Die Mehrheit der Bevölkerung auf dem afrikanischen Kontinent ist  – wie in weiten Teilen des globalen Südens – direkt von der Landwirtschaft abhängig. Sie ist die Hauptlebensgrundlage und Stütze der Wirtschaft. Gerade Saatgut ist daher ein wichtiger Ansatzpunkt für Entwicklungsinterventionen. Diese könnten für Kleinbäuer*innen eigentlich eine ganze Reihe von Vorteilen haben: verbesserte Ernährung und Nahrungsmittelsicherheit, positive ökologische Effekte und gesteigerte Resilienz gegenüber dem Klimawandel. Auch für den sozialen Zusammenhalt und die Kultur spielen Saatgut und Landwirtschaft in vielen afrikanischen Gesellschaften eine wichtige Rolle.

Wie das Saatgut in Politiken, finanziellen Förderprogrammen und Projekten verhandelt wird, hat einen entscheidenden Einfluss auf die Form des landwirtschaftlichen Ernährungssystems, auf Wirtschaft und Sozialstruktur, Umwelt und soziale Gerechtigkeit. Aktuell befinden sich diese in einem tiefgreifenden Umbruch. Da die USA, Europa und Lateinamerika schon zu großen Teilen von kommerziellem Saatgut durchdrungen sind und auch Asien bereits seine „Grüne Revolution“ durchlaufen hat, wenden sich globale Saatgutunternehmen nun Afrika zu, dem letzten Markt, der noch erobert werden muss.

Neuere Studien zeigen, dass ca. 90 % allen Saatguts, das in Afrika gesät wird, aus „informellen“ Quellen stammt: aus lokalen Märkten oder von den Bäuer*innen und ihren Nachbar*innen selbst. Afrikanische Bäuer*innen nutzen nur selten Düngemittel: sie verbrauchen nur 1,5 % des weltweiten Stickstoffs. Die Agrarindustriegiganten sehen genau deshalb in Afrika enorme Marktchancen. Fünfzig Millionen afrikanische Bauernhöfe, die ihr Saatgut lokal wiederverwerten, könnten nun dazu gedrängt werden, jedes Jahr neues hybrides oder genmodifiziertes Saatgut zu kaufen. Und mit dem hybriden Saatgut kommen die künstlichen Düngemittel ─ die hybriden Samen sind auf diese Chemikalien ausgerichtet. Diese chemischen Düngemittel erfordern wiederum mehr Wasser, das in Afrika zunehmend knapp wird. Bereits jetzt sorgt der Klimawandel für Chaos bei der Verteilung von Regenwasser, von dem die Mehrheit der afrikanischen Bäuer*innen abhängig ist. Die Saatgutgiganten finden in Afrika zudem die Quelle für die Rohstoffe ihres Wirtschaftszweigs: die indigenen Sorten und die reiche Biodiversität des traditionellen Saatgutes, auf dem ihre hochtechnologischen Züchtungsaktivitäten aufbauen. Diese lokal gezüchteten Sorten sind zumeist nicht patentiert, sondern werden als gemeinsames kulturelles Erbe verstanden. Sobald sie jedoch dem „globalen Saatgutraub“ zum Opfer gefallen sind, werden sie zügig patentiert und als zukünftiges kommerzielles Eigentum gehortet.

Die „Feed the World“-Erzählung

In der internationalen Politik gibt es eine wirkmächtige Erzählung, die von nationalen Regierungen, Entwicklungshilfeorganisationen und selbst von Graswurzelbewegungen geteilt wird. Um die Weltbevölkerung satt zu bekommen und den Hunger in Afrika zu bekämpfen, so der Tenor, müssen die bäuerlichen Sorten durch „verbesserte Sorten“ ersetzt und Afrikas Landwirtschaft „modernisiert“ werden. In der Logik der „Grünen Revolution“ wird davon ausgegangen, dass eine groß angelegte Nutzung der verbesserten Sorten in Kombination mit chemischen Zusätzen zu größeren Ernten führen wird. Dies soll die Einkommens- und Nahrungsmittelsicherheit der Bevölkerung erhöhen. Dieser verengte Blick auf Ernte und Produktivität verkennt die multifunktionale Natur des Saatguts und der Landwirtschaft in Afrika. Er ist blind für die möglichen Konsequenzen dieses Modells für Wirtschaft und Gesellschaft, Gesundheit, soziale Sicherheit, Umwelt und Kultur.

