Der Klimawandel ist längst in vollem Gange. Er wird gravierende Folgen haben, die nicht mehr vollständig aufzuhalten sind. Umso wichtiger ist die Klimafolgenanpassung, also die Vermeidung der klimabedingten Schäden sowohl durch technische wie auch durch ­soziale und politische Maßnahmen. ­Inzwischen gibt es dazu global eine umfassende Forschung und Debatte, die in Teilen der Linken aber kaum zur Kenntnis genommen wird. Sich mit ihr zu beschäftigen, ist aber wichtig, um zu verstehen, welche Schäden zu erwarten sind und ­welche ­Maßnahmen ergriffen werden müssen. ­Besonders wichtig wäre dabei ­insbesondere, die Anpassung in den Ländern unterstützen, die bereits viel stärker von den Folgen der Klimaveränderungen ­betroffen sind.

Warum wir längst über Anpassung reden müssen

Laut der Weltorganisation für Meteorologie der Vereinten Nationen (World Meteorologi­cal Organization, WMO) waren die letzten sieben Jahre die wärmsten seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen (WMO 2021). Die Treibhausgaskonzentration in unserer Atmosphäre hat über die gleiche Zeitperiode stetig zugenommen und die Destabilisierung des Klimasystems vorangetrieben. Dies ist vor allem an der globalen Mitteltemperatur zu erkennen. Sie ist der wichtigste Klimaindikator und seit dem vorindustriellen Zeitalter um 1,2°C gestiegen. Wenn die Treibhausgas­emissionen in den nächsten Dekaden nicht drastisch gesenkt werden, sagt der Weltklimarat der Vereinten Nationen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) eine Erwärmung von über 2°C bis 2050 voraus.

 

»Trotz der Dringlichkeit des Themas spielt Anpassung in vielen Industrieländern eine untergeordnete Rolle.«

Die Destabilisierung des Klimasystems durch die Erderwärmung führt nicht nur zum Anstieg des Meeresspiegels, sondern zum häufigeren Auftreten extremer Wetter­lagen. Der IPCC beschreibt im Detail, wie dies mit der steigenden Häufigkeit und Intensität von Hitzewellen, mit Starkniederschlägen, Dürren, Gletscherschmelzen oder dem Verlust von Permafrostböden zusammenhängt. Besonders ausgeprägt ist der Zusammenhang zwischen der stetigen Erwärmung und den zunehmenden Hitzewellen und Starkniederschlägen.

Wie verheerend die extremen Wetterlagen sein können, war im Jahr 2021 zu beobachten, in dem eine ganze Reihe Negativrekorde gebrochen wurden. Im westlichen Kanada wurden im Juli Temperaturen bis zu 49,6°C gemessen, vorher undenkbar für diese Region. Der europäische Hitzerekord lag bei 48,8°C in Sizilien. Mit der extremen Wetterlage gehen verheerende Waldbrände einher, zuletzt in Kalifornien, in der mediterranen Region (vor allem in der Türkei und in Griechenland), in Australien und in Sibirien. 

Ein anderes klimabedingtes Extremwetterereignis sind Starkniederschläge. Im Juli wurden in China innerhalb einer Stunde 201,9 Millimeter Regen gemessen, ein historischer Rekord, der mit dem Tod von 302 Menschen und Schäden in Höhe von 17,7 Milliarden US-Dollar einherging. Auch im Westen Europas wurden bereits 162,4 Millimeter Regen an nur einem Tag gemessen, mit Hunderten Todesopfern in Belgien und dem Westen Deutschlands. Das nördliche Amazonasbecken war ebenso von anhaltenden Starkniederschlägen betroffen wie Teile Ost-Afrikas und der Süd-Sudan. Doch auch ausbleibender Niederschlag verursacht große Probleme, etwa in Brasilien, Paraguay, Uruguay und dem nördlichen Argentinien, wo die Wasserknappheit auch die Agrarwirtschaft und die Stromproduktion in Mitleidenschaft zieht. 

