Der über 1000-seitige Bericht wurde (mit vielen Sondervoten) im April 2013 präsentiert. Die Opposition hat sich auf den Horizont einer „sozial-ökologischen Transformation“ geeinigt, und einige Kernelemente eines linken Wohlstandsverständnisses aufgezeigt: Beispielsweise Verteilungsfragen auch als solche der Produktion und ihrer demokratischen Gestaltung zu stellen; beim Thema Arbeit und Arbeitspolitik deutlich über die Erwerbsarbeit hinauszugehen und Fragen der Reproduktionsarbeit bzw. der gesellschaftlichen Reproduktion insgesamt stärker in den Blick zu nehmen; ökologische Probleme vor dem Hintergrund kapitalistischer Wachstumszwänge und einer ressourcenintensiven (und deshalb für viele attraktiven) Lebensweise zu thematisieren. Welche Chancen und welche Herausforderungen ergeben sich für die wachstumskritischen Debatten aus dem Bericht der Enquetekommission an den Bundestag?
Das Gespräch führte Ulrich Brand, einer der von der Partei die LINKE benannten Sachverständigen in der Enquete
Zunächst würde mich interessieren, ob in der Arbeit der Enquete über die Gleichsetzung von Wachstum und Wohlstand hinausgegangen wurde – und wenn ja, an welchen zentralen Punkten?
Waltraud Wolff: Das geschah sicherlich viel zu wenig. Es gab aber auch Debatten, in denen diese Gleichsetzung keine Rolle gespielt hat. Die Projektgruppe (PG) 3, die die Entkopplung des Wachstums von Ressourcenverbrauch diskutierte, hat klare Grenzen unseres Rohstoffverbrauchs dargestellt: Die Umweltsenken sind begrenzt, z. T. sind sie bereits voll. In der Diskussion, wie wir es angesichts dieser Situation schaffen, die notwendigen Güter und Dienstleistungen bereitzustellen, wurde die ökologische Perspektive in den Vordergrund gestellt. Die Umweltgrenzen sind nicht verhandelbar, eine Politik, die sich daran orientiert, muss sich aber gleichzeitig innerhalb ökologischer und sozialer Leitplanken bewegen.
Leider blieben die Debatten aber auch hier sehr technokratisch und ökonomielastig. Nicht ausreichend berücksichtigt wurden soziale Aspekte und die Frage nach einer notwendigen Transformation unserer Wirtschaftsweise: Fragen der innerstaatlichen und interstaatlichen Gerechtigkeit, Fragen des Umgangs mit Zielkonflikten im Management unterschiedlicher Naturraumgrenzen, Fragen der Auswirkungen von Produktionsstrukturen sowie die Frage nach dem Einfluss des Wirtschafts-, Finanz- und Governance-Systems.
Auch in der PG 1, in der der Stellenwert von Wachstum in Wirtschaft und Gesellschaft Thema war, haben Teile der Enquete früh auf die Herausforderung hingewiesen, eine Wohlstandsperspektive für den Fall stagnierender oder sinkender Wachstumsraten zu definieren. Die (Koalitions-)Mehrheit hat sich dieser Fragestellung verweigert, so dass sich Antworten auf diese Frage nun im Sondervotum der Opposition wiederfinden. Dieses Scheitern, hier einen gemeinsamen Text zu erstellen, ist deutliches Zeichen, dass sich Teile der Enquete nicht vom Wachstumszwang lösen konnten. Wir befinden uns an einem Wendepunkt in der Geschichte unseres Wirtschaftens, und sind schon mitten in einer sozial-ökologischen Transformation. Die Frage bleibt nur, wie wir sie gestalten werden.
Sabine Leidig: Meiner Wahrnehmung nach hat es an keiner Stelle eine explizite Definition von Wohlstand gegeben, auf die sich die Mitglieder der Enquete geeinigt hätten. Zwar wird auch nirgendwo explizit behauptet, Wachstum und Wohlstand seien identisch. Allerdings bleibt diese Position die implizit dominierende. Daran hat auch das Ergebnis der PG 2 – die einen „ganzheitlichen“ Wohlstands- oder Fortschrittsindikator entwickeln sollte – nichts geändert. Dem BIP wird lediglich ein ganzes Bündel weiterer Indikatoren ‚zur Seite stellt’. Modelle, bzw. Betrachtungsweisen, die das gute Leben der Einzelnen zum Ausgangspunkt nehmen wurden von der Mehrheit beiläufig ignoriert oder rundheraus abgelehnt.
