In den vergangenen Jahren veränderte sich das Umfeld der Europäischen Union radikal. Auf die wirtschaftlichen Krisen folgte eine aggressive Neuformulierung transatlantischer Identität, die sich vor allem gegen Russland richtet. In den Staaten des Nahen und Mittleren Ostens sowie in strategischen Regionen Afrikas breiten sich Bürgerkriege aus. Für eine systematische Einordnung der aktuellen Umbrüche lohnt sich ein Rückblick auf einen Eckpunkt internationaler Beziehungen: die Energiepolitik. Die aktuellen Krisen und Kriege lassen sich zwar nicht darauf reduzieren, aber sie lassen sich nur richtig einordnen, wenn man sie als Teil einer umkämpften und sich stark verändernden Weltenergieordnung versteht (vgl. Klare 2014).

Rückblickend stellt der Amtsantritt von Barack Obama einen relevanten Paradigmenwechsel in der US-Energiepolitik dar. In seiner Antrittsrede im Januar 2009 verwies er darauf, dass »die Art, wie wir Energie verbrauchen, unsere Gegner stärkt« (zit. nach Deutsche Welle, 20.1.2009). Für einen außenpolitischen Richtungswechsel bedurfte es eines neuen energiepolitischen Konzepts. Bereits im Wahlkampf hatten Obama und Joe Biden (2008) mit New Energy for America ein solches vorgestellt. Sie bezeichnen darin die Abhängigkeit von Erdölimporten als eine der größten Herausforderungen für die USA und als eine »Bedrohung für unsere nationale Sicherheit«. Mittelfristig sollte die heimische Öl- und Gasproduktion mithilfe neuer Technologien erhöht werden. Die Lösung heißt »Getting More from our Existing Oil Fields«. Dabei werden tiefliegende, bisher unzugängliche geologische Schichten und Ölsande effektiver ausgebeutet, und zwar mit einer Technik, mit der US-amerikanische Unternehmen schon seit den 1960er Jahren experimentieren: Hydraulic Fracturing oder kurz Fracking.

Neue Energie für Nordamerika

Was in den USA heute als Fracking-Boom diskutiert wird, erweist sich als ein echter game changer für die weltweite Energieversorgung. Die USA scheinen sich zu einer »EnergieSupermacht« (Blackwill/O’Sullivan 2014) zu entwickeln. Nur fünf Jahre nach dem Start der öffentlichen Förderung für neue Technologien zur ›alternativen Energiegewinnung‹ befindet sich die Öl- und Gasproduktion in den USA und Kanada auf dem höchsten Stand seit drei Jahrzehnten.1 Allein auf dem Territorium der USA wurde die Ölförderung von 5 auf 8 Millionen Barrel Erdöl gesteigert und deckt inzwischen 80 Prozent des Bedarfs. Nordamerika hat sich von einem der größten Importeure von Kohlenwasserstoffen zu einem Netto-Exporteur entwickelt. Nach Einschätzung der nordamerikanischen Energiekonzerne lassen sich die aktuellen Förderquoten bei Erdöl noch verdreifachen. Dieses Niveau könnte man nach der aktuellen Datenlage für etwa 20 Jahre halten.

Die tägliche Fördermenge an Erdgas erhöhte sich zwischen 2005 und 2011 um das Siebenfache auf fast 700 Millionen Kubikmeter. Damit fiel der Gaspreis von 13 auf 4 US-Dollar für je 26,4 Kubikmeter Gas. Große Teile der Industrie und der Stromerzeugung stellten ihre Verfahren auf Erdgas um und senkten ihre Produktionskosten damit erheblich. Die gesellschaftlichen Kosten dieser Fördertechniken sind jedoch enorm. Fracking verbraucht gigantische Mengen an Wasser, das mit Chemikalien versetzt in den Boden gepresst wird und danach wieder entsorgt werden muss. Bei der Schwerölgewinnung durch Fracking bleiben riesige Bassins mit ölhaltiger chemischer Brühe zurück. Zudem verursacht der Eingriff in die tieferen Erdschichten, insbesondere das Aufbrechen von Schiefergesteinschichten, unkalkulierbare geologische Risiken. Die beteiligten Unternehmen, darunter auch Total, Shell und BP, schaffen gegenwärtig die Voraussetzungen für Öl- und Gasexporte nach Europa und Asien. Angesichts der extrem hohen Investitionen in die Entwicklung und in den Ausbau der neuen Fördertechnologien müssen die transnationalen Unternehmen schnell und aggressiv neue Absatzmärkte erschließen. Allein in die umweltschädliche Ölsandförderung in der Provinz Alberta in Kanada – auch hier kommt Fracking zum Einsatz – investierten sie bisher 100 Milliarden US-Dollar, weitere 364 Milliarden sollen folgen.