Resilienz und Anpassungsfähigkeit

Vor diesem Hintergrund wird der wachsende Forschungsbereich der Klimafolgenanpassung politisch immer relevanter. Seine theoretischen Wurzeln liegen in der Ökologiebewegung der 1960er und 1970er Jahre. Der Begriff der Resilienz hat darin zentrale Bedeutung. Er wurde geprägt vom kanadischen Forscher C. S. Holling, der Resilienz als Widerstandsfähigkeit ökologischer Systeme verstand. Diese Widerstandsfähigkeit hängt seiner Ansicht nach auch davon ab, wie gut sich diese Systeme an externe Stressoren anpassen können (Holling 1973). Das Konzept wurde in der Psychologie, der Anthropologie und in den Sozialwissenschaften aufgegriffen. Dabei gibt es durchaus kontroverse Auffassungen, wie gesellschaftliche Resilienz zu verstehen ist und ob bzw. welche technolo­gischen, sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Strategien im Vordergrund stehen sollten.

Seit den frühen 2000er Jahren beschäftigen sich viele Forschungsgruppen weltweit mit der Anpassung an die Klimafolgen und nutzen den Begriff der Resilienz. Sie betrachten sowohl die Maßnahmen wie auch deren Umsetzung und nehmen auch die unter­s­chiedlichen Anpassungskapazitäten von Ländern, Gruppen oder Einzelpersonen in den Blick. Insgesamt lag der Fokus der Forschung lange auf den Faktoren, die leicht messbar sind, wie den finanziellen, technologischen und natürlichen Ressourcen. Zunehmend werden aber auch die sozialen Faktoren berücksichtigt, die die Anpassungsfähigkeit von Gesellschaften bestimmen. 

Trotz der Dringlichkeit des Themas spielt Anpassung in vielen Industrieländern eine untergeordnete Rolle. Die Klimapolitik setzt den Fokus auf die Minderung von Treibhausgasen, die ohne Frage enorm wichtig bleibt. Doch wir können uns den Luxus nicht erlauben, uns auf einen Aspekt der Klimakrise zu beschränken. In Deutschland müssen Klimaszenarien viel stärker in allen Planungsprozessen mitgedacht werden. Die Infrastruktur für Frühwarnsysteme muss ausgebaut werden, es müssen Flut­mauern und Kühlungssysteme entstehen – und zwar unter Einbeziehung der Betroffenen. 

Nicht alle sind gleich betroffen, Nicht alle können sich anpassen

Die Klimafolgen, die in den letzten Jahren auch in Deutschland und Europa spürbar geworden sind, sind in vielen Regionen des globalen Südens seit Jahrzehnten Realität. Insbesondere in den Tropen und in Wüstenregionen sind die Klimasysteme vulnerabler und Extremwetterereignisse häufiger. Doch die Vulnerabilität entspringt auch den beschränkten Möglichkeiten der Anpassung. In der wissenschaftlichen Klimafolgenforschung bezeichnet Vulnerabilität die Anfälligkeit von Einzelpersonen, Gemeinschaften oder ganzen Ländern für durch den Klimawandel bedingte Schäden. Sie wird von drei Faktoren bestimmt: erstens von der Ausgesetztheit, also der Häufigkeit und Intensität der auftretenden Extremwetterereignisse – hierzu zählen auch schleichende Prozesse wie die Versalzung der Böden oder die Übersäuerung der Ozeane; zweitens von der Empfindlichkeit, also der Schwere der Schäden im Falle eines solchen Ereignisses; und schließlich drittens von den Anpassungskapazitäten, also der Möglichkeit, die Herausforderungen zu bewältigen, sodass Schäden reduziert oder gar vermieden werden. 

Das heißt im Klartext: Es ist nicht allein die Häufigkeit oder Intensität der Klimafolgen, die die Anfälligkeit bestimmt, sondern auch der Zugriff der Betroffenen auf schadenslindernde Ressourcen. Dazu zählen zuverlässige soziale Sicherungsnetze, effiziente Kommunikationsmöglichkeiten oder einfach finanzielle Mittel. Die Risiken sind daher vom lokalen Kontext abhängig und innerhalb der Gesellschaften höchst ungleich verteilt. Wirtschaftlich schwache Regionen und Länder sind deutlich vulnerabler.

Wer kann sich schützen?