Es gibt zwei politische Prozesse, die unter diesem Banner der globalen „Ernährungssicherheit“ vorangetrieben werden.

1) Die Einführung von Schutzregimen für Pflanzenvielfalt, (Plant Variety Protection, PVP), die sich einseitig an den Interessen der Züchter*innen ausrichten und die Investitionen der privaten Saatgutindustrie anziehen sollen. Sie basieren auf dem Abkommen des Internationalen Verbands zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV) von 1991

2) Die Entwicklung und Verschärfung von Saatguthandelsgesetzen, die die Vermarktung von „verbesserten Sorten“ fördern und zugleich den Handel und Tausch der bäuerlichen Sorten massiv einschränken, die als minderwertig, unproduktiv und unzuverlässig eingestuft werden.

Diese Politiken und Gesetze sind darauf ausgerichtet, das afrikanische Landwirtschaftssystem grundlegend zu verändern und auf einen Weg zu bringen, den das Internationale Expertengremium für nachhaltige Ernährungssysteme (IPES-Food) als „Pfad zur Abhängigkeit“ bezeichnet – sie sperren den Kontinent in das Korsett der industriellen Landwirtschaft. Diese Gesetze bevorzugen agrarindustriell gezüchtetes Saatgut und höhlen die bäuerlich verwalteten Saatgutsysteme (Farmer Managed Seed Systems, FMSS) aus. Der Handel mit bäuerlichen Sorten wird kriminalisiert und die öffentlichen Fördergelder und Forschungsvorgaben den Interessen der Saatgutindustrie angepasst. Flankiert wird diese Politik von Subventionsprogrammen für Bauern (Farmer Input Subsidy Programmes, FISP), die die traditionellen Saatgutsysteme verdrängen und die Autonomie der Landwirt*innen untergaben.

Diese Politik wird von Einzelinteressen systematisch vorangetrieben. Diese wirken nicht nur in Nationalstaaten, sondern auch in regionalen Handelsverbänden, um größere Märkte zu erschließen und die bürokratischen Kosten zu reduzieren, die mit der Registrierung, Zertifizierung und Verbreitung von Saatgut einhergehen.

Drei regionale Körperschaften – der Afrikanische Regionale Verband für Geistiges Eigentum (ARIPO), sein frankophones Gegenstück OAPI sowie die Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) haben miteinander abgestimmte PVP-Gesetze verabschiedet, die 42 afrikanische Länder gemeinsam vertreten. Die Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC) hat signalisiert, dass sie einen ähnlichen Prozess beginnen wird. Auch auf nationaler Ebene wird Druck ausgeübt, die lokalen PVP Rahmenbedingungen basierend auf der UPOV 1991 umzusetzen.

Auch drei andere West-Afrikanische regionale Wirtschaftsgemeinschaften (RWG) haben ihre Saatguthandelsregulationen harmonisiert – die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS), die Westafrikanische Wirtschafts- und Währungsunion (WAEMU) und die Wirtschaftliche Gemeinschaft der West-Afrikanischen Staaten (CLISS). Diese Harmonisierungsprozesse können jeweils Änderungen der nationalen Saatgutgesetze erfordern und lokale Saatgutsysteme weiter bedrohen.

Auf der nationalen Ebene werden die bäuerlichen Sorten von der Politik und Gesetzgebung zumeist ignoniert, mitunter aber auch aktiv ausgeschlossen. So ist es in Tansania illegal, Saatgut zu verkaufen, das nicht chemisch mit Insektiziden oder Fungiziden vorbehandelt wurde ─ bäuerliches Saatgut wird effektiv vom Markt gedrängt. Dabei kennen afrikanische Bäuer*innen viele innovative Wege, um ihr Saatgut auch ohne Gift zu schützen, wie etwa pflanzliche Insektenabwehrmittel und hermetisch versiegelte Behälter.

Wer greift nach dem Saatgut?

