Der Begriff Green New Deal (GND) hat eine vielfältige und in sich widersprüchliche Geschichte. In Deutschland wurde er gegen Ende der 1980er Jahre vor allem vom ökosozialistischen Flügel der Grünen propagiert, fand aber auch Unterstützung beim sozialökologischen Flügel der SPD (u. a. bei Oskar Lafontaine) und bei der PDS. Durch die Verkopplung von Ökologie und Umverteilungspolitik sollte »die Basis für ein längerfristig angelegtes strategisches Bündnis zwischen progressiven Sozialdemokraten, Sozialisten und Grünen gelegt werden« (Brüggen 2001, 1063). Aber Mitte der 1990er Jahre war das Projekt unter dem Druck der neoliberalen Hegemonie »erodiert« (ebd., 1065). Die Grünen drängten ihren linken Flügel zurück, behielten aber den Begriff bei und verwendeten ihn im Sinne eines »grünen Kapitalismus«. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass der GND als Mittel des Kapitals kritisiert wurde, als Versuch, die ökologische Krise als neuen Wachstumsmotor zu internalisieren und eine neue grün-kapitalistische Akkumulationsperiode loszutreten (Kaufmann/Müller 2009). Um sich gegen die kapitalistische Inbesitznahme des GND abzugrenzen, schlug Mario Candeias (2012) vor, die linke Umweltpolitik auf den Begriff eines »grünen Sozialismus« zu gründen, der auf eine Vergesellschaftung des Energiesektors, eine Rekommunalisierung zentraler Infrastrukturen und die Einführung partizipativer Haushalte auf allen Ebenen orientiert. Diese Orientierung deckt sich wiederum weitgehend mit dem, was gegenwärtig in den USA als GND diskutiert wird.
Schon diese lückenhafte Zusammenstellung zeigt, dass der GND in unterschiedlichen hegemonialen Konstellationen Verschiedenes bedeuten kann. Im Unterschied zum deutschen Kontext ist es in den USA für jedes ausgreifende linke Projekt unverzichtbar, sich auf die sozialpolitisch erfolgreichste Periode des New Deal unter Roosevelt zu beziehen, dessen Errungenschaften noch im kollektiven Gedächtnis präsent sind. Auch hier war die Begriffsgeschichte des GND widersprüchlich. Aber grundlegend für seine gegenwärtige Bedeutung ist ein Aufschwung sozialer Bewegungen, der nach der Wirtschaftskrise 2007/08 einsetzte und sich in verschiedenen Ereignissen manifestierte: von Occupy Wall Street über den überraschenden Wahlerfolg von Bernie Sanders 2016 bis hin zu den jüngsten Wahlen der linken Abgeordneten Ocasio-Cortez, Omar, Pressley und Tlaib. Der Durchbruch in die Öffentlichkeit gelang, als die Bewegung Sunrise Movement 2018 eine Protestveranstaltung vor dem Büro von Nancy Pelosi organisierte, um sie zur Unterstützung eines GND aufzufordern, und Alexandria Ocasio-Cortez sich publikumswirksam mit der Aktion solidarisierte (vgl. Häußermann in diesem Heft). Die von ihr und Senator Edward Markey im Februar 2019 eingebrachte GND-Resolution fand in Umfragen so viel Unterstützung, dass nahezu alle demokratischen Präsidentschaftskandidat*innen den GND in ihre Wahlkampfreden einbauten. Im August 2019 wurde die Resolution durch einen umfassenderen Plan von Bernie Sanders erweitert und konkretisiert.
Gegen dieses Projekt einer potenziell mehrheitsfähigen ökosozialen Politik mobilisieren alle Fraktionen des herrschenden Machtblocks: die Rechte mit Trump an der Spitze mit antisozialistischen Feindbildern und offen rassistischer Denunziation, die Führung der Demokraten mit einer »passiven Revolution«, die dem GND die radikale Spitze abzubrechen und ihn wieder in die grüne Komponente eines neoliberalen Weiter-so zu verwandeln versucht. Die folgenden Überlegungen behandeln den GND im Spannungsfeld dieser hegemonialen Kämpfe.
