Bremen hat 2019 eine Enquetekommission zum Klimaschutz eingesetzt, in der du für die LINKE mitgewirkt hast. Auch Klimafolgenanpassung hat dort eine Rolle gespielt. Was bedeutet das auf städtischer Ebene?

Die Auswirkungen der Klimakrise sind in den Städten längst zu spüren: Lange Dürrezeiten haben die Bäume geschädigt, bei Starkregenereignissen laufen Keller und Unterführungen voll, hohe Temperaturen erhitzen die Innenstadt massiv und wegen der steigenden Wasserstände sind die Deiche in Bremen und Bremerhaven nicht mehr sicher. Klimafolgenanpassung bedeutet für uns deshalb, unsere Städte so umzugestalten, dass sie trotz der teils dramatischen Veränderungen sicher und lebenswert bleiben.

Was ist dafür nötig? 

Wichtig sind energetische Gebäudesanierungen, der Ausbau von erneuerbaren Energien und Energieeinsparprogramme. Das fällt oft unter Klimaschutz, lässt sich aber eigentlich nicht von Anpassung trennen. Außerdem gilt es, die Innenstädte und Gebäude vor Hitze zu schützen. Das kann durch Dach- und Fassadenbegrünung passieren oder dadurch, dass man helle Baumaterialien verwendet, die sich in der Sonne weniger aufheizen als etwa schwarzer Teer. Es bedeutet aber auch, dass in der Stadt mehr Trinkwasserbrunnen aufgestellt werden müssen. Wir haben in Bremen bereits einige installiert, aber längst nicht genug. Als küstennahe Städte sind für uns schließlich Deichschutz und das Starkregenmanagement zentral.

Gab es Punkte, die in der Enquetekommission umstritten waren? 

Ja, ein wichtiger und strittiger Punkt ist die Flächenverteilung in den Städten: Aus sozialen Gründen brauchen wir dringend Raum für den Neubau von Wohnungen und auch für Gewerbe. Gleichzeitig müssen wir insbesondere in den Innenstadtbereichen mehr Frei- und Grünflächen schaffen, um die klimatischen Bedingungen zu verbessern. Wir müssen Böden entsiegeln, beispielsweise Parkplätze, Schulhöfe und Verkehrsflächen – teils müssen Parkplätze gänzlich umgewidmet werden. In der Enquetekommission spielte auch das Verbot von Schottergärten eine Rolle, die sich im Sommer stark aufheizen und für die biologische Vielfalt sehr schädlich sind.

Und wie unterscheidet sich eure Position von der anderer Parteien?

Bei den meisten Klima- und Umweltschutzmaßnahmen haben wir eine große Übereinstimmung mit den Grünen, insbesondere in der Verkehrspolitik. Den Verkehrsraum stärker zugunsten von Fußgänger*innen, Radfahrer*innen und in Richtung »mehr Grün« umzugestalten, scheitert bislang an der Beharrungspolitik der SPD. Weil es in Bremen nur wenig Parkraum gibt, kommt es in den Quartieren immer wieder zu massiven Konflikten. Kurz gesagt: Die Grünen wollen das Auto verbieten, die SPD will alles belassen, wie es ist, und wir suchen nach Lösungen mit reduziertem Pkw-Bestand, etwa durch Carsharing und neue Parkflächen für alle Verkehrsträger wie Lastenräder, E-Bikes oder E-Roller mit den notwendigen Ladeinfrastrukturen.

Ist die soziale Dimension der Anpassung ein zentraler Konflikt?

Durchaus. Wir haben zum Beispiel auch für »konsumzwangfreie Räume« gestritten. Als LINKE war und ist es uns wichtig, dass wir die Innenstadt nicht nur grüner, kühler und lebenswerter für wenige machen, sondern dass alle Bewohner*innen sie nutzen können.

Was heißt das konkret für eine Anpassungspolitik von links? 

Wir setzen uns zum Beispiel für beschattete Bänke und Tische ein, für Orte, an denen man seine eigenen Speisen und Getränke verzehren kann. Aber auch kollektiv betriebene und für alle zugängliche »Stadtgärten« sind ein Element, das wir künftig finanziell noch stärker unterstützen wollen. Hinzu kommt: Gut ein Drittel aller Wohngebiete in Bremen zeichnet sich durch eine schlechte bioklimatische Situation aus. 