In der PG 2 wurde beispielsweise der Nationale Wohlfahrtsindex recht rigoros verworfen, obwohl das Umweltbundesamt nach einem eineinhalb-jährigen Forschungsprojekt zum Ergebnis kam, dass dieser Ansatz am besten in der Lage sei, Wohlstand abzubilden. Auch die Ergebnisse der Glücksforschung wollte die Mehrheit nicht einbeziehen.
Der wirklich eindrucksvolle Vortrag von Martha Nussbaum über ihren „Capability-Ansatz“ spielte in den weiteren Debatten keine Rolle mehr. Dabei steht die Frage im Vordergrund, was der Mensch für ein gutes, gelingendes Leben benötigt und was die Gesellschaft dazu beitragen muss. Materielle Güter und Ressourcen werden für diesen Zweck nur als (wichtige) Mittel und nicht als Selbstzweck betrachtet. Es geht vielmehr um Befähigungen, über die der Mensch verfügen muss, damit er sein Leben erfolgreich gestalten kann. Das Wohlergehen einer Person hängt demnach auch von der Freiheit ab, sich für eine Lebensweise entscheiden zu können.
Hermann Ott: Zunächst einmal müssen wir in der Diskussion differenzieren: zwischen der Enquete im Gesamten und der Opposition, die in ihren Minderheitenvoten umfassender auf alternative Wohlstandskonzepte verweist.
Die Mehrheitsberichte basieren auf der Annahme, dass Gesellschaften sich nur dann entwickeln können, wenn sie auf den Wachstumspfad setzen. Das ist das Paqué-Paradigma: „Wirtschaftliches Wachstum getrieben vom Wettbewerb im Markt erzeugt Innovationen, die zu Entwicklung führen.“ (Paqué 2010) Von dieser Gleichsetzung Wachstum = Entwicklung = Wohlstand wird nicht abgerückt. Krisen gelten als Betriebsunfall, stellen den Wachstumspfad aber nicht in Frage. Alle weitergehenden Fragen nach demographischem Wandel, Arbeit, Konsum oder sozialer Spaltung werden dem anzustrebenden Wirtschaftswachstum untergeordnet.
Der einzige von beiden Seiten akzeptierte Punkt, der das gegenwärtige Wohlstandsmodell negativ berührt, ist die ökologische Krise. Aber auch hier wird sehr schnell reduktionistisch das Klimaproblem als Bedrohung über alle anderen ökologischen Fragen herausgehoben, und eine globale Lösungsnotwendigkeit konstruiert, in der zwangsläufig alle Staaten kooperieren müssen, um gemeinsam weiter die Chance wirtschaftlichen Wachstums zu haben.
Anders die Opposition, deren Argument folgendermaßen aussieht: Über Jahrzehnte hat eine Fixierung auf wirtschaftliches Wachstum materiellen Wohlstand sicherstellen können. Niemand bestreitet, dass die Zunahme materieller Versorgung gekoppelt mit Umverteilung für Wohlstand in der Bevölkerung gesorgt hat. Aber dieses System ist seit den siebziger Jahren am Kippen. Es ist krisenanfällig, baut auf ungerechten Strukturen auf – weltweit, aber auch innergesellschaftlich – ist global gesehen nicht übertragbar und führt zu ungerechter Verteilung, dabei werden Ökosysteme erheblich zerstört und irreversibel verändert. Treibende Kraft und Dynamik dahinter ist die gegenwärtige Form der Ökonomie, die Ökonomisierung der Gesellschaft und ihrer Teilbereiche, und seit Neuestem die Finanzialisierung der Natur. Dieses Primat muss durchbrochen werden, dazu bedarf es einer sozial-ökologischen Transformation und einer neuen Wohlstandsidee. Dies beinhaltet:
– eine neue Verantwortungsethik in der Weltgesellschaft, die sich ihrer globalen und intergenerationellen Reichweite bewusst ist;
– das Setzen von politischen Grenzen für die Nutzung unserer Ökosysteme;
– die Rückgewinnung des Sozialen, d.h. die Repolitisierung sozialer Ungleichheit global aber auch national, und die Bereitschaft dies zu verändern;
– ein neues Verständnis der Arbeitsgesellschaft als Tätigkeitsgesellschaft. Leistung in der Gesellschaft ist viel mehr als bloße Erwerbsarbeit, sie beinhaltet vor allem auch die vielfältigen Versorgungstätigkeiten, die außerhalb von abhängigen Beschäftigungsverhältnissen geleistet werden (Reproduktion, Carebereich, Betreuung). Hier kann ein Grundeinkommen eine wichtige Rolle spielen. Dabei ist festzustellen das diese Aufgaben zwischen den Geschlechtern asymmetrisch verteilt sind;
– Alternativen zu den bestehenden Wachstumszwänge in den Blick zu nehmen und Alternativen zu entwickeln.