Hinter diesen politischen Entwicklungen steht das Geschäftsinteresse einer kleinen Zahl transnationaler Unternehmen, die oftmals durch Kriege entstanden und reich geworden sind. Einige produzierten neben Düngemittel auch Sprengstoff, andere neben Pestiziden auch Nervengas. Deutsche Wissenschaftler*innen waren auf diesem Gebiet Pioniere. Der von Haber & Bosch entwickelte Prozess der Umwandlung von Luftstickstoff in Ammoniak wurde 1913 von BASF kommerzialisiert und zur Grundlage für die Munitionsproduktion im Ersten Weltkrieg. Nach dem Krieg wurden diese Waffenfabriken auf die Herstellung von Düngemittelproduktion ausgerichtet. Die Organophosphate, die die Chemiker*innen von Bayer in den 1930ern entdeckten, dienten zur Produktion von Chemiewaffen wie Sarin. Sie werden heute für die Herstellung von 40 % der modernen Insektizide verwendet und sind eine der Hauptursachen für akute Vergiftungen in der Landwirtschaft des globalen Südens. Noch in den 1960ern produzierten die US-Amerikanischen Unternehmen Dow Chemical und Monsanto das Unkrautvernichtungsmittel Agent Orange, das die US-Armee in Vietnam versprühte, um Wälder und Ernten zu vernichten und nach Schätzung des Roten Kreuzes für die Dioxinvergiftung von bis zu drei Millionen Vietnames*innen verantwortlich ist.

In den 1970ern kauften Öl- und Pharmaunternehmen tausende kleiner Saatgutunternehmen in Familienbesitz. In den 1980ern entwickelte sich eine „Lebensindustrie“ aus Saatgutproduktion, Agrarchemikalien und Pharmazeutika. In den 1990ern schließlich wurden über 200 Saatgut-, Biotechnologie- und Chemieunternehmen von den Großen Sechs geschluckt: BASF; Bayer, DuPont, Dow, Monsanto und Syngenta, die jetzt die globalisierte kommerzielle Saatgutindustrie dominieren. Zur Zeit fusionieren diese Saatgutgiganten mit Agrarchemieunternehmen, um neue Mega-Unternehmen zu schaffen. Dow und DuPont kamen 2017 zusammen. Monsanto, das derzeit größte Saatgutunternehmen, hat Bayers Kaufangebot angenommen. Chinas nationales Chemieunternehmen, ChemChina, hat das schweizerische Saatgut- und Pestizidunternehmen Syngenta gekauft. Im Ergebnis kontrolliere drei gigantische Konzerne drei Viertel der weltweiten Saatgut- und Agrarchemikalienversorgung. Es ist ein lukratives Geschäft: der Verkauf von Saatgut und Pestiziden bringt jährlich über 100 Milliarden Dollar ein, Düngemittel noch einmal 175 Milliarden Dollar.Das nächste Schlachtfeld, auf dem um die Marktmacht gekämpft wird, ist die Digitale Landwirtschaft. Die Großen Sechs kaufen e-farming Start-Ups für 1 Milliarde Dollar pro Stück. Google-ähnliche Algorithmen, die an Big Data angeschlossen sind sowie Drohnen und Feldroboter versprechen „präzise Landwirtschaft“. Kritiker*innen befürchten hierdurch ein noch größeres Machtgefälle in den Ernährungssystemen. In der schönen neuen Welt der digitalen Landwirtschaft brauchen wir keine Bäuer*innen; die Produktion wird von der unternehmerischen Tastatur aus kontrolliert.

Warum machen die Regierungen mit?

In dem verzweifelten Versuch, die Finanzkrise 2007/2008 zu überwinden, bemühten sich die Regierungen des globalen Nordens eifrig um den Export von Technologien. Das US-Außenministerium etwa ist im Besitz eines Biotechnologie-Fonds für US Missionen im Ausland, um den globalen Verkauf von genetisch veränderten Organismen zu bewerben.