Der Widerspruch zwischen Klimawissenschaft und Politik
Der von verschiedensten Seiten vorgebrachte Vorwurf, die GND-Resolution sei zu »radikal«, wird von einem nahezu allgegenwärtigen Medienmechanismus des tactical framing abgestützt, bei dem jedes Thema in eine Kalkulation unmittelbarer Machbarkeit im gegebenen Rahmen aufgelöst wird. »Radikal« ist vor diesem Hintergrund bereits, von den Ergebnissen des Weltklimarats (IPCC Report) auszugehen und seine Forderungen nach einer Halbierung der Treibhausgase bis 2030 und nach ihrer völligen Einstellung bis 2050 als verbindliche Mindestziele zugrunde zu legen. Bernie Sanders’ GND-Plan hat die erste Forderung im Sinne einer vollständigen Entkarbonisierung der Energiewirtschaft und des Verkehrswesens bis 2030 weiterentwickelt, was eine Reduktion der CO2-Emissionen in den USA um 71 Prozent bedeuten würde.
Die offensichtliche Kluft zwischen Klimawissenschaft und neoliberaler Politik ist selbst Symptom einer Hegemoniekrise. Unter diesen Bedingungen repolitisiert sich die für unpolitisch gehaltene Wissenschaft. Ihr Diskurs wird selbst radikal, sobald er die abgeschlossenen Zirkel der Forschung überschreitet und beansprucht, in Politik und Wirtschaft gehört zu werden. Wenn Fridays for Future die Politik auffordert, der Wissenschaft zu folgen, ist dies nicht naiv wissenschaftsgläubig, sondern greift wirksam in den Gegensatz zwischen Klimaforschung und herrschender Politik ein. Das Charisma von Greta Thunberg speist sich unter anderem daraus, dass sie ein direktes Bündnis zwischen Klimaforschung und heranwachsender Generation proklamiert und den Gegensatz zur Komplizität oder Untätigkeit der herrschenden Politik zuspitzt. Aufgabe von Sozialist*innen ist es hier, diesen Antagonismus bewusst zu machen und mit einer Kritik der kapitalistischen Produktions- und Lebensweise zu verbinden.
Achillesferse: Die Kluft zwischen sozialer und ökologischer Frage
Eine der bislang erfolgreichsten Gegenstrategien besteht darin, ökologische Forderungen gegen das Interesse der Arbeiter*innen an sicheren Arbeitsplätzen auszuspielen. In dem Maße, in dem dies gelingt, erscheint die Ökologiebewegung als weiße Mittelstandsbewegung, die es sich leisten kann, gehobene Konsumentscheidungen zu treffen. Der Kluft zwischen Neoliberalismus und Klimawissenschaft, die eine Chance für eine Gegenhegemonie eröffnen könnte, steht auf der Gegenseite nach wie vor die Kluft zwischen sozialer und ökologischer Frage gegenüber, die einen neuen hegemonialen Block sozialökologischer Transformation zu vereiteln droht.
Die Kluft ist einerseits irreal: Es ist statistisch nachgewiesen, dass die ökologische Krise die ärmeren Gebiete und Klassen weitaus stärker trifft als die Ober- und gehobenen Mittelschichten, deren Konsumverhalten zudem wesentlich stärker zu ihr beiträgt. Der Zusammenhang wird seit Langem von »Eco-Justice-Initiativen« aufgezeigt, die sich auch gegen die etablierten Umweltorganisationen herausgebildet haben. Andererseits ist die Kluft real, da die Bewegungen sozialgeschichtlich verschiedene Ursprünge und Entwicklungspfade aufweisen. Während die Umweltbewegung sich im globalen Norden vorrangig im bürgerlichen Milieu herausgebildet hat, vollzog sich die korporatistische Einbindung der Arbeiter*innen auf der Grundlage einer Produktivkraftentwicklung (Kohle und Öl als Energieträger, Auto als Massenprodukt, Automobilisierung der Gesellschaft, Externalisierung der Folgen), die im Widerspruch zur Ökologie stand (vgl. Röttger/Wissen 2017, 62ff). Die Angst, im Zuge einer von oben verordneten Energiewende den Arbeitsplatz zu verlieren oder weitere Reallohneinbußen hinnehmen zu müssen, ist daher realistisch und wird durch die erfahrene Einbettung von Umweltmaßnahmen in neoliberale Sparpolitik immer wieder bestätigt. Sie lagert sich an die grundlegende Befürchtung an, aufgrund der technologischen Revolution des Hightech-Kapitalismus »überflüssig« zu werden, in Prekarität oder Arbeitslosigkeit abzurutschen – eine Herausforderung, auf die auch die Linke noch keine überzeugenden Antworten gefunden hat.