Leider ist beim letzten Punkt auch die Opposition nicht über eine Definition entscheidender Fragestellungen hinausgekommen. Hier muss noch viel Arbeit geleistet werden.
Welche Aspekte gilt es denn für ein zukunftsfähiges progressives Wohlstandsverständnis besonders zu berücksichtigen?
Waltraud Wolff: Eine in der Enquete viel diskutierte Frage war die, welche Wachstumsraten wir in Zukunft erwarten können. In Deutschland werden sie niedriger sein als heute. Global werden wir weiter Wachstum haben, allein wegen der weiter steigenden Bevölkerungszahl und der nachholenden Entwicklung in vielen Teilen der Welt. Genauso wenig wie Wachstum ein Ziel ist, halte ich daher Nicht-Wachstum für ein Ziel. Die Frage ist: wie organisieren wir unsere Lebens- und Wirtschaftsweise so, dass sie nachhaltig ist?
Die Antwort darauf ist nicht leicht zu finden, muss aber aus meiner Sicht folgende Tatsachen berücksichtigen. Erstens, wir dürfen Probleme nicht gegeneinander ausspielen. Wir können nur dann eine langfristig tragfähige Lösung finden, wenn wir die Finanz- und Wirtschaftskrise und die ökologische Krise gemeinsam mit der Bekämpfung der globalen und nationalen Armut angehen. Dies gilt umso mehr als unsere wachstumsorientierte Wirtschaftsweise eine der Ursachen für ökologische und soziale Probleme ist.
Das bedeutet zweitens, dass technische Innovationen alleine nicht ausreichen. Stattdessen brauchen wir eine wirkliche sozial-ökologische Transformation unserer Wirtschaftsweise, brauchen neben der technischen auch sozio-kulturelle Innovation.
Drittens müssen wir die Resilienz unserer Gesellschaft für wachstumsärmere Zeiten verbessern. Höhere Steuern in manchen Teilbereichen, eine Verkürzung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit oder eine breitere Grundlage zur Finanzierung der Sozialversicherungen sind Ansatzpunkte dafür. Wir können die Zukunftsfähigkeit dieser gesellschaftlichen Teilsysteme nicht von steigenden Wachstumsraten abhängig machen.
Wir haben noch längst nicht alle Antworten – aber um sie zu finden, müssen wir die gesellschaftlichen Steuerungsprozesse verändern und demokratisieren. Insbesondere global aber auch national brauchen wir deutlich partizipativere und transparentere Prozesse, und eine starke Einbindung der Zivilgesellschaft.
Sabine Leidig: Ich denke, dass der oben erwähnte „Capability-Approach“, der in den Debatten im globalen Süden eine sehr viel größere Rolle spielt, auch für unsere Verhältnisse in Betracht gezogen werden müsste. Dabei müsste in Deutschland insbesondere die Frage eine Rolle spielen, ob sich unser Wohlstand verallgemeinern lässt. Zugespitzt: ein Leben in Wohlstand, das den globalen Süden und die Natur ausbeutet – also unsere „imperiale Lebensweise“ ist keine progressive Perspektive. Und ein Wohlstand, der auf Exportüberschüsse baut und im Standortwettbewerb unweigerlich Verlierer schafft, auch nicht.
