Und sie waren und sind betroffen durch den Boom der Plantagenwirtschaft zur Produktion von Biotreibstoffen. Hunderte von Millionen kleinbäuerlicher Familien wurden vom Land vertrieben. Die Statistiken gehen sehr weit auseinander. In den 1960er Jahren, zur Zeit der »Grünen Revolution«, waren es noch 3,2 bis 3,4 Milliarden, inzwischen sollen es noch 2,6 bis 2,8 Milliarden Menschen sein. Die Folgen dieses Prozesses waren dramatisch, denn nur ein Teil dieser Enteigneten und vom Land Vertriebenen ist auf dem Land geblieben, als Landarbeiter, als Agrarproletarier, bspw. auf den neuen Biotreibstoffplantagen in Brasilien. Die damit einhergehende relative Verknappung der Agrarflächen, in Relation zum globalen Bevölkerungswachstum, hat zu zyklischen Ernährungskrisen geführt. Der größte Teil der vom Land Vertriebenen ist in die Städte abgewandert. Die meisten von ihnen sind in so genannten slum cities gelandet. Es sind inzwischen über eine Milliarde Menschen, die dort unter extremen Bedingungen überleben, teilweise buchstäblich »in der Scheiße« überleben. Seit den 1970/80er Jahren haben Massenmigrationen gigantischen Ausmaßes stattgefunden: Von Zentral- und Südasien in Richtung Golfstaaten, vom Süden in den Norden in Zentralamerika, vom Süden in den Norden aus Afrika nach Europa und vom Osten nach Westen ebenfalls in Richtung Mittel- und Westeuropa. Auch hier sind Hunderte von Millionen Menschen kontinental oder transkontinental auf der Wanderschaft. Im Gegensatz zu diesen Massenmigrationen, die es in der Weltgeschichte immer gegeben hat, gibt es ein weiteres, neues Phänomen der globalen Proletarisierungsprozesse: die wirkliche Herstellung globaler Arbeitsmärkte. In der Forschung ist man sich relativ einig, dass der erste globale Arbeitsmarkt im Bereich des Care-Work, also der Pflegearbeit im weitesten Sinn, und der domestic services, also der häuslichen Dienstleistung, entstanden ist. Er ist heute ein globales Phänomen. Ein eben solches Phänomen ist die Internationalisierung der Transportarbeit seit der technologischen Verbindung der verschiedenen Teile des Produktionssystems zu Produktionsketten, keineswegs nur im maritimen Sektor. Das spektakulärste Phänomen der Entstehung neuer globaler Arbeitsmärkte erleben wir im Bereich der Informationstechnologie, wo ein neues Segment hochqualifizierter Kommunikationsarbeit überwiegend selbstständig Tätiger sich auf globalen Weltmärkten bewegt und den globalen Proletarisierungsprozess entscheidend beeinflusst. Ein weiterer Aspekt war in den vergangenen Jahrzehnten im Fokus der Forschung: die neue internationale Arbeitsteilung. Ich brauche ­also nur auf die Tatsache hinzuweisen, dass das Kapital aufgrund der Verbilligung und Rationalisierung der Transportketten in der Lage gewesen ist, dorthin zu wandern, wo die Arbeitskraft am billigsten ist. Heute sind die Blaupausen und Entwicklungszentren in den Zentren des Weltsystems, die Massenproduktion, die Montageproduktion in die Werkbänke der Peripherie verlagert. Die relative Deindustrialisierung der transatlantischen Sphäre unterfüttert die globale Proletarisierungstendenz. Sie war begleitet von heftigen Arbeiterkämpfen und heftigen Arbeiterniederlagen, einschließlich der Niederlage ihrer Repräsentation: Erinnert sei an die strategische Niederlage der Fiat-Arbeiter 1980, die Zerstörung der britischen Bergarbeiterbewegung als erste Großtat