Gemeinsam mit ihren Landwirtschaftsunternehmen kamen die G8 Nationen auf dem Weltwirtschaftsforum 2012 zusammen, um die Neue Allianz für Ernährungssicherheit ins Leben zu rufen. Durch private Investitionen in der Landwirtschaft soll diese Allianz 50 Millionen Menschen aus der Armut befreien. Nach Ansicht von Kritiker*innen werden dabei Unternehmensprofite auf Kosten von Kleinbäuer*innen erzielt und Armut und Ungleichheit in Afrika verschärft – durch Landnahme, bäuerliche Schulden, Einführung genetisch veränderter Pflanzen und den Aufbau von Wachstumskorridoren als landwirtschaftliche Steueroasen. Im Gegenzug für die Investitionen sind afrikanische Länder gezwungen, ihre Land-, Saatgut- und Handelspolitik im Interesse der großen Unternehmen umzugestalten. Im Februar dieses Jahres zog sich Frankreich aus dieser Allianz zurück – ein Hinweis auf die wachsende Unzufriedenheit mit diesem System.

Da Afrikas Volkswirtschaften dank jahrhunderterlanger Kolonisation ausgeplündert sind, existieren kaum die Mittel, um Entwicklungsziele aus eigener Kraft zu erreichen. Im Kalten Krieg boten sich einige Möglichkeiten, um Hilfsgüter von der einen oder anderen oder zuweilen auch von beiden Seiten zu erhalten. Mit dem Zerfall der Sowjetunion blieb nur die Anpassung an den Kapitalismus.

In der Folge wurde die afrikanische Landwirtschaftspolitik mit der Unterstützung von neoliberalen Institutionen „modernisiert“: Durch den massiven Einsatz von chemischen Düngemitteln und „verbessertem“ Saatgut. Damit verschiebt sich der Fokus auf sichere Massenprodukte (wie Mais) und Waren, die auf globalen Märkten gehandelt werden können. In der Praxis hat dies zu einer enormen Konzentration auf die Entwicklung und Vermarktung von hybriden Maissamen und chemischen Düngemitteln geführt.

Eine alternative Erzählung

Eine andere Erzählung, die weitgehend ignoriert wird, aber eine Alternative zu dieser Form des „Sattkriegens“ bietet, orientiert sich an der landwirtschaftlichen Wirklichkeit und nicht an leeren Versprechungen. Sie geht von den konkreten Bedingungen und Erfahrungen afrikanischer Bäuer*innen aus und bezieht den  kulturellen Wert von Saatgut und Landwirtschaft mit ein. Zentral ist die Anerkennung, dass die afrikanischen Kleinproduzent*innen 80 % der Nahrung in Afrika produzieren, auf nur 15 % des landwirtschaftlichen Landes, und dass sie 80 % des gepflanzten Saatguts kontrollieren. Wer diese Tatsache ins Zentrum stellt, bekommt auch die Agrarökologie in den Blick, und fordert jenseits der industriellen Landwirtschaft neue Maßstäbe, um den „Erfolg“ agrarwirtschaftlicher Systeme zu messen und zu bewerten.

Bäuerlich verwaltete Saatgutsysteme sind komplex, multifunktional und widerstandsfähig. Diese informellen Systeme sind es, die das Rückgrat der afrikanischen Landwirtschaft bilden. Frauen stellen über die Hälfte der bäuerlichen Arbeitskräfte in diesen System und sind führend bei der Saatgutauswahl und -sicherung. Dennoch werden diese Systeme in der Politik, bei Fördergeldern, der Forschung oder Aussaatunterstützung vernachlässigt. So wird das Saatgut der Gefahr genetischer Abnutzung ausgesetzt: Es verliert die Fähigkeit, sich Klimaschwankungen anzupassen, auf neue Schädlinge zu reagieren oder gegenüber anderen Produktionsveränderungen gewappnet zu sein.

Gemeinhin wird davon ausgegangen, dass kommerzielles, „verbessertes“ hybrides Saatgut höhere Ernten mit sich bringt als das einfache bäuerlich gesammelte Saatgut – und unter „idealen“ Wachstumsbedingungen stimmt dies zumeist auch. Doch der Umfang der Ernte ist nicht das einzige Kriterium für den kommerziellen Erfolg. Händler*innen auf dem internationalen Getreidemarkt Kibaigwa in Tansaniea etwa beeilen sich, an die bäuerlichen Maissorten zu kommen, noch vor den Hybriden, da diese ihnen mehr Geld einbringen. Konsument*innen bevorzugen den Geschmack, die Müller*innen erhalten mehr Mahl pro Tonne Getreide und die Lagerung ist risikoärmer, da die härteren Schalen der lokalen Sorten den Insekten viel besser widerstehen als die weichschaligen „Zahnmais“-Hybriden.