Ein progressives Wohlstandverständnis müsste das selbstbestimmte „Genug“ ins Zentrum stellen: nicht zu wenig und nicht zu viel. Manfred Linz vom renommierten Wuppertal Institut argumentiert folgendermaßen:
„Suffizienz verbindet sich für mich mit Wohlbefinden, Zufriedenheit, einem neuen Wohlstandsverständnis, mit Maß und Maßhalten, mit der Übereinstimmung von Überzeugung und Handeln, von Zielen und Mitteln, vonder Beziehung zwischen dem, was benötigt und dem, was produziert wird, mit der Bevorzugung des Optimums vor dem Maximum, mit dem Verhältnis von materiellen Gütern und immateriellen Bedürfnissen, mit aufgeklärtem Eigennutz und mit Solidarität.“ (2002)
Eine gemeinsame progressive Vorstellung von dem, was Wohlstand ist, oder sein sollte – die gibt es bisher jedoch nicht. Weitgehende Übereinstimmung findet sich bei Themen wie Frieden, (soziale) Sicherheit, Entscheidungs- und Meinungs-Freiheit. Auch gerechte/homogene Einkommensverteilung oder Umweltqualität (saubere Luft und Wasser, wenig Lärm, Zugang zu Natur- und Grüngebieten) Bildungsmöglichkeiten, Kinderbetreuung und Kultur, soziales und politisches Engagement, Freizeit und Zeitsouveränität. Aber was ist mit den „traditionellen Fortschrittsindikatoren“ wie steigende Arbeitsproduktivität, Steigung der realen Löhne, technischer Fortschritt? Hier gibt es noch einiges an Dissens.
Hermann Ott: Jenseits der schon erwähnten Notwendigkeit des Anerkennens der ökosystemaren Grenzen unserer Erde als Grenzen unseres Handelns, und der politischen Setzung dieser Grenzen, müssen wir auch Verteilungsgerechtigkeitsfragen stellen. Dies wiederum bedeutet, dass wir unsere Konsum- und Lebensweise hinterfragen müssen, um einen Kulturwandel einzuleiten.
Während die Koalitionsmehrheit immer wieder Effizienzsteigerungen als Lösung der Grenzenproblematik hochhielt, zeigen neuere Erkenntnisse über Systemverschiebungen und den sogenannten „Rebound-Effekt“ – der besagt, dass in einer Wachstumswirtschaft durch Effizienzsteigerungen erzielte Produktivitätsgewinne zumeist von Mehrnachfrage aufgefressen werden – dass ein systemares, systematisches Herangehen (über Caps, Steuern etc.) erforderlich ist:
– Die Ökonomisierung unserer Gesellschaft muss zurückgeführt werden.
– sozial-ökologische Belange müssen in den Blick von Wohlstandsmehrung kommen.
– Wohlstand bedeutet stabile Gesellschaftsverhältnisse anzustreben (Resilienz).
– Ungleiche Gesellschaften werden zunehmend instabil. D.h. Gerechtigkeitsfragen zwischen Arm und Reich, zwischen den Geschlechtern, zwischen Entscheidern und Betroffenen müssen neu gestellt werden.
– Das gelingt nur mit einem Ausbau demokratischer Verhandlungsarenen und neuen Partizipationsrechten.
– Politik muss sich neuen Formen der Rechenschaftslegung stellen. Dies braucht ein neues Indikatorensystem für die Dimensionen Ökologie, Soziales, Ökonomie. Anhand der Indikatorenentwicklung muss sich Politik neu rechtfertigen und Zielvereinbarungen eingehen.
Zum Abschluss noch die Frage, wo die Widersprüche und Konfliktpotenziale liegen – einerseits mit den Vorschlägen des rechten Lagers, aber auch innerhalb des linken?
Waltraud Wolff: Auf den Punkt gebracht? Union und FDP bagatellisieren die Krisen der Gegenwart. Sie sehen die Wirtschafts- und Finanzkrise, die soziale Spaltung und den Klimawandel letztlich als Betriebsunfälle an, die mit technischen Innovationen und einer Rückkehr zum Ordnungsrahmen der sozialen Marktwirtschaft repariert werden können. Eine sozial-ökologische Transformation lehnen sie ab.
Im linken Lager gibt es in der grundsätzlichen Beurteilung der Krisen Einigkeit. Auf dieser Basis ist es gelungen, in den inhaltlichen Fragen gemeinsame Positionen zu entwickeln. Wirklichen Dissens gab es in der strategischen Frage, wie die Wirksamkeit eines möglichen neuen Indikatoren-Sets zur Wohlstandsmessung sichergestellt werden kann.
Sabine Leidig: Mir scheint es drei klar erkennbare Unterschiede zwischen den beiden politischen Orientierungen zu geben.
