Der Urbanisierung liegt die Not vieler marginalisierter Menschen zugrunde, die auf der Suche nach Lohnarbeit, Bildung oder gesundheitlicher Versorgung in die Städte ziehen. Allerdings ist bezahlbarer Wohnraum dort meist begrenzt, sodass viele sich in Gebieten ansiedeln, die Extremwetterereignissen ausgesetzt sind, etwa nah an Flüssen oder auf steilen Hängen, oft in besonders gefährdeten Küstenregionen.
Besonders perfide ist die Tatsache, dass die Menschen, die am meisten vom Klimawandel betroffen sind, am wenigsten dazu beigetragen haben. Das gilt nicht nur im extremen Maße für das globale Nord-Süd-Verhältnis, sondern auch innerhalb der Gesellschaften. Um es in Zahlen auszudrücken: Das reichste Prozent verursacht doppelt so viele CO2-Emissionen wie die ärmsten 50 Prozent der Weltbevölkerung (Gore 2020). Nicht zuletzt deshalb ist die Klimakrise eine zentrale Gerechtigkeitsfrage.
Das Ringen um globale Gerechtigkeit
Diese Gerechtigkeitsfrage ist inzwischen Gegenstand internationaler Verhandlungen. Als globales Problem, das multilateral adressiert werden muss, ist die Klimakrise bei den Vereinten Nationen dauerhaftes Verhandlungsthema. Auf dem Earth Summit in Rio de Janeiro wurde 1992 eine Klimarahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) verabschiedet. Die seit 1995 stattfindenden jährlichen Weltklimagipfel (Conference of the Parties, COP) bilden jedoch einen zähen Prozess voller Rückschläge und Kompromisse ab, der bislang keine gerechten Lösungen gebracht hat.
Seit der COP in Paris 2015 behandeln die Gipfel drei Schwerpunktthemen. Neben den Vereinbarungen zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen geht es um die Anpassung an die bereits unvermeidbaren Auswirkungen der Klimakrise. Die besonders betroffenen Länder werden dazu aufgefordert, nationale Anpassungspläne (National Adaptation Plans, NAPs) zu formulieren, die zum Schutz der vulnerabelsten Bevölkerungsgruppen beitragen sollen. Das dritte Schwerpunktthema ist der Umgang mit klimabedingten Schäden und Verlusten (Loss and Damage), die durch Anpassung nicht verhindert werden können.
Die meisten kennen die Pariser Klimaverträge, die auf der COP21 2015 vereinbart wurden und die den globalen Mitteltemperaturanstieg auf 1,5°C bzw. weit unter 2°C begrenzen sollen. Darin werden auch Fragen der Anpassung und der Schäden und Verluste thematisiert. Artikel 7 befasst sich mit Klimafolgenanpassung und sichert den Ländern Unterstützung zu, die besonders betroffen sind. Artikel 8 beschäftigt sich erstmals mit Schäden und Verlusten; über die Frage der Finanzierung wird jedoch immer noch verhandelt.
Mangelnde Unterstützung, fehlende Gerechtigkeit
So drücken sich die Industrieländer seither darum, die nötigen Zahlungen für die Anpassung bereitzustellen. Die auf der COP15 2009 von den Industrieländern zugesicherten jährlichen Zahlungen von 100 Milliarden US-Dollar ab 2020 wurden nicht in vollem Umfang geleistet. Die Gelder, die bisher bereitgestellt wurden, sind zum Großteil Darlehen und Leihgaben, die an Rückzahlungspflichten geknüpft sind. Zudem liegt gerade bei der Klimafinanzierung weiterhin ein großer Fokus auf der Minderung, nicht auf der Anpassung.
Auch ist unklar, wie das Geld tatsächlich an die Menschen weitergeleitet wird, die es am dringendsten benötigen. Trotz der großen Unterschiede zwischen den betroffenen Gemeinschaften gibt es gemeinsame Forderungen, die überregional geltend gemacht werden sollten. Die Betroffenen vor Ort wollen besser in die Planung einbezogen werden und ihre Anpassungskapazitäten stärken. Ansonsten droht die Schere zwischen denen, die sich anpassen können, und denjenigen, die das nicht können, weiter auseinanderzugehen (vgl. Shi et al. 2016).
Klimafolgenanpassung muss auf den internationalen Klimakonferenzen zu einem wesentlich zentraleren Thema werden. Im globalen Süden versuchen bereits viele Nichtregierungsorganisationen, die Forderungen nach finanzieller Unterstützung geltend zu machen – etwa das Netzwerk SDI (Slum Dwellers International), in dem sich von Armut betroffene Stadtbewohner*innen in über 32 Ländern organisieren. Auch hierzulande muss der politische Druck erhöht werden, um ihren Forderungen Gehör zu verschaffen und tatsächlich eine Umsetzung zu erzwingen.
Keine Anpassung auf Kosten der Ärmsten
Damit Anpassungsstrategien erfolgreich sind, muss soziale Gerechtigkeit ein integraler Bestandteil sein. Dazu muss der soziale und politische Kontext beachtet werden, in dem Anpassung stattfindet. Die Maßnahmen dürfen ungerechte Machtstrukturen nicht verstärken und technische Lösungen dürfen nicht ohne Einbeziehung der Betroffenen umgesetzt werden. Dabei müssen vor allem die sozialen Konsequenzen in den Blick kommen: Anpassungsmaßnahmen können dazu führen, dass bestimmten Gruppen die Lebensgrundlage entzogen wird und sie vertrieben werden. Oder sie können zur Aufwertung von Gebieten führen, die dann nicht mehr erschwinglich sind für ärmere Menschen. Auch die Konsequenzen eines Scheiterns technischer Lösungen müssen bedacht werden: Wessen Leben ist in Gefahr, wenn der Damm bricht oder die Flutmauer nicht hält? Es gibt viele Beispiele misslungener Anpassung, die Ungerechtigkeiten verstärkt, anstatt sie zu mindern.
Offene Fragen
Daher braucht es ein Umdenken: Wie können Anpassungsmaßnahmen eine soziale und ökologische Transformation vorantreiben? Wie können sie helfen, soziale Ungleichheiten abzubauen? Wie könnten Planungsprozesse darauf zielen, die Lebensqualität der von der Klimakrise am stärksten betroffenen Gruppen zu verbessern?
Ob auf der lokalen oder auf der internationalen Ebene: Die Frage der Klimafolgenanpassung wird an gesellschaftlicher Brisanz zunehmen. Wenn die Klimaprognosen eintreten und sich zugleich die soziale Spaltung vertieft, entstehen Probleme in einem nie dagewesenen Ausmaß. Um darauf zu reagieren, muss Klimafolgenanpassung inklusiv und partizipativ sein. Sie darf sich nicht auf technische Lösungen beschränken, sondern muss die konkreten Lebensrealitäten unterschiedlicher Menschen zum Ausgangspunkt nehmen. Um diejenigen zu schützen, die am stärksten betroffen sind, gibt es auf allen Ebenen dringendsten Handlungsbedarf. Ob die verantwortlichen politischen Akteure danach entscheiden, steht auf einem anderen Blatt.