Griffige Bilder für das sperrige Wort sozial- ökologische Transformation hat Die Linke inzwischen gefunden. »Rotes Herz und grüne Lunge« gehört dazu. Ganz selbstverständlich heißt es immer wieder: »Man kann grün sein, ohne links zu sein, aber nicht links, ohne grün zu sein.« Was so logisch und unvermeidlich erscheint, gehört aber bisher nicht zum Markenkern der Partei. Es ist noch nicht gelungen, soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit zu verbinden – weder im Selbstverständnis der Partei noch in ihrer politischen Praxis.

Dabei hat Die Linke gerade im Osten einen langen Weg zurückgelegt. Für die technikgläubige Staatspartei SED waren mit der Macht- und Eigentumsfrage auch alle Fragen der Beherrschung von Technik scheinbar mitgelöst – bis Tschernobyl dieser Illusion ein bitteres Ende bereitete. Und als nach der Wende Millionen von Arbeitsplätzen wegbrachen, als Braunkohlekumpel in Brandenburg um ihre Arbeitsplätze kämpften, schien kaum Platz für Ökologie. Die sozialen Ängste der Bergleute – gestern noch hofiert, tags darauf in Vorruhestand abgeschoben – waren mit den Händen zu greifen. Aus dieser Perspektive ist es nicht hoch genug einzuschätzen, dass Die Linke mittlerweile nicht nur einen klaren Anti-Atom-Kurs fährt, sondern mehrheitlich auch den mittelfristigen Ausstieg aus der Kohleverstromung befürwortet und sich für den schnellen Umstieg auf erneuerbare Energien einsetzt.

Offensichtlich gibt es Risikotechnologien, deren Einsatz aufgrund der unkalkulierbaren Folgen in keiner Gesellschaft befürwortet werden kann: Atomkraft, z.T. Gentechnik, unterirdische CO2-Verpressung und auch der Einsatz fossiler Energien über die Mitte dieses Jahrhunderts hinaus. Eine »linke« Kohle kann es zukünftig nicht geben. Die Veränderung der Verhältnisse in der Gesellschaft und zur Natur bilden eine Einheit. Und es ist das Mindeste für Politiker Der Linken, Technologien wie CCS nicht gegen den Willen der Betroffenen durchsetzen zu wollen, auch nicht durch die Hintertür.

Trotz aller Wandlung wird der Partei keine große ökologische Kompetenz zugeschrieben. Schwerpunkte ihres Profils sind soziale Gerechtigkeit, Solidarität, Frieden und Demokratie. Seit langem wird in Programmen und Grundsatzreden der Linken die Notwendigkeit, ja Unverzichtbarkeit einer sozialökologischen Transformation betont. Wort und Tat fallen jedoch allzu oft auseinander. In der Praxis der Partei bleiben gerade die ökologischen Fragen meist ein Hobby von wenigen Politikern und Aktivisten; in Landesregierungen werden ökologische Fragen nicht ins Zentrum gerückt. Die in der Mitregierungszeit in Mecklenburg-Vorpommern geleistete ökologische Arbeit fand nicht genügend Aufmerksamkeit. Vorzeigebeispiele wie die Stadt Prenzlau, wo die kommunale Energiewende unter einem Bürgermeister Der Linken schon vor Jahren startete, werden nicht breit propagiert oder von der Parteispitze aktiv befördert. Unter den Aktivisten, die Bürgerkraftwerke gründen oder als »Energierebellen« gelten, sind in der Regel kaum Mitglieder Der Linken zu finden – oder sie sind nicht als solche bekannt.