Margaret Thatchers und an den, in seiner Bedeutung lang unterschätzten, verlorenen Docker-Streik in den Vereinigten Staaten an der Ost- und Westküste im Jahr 1991. Relative Deindustrialisierung bedeutet, dass in anderen Sektoren der Welt, im geschleiften Osteuropa, in Südosteuropa und vor allem in Ostasien neue Schwerpunkte der industriellen Produktion entstanden sind. Entscheidend ist, dass diese gewaltigen Verschiebungen mit einer globalen Homogenisierung bzw. Standardisierung der Technologie und der Arbeitsorganisation in den zentralen Sektoren Automobilindustrie, Elektronikindustrie, Stahlindustrie, Rohstoffkonzerne usw. einhergegangen sind, so dass sich die bisherige Trennung der Welt, auch aus der Perspektive des industriellen Proletariats, in Peripherie, Semiperipherie und Zentrum auflöst und teilweise umkehrt. Das sind die wesentlichen Aspekte, die verdeutlichen, dass in der Tat ein Prozess der Konstitution eines Weltproletariats stattfindet. Es werden immer mehr Menschen auf der Welt, Hunderte von Millionen Menschen, ihrer Produktionsmittel und ihrer Subsistenzmittel beraubt. Es werden immer mehr Menschen gezwungen, da sie über keine Produktions- und Subsistenzmittel mehr verfügen, ihr Arbeitsvermögen zu entäußern: bezahlt, unbezahlt, als Freie, als Unfreie, als Kontraktarbeiter, als Lohnarbeiter, wie auch immer. Der wesentliche Aspekt dieses Proletarisierungsprozesses besteht darin, dass er eine Umkehrung der Entwicklungstendenzen der 1960er Jahre zumindest im industrialisierten Westen mit sich bringt: Die neuen Proletarierinnen und Proletarier sind nicht mehr in der Lage, durch die Entäußerung ihres Arbeitsvermögens die Existenzrisiken ihres individuellen oder familiären Daseins, Krankheit, Individualität und Alter, abzudecken. Dieser Prozess ist nicht dominiert durch das absolute oder relative Aufsteigen einer neuen industriellen Arbeiterklasse von doppelt freien Lohnarbeitern mit einem zunehmend abgesicherten sozialen Status. Prekäre Arbeitsverhältnisse dominieren. Es dominieren flüchtige Prozesse der Ausbeutung. Es dominieren Prozesse der Kontraktarbeit, der Tagelöhnerarbeit, der zeitlich befristeten Ausbeutung. Natürlich auch der festangestellten Lohnarbeit, aber nur als eine Komponente unter vielen und ohne die Tendenz, sich gegenüber den anderen durchzusetzen. In Lateinamerika hat sich die Zahl der ungesicherten Beschäftigten von 52 im Jahr 1980 auf 58 Prozent im Jahr 2007 erhöht; in Südostasien in derselben Zeit von 51 auf 72 Prozent, im subsaharischen Afrika auf über 80 Prozent; in Nordafrika und der arabischen Welt auf durchschnittlich 47 Prozent – und die Tendenz ist steigend. Dabei handelt es sich wohlgemerkt um Arbeitsverhältnisse im nichtagrarischen Sektor. Wenn wir den agrarischen Sektor hinzuzählen, kommen wir auf Durchschnittswerte von 70 bis 80 Prozent und in einigen, nicht nur den Entwicklungsländern, auf 90 Prozent. Gleichzeitig erleben wir die gegenläufige Tendenz: Die prekären Arbeitsverhältnisse kehren in die bisherigen Zentren des Weltsystems zurück. In ihrer sichtbaren Form genauso wie in der Peripherie: Straßenhändler, Straßenmusikanten, Bettler usw., vor allem aber in ihrer unsichtbaren Form als Leiharbeit, als zeitlich befristete Beschäftigung, als niedrig entlohnte Beschäftigung usw. Nun stellt sich die Frage, wie die Weltwirtschaftskrise diese Prozesse beeinflusst hat.

Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise

In der Krise sind, nach Statistiken der internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die Erwerbslosenzahlen seit 2007 weltweit um 60 Millionen Menschen angestiegen (auf 300 Millionen). Sie sind inzwischen wieder etwas rückläufig. Im Verlauf der Krise haben sich die Tendenzen zur Massenverarmung aufgrund der zyklischen Ernährungskrise von 2008 und erneut 2010 massiv verstärkt. 1,7 Milliarden Menschen sind absolut arm, d.h. sie beziehen weniger als 1,45 Dollar pro Tag. Über eine Milliarde Menschen leben wieder im Zustand des chronischen Hungers. Im Rahmen gigantischer Sanierungsprogramme zur Refinanzierung der massiven Kredite an den Finanzsektor verschärft sich auch die Prekarisierung in Europa, den USA und Japan. Hier ist ein enormer Beschleunigungsprozess zu beobachten. Auch in den Zentren erlangen nur noch knapp die Hälfte aller Jugendlichen, die ihren Schulabschluss oder Hochschulabschluss hinter sich haben, eine Berufsperspektive. Sie sind jahrelang erwerbslos und landen überwiegend in prekären Beschäftigungsverhältnissen. In Deutschland sind über 50 Prozent der Neuanstellungen nur noch befristete Arbeitsverhältnisse. Nun gibt es aber auch gegenläufige Prozesse, die die Homogenisierung blockieren. Die Weltwirtschaft erholt sich ungleichgewichtig. Das hat zur Folge, dass die Massenmigration erneut zunimmt – derzeit sichtbar an den Schengen-Grenzen – und Solidarisierungsprozesse blockiert. Ähnliche Tendenzen sehen wir in der ungleichen Entwicklung innerhalb Europas. Der Verarmungsprozess der europäischen Peripherie (Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien) koppelt sich vom Zentrum ab. Auch das führt zu erheblichen Verwerfungen. Im Ergebnis der Krisenverschärfung vergrößern sich die »sensiblen Zonen der französischen Statistik«, d.h. die städtischen Agglomerationen, in denen die marginalisierten Proletarierinnen und Proletarier leben und sich verstärkt abschließen – ein Ghettoisierungsprozess, der etwa in Frankreich fünf bis sechs Millionen Menschen erfasst hat. Es gibt also Homogenisierungstendenzen, aber auch ganz eindeutige Fragmentierungsprozesse, und es stellt sich die Frage, wie die neuen Proletarierinnen und Proletarier mit dieser Konstellation umgehen.

Neue Aufbrüche

Historisch gesehen war es zum Ende von Krisen üblich, wenn akute Krisenprozesse in die Stagnation oder die Erholungsphase übergingen, dass sich Proletarier wieder zu Wort melden. Und zwar geschah das immer ziemlich überraschend, bspw. kam die massive Fabrikbesetzungswelle vom Juni 1936 in Frankreich, die zur Volksfront führte, völlig unerwartet; ebenso die Flint-Streiks in den USA um die Jahreswende 1936/37, die den New Deal überhaupt erst von unten stabilisiert haben. Auch in der aktuellen Situation gab es Überraschungen, einiges hatten wir erwartet. Ich möchte drei Beispiele herausgreifen.

China

Zur Zeit des Höhepunkts der Krise 2008 wurden in China 25 Millionen Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeiter in ihre Dörfer zurückgeschickt. Sie revoltierten mit Massenstreiks gegen ihre Entlassung, vor allem weil sie zu einem erheblichen Teil nicht entlohnt wurden. 2009 sind sie wieder weitgehend zurückgekehrt und inzwischen ist eine zweite Generation von Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeitern, 200 Millionen Menschen, beschäftigt. Diese zweite Generation will nicht mehr aufs Land zurück, sie will ein städtisches Leben. Sie braucht also höhere Einkommen, weil sie sich von der Subsistenzökonomie abkoppelt, und sie ist bereit, dafür höhere Risiken in Kauf zu nehmen. Die Sommerstreiks des Jahres 2010, vor allem in der Automobilindustrie, der Chemie- und der Elektronikindustrie wurden mit harten Repressalien gegen die Streikführer und mit der Kriminalisierung aller überbetrieblichen Kontakte beantwortet, gleichzeitig aber auch mit lohnpolitischen Konzessionen. Weniger bekannt ist, dass lokale Revolten von größerer Bedeutung sind, d.h. große Massenaktionen gegen Rathäuser, Parteihäuser, gegen öffentliche Einrichtungen sich auf über 180000 verdoppelt haben. Der letzte Volkskongress hat im März 2011 in seinem zwölften Fünf-Jahres-Plan mit einer Reforminitiative darauf geantwortet. Er verspricht jährliche Lohnerhöhungen von 13 Prozent, 45 Millionen neue Arbeitsplätze in den städtischen Agglomerationen, 36 Millionen neue Sozialwohnungen und die Einführung der Sozialversicherung auf dem Land. Die Sozialrevolte hat in der für unsere Analyse vielleicht wichtigsten Weltregion zu einem Reformimpuls geführt. Aber die Situation ist offen, denn die Risikobereitschaft, nicht nur der WanderarbeiterInnen, sondern auch des städtischen Prekariats, ist enorm gestiegen und die ländliche Subsistenzwirtschaft befindet sich inzwischen in Auflösung.

