Viele Länder planen ein Ende des Verbrennungsmotors. Norwegen geht voran und hat 2025 als Ausstiegsdatum festgelegt, mehrere kleine Länder wie Dänemark nennen 2030 als Ziel, Großbritannien peilt 2035 an, Frankreich und Spanien sind 2040 soweit (Eine aktuelle Übersicht des International Council on Clean Transportation (ICCT) findet sich hier). Auch viele Städte planen für eine Zukunft, in der nur noch Null-Emissions-Fahrzeuge zirkulieren dürfen: Barcelona, Madrid und Paris sind bereits erste Schritte in diese Richtung gegangen, in Mailand ist 2027 Schluss. Auch die Baleareninseln gehören zu den Vorreitern: Hier gilt ab 2025 bereits ein flächendeckendes Fahrverbot für Dieselfahrzeuge.
Linke und grüne Parteien haben ebenfalls ein solches Ausstiegsdatum in ihren Programmen, so auch DIE LINKE. Parteichef Bernd Riexinger schreibt dazu in einem aktuellen Beitrag »Thesen für einen linken Green New Deal«: »Spätestens ab 2030 dürfen keine Pkw mit Verbrennungsmotor mehr neu zugelassen oder exportiert werden.« Es geht ihm also nicht nur um einen „Antriebswechsel“ bei uns, sondern auch um das Ende der Produktion solcher Fahrzeuge. Angesichts des Exportstandorts Deutschland und der Macht des autoindustriellen Komplexes, der Koalition aus Autokonzernen, Industriegewerkschaften und Staat, stehen uns harte gesellschaftliche Auseinandersetzungen in den nächsten Jahren bevor.
Auch die Klimabewegung nimmt zunehmend den Verkehrssektor ins Visier und hat den Ausstieg aus dem Verbrenner ins Zentrum ihres Kampfs für einen postfossilen Umbau der Gesellschaft gerückt. Der Aufruf eines breiten Bündnisses gegen die Internationale Automobil Ausstellung (IAA) in Frankfurt im Herbst 2019 nannte als erste von sieben Forderungen zur Verkehrswende den »sofortigen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor«, gefolgt von der nach einem »klimaneutralen Verkehr bis 2035«– eine klare bewegungspolitische Prioritätensetzung.
Nach den erfolgreichen Protesten gegen die IAA in Frankfurt im Herbst 2019 gab es dieses Jahr gleich den nächsten kleinen Erfolg zu verzeichnen: Im Corona-Konjunkturpaket der Bundesregierung war keine Kaufprämie für Verbrenner enthalten. Außer den Vertretern des fossilen Kapitals, der IG Metall oder der AfD fand sich zuletzt niemand, der das unterstützt hätte, die Mär vom sauberen Verbrenner glaubt auch niemand mehr.
Auch wenn das nur ein kleiner Erfolg ist, vielleicht nicht viel mehr als ein symbolischer, angesichts der erweiterten Förderung und Steuervergünstigung für Hybridfahrzeuge (diese sind im Prinzip Verbrenner mit einer extra großen Batterie, deren Fähigkeit, rein elektrisch zu fahren, selten oder überhaupt nicht genutzt wird): Dass die Autoindustrie sich mit dieser Forderung nicht durchsetzen konnte, stellt einen Wendepunkt dar, fast ein kleines Fukushima für das fossile Kapital.
Die »Elektro-Strategie der Konzerne«?
Die Autoindustrie hat ganz andere Pläne für 2030: Eine Einführung elektrischer Fahrzeuge in homöopathischer Dosierung, gerade so viel, dass die Flottengrenzwerte für die Gesamtunternehmen, die die Europäische Union vorschreibt, eingehalten werden – sonst drohen empfindliche Strafzahlungen. Immer wieder ist von einer »Elektro-Strategie der Konzerne« die Rede. So schreibt Winfried Wolf in seinem gerade erschienenen Manifest für eine Verkehrswende: »Im Übrigen sollte es bereits stutzig machen, wenn ›Elektromobilität‹ von einem breiten Bündnis aus Autobossen, Ölkonzern-Vertretern und Offiziellen aus Ölförderländern propagiert wird.« (Knierim/Wolf 2019, 15)
Der ehemalige Chef des Lobbyverbandes VDA, Bernhard Mattes, äußerte sich im Sommer letzten Jahres folgendermaßen: »Auf vielen Märkten werden hocheffiziente Verbrenner noch lange einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten.« Selbst bei optimistischer Entwicklung der E-Automobilität seien in elf Jahren immer noch mindestens vierzig Millionen Verbrenner in Deutschland unterwegs, ergänzte er im Interview mit der autozeitung (7.8.2019).
Die renommierte Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert, b bereits 2017 im Interview mit dem Autor: »Es ist offensichtlich, dass Elektroautos mit gezielten Kampagnen und PR schlecht geredet werden sollen – wie immer, wenn das fossile Kapital die Vergangenheit möglichst lange konservieren will – das kennen wir von der Energiebranche zur Genüge.«[1]