»Wir wollen die Gelder für Klimaanpassung vor allem in benachteiligte Quartiere leiten.«

Daher ist eine wichtige Frage, in welchen Wohnquartieren beispielsweise zuerst entsiegelt wird oder wo Fassadenbegrünungen vorgenommen werden und in welchen eher nicht. In den sozial benachteiligten Quartieren wie etwa in Gröpelingen und Hemelingen haben wir nicht nur einen sehr hohen Versiegelungsgrad, sondern dort finden sich auch viele der Gebäude mit einem besonders schlechten energetischen und qualitativen Sanierungsstand.

Ließen sich eure Positionen in der Enquetekommission durchsetzen? 

Wir haben mit einem Sondervotum in der Enquetekommission spezielle Förderprogramme eingefordert, um die Sanierung dieser Häuser besonders zu bezuschussen, sofern sie so umgesetzt wird, dass die Belastung durch Miete und Energiekosten für die Mieter*innen konstant bleibt. Außerdem wollen wir die Gelder für die Grünanlagen und Klimaanpassungsmaßnahmen überproportional in die benachteiligten Quartiere leiten. In den bessergestellten Stadtteilen ist ohnehin mehr Grün vorhanden, die Häuser haben größere Gärten und meist gibt es auch stärkere Klima- und Umweltschutzinitiativen. Im Rahmen von Arbeitsmarktmaßnahmen werden in den benachteiligten Quartieren außerdem Urban-Gardening-Projekte und besondere umweltpolitische Maßnahmen umgesetzt.

Gibt es weitere Felder, in denen die Klima­krise die bestehenden sozialen Schieflagen noch verschärft? 

Ein Problem, das im Kommissionsbericht keine Rolle gespielt hat, in den nächsten Jahren aber auf uns zukommen wird, sind die gesundheitlichen Auswirkungen der Klimakrise. Insbesondere ältere Menschen, Vorerkrankte, Kinder und Schwangere, aber auch Menschen, die auf dem Bau oder auf dem Feld arbeiten, sind besonders gefährdet. Hier muss noch viel passieren, auch in Bremen, um etwa medizinisches Personal und Pflegekräfte dafür auszubilden und um Krankenhäuser klimatisch anzupassen.

Gilt es auch umgekehrt? Kann linke Klimaanpassung für mehr sozialen Ausgleich sorgen?

Ich denke schon. Mit einer linken Anpassungspolitik ist letztlich auch die Frage der Verteilung der gesellschaftlich notwendigen Arbeit aufgeworfen. Was wir immer schon fordern, wird umso dringlicher: eine andere Arbeitsteilung, bessere Arbeitsbedingungen und mehr soziale Gerechtigkeit. All das gewinnt durch den Klimawandel noch an Bedeutung. Hier liegt für die Linke eine Chance, denn engagierte linke Politik in diesem Bereich macht die Gesellschaften nicht nur widerstandsfähiger gegenüber Klimafolgen, sondern auch insgesamt solidarisch-resilienter und lebenswerter.

Gibt es auch Punkte, an denen ihr euch als LINKE uneinig seid?

Ja, sowohl in der Partei als auch der Stadtgesellschaft gibt es Streit, wenn Klimaanpassung und Umweltschutz konflikthaft aufeinandertreffen: Etwa wenn der Baumerhalt an der Weser mit der notwendig gewordenen Deicherhöhung kollidiert oder wenn es um den Fernwärmeausbau in Wohngebieten und um Flächenbedarf für Betriebe geht, die für die Transformation nötig sind, oder um wichtige Infrastrukturen, die Naturschutzgebiete tangieren.

Das Land Bremen hat schon 2019 eine ­Klimaanpassungsstrategie verabschiedet. Was wurde da geplant? 

Da ging es unter anderem darum, wie sich Bremen zu einer »Schwammstadt« entwickeln kann. Dazu gehören Maßnahmen wie eine Pflicht zur Dachbegrünung, Grünanlagen mit Wasserspeichern und mehr Straßenbäume, die nicht nur mehr Platz, sondern auch eine längere Anpflanzpflege bekommen.

Wie steht es mit der Umsetzung? 

Leider zieht sich das. In der letzten Legislaturperiode hat der damalige SPD-Wirtschaftssenator eine Begrünungspflicht für Gewerbehallendächer verhindert. Das haben wir mit unserer LINKEN-Wirtschaftssenatorin nun geändert. Mit dem Paket für eine nachhaltige Gewerbeentwicklung werden auch Fotovoltaikanlagen auf Dächern zur Pflicht und es gibt eine bessere Regenwasserbewirtschaftung. Außerdem entwickeln wir eine Biodiversitätsstrategie und ein Konzept für eine »essbare Stadt«– also die Nutzung öffentlicher Grünflächen für den Anbau von Obst und Gemüse.