Griechenland

Die griechische Krisenpolitik ist ein Beispiel für einen aggressiven Restriktionskurs. Im Dezember 2008 war der Aufschrei der Jugend zu vernehmen, eine militante Sozialrevolte, auf die die internationalen Finanzmärkte mit der Spekulation auf die griechischen Staatsanleihen antworteten. Die »neue« griechische PasokRegierung hat unter dem Druck des IMF und der europäischen Kommission, vor allem Deutschlands, ein rigoroses Sparprogramm begonnen, das zu massiven Einkommensverlusten der öffentlich Beschäftigten bis zu 25 Prozent, massiven Rentenkürzungen usw. führen wird. Diese Situation ist besonders: Sie läuft in einem Peripherieland der EU ab und ist durch die EU verschuldet. Seit der Integration Griechenlands in die Eurozone waren massive Deregulierungsprogramme gelaufen. Das jetzige Sparprogramm bedeutet eine Radikalisierung, die alle bisherigen Erfahrungshorizonte sprengt. Es hat seither immer wieder Generalstreiks gegeben, etwa den großen vom Mai 2010. Die regierungsnahen Gewerkschaftsverbände haben die Kontrolle über die Massenbewegung verloren. Die zwei linken Parteien mit ihren Gewerkschaften und eine neue aufkommende anarchistische Strömung dominieren den Prozess des Widerstands, und sie haben gelernt, aufeinander zuzugehen. Dabei haben vor allem die in den anarchistischen Gruppen aktiven, überwiegend höher qualifizierten Jugendlichen mit IT-Fähigkeiten eine außerordentliche Rolle gespielt. Sie haben eine Gegenöffentlichkeit über die Informationstechnologie hergestellt, und sie haben die direkte Aktion, die Besetzungsaktion öffentlicher Einrichtungen, wieder hoffähig gemacht. Die Situation ist explosiv und offen – wie die Entwicklung in China.

Ägypten

Auch in Ägypten sind seit den 1990er Jahren strukturelle Anpassungsprogramme durchgeführt worden, die zu einer weitgehenden Deregulierung des öffentlichen Sektors führten. 1991 vom Mubarak-Regime in Gang gesetzt, wurden 1997 die Landreformen zurückgenommen und 1999 die Beschäftigungsgarantien für alle Hochschulabsolventen aufgehoben. Im Verlauf der Krise verschärfte sich der Sparkurs. Es kam zur Privatisierung der größten Teile des öffentlichen Sektors, bspw. in der Textilindustrie, in der 800 Fabriken stillgelegt wurden. Die Belegschaften dieser Fabriken haben zunächst in militanten Streiks ihre Betriebe besetzt. Als die Betriebe geschlossen wurden, sind sie nicht verschwunden, sondern nach Kairo gezogen. Sie haben sich vor das Parlament begeben, und sie haben wochenlang auf dem Tahrir-Platz demonstriert und campiert. Dabei wurden sie von den Massen jugendlicher Arbeitsloser aktiv unterstützt. Es kam zu weiteren Streikbewegungen und unmittelbar vor dem Aufstand zu einer Streikwelle, die auch die selbstständigen Arbeiter, 70000 LKW-Fahrer und Kleinunternehmer des informellen Sektors erfasste. Der Aufstand, der nach dem Impuls aus Tunesien in Gang gekommen ist, war ein Aufstand aller Segmente des neuen Proletariats, ausgenommen der slum cities, die sich nur am Rande und verspätet beteiligt haben. Weltweit wird also massiv auf den verschärften Krisenprozess geantwortet. Dabei haben sich drei Varianten entwickelt: a) eine Variante des Reformdrucks (in China), b) eine Variante der offenen und massiven Konfrontation zwischen den Sanierungsregimes, die inzwischen in Griechenland ihre politische Basis verloren haben und deren Auswirkungen auf die übrigen Sanierungsregimes an der europäischen Peripherie absehbar sind, wie die neuesten Massenstreiks, die ohne jede Unterstützung durch Gewerkschaften und Parteien in Portugal stattgefunden haben, zeigen. Und wir haben c) die Konstellation des politischen Bruchs, der natürlich in seiner Perspektive völlig offen ist, weil im Schatten des libyschen Bürgerkriegs die nahöstliche Konterrevolution aufmarschiert ist.

