und interviewte Personal, Management und Gewerkschaftsaktivisten einer Kommunalverwaltung. Diese ist verantwortlich für ein Fünfjahresprogramm zur Modernisierung der Informationstechnik (IT) und daran angelagerter Dienste, d.h. für Verbesserungen und Kostensenkungen im kommunalen System der Steuereinziehung, für die Erbringung von Leistungen und für den öffentlichen Zugang zu den Diensten. Der Prozess war außergewöhnlich. Er war vom Stolz der Beschäftigten getragen, dass sie wichtige Leistungen des öffentlichen Dienstes in Eigenregie umstrukturierten, nachdem ein harter Kampf durch die Unison – die in Großbritannien für den öffentlichen Dienst zuständige Gewerkschaft – gegen die Privatisierung der Kommunalverwaltung gewonnen worden war. »Es ging nicht um Widerstand gegen Veränderung«, erklärt Tony Carr, Unison-Vertreter der Beschäftigten. »Es ging um die Kontrolle über das eigene Schicksal – darum, nicht jemanden hereinzulassen, der durch diese Veränderung unsere Führung übernimmt.« Dieser explizit als Reform unter öffentlicher Führung angelegte Versuch bildet ein ideales Laboratorium, um die Hypothese zu prüfen und auszuarbeiten, dass Demokratisierung – eher als Privatisierung – den effektivsten und angemessenen Weg zur Modernisierung und Verbesserung der öffentlichen Dienste darstellt. Was sind die besonderen Mechanismen einer Umstrukturierung, die von demokratischen Zielen des öffentlichen Dienstes statt von Profitmaximierung angetrieben ist?
Öffentliches öffentlich halten: Eine strategische Kampagne
Das Programm einer internen Reform war Ergebnis eines Kampfes zwischen 2000 und 2002, in dem es darum ging, die strategischen Dienste in öffentlicher Hand zu behalten. Auf dem Spiel stand ein Elf-Jahres-Vertrag für ein Privatunternehmen über 250 Mio. Pfund. Für das Personal und die Gewerkschaft ging es um 650 Arbeitsplätze und die Qualität strategischer Dienstleistungen, von denen andere Gemeindeabteilungen abhängig waren und die eine Grundlage für (publicpublic) Partnerschaften zwischen öffentlichen Akteuren sein könnten. Die Strategie der zuständigen Abteilung von Unison, um die Dienste in öffentlicher Hand zu halten, bestand aus fünf Hauptelementen, die Grundlage für den demokratischen Charakter des Transformationsprozesses waren:
- Die Einbindung der Mitglieder hat Priorität bei jedem Schritt der Kampagne. Damit wurde auf die Tradition partizipatorischer Organisation gebaut: Als die Prü- fung des Marktgangs bekannt gegeben wurde, wurden Massenversammlungen organisiert und Vertreter gewählt; gegen die Privatisierung wurde mit Arbeitskampfmaßnahmen vorgegangen, und die Bevollmächtigten haben das private Angebot genau analysiert und am ›hauseigenen‹ Angebot mitgewirkt.
- Es wurde in den Ausschreibungsprozess interveniert und eine Kampagne für ein effektives hauseigenes Angebot organisiert. »Es wurde klar, dass wir auf dieser Ebene eingreifen mussten, wenn wir uns mit einem hauseigenen Angebot durchsetzen wollten. Auch wenn wir gegen das gesamte Konzept der Prüfung des Marktgangs waren«, so Kenny Bell, der Versammlungsleiter der Unison-Abteilung.
- Eine Kampagne zu führen, erfordert Ausstrahlung in der Öffentlichkeit, den Aufbau breiter Unterstützung für eine generelle Opposition gegen Privatisierung. »Unsere Stadt steht nicht zum Verkauf«, stand als Leitspruch auf dem Spruchband, das bei verschiedenen Demonstrationen von Gewerkschaften, kommunalen Einrichtungen und dissidenten Labour-Stadträten getragen wurde.
- Obwohl die Gewerkschaft ein politisches Vakuum füllte, indem sie gegen Privatisierung aufstand, wollte Unison nicht die endgültigen Entscheidungen treffen, wer die Dienstleistungen erbringt, und auch das Management sollte dies nicht tun. Das Ziel war nicht, dass die Gewerkschaft die Gemeindeverantwortlichen ersetzt, sondern es ging darum, die Kommunalverwaltung demokratischer Führung zu unterstellen. Der Druck auf die gewählten Politiker zahlte sich aus: Der Gemeinderat entschied, dass Alternativen zur Privatisierung gefunden werden müssten.