Spätestens seit dem kürzlich erschienenen IPCC-Bericht herrscht auch in der Klimafolgenforschung Einigkeit, dass die Klimakrise vor allem diejenigen treffen wird, die schon benachteiligt sind und aufgrund ihrer Herkunft, ihres Glaubens, ihrer Klassenzugehörigkeit, ihrer Sexualität oder ihres gelesenen Geschlechts Ausgrenzung erfahren (IPCC 2022; Williams 2022). Diese strukturellen Diskriminierungen sind im Kolonialismus und in der mit ihm verbundenen ungleichen ­Machtverteilung verwurzelt und bestimmen darüber, wer die Mittel hat, um sich zu schützen, und wer nicht. Dies verdeutlicht etwa ein Blick in den globalen Süden, wo eine rapide Vergrößerung städtischer Regionen zu beobachten ist, befeuert von ruraler-urbaner Migration und hohen Bevölkerungswachstumsraten. 

»Diejenigen, die am meisten vom Klima­wandel betroffen sind, haben am wenigsten dazu beigetragen.«

Der Urbanisierung liegt die Not vieler marginalisierter Menschen zugrunde, die auf der Suche nach Lohnarbeit, Bildung oder gesundheitlicher Versorgung in die Städte ziehen. Allerdings ist bezahlbarer Wohnraum dort meist begrenzt, sodass viele sich in Gebieten ansiedeln, die Extremwetterereignissen ausgesetzt sind, etwa nah an Flüssen oder auf steilen Hängen, oft in besonders gefährdeten Küstenregionen. 

Besonders perfide ist die Tatsache, dass die Menschen, die am meisten vom Klimawandel betroffen sind, am wenigsten dazu beigetragen haben. Das gilt nicht nur im extremen Maße für das globale Nord-Süd-Verhältnis, sondern auch innerhalb der Gesellschaften. Um es in Zahlen auszudrücken: Das reichste Prozent verursacht doppelt so viele CO2-Emissionen wie die ärmsten 50 Prozent der Weltbevölkerung (Gore 2020). Nicht zuletzt deshalb ist die Klimakrise eine zentrale Gerechtigkeitsfrage.

Das Ringen um globale Gerechtigkeit 

Diese Gerechtigkeitsfrage ist inzwischen Gegenstand internationaler Verhandlungen. Als globales Problem, das multilateral adressiert werden muss, ist die Klimakrise bei den Vereinten Nationen dauerhaftes Verhandlungsthema. Auf dem Earth Summit in Rio de Janeiro wurde 1992 eine Klimarahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) verabschiedet. Die seit 1995 stattfindenden jährlichen Weltklimagipfel (Conference of the Parties, COP) bilden jedoch einen zähen Prozess voller Rückschläge und Kompromisse ab, der bislang keine gerechten Lösungen gebracht hat. 

Seit der COP in Paris 2015 behandeln die Gipfel drei Schwerpunktthemen. Neben den Vereinbarungen zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen geht es um die Anpassung an die bereits unvermeidbaren Auswirkungen der Klimakrise. Die ­besonders betroffenen Länder werden dazu aufgefordert, nationale Anpassungspläne (National Adaptation Plans, NAPs) zu formulieren, die zum Schutz der vulnerabelsten Bevölkerungs­gruppen beitragen sollen. Das dritte Schwerpunktthema ist der Umgang mit klimabedingten Schäden und Verlusten (Loss and Damage), die durch Anpassung nicht verhindert werden können.

Die meisten kennen die Pariser Klimaverträge, die auf der COP21 2015 vereinbart wurden und die den globalen Mitteltemperaturanstieg auf 1,5°C bzw. weit unter 2°C begrenzen sollen. Darin werden auch Fragen der Anpassung und der Schäden und Verluste thematisiert. Artikel 7 befasst sich mit Klimafolgenanpassung und sichert den Ländern Unterstützung zu, die besonders betroffen sind. Artikel 8 beschäftigt sich erstmals mit Schäden und Verlusten; über die Frage der Finanzierung wird jedoch immer noch verhandelt. 

