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt und zur Unterstützung von Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, massiv gekürzt würden.
Statt eine Politik zu betreiben, die sich der Aufhebung von Ungleichheit orientiert, wurden Strukturen aufgebaut, die die Interessen regierungspolitisch aktiver Frauen vertreten. Form hat also über Inhalt gesiegt. Seit Gründung des Frauenministeriums hat keine der Ministerinnen Programme auflegen oder Mittel auftreiben können, um die harte Lebensrealität von armen Frauen zu verbessern. Stattdessen gibt es nun einen Gesetzentwurf, der eine Geschlechterparität für den öffentlichen und den Privatsektor vorsieht. Offensichtlich sollen KritikerInnen beschwichtigt werden, ohne irgendetwas Wesentliches zu ändern und vernünftige Ideen und Strategien zu entwickeln. Nun ist selbst dieses Ministerium umstrukturiert worden. Es wurde dem Präsidialamt angegliedert – ähnlich war man bereits verfahren, als das Amt für den Status von Frauen marginalisiert wurde. Durch solches Stühlerücken soll der Schein erweckt werden, es ging um eine Aufwertung, ohne jedoch für echte Handlungsfähigkeit zu sorgen.
Geschlechterpolitische Kehrtwende und die Linke im ANC
Es fällt schwer, in dieser Entwicklung etwas anderes zu sehen als einen Rückschritt. Bemü- hungen, die Regierung dazu zu bewegen, sich mit geschlechtsspezifischen Auswirkungen ihrer Wirtschaftspolitik zu befassen, werden dadurch jedenfalls nicht unterstützt. Die Tatsache, dass das Ziel, substantielle Gleichheit materiell und rechtlich herzustellen aufgegeben wurde, wird von vielen dem Wechsel in der ANC-Führung von den ›modernen‹ Ideen Mbekis zu den eher ›traditionalistischen‹ von Zuma zugeschrieben. Man kann tatsächlich sagen, dass Zuma, was Genderfragen angeht, für einen Rechtsruck in der öffentlichen Debatte gesorgt hat. Plumper Patriarchalismus ist unter seiner Präsidentschaft weitaus häufiger anzutreffen als zuvor. Bedeutender ist hier aber, dass sich die Dreier-Allianz aus ANC, dem Gewerkschaftsdachverband COSATU und der Kommunistischen Partei Südafrikas (SACP) entschieden geweigert hat, den Warnungen der Feministinnen Gehör zu schenken, dass es sich bei Zuma nicht um den Fahnenträger progressiver Politik handelt, als den man ihn darstellt. Es gehe um »mehr«, sagten sie. Es ginge darum, die Partei wieder unter die Kontrolle ihrer Sektionen und Basisorganisationen zu bringen. Es stehe ein radikaler Wandel bevor. Gender sei dabei ein nachgeordnetes Thema. Letzendlich haben sie einen Pakt mit dem Teufel geschlossen und überlassen es dem Lauf der Geschichte, FeministInnen Recht zu geben.
All das wirft die Frage auf, ob die Economic Freedom Fighters (EEF), die radikalen Newcomer auf dem politischen Feld, den angeschlagenen FeminstInnen eine Perspektive bieten können. Die Zeichen stehen eher schlecht. So wird die EEF von dem Team geleitet, das 2009 unter der Fahne der Jugendliga des ANC die Wahlkampagne »100% Zuluboy« für Zuma organisiert hatte. Hinzu kommt, dass dieses Team von Malema angeführt wird, der sich wegen seiner Bemerkungen zu Frauen und einvernehmlichem Sex bereits vor dem Gleichstellungsgericht verantworten musste. Des Weiteren haben sich die EEF bei ihrem Eintritt in die Politik für einen ausgeprägt militaristischen und maskulinen Stil entschieden. Kommandeure, Kämpfer und Zentralkommando, so lauten die Bezeichnungen für ihre Parteiämter und -strukturen. Für männliche Parteimitglieder sind Latzhosen, für Frauen Hausmäntel und traditionelle Kopftücher (Doeks) vorgesehen.
Der andere politische Neuankömmling, die United Front, hatte einen vielversprechenden Auftakt. Sie kündigte ausdrücklich an, die typischen Strukturen, in denen Frauen die organisatorische Drecksarbeit machen, während Männer sich die Führungspositionen sichern, nicht zu stützen. Einige FeministInnen befürchten, die Verbindung zwischen der United Front und dem ehemaligen Generalsekretär der COSATU, Zwelinzima Vavi,5 könnte das Projekt belasten. Es ist noch zu früh, um sagen zu können, ob dieser Vorwurf greifen wird und FeministInnen deswegen einen Bogen um die United Front machen müssen. Andererseits verfügt diese neue Partei mit ihrer Kritik an der Austeritätspolitik über das Potenzial, all diejenigen zusammenzubringen, die mit gewaltfreien Mitteln einen radikalen Wandel herbeiführen wollen (vgl. Müller 2014).