- Es ist wenig nützlich, eine Kampagne zu führen, wenn sie nicht auf strategischer Forschung basiert. Schlüssel zum Erfolg der Unison-Abteilung war die Arbeit des Zentrums für Öffentliche Dienste (CPS), das im Verlauf von 30 Jahren Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und kommunalen Einrichtungen eine partizipative Arbeitsmethode weiter verbessert hatte, die auf der gemeinsamen Nutzung von Qualifikationen und intellektuellem Selbstbewusstsein beruht. Die Arbeit des CPS hatte Auswirkungen auf das Bewusstsein der Mitglieder und auf die Gewerkschaftsstrategie: »Als wir das private Angebot durchgesehen hatten, fanden wir vieles, von dem wir wussten, das kann man besser machen. Von da an war ich zuversichtlich, die Sache im Haus behalten zu können« (Unison-Vertrauensfrau Lisa Marshall).
Schließlich behandelte die Unison-Führung ihre Mitglieder als qualifizierte Menschen, die sich für ihre Arbeit interessieren. Josie Bird, Leiterin der Unison-Abteilung, meint: »Wir sehen, dass unsere Mitglieder eine Dienstleistung bereitstellen wollen. Es geht nicht um die romantische Vorstellung, dass sie leben, um zu arbeiten. Nein, sie arbeiten, um zu leben – aber es ist entscheidend, dass es der öffentliche Dienst ist, für den sie arbeiten.« Die Kampagne war erfolgreich. Das hauseigene Angebot, das vom Management im Einverständnis mit den Gewerkschaften erarbeitet wurde, bot klar höheren öffentlichen Nutzen bei geringeren öffentlichen Kosten. 2002 gab die damals von Labour (ab 2004 von den Liberaldemokraten) geführte Gemeinde grünes Licht. Aufgrund der Erwartung, dass durch die Einsparungen mehr als die Investitionssumme zurückfließen würde, nahm sie 20 Mio. Pfund Kredit für die Investition auf. Arbeitsplätze sollten wegfallen, ohne dass Entlassungen erzwungen würden; für Einarbeitung und Umsetzung wurden außergewöhnliche Mittel bereitgestellt (jetzt über die gesamte Gemeinde verteilt).
Gewerkschaftliche Stärke ist zentral für demokratische Reform
Die Gewerkschaftskampagne bereitete den Boden für ein echtes Engagement der Mitarbeiter bei der Umstrukturierung. Die Gewerkschaft war auf allen Stufen eingebunden, von der Auswahl neuer Manager bis zur Diskussion aller wesentlichen Veränderungen. »Es ist unsere Aufgabe, das Management in die Verantwortung zu nehmen, nicht so sehr gegenüber dem Personal, sondern gegenüber dem Umbau«, beschreibt Kenny Bell die Rolle der Gewerkschaft. »Die Gewerkschaft sorgt dafür, dass wir ehrlich bleiben«, formuliert umgekehrt Ray Wards, der als Direktionsleiter die Umstrukturierungen leitet. Die Gewerkschaft hat sich in der Zusammenarbeit die Kraft bewahrt, unabhängig zu handeln und, wenn nötig, den Kon- flikt eskalieren zu lassen. Das Management weiß das. Die Gewerkschaft hätte nicht das Vertrauen der Mitglieder, wenn sie dazu nicht in der Lage wäre. Das Ergebnis ist ein Experiment der Demokratisierung der Arbeitswelt mit wirklichem Nutzen für die Qualität der Dienstleistungen und die beste Vergabe öffentlicher Gelder. 2008 wurden Netto-Einsparungen von 28,5 Mio. Pfund erzielt, ausgelegt auf einen Zeitraum von elf Jahren. Jeder Dienstleistungsbereich hat sich signifikant verbessert, von der Schnelligkeit und Zielgenauigkeit bei den Leistungszahlungen bis zur hohen Zufriedenheit mit dem neuen Telefondienst und dem ›einheitlichen Ansprechpartner‹ (one stop shops) für alle kommunalen Dienste. Zwar wird inzwischen über das Empowerment der Arbeiter im öffentlichen Dienst weithin gesprochen, aber kaum erkannt, dass dafür eine gut organisierte und demokratische Gewerkschaft notwendig ist.