Zugleich ist es ein Problem, dass viele kleinbäuerliche Produzent*innen zu lange an Sorten festhalten, die über die Zeit ihre Kraft verloren haben. Dies liegt zum einen an einer unzureichenden Förderung und Ausstattung von Züchter*innen, Forscher*innen und Anbauberater*innen, zum anderen am graduellen Verlust der Auswahl- und Lagerfähigkeiten der Besitzer*innen. Zudem brauchen die bäuerlichen Sorten tendenziell länger zur Reife, ein wesentlicher Nachteil angesichts der durch den Klimawandel kürzeren und unvorhersehbaren Regenzeiten.

Afrika wird oft als “Ein-Tonnen-Kontinent“ bezeichnet, da die Produktivität der Ernten nur bei durchschnittlich einer Tonne pro Hektar liegt. Der Ruf nach einer agrarökologischen Wende muss darum mit einem eindringlichen Appell an Saatgutforscher*innen und Züchter*innen einher gehen, sich von Unternehmensinteressen abzuwenden und sich auf die realen Saatgut-Probleme der 33 Millionen afrikanischen kleinbäuerlichen Bauernhöfe zu konzentrieren. An dieser vergleichsweise kleinen Basis kann die Produktivität hier massiv erhöht werden – hin zu einem „Zwei- oder Drei-Tonnen-Kontinent“. Demgegenüber sähen alle Verbesserungen der landwirtschaftlichen Großindustrie sehr klein aus.

Von diesem Blickwinkel aus kämpfen soziale Bewegungen weltweit gegen die Mega-Fusionen in der Landwirtschaft. Sie verweisen auf die Probleme des Marktmonopols und des Verlusts der Biodiversität. In der Fusion von Bayer und Monsanto sehen sie eine neue Ära der „keimfreien“ Ernten aufziehen, die in gefährlichen Pestiziden getränkt ist. Das Neonicotinoide-Insektenbekämpfungsmittel von Bayer wird als zentraler Faktor des weltweiten Bienensterbens angegriffen, der glyphosat-basierte universale Unkrautvernichter von Monsanto inzwischen weithin als für Menschen krebserregend anerkannt wurde.

Die Allianz für Ernährungssouveränität in Afrika (AFSA), seine Mitglieder und andere Verbündete setzen sich seit Längerem dafür ein, solche agrochemischen Regime auf nationaler und regionaler Ebene zu bekämpfen.

Saatgut bedeutet Autonomie

Viele Basisorganisationen kämpfen dafür, bäuerlich verwaltete Saatgutsysteme aufzubauen und zu fördern, beispielsweise durch Saatgutbanken in Kommunen und Haushalten, durch Saatgut-Karawanen und -Messen. Diese Arbeit wird derzeit in einem politischen Vakuum durchgeführt und bewegt sich in gesetzlichen Grauzonen. Während die Politik sich auf dem ganzen Kontinent für die Bewerbung und Unterstützung der formalen Saatgutindustrie ins Zeug legt, herrscht beim bäuerlich gesammelten Saatgut Schweigen.

Die Allianz für Ernährungssouveränität in Afrika hat erkannt, dass das Problem auf zwei Ebenen angegangen werden muss: durch gemeinsame Abwehrkämpfe gegen die politisch forcierten Angriffe auf das bäuerlich gesammelte Saatgut und zugleich durch den Aufbau von Alternativen in Form einer Stärkung der bäuerlich verwalteten Saatgutsysteme.

