»Saubere Kohle« als Antwort auf den Klimawandel, so dachte es sich Vattenfall. Pressen wir das CO2 aus der Kohleverstromung doch einfach in den Untergrund. Ob es dort dauerhaft bleibt und welche Schäden es anrichtet, war nicht von Interesse. Wichtig war, an den alten Strukturen der Braunkohleverstromung festzuhalten. Die Bevölkerung in den Verpressungsregionen wehrte sich – erfolgreich. Das erforderliche Gesetz zur CO2-Verpressung wurde vom Bundesrat gestoppt. Vattenfall sagte die geplanten Projekte in Brandenburg ab.

Der Anfang war ein echter Punkt Null. Wer hatte sich in dieser ländlichen Gegend schon groß mit Klimapolitik oder der CO2-Problematik beschäftigt oder eine Ahnung davon, was sich hinter CCS, Carbon Capture and Storage, verbirgt? Vor diesem Hintergrund war es möglich, dass CCS-Befürworter, Konzernvertreter wie Politiker, mit der geschüttelten Selter- flasche überzeugen wollten. Auf bestehende »politische« Gruppierungen wie in Berlin konnte kaum zurückgegriffen werden, bestenfalls auf Heimat- oder Kulturvereine. Wie bei der Anti-AKW-Bewegung stand am Anfang das Selbststudium und Weiterverbreitung. »Unser Widerstand besteht nicht aus diffuser Angst, sondern basiert auf konkretem Wissen« – das war die Aufgabe.

Frühe Basisarbeit war Grundlage des Erfolgs. Am Anfang will keiner der Erste, aber nach Erreichen der kritischen Masse auch keiner mehr der Letzte sein: Selbst die Stadtverordnetenversammlung Frankfurt (Oder) hat sich gegen die CO2- Verpressung ausgesprochen. Nur eine Kleinstadt mit von Vattenfall gesponsertem Sportverein steckt immer noch mit dem Kopf im Sand. Ein Appell an den Bundesrat zum CCS-Gesetz ist annähernd flächendeckend von den Kommunalvertretern unterschrieben worden. Früh wurde klar, dass die CCS-Problematik nicht isoliert von anderen Energie-Fragen betrachtet werden kann. Die Gefahr einer NIMBY-Bewegung – »nicht in meinem Vorgarten« – wurde so umgangen. Die Vernetzung mit den Bewegungen gegen die Braunkohle-Tagebauerweiterung bot sich an, wie auch die Diskussion über die Alternative Erneuerbare Energien und die Macht der Konzerne.

Die Einführung des Begriffs »CO2-Endlager« statt »Speicher« – Speicher bedeutet zwischenzeitliche Lagerung mit dem Ziel der Wiederverwertung – und der Slogan »Keine Asse für Vattenfall« knüpfte eine Verbindung zur Anti-Atom-Bewegung. Die Übernahme ihres Protest-Symbols – das gelbe X – setzt neben den vielen Bannern wohl das deutlichste sichtbare Zeichen des Widerstandes in der Region. Kaum ein Dorf, hinter dessen Ortseingangsschild nicht das zwei Meter große gelbe Holz-X mit der Infotafel steht. Das gemeinsame Werken dafür auf dem Dorfplatz macht nicht nur Spaß, es bietet auch denjenigen Möglichkeit zum Engagement, die sich für andere Protestformen nicht geeignet sehen. Einige hundert dieser Xe in den Hauptstraßen einer Stadt angebracht, zwangen die Stadtoberen, sich mit dem Thema und den Fragen ihrer Bürger auseinanderzusetzen.

Eine weitere effektive, weil öffentlichkeitswirksame Handlungsmöglichkeit ergriffen private und kommunale Landeigentümer, Verbände und Kirchen, um ihre Entschlossenheit zu zeigen: Sie verboten Vattenfall und Dritten, ihre Grundstücke für die Erkundungsarbeiten zu betreten. Über 80 Landeigentümer haben das mit einer Klage gegen die Erkundung und die Initiierung eines geologischen Gutachtens untermauert.

Widerstand soll Spaß machen: Zweimal fand das Fresh Air Festival gegen CO2-Endlager statt – und bot gleichzeitig Raum für die bundesweite Vernetzung der Initiativen auf persönlicher Ebene. Die monatliche Mahnwache in Letschin ist über zwei Jahre unter ständiger Pressebegleitung zu einer Instanz geworden. Dem Versuch, die Bewegung durch die Einrichtung eines so genannten Erkundungsbeirats zu vereinnahmen, hat sie sich weitgehend entzogen: Kaum jemand hat dort teilgenommen. Öffentliche Auftritte und Veranstaltungen – besonders von Die Linke – fanden hingegen reges Interesse. Denn diese hatte ihr Wahlversprechen gebrochen: Statt »konsequent gegen CO2- Endlager« vorzugehen, beförderte sie mit Ralf Christoffers einen Befürworter der Braunkohleverstromung und des CCS zum Wirtschaftsminister. Dieser schoss immer wieder selbst über den Koalitionsvertrag hinaus, wie beim Versuch, den Klageweg zu verkürzen, oder bei der voreiligen Genehmigung des Hauptbetriebsplans zur Erkundung in Beeskow.

Auch die Kausalitätskette »kein CCS – kein neues Kohlekraftwerk – keine neuen Tagebaue und folglich keine Abbaggerung weiterer Dörfer« legte Christoffers beiseite, kaum hatte Vattenfall die CO2- Verpressung in Brandenburg abgesagt. Stattdessen zog er das geplante europäische CO2- Pipeline Netz mit angeblich zugesagter CO2-Verpressung in Norwegen hervor, um den Neubau des Kraftwerks Jänschwalde auch ohne CO2-Verpressung in Brandenburg durchzudrücken. Ihn interessiert wenig, dass damit die in der Energiestrategie 2020 festgelegten CO2-Minderungsziele auf den Müllhaufen geschmissen werden.

Der Kampf ist noch lange nicht gewonnen, das wissen auch die Bürgerinitiativen. Die anvisierte CO2-Verpressung unter die Nordsee oder die im »Kompromissvorschlag« der Bundes-Grünen enthaltenen »kleinen« Forschungsendlager von 100 000 Tonnen werden weiter bekämpft. Genauso wie neue Braunkohle-Tagebaue und -kraftwerke. In puncto CCS bleibt das Ziel ein Unterlassungsgesetz.

Dass Vattenfall auf die CO2-Verpressung in Brandenburg verzichtet und die Kraftwerkspläne aufgegeben hat, ist ein Teilerfolg. Und den darf und sollte man als solchen feiern. Schon allein um zu zeigen, dass mit Engagement etwas erreicht werden kann. Gegen die weit verbreitete Meinung »die da oben machen eh, was sie wollen«. Dass die Gegenseite unseren Erfolg nicht als ihre Niederlage bekanntgibt, war zu erwarten. Das ist nicht die Sprache der Konzerne und Politiker.