Bruch mit dem hergebrachten Elite-Denken im Management
Es gehören immer zwei zur Veränderung. Auch die Form des Managements bei City Service war wichtig (City Service heißt die neue Abteilung, in der die reformierte Informationstechnologie und die angrenzenden Dienste zusammenkommen). »Es sind die Menschen, Dummkopf«, war der Slogan von City Service. Die Fä- higkeit und der Einsatz von Menschen sind Werte, die zu realisieren sind, nicht Kosten, die es zu senken gilt. Dieser Blick auf die Menschen, der ermutigt an sie zu glauben, ist von systemischer Bedeutung für die Transformation. Beim Management geht es um ›Coaching, nicht Kommandieren‹. Initiative und Verantwortlichkeit sind aus dem Zentrum herausgerückt, Leitungsebenen eliminiert und durch Unterstützung ersetzt worden. Die Dynamik der Abteilung verdankt sich einer bereichsübergreifenden Arbeit mittels Projektgruppen, in die alle eingebunden sind, aus deren Blickwinkel das Problem relevant ist; sie kommen zur Problemlösung zusammen. Im Ganzen transformierte City Service sein organisatorisches Zentrum von einem traditionellen Managementmodell für eine Kommunalverwaltung in eine Drehscheibe, von der aus das Management zahlreiche weitgehend autonome Projekte und Aktivitäten unterstützt. Es bildete sich eine Einrichtung neuer Art im öffentlichen Sektor heraus, mit einer Führungsrolle, bei der es stärker um Ermöglichung und Entwicklung einer gemeinsamen Ausrichtung als um die Ausübung von Kontrolle geht. Es ging darum, Newcastles Management-Systeme so zu reorganisieren, dass sie dem Gemeindepersonal ermöglichten, bei der täglichen Arbeit, im Dienste der Öffentlichkeit, Gebrauch von der eigenen Kreativität zu machen. Kath Moore, die Newcastles System der Schulspeisung durch die Einbindung von Kö- chen und Küchenpersonal umstrukturiert hatte, sah ihre Aufgabe u.a. darin, das Expertenwissen des Personals freizusetzen, das unter den Hierarchien und dem Verfahrensfetisch begraben lag – wie im öffentlichen Sektor allzu oft der Fall. Die Fähigkeit des City Service-Managements, das Personal wirklich bei der Gestaltung des Wandels einzubeziehen und nicht nur zu akzeptieren, war der besondere – nicht der einzige – Schlüssel zum Erfolg.
Eine gemeinsame Vision
Eine Voraussetzung für den Erfolg eines dezentralisierten Managementsystems in einer Organisation mit riesigen Aufgaben war eine klare gemeinsame Vision qualitativ hochwertiger, öffentlich bereitgestellter Dienste. Jeder Aspekt des Um - strukturierungsprogramms war auf dieses Ziel ausgerichtet und wurde danach bewertet. Das gemeinsame Ziel bildete einen wechselseitig anerkannten Bezugspunkt, der Auseinanderdriften verhinderte und über Konflikte hinweghalf. Es ermöglichte dem Management und der Gewerkschaftsführung, den Prozess weiter voranzutreiben. Die gemeinsame Vision half auch, eine in Vergessenheit geratene oder auf formale Rhetorik reduzierte Ethik des öffentlichen Dienstes vom Staub zu befreien und unter die Leute zu bringen. Konsequenzen für die Praxis wurden aktiv durchdacht, so dass sie praktische Kraft für die Umwälzung entfalten konnten.
Die politische Ökonomie der Demokratie
Es gab eine finanzielle Grundlage für diese wiederbelebte Kultur des öffentlichen Dienstes. Das Ziel war, den öffentlichen Nutzen, nicht den Profit zu maximieren. Wiederum war es die Form einer entschlossen unter öffentlicher Führung vorangetriebenen Transformation, die diese Unterscheidung in jedem wesentlichen Punkt scharf hervortreten ließ. Betrachten wir das Verhältnis von Leistungskriterien und Demokratie. Ray Ward fasst den Unterschied so: »Für ein Privatunternehmen ist alles in Ordnung, solange es den Wert für die Anteilseigner vermehrt, die Aktienkurse und die Profite stimmen. [...] Wenn es sich aber um öffentliche Mittel handelt, sind die Kriterien schärfer.