Veränderungen auf dem Binnenmarkt der USA zeichnen sich bereits ab. Die Importe aus den bisherigen Exportländern, vor allem aus den OPEC-Staaten, gehen schnell zurück. Die sinkenden Einfuhren sowie die durch die niedrigeren Energiekosten deutlich verbesserte Wettbewerbsfähigkeit auf dem internationalen Markt tragen wesentlich dazu bei, dass sich die US-Wirtschaft von den Folgen der Krise erholen konnte. Auf dieses ›Konjunkturwunder‹ hoffen nun auch andere Regionen. In Europa befinden sich die neuerdings förderbaren Ressourcen vor allem in Frankreich, Deutschland, in den Niederlanden, in der Ukraine, in Litauen und Rumänien. Wenn die transatlantischen Energieriesen ihren Technologievorsprung global vermarkten, hat das weltweit Auswirkungen auf die regionalen politischen Beziehungen.

Ukraine: erste Projekte in Übersee

In der Ukraine befinden sich vermutlich die größten derzeit durch Fracking zu erschließenden Gasvorkommen in Europa. Diese Gasfelder liegen sowohl im Westen des Landes, in der Region um Lwow, als auch im äußersten Osten, im Jusifska-Feld rund um Charkow sowie im Schwarzen Meer, an der Küste vor der Krim. Im vergangenen Sommer, unmittelbar vor dem Ausbruch der Ukraine-Krise, tat sich der ukrainische Energy Strategies Fund mit der optimistischen Einschätzung hervor, dass die Vorkommen ausreichen werden, um das Land für etwa 60 Jahre mit Gas zu versorgen.2 Diese Schätzung basiert auf Probebohrungen, welche die alte Regierung unter Victor Janukowitsch bereits in der ersten Jahrshälfte 2013 von Exxon, Chevron und Shell hatte durchführen lassen (Bauerova 2013). In der Folge erhielten alle drei Unternehmen Förderverträge über jeweils mindestens 10 Milliarden US-Dollar (Balmforth/Zhdannikov 2013). Nach dem Ausbruch des Bürgerkriegs blieb davon nur ein einziges Projekt übrig. Im Westen der Ukraine bereitet Chevron gegenwärtig die Förderung vor. Die Lizenzen von Shell liegen in der Region Donezk, die inzwischen von Aufständischen kontrolliert wird. Das Unternehmen stellte seine Gasförderung in der Ukraine komplett ein. Auch die von Exxon geleiteten Offshore-Fracking-Projekte auf der Krim wurden vorläufig gestoppt.

Da es sich um die einzigen größeren Wirtschaftsprojekte in der Ukraine handelt, an denen US-Unternehmen beteiligt sind – selbst der wirtschaftliche Austausch mit Russland macht nur ein Prozent in der US-Außenhandelsbilanz aus –, ist davon auszugehen, dass big oil dringend auf ein Assoziierungsabkommen angewiesen war. Einerseits ging es darum, den eigenen Technologievorsprung gegen politische Entscheidungen abzusichern. Andererseits planten Exxon, Chevron und Shell, mit der ukrainischen Gasförderung verschiedene Staaten der EU mit Gas zu versorgen. Das wäre im Rahmen eines Assoziierungsabkommens einfacher umzusetzen gewesen. Eine öffentliche Stellungnahme der beteiligten Energieunternehmen zum Sturz ihrer damaligen Verhandlungspartner lässt sich selbstverständlich nicht finden. Als Journalisten im März 2014 in Washington recherchierten, wer die hartnäckigsten Lobby-Gruppen in Sachen Ukraine-Konflikt sind, stellten sie jedoch fest, dass Vertreter von Exxon, Shell und Chevron besonders häufig in den Terminkalendern von US-Politikern zu finden waren (Talev/Allen 2013).