Der erste ist die Betrachtung von „Oben“ und „Unten“ als einer entscheidenden Achse gesellschaftlicher Formation und Veränderung. Kennzeichnend dafür ist die Weigerung des rechten Lagers, Vermögenswachstum zu begrenzen und die zunehmende Konzentration von Kapital, Einkommen und Vermögen als Problem zu benennen. Der zweite dreht sich um die Frage politischer Planung und Steuerung im Gegensatz zu Marktwirtschaft. Der Dritte betrifft die Verantwortung der Individuen für ihre Lebensweise. Die linke Betrachtung geht davon aus, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse entscheidend dafür sind, welche Entscheidungs- und Handlungsoptionen die Einzelnen wählen. Deshalb müssen Bedingungen organisiert werden, die es leicht machen, nachhaltig zu leben. Die andere Seite geht eher davon aus, dass die Individuen sich „fit“ machen müssen, um die Schwierigkeiten zu überwinden, die einer nachhaltigen Lebensweise entgegenstehen.
Darüber hinaus scheint es mir jedoch schwierig, die Widersprüche und Konfliktlinien einem „rechten“ oder „Linken“ Lager zuzuordnen. Deshalb möchte ich einige skizzenhafte Thesen zur Diskussion stellen.
Erstens, die Arbeit als Quelle von Wohlstand sollte zentrales Thema emanzipatorischer Ansätze sein. Dazu zählen Fragen
– der Bedingungen unter denen Erwerbsarbeit stattfindet (prekär, überfordert, unterbezahlt …), ebenso wie der Ausschluss von Erwerbsarbeit.
– der ausgeblendeten, nicht-marktförmigen (Haus- und Sorge-)Arbeit, die wesentlich zum Wohlbefinden der Menschen beiträgt, aber sehr ungleich verteilt ist.
– der Produkte der Arbeit, und wer darüber bestimmt. Also nicht nur das ‚wie’, sondern auch das ‚was’ der Produktion soll zum Gegenstand der Zukunft der Arbeit werden.
Zweitens, damit eng verbunden ist die Frage, wie soziale Sicherheit und Lebensstandard auch mit weniger Erwerbsarbeit garantiert werden soll. (Stichwort Grundeinkommen kontra kurze Vollzeit).
Schließlich bleibt die Herausforderung, demokratische und partizipative Veränderungsprozesse zu erproben: sowohl für die Beschäftigten, als auch für die NutzerInnen von Produkten und Dienstleistungen.
Hermann Ott: Das sogenannte ‚rechte’ Lager ist in höherem Maße strukturkonservativ und verteidigt das bestehende System mit seinen Dynamiken (auch wenn es wie in der Enquete schöne Ausnahmen gibt). Selbst die Anerkennung globaler Umweltprobleme führt in der Regel nur dazu, den eigenen Verantwortungsbereich auf die globale Ebene zu verschieben und Lösungen nur anzustreben, wenn Wettbewerb und ökonomisch erreichte Positionen nicht gefährdet werden. Mindermeinungen von Einzelnen sind löblich, aber nicht in der Lage, das Lagerdenken zu durchbrechen.
Zum linken Lager: Einigkeit besteht über das Ziel einer sozial-ökologischen Transformation, die als Bruch mit dem jetzigen Pfad der Moderne gesehen wird, zumindest in den Kreisen der Enquete. Dabei ist Wachstum bestenfalls noch Mittel, nicht aber Ziel politischen Handelns.
In diesem Satz wird aber schon ein Dilemma deutlich. SPD und Linke müssen für sich die Frage klären, inwieweit sie bereit sind, ihre Verflechtungen mit den alten Wachstumsprotagonisten (u.a. in den Gewerkschaften, aber auch in Unternehmen, Betriebsräten, etc.) kritisch zu überprüfen und ob sie den Konflikt riskieren wollen.
Eine Schlüsselfrage in diesem politischen Zusammenhang: wie halten wir es mit der „Verzichtsdebatte“, oder, vielleicht besser so formuliert, mit den Fragen nach Suffizienz und den daraus eigentlich erst entstehenden Freiheitsgraden.
Außerdem: Welchen Stellenwert soll die entlohnte Erwerbsarbeit in der gesellschaftlichen Normordnung haben? Sind wir bereit, aktiv für die Aufwertung von Heim-, Care- und freiwilliger Arbeit zu fechten? Wie stehen wir zum Prinzip des „Fördern und Forderns“? Ist ein Grundeinkommen eine Lösung oder zumindest eine nicht zwangsbewehrte soziale Mindestabsicherung?
Diese Fragen, so scheint mir, bieten einiges an Diskussionspotential innerhalb des linken Lagers.