« Das Ziel des ›größtmöglichen öffentlichen Nutzens‹ hängt – wenn es mehr als eine leere Formel sein soll – an der Bedeutung von Demokratie als einer Lebenskraft, die die Anstrengungen jedes Einzelnen in einer öffentlichen Einrichtung antreibt. Bisher richtete sich der Blick bei der Stärkung lokaler demokratischer Kontrolle über öffentliches Geld auf die Partizipation der Bürger. Die Erfahrung von Newcastle bringt unser Denken über Demokratisierung weiter, indem es die normalerweise verborgenen, als selbstverständlich angenommenen inneren Prozesse der Verwaltung öffentlicher Ressourcen aufdeckt und demokratisiert. Solange die innere Organisation des öffentlichen Sektors von oben nach unten strukturiert und fragmentiert, das wirkliche Potenzial des Personals nur halb bewusst ist, kann jede partizipatorische Demokratie der Welt aufgesaugt und entschärft oder von hierarchischen Strukturen und bürokratischen Verfahren blockiert werden. Der Prozess innerer Demokratisierung ist daher eine Frage von ökonomischer wie von politischer Bedeutung und schafft die Voraussetzung für ein Wirtschaftsmodell des öffentlichen Sektors, das grundlegend ist für eine politische Ökonomie der Demokratie. Wenn wir eine solche neue politische Ökonomie im Detail betrachten, ist ein wichtiger Bestandteil des Maximierens des öffentlichen Nutzens die Minimierung (bzw. Eliminierung) der Kosten jener institutionellen Abläufe und Vermittlungen, die nicht Teil einer Dienstleistung selbst sind. An diesem Punkt entsteht ein Teil der enormen Kosten von Outsourcing und Privatisierung. Verschiedentlich habe ich das Newcastle-Personal gefragt, worin der Unterschied der hausinternen Lösung zu einem Kooperationsverhältnis zu einem Privatunternehmen bestanden hätte (ob auf höchster Ebene zwischen dem Finanzleiter der Kommune und den City-Service-Managern oder bei der täglichen Bereitstellung eines Dienstes in vorderster Front, wie beim Telefondienst). Die Antwort war immer: Das hätte Aufwand und Kosten aller Art nach sich gezogen – für Veränderungen, die auf Bedarf oder Probleme reagieren, die im ursprünglichen Vertrag mit dem Privatunternehmen nicht vorhergesehen sind – und viel Zeit, die für die Verhandlung dieser Aufwendungen und Änderungen abgezweigt worden wäre. City Service hatte Geschäftsbeziehungen mit dem Privatsektor, aber nur dort, wo der öffentliche Sektor nicht über die entsprechenden Fähigkeiten verfügte – z.B. bei der Beschaffung der für das Modernisierungsprogramm benötigten IT-Hardware. Hier orientierte sich die Beziehung eng an den vom öffentlichen Sektor gesetzten Bedingungen, einschließlich eines vertraglich gesicherten Höchstpreises, um sicherzustellen, dass keine unvorhergesehenen Mehrausgaben entstehen. Ein weiterer Aspekt war der rigorose Wissenstransfer vom Privatunternehmen zum Personal des öffentlichen Sektors. Meistens verläuft es umgekehrt: Wissen wird privatisiert und als profitorientierte Leistung wieder angeboten.
Der Krise begegnen
Die Reform von Newcastles kommunalen Informations- und Kommunikationstechnik-Diensten zeigt auf bescheidene, aber praktische Weise, wie der öffentliche Sektor seine eigenen Effizienz-Kriterien und -Mechanismen fernab von Profitzielen realisieren kann. Sie erbringt den Nachweis, dass der öffentliche Sektor mit einer klaren, gemeinsam geteilten Vision, einem egalitären und professionellen Management, einer starken Gewerkschaft und Demokratie am Arbeitsplatz generell die Fähigkeit besitzt, sich in einen hoch effektiven Verwalter von öffentlichem Geld zu transformieren. Insbesondere kann er den außerordentlichen Wert qualifizierten Personals, das sich für seine Mitbürger engagiert und diesen dient, realisieren. Das ist genau der Wert, den Lord Mandelsons Pläne der Privatisierung der Royal Post verspielen werden. Aber diese Erzählung ist nicht nur von Bedeutung, wenn es gegen Privatisierung geht. Sie ist auch grundlegend für eine alternative wirtschaftliche Strategie, die dem beschleunigten wirtschaftlichen Abstieg etwas entgegenzusetzen hat. Eine Reform des öffentlichen Dienstes unter öffentlicher Leitung, die dem Beispiel Newcastle folgt, bereitet den Boden für die Schaffung neuer und nützlicher Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor – Sozialer Wohnungsbau, Sozial-, Jugend- und Umweltdienste, Informations- und Kommunikationstechnologie. Und stärkt die soziale Ökonomie. Es ist nicht so, als gäbe es nicht genügend zu tun! Wirtschaftliche Depression führt zu sozialer Verwüstung. Ein Grundstein für eine neue, menschlichere politische Ökonomie sollte die Erweiterung eines demokratisch reformierten öffentlichen Sektors sein. Aus dem Englischen von Christian Wille