Dass der Vorsitzende der American Federation of Labor and Congress of Industrial Organizations (AFL-CIO), Richard Trumka, und einige Einzelgewerkschaften in den USA sich gegen den GND aussprechen, während andere den GND unterstützen, zeigt, wie sehr die Gewerkschaftsbewegung in dieser Frage gespalten ist. Die dringliche Aufgabe einer ökologischen Umsteuerung übersetzt sich daher unmittelbar in die nicht weniger dringliche hegemoniepolitische Aufgabe, die Kluft zwischen sozialer und ökologischer Frage zu überwinden. Dies ist das entscheidende Kriterium zur Beurteilung sowohl wirtschafts- und sozialpolitischer als auch ökologischer Initiativen und Projekte.
Green Jobs und Federal Job Guarantee
Was den GND auszeichnet, ist die Verschränkung von Umweltpolitik mit der Schaffung von green jobs. Der Sanders-GND spricht von 20 Millionen regulären Arbeitsplätzen mit gewerkschaftlicher Organisierung, die durch ein massives öffentliches Investitionsprogramm von 16,3 Billionen US-Dollar bereitgestellt werden sollen. Vorrang bei der Einstellung hätten die Arbeiter*innen aus den Industrien, die auf fossilen Energieträgern basieren. Um ihnen eine Umschulung zu ermöglichen, soll allen das volle Gehalt für fünf Jahre weiterbezahlt werden. Diese und andere Maßnahmen setzen eine federal job guarantee voraus, das heißt, die Bundesregierung soll dazu verpflichtet werden, allen Arbeitssuchenden eine Stelle anzubieten. Anknüpfungspunkt ist Franklin D. Roosevelt, der 1944 als Präsident versprach, das Recht auf Arbeit in einer »Second Bill of Rights« zu verankern.
Der Schwerpunkt auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und einen »gerechten Übergang« zu erneuerbaren Energien eröffnet zumindest die Möglichkeit, in das Spannungsverhältnis von Ökologie und popularem Alltagsverstand einzugreifen. Dies wurde zum Beispiel deutlich, als der republikanische Abgeordnete Andy Barr während einer Kongressdebatte im April 2019 die »Arbeiterfeindlichkeit« des GND dadurch zu demonstrieren versuchte, dass er Alexandria Ocasio-Cortez einlud, mit ihm nach Kentucky zu fahren, um dort ihre Resolution mit Kohlearbeitern zu diskutieren. Als sie die Einladung annahm, zog er sie zurück.
Der GND als intersektionales Projekt
Was dem GND allenthalben vorgeworfen wird, nämlich die ökologische Frage mit anderen sozialen Problemen von der Lohnentwicklung über die Geschlechterungleichheit bis zur Krankenversicherung zu vermischen, ist in Wirklichkeit seine Stärke. So behandelt die GND-Resolution die ökologische Krise im Zusammenhang einer Polarisierung der Einkommens- und Vermögensverteilung, die mehrfach bestimmt wird: klassenmäßig im weitesten Sinne (zwischen dem einen und den verbleibenden 99 Prozent), überdeterminiert durch die Ungleichheiten entlang der Gegensätze von race und Geschlecht. So verdienen Frauen im Durchschnitt nur etwa 80 Prozent des Gehalts von Männern. Die ökologische Zerstörung verschärft die »systemischen Ungerechtigkeiten«, indem sie vor allem die entindustrialisierten Gebiete, die ärmeren Schichten und hierbei insbesondere die Afroamerikaner*innen, Immigrant*innen und indigenen Gemeinschaften trifft.
An dieser Stelle distanziert sich der GND ausdrücklich von Roosevelts New Deal, der sich darauf konzentriert hatte, die durch die Weltwirtschaftskrise verelendete weiße Arbeiterschaft sozialpolitisch zu integrieren, während die Schwarzen Arbeiter*innen von vielen Programmen ausgeschlossen blieben. Dagegen soll der neue GND die am meisten »verwundbaren Gemeinschaften« besonders fördern und ihnen bei der lokalen Implementierung und Gestaltung des GND eine führende Rolle zukommen lassen. Dies gilt insbesondere für die indigenen Gemeinschaften, deren Souveränitäts- und Landrechte zu respektieren sind.