Wie wird all das finanziert? 

Es gibt keine umfassende Berechnung der notwendigen Finanzmittel. Manche Maßnahmen kosten die Stadt allerdings auch gar nichts, etwa die Dach- und Fassadenbegrünungspflichten oder ein Verbot von Schottergärten, also alle ordnungspolitischen Ansätze, die dazu dienen, Versiegelungen zurückzudrängen und Wasser zu speichern.

Und was ist mit den Dingen, die etwas kosten? Gibt es Förderprogramme auch für Private? 

Wir fördern die private Dachbegrünung und Urban-Gardening-Projekte, um Anreize zu schaffen. Auch für Fassadenbegrünungen haben wir ein Förderprogramm aufgelegt. Und wir bezuschussen die Entsiegelung von Flächen in Privateigentum sowie den Insekten- und Bienenschutz.

Das sind aber öffentliche Gelder?

Ja, für umfassende Entsiegelungen und Wasserspeicherungen in Grünanlagen sind hohe Summen erforderlich. Effektive Klimaanpassung muss also unbedingt mit einer gerechten Steuerpolitik auf der Bundesebene einhergehen. Zu finanzieren wäre all das etwa über eine Vermögensteuer, Erbschaftssteuer und eine einmalige Vermögensabgabe. In Bremen vertreten wir darüber hinaus die Position, dass die anstehenden Aufgaben für den Klimaschutz und die Klimaanpassung den Tatbestand einer »außergewöhnlichen Notsituation« darstellen und deshalb auch kreditfinanziert erfolgen können – also von der Schuldenbremse nicht betroffen wären. Was die Gewerbeentwicklung angeht, so haben wir gerade den Weg für eine zukünftige »Flächenkreislaufwirtschaft« freigemacht. Das könnte so laufen: Will man neue Flächen versiegeln, muss man die Entsiegelung von anderen Flächen in mindestens gleicher Größenordnung gegenfinanzieren.

Und wie steht es mit den Deichen?

Der Generalplan Küstenschutz für die Deicherhöhungen erfordert zig Millionen Euro vom Bund, vom Land und von den Kommunen. Deshalb geht es nicht ohne den Druck auf die Bundesregierung: Infolge des Bundesverfassungsgerichtsurteils zum Klimaschutz vom April 2021 müssen alle notwendigen Schritte zur Einhaltung der Pariser Klimaziele und auch die Anpassung an die schon einsetzenden Folgen der Erderwärmung aus Steuermitteln finanziert werden. Alles andere ist nicht nur teurer, sondern bedroht unsere Existenz.

Ist Klimaanpassung als eigenständiges Thema in der Bremer LINKEN angekommen? 

Es kommt darauf an, was man darunter versteht. Klima- und Umweltschutz haben mit der Gründung der neuen Arbeitsgemeinschaft und durch die Klima-Enquetekommission in der Fraktion einen deutlich höheren Stellenwert erhalten. Für Ansätze solidarischer Stadtgestaltung, wie ich sie erwähnt habe, gibt es ohnehin eine große Offenheit, auch wenn das nicht unbedingt unter der Überschrift »Klimafolgenanpassung« diskutiert wird. Auch in der linken Stadtgesellschaft gibt es einige Initiativen, etwa die »Stadtraum-Besetzung«, die Klimaanpassung und kapitalistische Verwertung in ihrer Verschränkung betrachten. Gerade bei jungen Mitgliedern und neuen Genoss*innen in den Basisgruppen spielen ökologische Themen in Verbindung mit Systemkritik eine große Rolle.

Klimafolgenanpassung muss lokal konzipiert und umgesetzt werden, die Menschen profitieren aber auch lokal.

Ja, gerade für kleinteilige ortsbezogene Projekte lassen sich Menschen gut begeistern und organisieren. Hier können solidarische Initiativen und Projekte entstehen, für die wir als Bündnispartnerin zur Verfügung stehen sollten. Um da ernst genommen zu werden, braucht es allerdings engagierte und glaubwürdige Genoss*innen, die sich in solchen Initiativen einbringen. Ich denke außerdem, dass Sozialunternehmen als transformatorische Projekte ausgesprochen wichtig sein können.

Was meinst du damit?