Europa: Energie für den Freihandel

Der Umstand, dass Russland infolge des Ukraine-Konflikts aus der selbsternannten ›internationalen Gemeinschaft‹ quasi ausgestoßen wurde, kommt den transnationalen Energieunternehmen auch an anderer Stelle entgegen. Die gesamte nordamerikanische Infrastruktur wird gegenwärtig auf Export umgestellt. Der zukünftige transatlantische Wirtschaftsraum soll mit nordamerikanischer Energie versorgt werden. Dafür müssen die etablierten Anbieter verdrängt werden. Im Bundeskanzleramt in Berlin fiel die Entscheidung, russische Gasimporte mittelfristig durch Lieferungen aus Nordamerika zu ersetzen, sehr schnell. So unterstützt Angela Merkel ein geheimes EU-Positionspapier vom 28. März 2014 für die Freihandelsverträge CETA und TTIP, das zukünftige Gas- und Ölimporte aus Kanada und den USA zum wichtigsten Thema bei den Freihandelsgesprä- chen macht (Plusminus, 3.9.2014). »TTIP wird dazu beitragen, die Sicherheit der Energieversorgung in der EU zu stärken«, heißt es darin mit Blick auf die Krise in der Ukraine.

Die Frage der Freihandelsverträge bestimmt auch die energiepolitische Debatte in den USA. »Wo immer es möglich ist, sollten die USA den Freihandel und Investitionen fördern, die nicht an politische Bedingungen gebunden sind«, forderten etwa Amy Myers Jaffe und Edward L. Morse (2013) in Foreign Affairs im Zusammenhang mit bevorstehenden Flüssiggasexporten. In Europa sehen die US-amerikanischen Unternehmen solch unzumutbare Bedingungen etwa in der geplanten Kraftstoffqualitätsrichtlinie der EU, die niedrige CO2-Emmissionswerte für Energieimporte festlegt. Die Werte des mithilfe von Fracking-Technologien geförderten Schweröls aus Kanada und den USA überschreiten die vorgesehenen Richtwerte um ein Vielfaches. Zudem ermöglichen es die in CETA und TTIP vorgesehenen Schiedsgerichte, gegen politische Einschränkungen von Fracking vorzugehen, wie sie etwa Frankreich und Deutschland beschlossen haben.

Die Freihandelsabkommen zielen auch auf bestehende Restriktionen für Energieexporte aus den USA, die aus den Zeiten der knappen Ölreserve stammen. Diese Anforderungen könnten ausgehebelt werden, wenn mit den europäischen und asiatischen Ländern die TTIP- und TPP-Verträge erst einmal abgeschlossen sind (Sergie 2014). Exporte in Länder, mit denen Freihandelsabkommen bestehen, benötigen keinerlei Sondergenehmigungen. Gegenwärtig liegen der US-amerikanischen Energieagentur 30 Anträge für den Export von Öl und Gas vor. Wissenschaftler des Thinktanks Brookings Institution prognostizieren, dass das Bruttoinlandsprodukt der USA durch die Energieexporte von 600 Milliarden auf 1,8 Billionen US-Dollar zunehmen wird (Ebinger/ Greenley 2014). Je früher die Freihandelsverträge und die Genehmigungen vorliegen, desto höher fallen die Gewinne aus. Deswegen entfalten die Multis gegenwärtig enormen politischen Druck, um den Energieexport bereits 2015 starten zu können.

Die Entmachtung der OPEC

Schon im November 2012 thematisierte David L. Goldwyn, Berater des Atlantic Council für Energiefragen, die Veränderungen, die sich aufgrund der neuen Situation in der Energieversorgung der USA abzeichnen. Dies werde »den USA erlauben, sich stärker nach innen zu orientieren und internationalen Angelegenheiten weniger Interesse entgegenzubringen«, argumentierte Goldwyn (2012) und verwies auf bevorstehende Umbrüche in den Energie produzierenden Staaten im Mittleren Osten und in Afrika. Ein wichtiger Grund für die Stabilität und die wirtschaftliche Entwicklung der Region liege darin, dass die USA ihre Investitionen dort schützen.