Mangelnde Unterstützung, fehlende Gerechtigkeit

So drücken sich die Industrieländer seither darum, die nötigen Zahlungen für die Anpassung bereitzustellen. Die auf der COP15 2009 von den Industrieländern zugesicherten jährlichen Zahlungen von 100 Milliarden US-Dollar ab 2020 wurden nicht in vollem Umfang geleistet. Die Gelder, die bisher bereitgestellt wurden, sind zum Großteil Darlehen und Leihgaben, die an Rückzahlungspflichten geknüpft sind. Zudem liegt gerade bei der Klimafinanzierung weiterhin ein großer Fokus auf der Minderung, nicht auf der Anpassung. 

Auch ist unklar, wie das Geld tatsächlich an die Menschen weitergeleitet wird, die es am dringendsten benötigen. Trotz der großen Unterschiede zwischen den betroffenen Gemeinschaften gibt es gemeinsame Forderungen, die überregional geltend gemacht werden sollten. Die Betroffenen vor Ort wollen besser in die Planung einbezogen werden und ihre Anpassungskapazitäten stärken. Ansonsten droht die Schere zwischen denen, die sich anpassen können, und denjenigen, die das nicht können, weiter auseinanderzugehen (vgl. Shi et al. 2016). 

Klimafolgenanpassung muss auf den internationalen Klimakonferenzen zu einem wesentlich zentraleren Thema werden. Im globalen Süden versuchen bereits viele Nichtregierungsorganisationen, die For­derungen nach finanzieller Unterstützung geltend zu machen – etwa das Netzwerk SDI (Slum Dwellers International), in dem sich von Armut betroffene Stadtbewohner*innen in über 32 Ländern organisieren. Auch hierzulande muss der politische Druck erhöht werden, um ihren Forderungen Gehör zu verschaffen und tatsächlich eine Umsetzung zu erzwingen. 

Keine Anpassung auf Kosten der Ärmsten 

Damit Anpassungsstrategien erfolgreich sind, muss soziale Gerechtigkeit ein integraler Bestandteil sein. Dazu muss der soziale und politische Kontext beachtet werden, in dem Anpassung stattfindet. Die Maßnahmen dürfen ungerechte Machtstrukturen nicht verstärken und technische Lösungen dürfen nicht ohne Einbeziehung der Betroffenen umgesetzt werden. Dabei müssen vor allem die sozialen Konsequenzen in den Blick kommen: Anpassungsmaßnahmen können dazu führen, dass bestimmten Gruppen die Lebensgrundlage entzogen wird und sie vertrieben werden. Oder sie können zur Aufwertung von ­Gebieten führen, die dann nicht mehr erschwinglich sind für ärmere Menschen.  Auch die Konsequenzen eines Scheiterns technischer Lösungen müssen bedacht werden: Wessen Leben ist in Gefahr, wenn der Damm bricht oder die Flutmauer nicht hält? Es gibt viele Beispiele misslungener Anpassung, die Ungerechtigkeiten verstärkt, anstatt sie zu mindern. 

Offene Fragen

Daher braucht es ein Umdenken: Wie können Anpassungsmaßnahmen eine soziale und ökologische Transformation vorantreiben? Wie können sie helfen, soziale Ungleichheiten abzubauen? Wie könnten Planungsprozesse darauf zielen, die Lebensqualität der von der Klimakrise am stärksten betroffenen Gruppen zu verbessern? 

Ob auf der lokalen oder auf der internationalen Ebene: Die Frage der Klimafolgenanpassung wird an gesellschaftlicher Brisanz zunehmen. Wenn die Klimapro­gnosen eintreten und sich zugleich die soziale Spaltung vertieft, entstehen Probleme in einem nie dagewesenen Ausmaß. Um darauf zu reagieren, muss Klimafolgenanpassung inklusiv und partizipativ sein. Sie darf sich nicht auf technische Lösungen beschränken, sondern muss die konkreten Lebensrealitäten unterschiedlicher Menschen zum Ausgangspunkt nehmen. Um diejenigen zu schützen, die am stärksten betroffen sind, gibt es auf allen Ebenen dringendsten Handlungsbedarf. Ob die verantwortlichen politischen Akteure danach entscheiden, steht auf einem anderen Blatt. 

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