Der GND-Anspruch eines »gerechten Übergangs« durchzieht alle Bereiche. Einige Beispiele mögen genügen. Die Klimakrise ist bekanntlich bereits gegenwärtig, die von ihr verursachten Hitzewellen, Stürme und Brände haben jetzt schon schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung. Eine der notwendigen »Anpassungen« an diese Realität wäre der Ausbau eines öffentlichen Gesundheitswesens mit allgemeiner Krankenversicherung (Medicare for all), um die Erkrankungen aller sozialer Schichten behandeln und prophylaktische Strategien für alle entwickeln zu können. Die zumeist von Frauen geleistete Reproduktions- und Sorgearbeit erzeugt verhältnismäßig wenig Treibhausgase. Diese Arbeiten wären in einem GND als green jobs zu definieren, was wiederum bedeuten würde, sie entsprechend gut zu bezahlen und abzusichern (vgl. Klein 2019).
Der GND formuliert in politischer Programmsprache, was häufig als »Intersektionalität« diskutiert wird. Gemeint ist, dass im System der Herrschaft die Verhältnisse der Ausbeutung, Prekarisierung und Marginalisierung sich auf vielfältige Weise mit Rassismus, patriarchalen Geschlechterverhältnissen, Homophobie und weiteren sozialen Spaltungen überschneiden, sodass jede vermeintlich homogene »Identität« in Wirklichkeit von vielfachen Gegensätzen durchkreuzt wird. Damit soziale Bewegungen und Projekte ihre »eigenen« Belange durchsetzen können, müssen sie diese mit denen anderer Bewegungen verbinden. Ziel ist eine Kohärenz bei Beibehaltung der Unterschiede. Hier hat auch die Wahlkampagne von Bernie Sanders aus den strategischen Schwächen 2016 gelernt und wichtige Schritte unternommen, um ihren klassenpolitischen Ansatz deutlicher mit Antirassismus und einem »Feminismus für die 99 Prozent« zu verbinden.
Don’t tax molecules, tax the rich!
Die GND-Pläne sehen vor, die erforderlichen Investitionen vor allem über eine stärkere Besteuerung der Großunternehmen zu finanzieren und hierbei den Industriekomplex der fossilen Energieträger zur Kasse zu bitten. Weitere Finanzierungsquellen sind unter anderem Finanztransaktionssteuern, die Streichung unökologischer Subventionen und die Kürzung der Militärausgaben. Ausgeschlossen ist damit die auch in Deutschland viel diskutierte Idee, die Energiewende vornehmlich über Verbrauchssteuern zu finanzieren, die »regressiv« vor allem die Mittelschichten und Geringverdiener belasten. Am Beispiel Frankreichs konnte man beobachten, wie die Einführung von Diesel- und Benzinsteuern nach erfolgter Rücknahme der Vermögenssteuer (ISF) eine massive Gegenbewegung in Form der Gelbwesten erzeugte und somit den Widerspruch zwischen Ökologie und popularem Alltagsverstand weiter verschärfte.
Vor allem gegen Bernie Sanders’ GND wurde eine massive Pressekampagne entfacht, weil dort nach »venezolanischem Vorbild« eine Verstaatlichung des Energiesektors vorgesehen sei. Zusammen mit seinen Plänen zu Medicare for all, womit die privaten Krankenversicherungen durch eine öffentliche Bürgerversicherung ersetzt werden sollen, trage der GND dazu bei, einen Großteil der US-Wirtschaft unter staatliche Kontrolle zu bringen, heißt es in der konservativen Presse. Auch die anderen demokratischen Präsidentschaftskandidat*innen, einschließlich Elizabeth Warren, gehen in der Frage der Nationalisierung auf Distanz zu Sanders. Tatsächlich sieht Sanders’ GND vor, die Erzeugung der erneuerbaren Energien unter die Aufsicht der US-Bundesbehörde Power Marketing Administration (PMA) des US-Energieministeriums zu stellen, um damit die Bevölkerung mit preiswerter Energie versorgen zu können. Außerdem ist geplant, die Ausweitung des öffentlichen Sektors mit einem Ausbau der Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte der Arbeiter*innen und einer Förderung demokratisch organisierter Kooperativen auf kommunaler Ebene zu verbinden.
Damit ist die Machtfrage im Energiesektor konkret gestellt. Die Forderungen der Kritiker*innen nach einer »marktkonformen« Energiewende laufen darauf hinaus, den Großunternehmen, denen die verheerenden Folgen ihrer Energieproduktion lange bekannt waren und die Milliarden in die Lobbyarbeit zur Klimawandel-Verleugnung steckten, jetzt auch noch eine Vorrangstellung bei der Erzeugung und Vermarktung der erneuerbaren Energien einzuräumen. Es ist schwer vorstellbar, wie dieser überaus mächtige und weiterhin expandierende Industriekomplex ohne die Schaffung eines öffentlich kontrollierten Sektors erneuerbarer Energien unter Druck gesetzt werden könnte.