Auf der internationalen Ebene ist es wichtig, sich formal mit dem ITPGRFA-Saatgut-Abkommen auseinanderzusetzen. Es muss Druck auf die pan-afrikanischen, regionalen und nationalen Verbände ausgeübt werden, sich den Rechten der Bäuer*innen zu verpflichten, ebenso wie der Förderung einer nachhaltiger Nutzung genetischer Pflanzenressourcen. Die pan-afrikanischen und regionalen Plattformen sind extrem wichtig für den Widerstand gegen die industrielle Saatgutpolitik. Sie bringen Akteure zusammen, die Saatgut-Harmonisierungsgesetze bekämpfen wollen und ermöglichen eine gemeinsame Diskussionen und Klärung der Positionen, den Aufbau von Solidarität und die Erarbeitung gemeinsamer Strategien. Sie sind von zentraler Bedeutung, um Bäuer*innen einzubinden und in die Lage zu versetzen, diese Probleme zu bewältigen.

Auf der nationalen Ebene ist Wachsamkeit geboten gegenüber Veränderungen der nationalen Saatgut- und Pflanzenvielfalt-Gesetze. Das bedeutet, die eigenen Kompetenzen und die pan-afrikanische Stimme in dieser Frage zu stärken, um in entscheidenden Momenten in der Lage zu sein, nationale öffentlichkeitswirksame Kampagnen anzustoßen.

Die Forderung an Regierungen liegen ebenfalls auf zwei Ebenen: Einerseits muss die Saatgutpolitik der Regierungen anerkennen, dass bäuerliche, indigene Sorten Teil der Lösung sind. Sie sollten Bäuer*innen durch Ausnahmenregelungen die Fortsetzung ihrer traditionellen Praktiken erlauben und sie vor Verfolgung schützen. Regierungen sollten ein für bäuerliche Saatgutsysteme förderliches politisches Klima schaffen. Saatgutregistrierung und Regulationssysteme müssen so aufgebaut sein, dass sie für bäuerliche Sorten funktionieren und nicht nur für Saatgutunternehmen. Auf der anderen Seite muss es praktische Unterstützung für Kleinbäuer*innen geben, damit sie die Produktivität ihrer traditionellen Saatgutsysteme erhöhen können. Wissenschaftler*innen und Bäuer*innen müssen gemeinsam an der Saatgutzucht arbeiten. Bäuer*innen benötigen Unterstützung beim Anbau, bei der Entwicklung ihrer Selektions- und Aufbewahrungsfähigkeiten und bei der Vermarktung der indigenen Saatgutproduktion und -multiplikation.

Eine positive Alternativerzählung, die bäuerliche Saatgutsysteme aufwertet, muss sich zudem auf evidenzbasierte Kampagnen stützen. Fallstudien zu den Herausforderungen und zu Positivbeispielen können einen Bewusstseinswandel unterstützen und die bäuerliche Praxis stärken sowie die Politik informieren. Afrika kann vom Widerstand anderer Kontinente lernen. In Brasilien etwa wurde unter der PT eine neue Regierungsabteilung zur Stärkung der Familienlandwirtschaft geschaffen: einheimisches Saatgut wird angekauft und an andere Bäuer*innen verkauft. Änderungen der nationalen Beschaffungspolitik sollen absichern, dass Schulen und Krankenhäuser mit Essen von Kleinbäuer*innen versorgt werden. In Indien ist die Sahaja Samrudha Organic Seed Company vollständig im Besitz von Bäuer*innen, koordiniert die Arbeit von 2.000 Saatgutproduzent*innen und züchtet und vermarktet 100 traditionelle Reis-, Hirse- und Hülsenfruchtsorten. Saatgutsammlungs-Allianzen mobilisieren Millionen von Kleinbäuer*innen auf der ganzen Welt und stärken das Profil der Saatgut- und Ernährungssouveränität.

Die Praxis ist der Schlüssel. Das drückt Alba Marleny Portillo vom Netzwerk der Erhalter der Samen des Lebens in Kolumbien aus: „Die eigentliche Handlung, die jeder durchführen kann um Saatgut zu verteidigen: es anpflanzen, wachsen lassen und das Erzeugnis essen.“

Dieser Artikel basiert auf der Studie “Resisting corporate takeover of seed and food systems” der Alliance for Food Sovereignty in Africa – AFSA zur Saatgutpolitik auf dem afrikanischen Kontinent. Verfügbar unter: afsafrica.org/wp-content/uploads/2018/04/SEED-POLICY-ENG-ONLINE-SINGLE-PAGES.pdf