Als die PDS sich energiepolitisch auf den Weg machte, war ihr vermutlich nicht klar, welche Sisyphusarbeit zu leisten ist. Die Energiefrage gehört seit jeher zu den großen Fragen der Zivilisation. Energie als Vermögen, Arbeit zu verrichten, dient als preiswerter Ersatz menschlicher, zunächst körperlicher und neuerdings auch intellektueller Arbeitskraft. Energie wird zum Bauen und Heizen, für Mobilität, zur Herstellung von Kleidung und Ernährung gebraucht, für Kultur, Kunst, Freizeit – und Medien. Rund 60 Prozent des Stromverbrauchs in privaten Haushalten und in Büros gehen bereits auf Geräte zur Information und Kommunikation zurück (BMWT 2009, 93). Energie berührt alle Lebensbereiche, ihr Gebrauch ist eine existenzielle Grundbedingung.

Das Zeitalter billiger Energie geht zu Ende. Sie droht zum Luxusgut der globalen Ober- und Mittelschichten zu werden. Neben Hunger und Mangel an frischem Wasser wird Energiearmut zur alltäglichen Bedrohung – als fehlendes Brennholz, mangelnder Zugang zu Elektrizität oder Mobilität.

Verschärft wird diese Entwicklung dadurch, dass die knapper werdenden Ressourcen weitgehend durch private oder privat- öffentliche Großkonzerne kontrolliert werden. Wie kaum ein anderer Bereich der Wirtschaft ist die Energiebranche weitgehend monopolisiert. Sie hat Übung darin, ihre Interessen als die der gesamten Gesellschaft auszugeben. Warnungen, bei zu starken Eingriffen würden die Lichter ausgehen, verfehlen ihre Wirkung nicht. So wurde die Einverleibung der DDREnergiewirtschaft durch drei Stromkonzerne »begründet«, so wurde der Atomausstieg immer wieder hinausgezögert und so wird die Notwendigkeit erklärt, fossile Großkraftwerke müssten eine »Brücke« bei der Energiewende sein. Die Linke als sozialistische Partei greift folgerichtig die Energiemonopole und ihre uneingeschränkte Macht an. Im Parteiprogramm heißt es, die Grundversorgung mit Energie dürfe »nicht kapitalistischem Profitstreben überlassen« und müsse »öffentlich organisiert und garantiert« werden, vornehmlich regional und kommunal (Die Linke 2011, 30).

Wenn die soziale und die ökologische Frage zusammengebracht werden sollen, muss die Macht der Energiemonopole gebrochen werden: durch Re-Kommunalisierung, Neuvergabe der Netzkonzessionen an Stadtwerke oder andere öffentliche Unternehmen, durch den Aufbau genossenschaftlicher Versorger oder dadurch, dass sich immer mehr Familien Solarzellen aufs Dach oder ein Blockheizkraftwerk in den Keller bauen lassen und Mitglieder von Energiegenossenschaften oder Lieferanten kommunaler Anbieter werden. Lokal erzeugen und lokal verbrauchen, heißt die nachhaltige Devise. Landkreise erklären sich zu energieautonomen Regionen. Die Notwendigkeit von Stromtransporten über große Entfernungen hinweg und damit der umstrittene Bau großer Stromtrassen entfällt. Die Preise bleiben unter Kontrolle, die Wertschöpfung und die Steuereinnahmen verbleiben in der Region. Bei diesen Entwicklungen ist Die Linke in vielen kommunalen Vertretungen und den Parlamenten aktiv.

Einer solchen Politik stehen teilweise ideologische Hemmnisse entgegen. Linkes ökologisches Engagement wird in der Partei nicht selten mit dem Hinweis diskreditiert, es könne keinen »grünen Kapitalismus« geben. Dies verkennt den Zusammenhang von sozialer und ökologischer Frage, von Macht und Eigentum einerseits und Umgestaltung des Energiesystems: Jeder Schritt hin zu einer demokratisch-ökologischen Umgestaltung des bestehenden Energiesystems ist auch einer hin zu einer sozial gerechten Gesellschaft. Die gegenwärtigen Energiekämpfe stehen, so banal es klingt, im Zentrum um die soziale Zukunft der Erde.