Keine Lösung, aber ein Einstiegsprojekt
Auch im progressiven Lager schwankt die Kritik zwischen verschiedenen Vorwürfen: Einerseits sei der GND unter den gegebenen Machtverhältnissen und aufgrund der Abhängigkeit vom Öl unrealistisch. Eine Umstellung auf erneuerbare Energien würde Billionen an Investitionen in den Sand setzen, den Staat riesige Steuereinnahmen kosten und eine globale Finanzkrise auslösen. Andererseits sei der GND-Ansatz nicht radikal genug, denn er lasse das kapitalistische Akkumulationssystem und damit die verhängnisvolle Orientierung auf »Wachstum« unangetastet. Eine Umstellung auf erneuerbare Energien hätte bei gleichzeitiger Beibehaltung der transnationalen Produktionsketten den Effekt, vor allem in Bezug auf Lithium und andere schwer zugängliche Mineralien den Rohstoff-Extraktivismus in den Ländern des globalen Südens zu intensivieren.
Die Kritiken scheinen einander entgegengesetzt, verweisen aber übereinstimmend auf die Wirkungsmacht der kapitalistischen Produktionsweise und auf die Hierarchien des von ihr beherrschten Weltmarkts. Um die politische Ökonomie des transnationalen Hightech-Kapitalismus zu begreifen, ist nach wie vor der »Kältestrom« (Bloch) marxistischer Kritik vonnöten. Wie unter diesen Bedingungen eine ökosozialistische Produktionsweise im globalen Maßstab oder auch »nur« ein transnationaler GND aussehen und durchgesetzt werden kann, liegt noch weitgehend im Dunkeln. Aber anstatt die ewige Übermacht des Kapitalismus zu beschwören, sollte die Kritik auch seine Widersprüche, konkurrierende Kapitalfraktionen, partielle Öffnungen und mögliche Übergänge mit einbeziehen. Da die Produktions- und Reproduktionsverhältnisse selbst geronnene Praxisbeziehungen sind, müssen auch die beteiligten Subjekte, ihre jeweilige Einbindung, ihr Widerstand, ihre Bündnis- und Hegemoniepotenziale berücksichtigt werden. Dafür bedarf es wiederum geeigneter Einstiegsprojekte, die zu weiteren Transformationen ausgebaut werden können.
Eine als Realismus verkleidete Resignation kann nur dazu beitragen, die am wenigsten transformatorische Entwicklung zu erreichen. Wiederum ist die unterstellte Alternative einer sozialistischen Weltrevolution ohne hegemoniefähige Einstiegsprojekte eine Fiktion. Wie Thea Riofrancos (2019) gezeigt hat, läuft das Warten auf eine immer wieder verschobene revolutionäre Situation auf eine Stilllegung politischen Engagements hinaus und erzeugt Fatalismus. Es ist daher wichtig, passivierende Interpretationen durch eingreifendes Denken zu überwinden. Das heißt nicht, optimistische Erwartungen zu beschwören: Ob ein substanzieller GND in der von der Klimawissenschaft geforderten kurzen Zeitspanne durchgesetzt werden kann, weiß niemand. Immer wieder gelingt es den Fraktionen des herrschenden Machtblocks, das Thema durch politische Ablenkungsmanöver und mediale Zerstreuung aus der Öffentlichkeit zu verdrängen. Die ökologischen Bewegungen leben in dem Widerspruch, für ihre Aufklärung und die Entwicklung politischer Handlungsfähigkeit Zeit zu benötigen, die uns womöglich nicht gegeben ist.
Das enthebt uns nicht der Aufgabe, uns auf die Überwindung der Kluft zwischen sozialökonomischer und ökologischer Frage zu konzentrieren und damit die Voraussetzung für einen hegemonialen Block von gesellschaftlicher Arbeit und Naturerhaltung zu schaffen. Der GND scheint mir hierzu unter den hegemonialen Bedingungen der USA der geeignete Einstieg zu sein. Er bietet keine fertige Lösung, hat aber das Potenzial, ein neues Terrain für Politik zu eröffnen.