Im Juni 2014 gab Nigerias Ministerin für Ölressourcen bekannt, dass die USA die gesamte Einfuhr von nigerianischem Rohöl gestoppt haben. Das OPEC-Mitglied Nigeria muss sich dringend nach anderen Abnehmern umschauen, sonst droht dem ohnehin fragilen Staat nach 50 Jahren Ölexport die ökonomische Basis wegzubrechen. Eine ähnliche Entwicklung steht Angola, Libyen und Algerien bevor. Auch aus dem Südsudan, wo die USA über zehn Jahre eine aggressive Kampagne zur Spaltung des Landes unterstützten, zogen sich Exxon und Co. in diesem Jahr vollständig zurück. Ausgenommen von dieser Entwicklung sind nur die engsten politischen Verbündeten. Die Ölimporte der USA aus Saudi-Arabien und Kuwait haben sich gegenüber 2013 sogar erhöht. Saudi-Arabien senkte im Oktober gar seine Preise. Es scheint gelungen zu sein, die OPEC als preisbeeinflussende Gruppe zu entmachten (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.9.2014). Die Förderung des unkonventionellen Öls konnte die krisenbedingten Ausfälle in Iran, Libyen, Südsudan und Syrien mehr als ausgleichen.

Mittlerweile lassen die USA und SaudiArabien keinen Zweifel mehr daran, welche Bedeutung einer ›Supermacht‹ im Energiebereich zukommt. Vor dem OPEC-Treffen im November kündigte das Feudalregime an, man könne mit einem Preisband um die 80 US-Dollar pro Barrel Rohöl für die kommenden zwei Jahre gut leben. Die Leidtragenden sind diejenigen Großexporteure, die sich langfristig auf steigende Gewinne aus Energieexporten eingerichtet haben, etwa Russland, Venezuela und Iran, während die großen Verbraucherländer von niedrigen Energiepreisen profitieren.

Chinas brennende Ölquellen

Die größte Gefahr geht von den neuen Krisen im Mittleren Osten und in Afrika für China aus. Der asiatische Wachstumsmotor deckt 60 Prozent seines Bedarfs an Energie durch Ölimporte. Im Jahr 2013 überholte China die USA als weltgrößter Netto-Importeur. In zahlreichen Ländern schloss die chinesische Regierung Verträge, um zu Vorzugspreisen Öl abnehmen zu können. Im Gegenzug bauten chinesische Techniker Pipelines und Raffinerien und sorgten für den Transfer von Know-how an einheimisches Personal.

Aktuell bedroht der Bürgerkrieg im Irak diesen privilegierten Zugang zu Erdöl. Chinesische Unternehmen haben damit begonnen, Teile ihres Personals aus dem Irak abzuziehen. Das Staatsunternehmen CNPC betreibt drei Felder im Süden des Landes, aus denen 1,4 Millionen Barrel pro Tag fließen. Das ist die Hälfte der gesamten irakischen Ölproduktion. An den von der Maliki-Regierung vergebenen Förderlizenzen hält China den größten Anteil.

Im Südsudan und in Mali stationierte China nun erstmals Soldaten im Rahmen von UN-Friedenstruppen. Das Militär soll Techniker und Ölförderanlagen schützen. Von der sudanesischen Gesamtproduktion gingen jährlich bis zu 80 Prozent nach China. Nun befinden sich die Förderanlagen und die 10 000 Kilometer lange Pipeline mitten in einem Bürgerkriegsgebiet, in dem seit Dezember 2013 bereits 10 000 Menschen getötet und 1,5 Millionen vertrieben wurden. Auch hier musste China sein Leitungspersonal evakuieren.

Dass der ›freundliche Riese‹ erstmals in der jüngeren Geschichte damit beginnt, seine Investitionen im Ausland militärisch abzusichern, hat wesentlich mit der libyschen Katastrophe zu tun. Hier hatte China die dramatischsten Verluste zu verzeichnen. Nach der Palastrevolte vom 17. Februar 2011 gegen Mummar al-Gaddafi starben mehrere Hundert Chinesen, mehr als 35 000 mussten evakuiert werden. Viele von ihnen arbeiteten in der Ölindustrie. Insgesamt hatte China knapp 20 Milliarden US-Dollar in dem kleinen nordafrikanischen Land investiert. Die letzten 80 Chinesen verließen Tripolis Anfang August 2014, nachdem die Kämpfe zwischen verfeindeten Milizen das Land endgültig an den Rand des Abgrunds gebracht hatten.