Neue Perspektiven

Wie können wir uns auf diese Entwicklungen beziehen? Wie können wir die sich dort entwickelnden, basisdemokratischen, antipatriarchalen und egalitären Tendenzen unterstützen? Wie können wir, polemisch gesagt, den Zustand beenden, hinter dem sich konstituierenden politischen proletarischen Subjekt, dem kollektiven Subjekt, herzulaufen? Dies berührt unsere bisherige politische Identität. 1  |  Wir sollten bereit sein, diesen globalen Proletarisierungsprozess zu sehen und ihn nicht vorschnell mit unseren früheren theoretischen Festlegungen überlagern. Ich meine damit eine Öffnung unseres Arbeitsbegriffs, den Verzicht auf die Illusion, dass die doppelt freie Lohnarbeit in einer zunehmend sozialen Absicherung befindlich, sozusagen einen evolutionären Prozess der Industrialisierung des Weltsystems darstellt. Dieser Prozess findet nicht statt, und er ist – hier beginnt die Diskussion – auch nicht erstrebenswert. Denn die Menschen, die sich immer mehr und immer stärker in flüchtigen und prekären Arbeitsverhältnissen befinden, sind dorthin nicht nur aufgrund der diabolischen Raffinessen des Kapitals geraten, sondern weil sich darin auch ein Stück ihrer eigenen Fremdheit gegenüber der Arbeit ausdrückt. 2  |  Wir sollten Abschied nehmen vom methodischen Nationalismus, der sich seit 1914 tief in die Arbeiterbewegung eingegraben hat. Wir sollten auch vom Euround Atlantozentrismus Abschied nehmen, der sich in den 1950er und 60er Jahren hier durchgesetzt hat und der sozusagen als Relikt des Kalten Kriegs weiter fortwirkt. Denn wir sind mit einem neuen Weltproletariat konfrontiert, in dem es hochqualifizierte, mehrsprachige, global kommunikationsfähige Segmente gibt, etwa den IT-Sektor und die Transportarbeiter. Das Weltproletariat ist in seiner multiethnischen, vielsprachigen Struktur Realität. 3  |  Wenn diese Hypothesen zutreffen, sollten wir den Abschied von der (Lohn-) Arbeit organisieren. Die Proletarierinnen und Proletarier lieben die Arbeit nicht. Sie arbeiten, weil sie keine Alternativen haben. Sie kämpfen gegen die Arbeit, wenn sich die Gelegenheit ergibt, und sie fliehen vor ihr, wenn sie Möglichkeiten sehen. Es gibt ein elementares Massenbedürfnis nach selbstbestimmter gesellschaftlicher Tätigkeit. In unseren Utopien haben wir die selbstbestimmte gesellschaftliche Tätigkeit der frei assoziierten Individuen immer als ein strategisches Ziel definiert. Es ist aber ein Sofortprogramm. Es ist immer ein Sofortprogramm gewesen, wie die »Niederlage« der Russischen Revolution von 1917/18, die Niederlage der Volksfrontregierung in Frankreich von 1938 und auch die Niederlage der Spanischen Revolution zeigen. Die Arbeiterzeitungen des spanischen Anarchismus haben im Frühjahr 1937 Proklamationen zur Wiederherstellung der Arbeitsdisziplin, der Arbeitsmoral, der Abschaffung der Tanzveranstaltungen usw. veröffentlicht, die sich wie direkte Zitate Lenins vom Januar/Februar 1918 lesen. Alle Strömungen der Arbeiterlinken, die ihre Legitimationsansprüche aus dem Proletariat abgeleitet haben, waren damit konfrontiert, dass die realen Proletarierinnen und Proletarier in dem Augenblick, indem sie endlich die Despoten und die Unternehmen weggejagt hatten, nicht mehr gearbeitet haben. In revolutionären Umbruchprozessen sinkt die Arbeitsproduktivität dramatisch. Nationale oder regionale Umstürze lassen sich kaum verteidigen, weil sie sich, im Prozess der Verteidigung gegen ihre Umwelt, von ihrer eigenen sozialen Basis entfernen. Umstürze können nur noch auf globaler Ebene diskutiert werden. Es ist notwendig, lokale Assoziationsprozesse in Gang zu bringen, die diesen globalen Prozess möglich machen. Nur dann werden die Entwicklungen in China, Griechenland, Ägypten und anderswo eine Perspektive haben, die eine Perspektive zur Umwälzung des Weltsystems ist.