In Sozialunternehmen gibt es häufig eine Verbindung von Nachhaltigkeit, Klimaanpassung, guter Arbeit und Partizipation der Belegschaften – so könnten unsere Städte gleichzeitig klimaresilienter und solidarischer werden. In den letzten Jahren haben sich Sozialunternehmen wie etwa die Gemüsewerft1 gegründet, die Urban Gardening, eine lebendige und für alle zugängliche Stadtkultur sowie integrative Arbeitsmarkt- und Umweltpolitik miteinander verbinden. Mit unserem LINKEN Wirtschaftsressort haben wir ihnen deshalb auch eine stärkere Stellung und Förderung gegeben. Durch solche Projekte werden auch solidarische Netzwerke in der Stadt gestärkt, die eine andere Art von öffentlichem Konsum befördern. Hier gibt es eine enge Verschränkung von klimafolgenbedingten Anpassungen und Veränderungen in den Lebens-, Konsum- und Produktionsweisen.

Was habt ihr euch noch vorgenommen? 

Derzeit sind wir in den Vorbereitungen unseres nächsten Programms für die Landtagswahl 2023. Ich will erreichen, dass wir gerade bei den Klimaanpassungsmaßnahmen die sozialen Ungleichheiten benennen und Vorschläge entwickeln, wie diese bekämpft werden können. Dabei braucht es in der Umsetzung vor allem mehr Geld und Tempo. In der Partei diskutieren wir – auch kontrovers – die Frage, wie es uns gelingen kann, mit unseren sozial-ökologischen Projekten als ökologisch kompetente politische Kraft wahrgenommen zu werden. Bisher wird uns hier immer noch eine geringe Kompetenz zugeschrieben. Und es gibt die Befürchtung, dass sich eine starke Betonung der ökologischen Themen am Ende nur positiv auf die Wahlergebnisse der Grünen auswirken wird. Klimaanpassung ist aber alternativlos, also müssen wir noch konsequenter auf die enge Verschränkung der Folgen des Klimawandels mit sozialen Ungleichheiten hinweisen und die Menschen davon überzeugen, dass wir als LINKE die einzige politische Kraft sind, die tatsächlich etwas gegen diese Ungerechtigkeit unternehmen will.

Kann die Debatte über Klimafolgen das ökologische Bewusstsein insgesamt erhöhen? 

Ich denke schon, denn je ferner die Folgen des Klimawandels sind, umso schwieriger ist es, Veränderungen durchzusetzen. In dem Maße, wie eigene Erfahrungen mit direkten Folgen wie Starkregen, häufigen Sturmschäden oder spürbaren Problemen durch längere Trockenperioden zunehmen, lassen sich politisch und gesellschaftlich leichter Mehrheiten für die notwendigen Transformationen gewinnen. Für uns muss es darum gehen, die Menschen an diesen Prozessen zu beteiligen und sie aktiv mitzunehmen. Dabei sollten wir die Chancen für mehr Lebensqualität in unseren Städten, die in dieser Transformation stecken, klar herausstellen.

Wie zum Beispiel? 

In unserem letzten Wahlprogramm »Wem gehört die Stadt?« ging es um die Voraussetzungen für eine echte Mobilitätswende. Außerdem unterstützen wir Wohnungsbaugenossenschaften, die auf geringer Wohnfläche mehr Gemeinschaft und höchste Klimaschutzstandards umsetzen. Mit der Förderung von Social Entrepreneurship wollen wir Start-Ups unterstützen, die Nachhaltigkeit und nicht maximale Gewinnsteigerung zum Ziel haben. Momentan unterstütze ich eine Genossenschaftsgründung, die Sozialgewerbeimmobilien mit bezahlbaren Mieten schaffen will. Eine der ganz großen Fragen ist, wie sich die Transformation mit und für die Beschäftigten gestalten lässt. Das ist gerade in Bremerhaven und Bremen zentral.

Warum? 

Beide Städte waren Verlierer der großen Umwälzungen der letzten Jahrzehnte (u. a. in der Werften- und Stahlindustrie). Für Norddeutschland und unsere Städte besteht nun die Möglichkeit, dass die Menschen von den digitalen und ökologischen Transformationen (Stichworte: Grüner Stahl, Grünes Fliegen, E-Mobilität, Wasserstoffwirtschaft, kommunale Energieunternehmen) profitieren können. Wenn die von der Enquetekommission vorgeschlagenen Maßnahmen für ein klimaneutrales Bremen 2038 konsequent umgesetzt und mit ausreichend Mitteln ausgestattet werden, wird dies in den nächsten 15 Jahren eine stabile sozial-ökologische Entwicklung ermöglichen. Ich sehe hier eine Chance, dem ungebremsten Wachstumskapitalismus nachhaltige sozialistische Perspektiven entgegenzusetzen.


Das Gespräch führte Barbara Fried.

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