Geopolitische Neuaufstellung

Aus einer energiepolitischen Perspektive zeichnen sich die Eckpunkte einer neuen weltpolitischen Etappe deutlich ab. In seiner Analyse zur Vorbereitung der transatlantischen Freihandelsabkommen beschreibt Tim Schumacher die aktuelle Strategie der Eliten diesseits und jenseits des Atlantiks. Bereits seit mehreren Jahren werde weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit eine engere transatlantische Partnerschaft vorbereitet, die einen »westlichen Machtblock gegen Rivalen wie China oder Russland« (Schumacher 2014, 2) stärken und neu formieren soll. Zum einen bestehe die Absicht darin, mithilfe der Freihandelsabkommen das eigene Ordnungsmodell weltweit gegen einen angeblichen Staatskapitalismus in Stellung zu bringen. Zudem mache die transatlantische Energiekooperation den Weg frei für eine konfrontativere Außenpolitik. Ihr komme schon aufgrund ihres wirtschaftlichen Gewichts und der Handlungsfähigkeit der transnationalen Energiekonzerne eine Schlüsselfunktion für eine transatlantische Neuformierung zu.

Barack Obama ist es gelungen, mithilfe technischer Innovationen im Energiebereich eine neue wirtschaftliche und politische Konjunktur vorzubereiten, die die Europäische Union langfristig wieder enger an die USA binden wird. Für Europa als Juniorpartner in einer imaginierten ›werteorientierten Gemeinschaft‹ bestehen jedoch deutliche Risiken. Die Verhältnisse zu den unmittelbaren Nachbarn werden stärker von kriegerischen Konflikten bestimmt. Während die Beziehungen mit Russland absichtsvoll torpediert werden, stürzten der Irak, Libyen und Syrien nach militärischen Interventionen in chaotische Verhältnisse. Hier überlassen die USA ihren Verbündeten in Saudi-Arabien, den Golfstaaten, Ägypten und der Türkei die Hauptverantwortung für die Neugestaltung der Region. Aufgrund unterschiedlicher Ordnungsvorstellungen unter diesen Regionalmächten wird der Prozess der gewalttätigen Neustrukturierung möglicherweise Jahrzehnte andauern.

Diese neue Konjunktur basiert zudem auf einem technologischen Sprung in der Förderung fossiler Brennstoffe, der mit neuen, extrem zerstörerischen Formen der Umweltbelastung verbunden ist. Die aggressive Inwertsetzung bisher unzugänglicher Ressourcen durch Fracking und Ölsandausbeutung bedeutet einen weiteren Sprung hin zu einer globalen Klimakatastrophe. Zudem führt der transatlantische Transport von Flüssiggas und Erdöl zu höheren Kosten und Umweltrisiken. Die lokalen Verwüstungen und unkalkulierbaren geologischen Risiken bergen weitere gesellschaftliche Kosten, die am Ende nicht die beteiligten Unternehmen begleichen werden.

Die Energiepolitik wirft lange Schatten auf die aktuellen geopolitischen Krisen. Den USA ist es über Fracking gelungen, ihre Kosten für Energie zu senken und weniger abhängig vom Export anderer Staaten zu sein. Dies ermöglicht ihnen, ihre Außenpolitik neu ausrichten. Die bestehende Weltenergieordnung wird durch Fracking durcheinandergewirbelt, aber auch andere geopolitische Konfliktlinien haben sich verschoben. Mit den Freihandelsverträgen CETA und TTIP soll die energiepolitische Neuaufstellung vertraglich abgesichert und politisch forciert werden. Mit ihnen verbindet sich eine radikale Aushöhlung parlamentarischer und legislativer Macht zugunsten von Konzerninteressen. Mithilfe von Schiedsgerichten und Klauseln für den Investitionsschutz werden die transnationalen Unternehmen aggressiv gegen demokratische Entscheidungen vorgehen. Im Energiebereich wird dies zuerst die Fracking-Verbote in Frankreich und Deutschland betreffen. Bereits jetzt hat die EU-Kommission unter dem Druck der CETA-Verhandlungen die geplanten Vorgaben der Kraftstoffqualitätsrichtlinie gesenkt. Insgesamt will man mit den Abkommen die Investitionsbedingungen auf dem größten Binnenmarkt der Welt flexibilisieren – das heißt, Rechte von Beschäftigten und KonsumentInnen schleifen – und so die aufsteigenden Wirtschaftsmächte wie China und Russland auf Distanz halten.

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