Die Veränderung der Verfügung über Energie reicht nicht aus. Mitbestimmung und demokratische Kontrolle sind notwendig und unverzichtbar. Damit ist aber die soziale Frage nicht beantwortet. Die Gleichung »öffentliches Eigentum = bezahlbare Energie« geht nicht auf. Dazu muss man nicht einmal auf die fossile Politik des Staatskonzerns Vattenfall verweisen. Demokratisch geführte kommunale oder genossenschaftliche Energieversorger müssen zwar keine Extra-Profite erzielen, schwarze Zahlen aber schon. Es steht außerhalb ihrer Macht, zum Zeitalter billiger Energie zurückzukehren. Die Frage steht, wie der Übergang zu erneuerbaren Energien unter Kontrolle der öffentlichen Hand, der Regionen und Kommunen, der Bürger finanziert werden kann, ohne die soziale Spaltung auf neuer Grundlage zu vertiefen.

Um hier eine Analogie zu ziehen: Bei der Bewältigung der Finanzkrise verlässt sich Die Linke nicht allein darauf, Großbanken und andere Finanzkonzerne zu verstaatlichen oder anders unter demokratische Kontrolle zu bringen. Dies wird flankiert von Forderungen nach einer Finanztransaktionssteuer, der Bankenabgabe und Millionärssteuer. Eine solche Kombination von Umverteilung und Umgestaltung gibt es bei der angestrebten Energierevolution noch nicht.

Das einzige steuerpolitische Instrument, das Die Linke gegenwärtig im Energiebereich hochhält, ist die Kerosin(Flugbenzin-)steuer. Dies ist völlig unzureichend. Die rotgrüne Ökosteuer wurde von Der Linken abgelehnt. Sie kritisierte, dass diese nicht zu besserer ökologischer Lenkung tauge, die Einnahmen größtenteils in die Rentenversicherung flie- ßen, die Wirkungen sozial unausgewogen sind: »Die steuerliche Belastung durch höhere Energiepreise traf alle, die Entlastung kam aber über niedrigere Sozialversicherungsbeiträge nur Unternehmen und gutbezahlten Beschäftigen zugute, nicht aber Geringverdienerinnen und -verdienern oder den Empfängerinnen und Empfängern von Sozialhilfe oder ALG II, nicht den Studierenden und den Rentnerinnen und Rentnern.« (Die Linke 2007, 5)

Mit der Forderung, die Einnahmen sollten in erster Linie in einen ökologischen Investitionsfonds gehen, wollte sich die Partei von Rot-Grün abgrenzen und eigenes Profil gewinnen. Dieser Kurs wurde in den letzten Jahren nicht mit der nötigen Energie fortgesetzt. Demokratisierung, Dezentralisierung und öffentliche Kontrolle sind Mittel gegen Monopolpreise und Großkonzerne. Gegen die Verteuerung der Ressourcen können sie wenig ausrichten und sie sind auch noch kein überzeugendes Programm für den finanziellen und strukturellen Umbau des Energiesystems. Das Institut für Gesellschaftsanalyse der RLS spricht davon, zu einem »grünen Sozialismus« gehöre auch die Stoff- und Ressourcenplanung mit der die globalen Grundlagen für sozial gerechte und sichere Versorgung mit Energie und Rohstoffen geschaffen werden können (IfG 2011, 17).

Hinter den Debatten um Energie steht weiter: Die Linke hat ihr Verhältnis zum Wachstum nicht geklärt (vgl. Luxemburg 1/2011). Die Bandbreite der Auffassungen in der Partei ist erheblich: Sie reicht von der Forderung, mithilfe von Wachstum auch den ökologischen Umbau zu finanzieren, bis zu ökoradikalen Auffassungen, die Wirtschaft müsse schrumpfen. Das konzeptionelle Kräftemessen geht in der Regel so aus, dass die ökologischen Belange »hinten runter fallen«. Kurzfristig scheint das politisch von Vorteil zu sein, aber es zementiert überholte Strukturen und spaltet die Linken entlang der sozialen und ökologischen Frage.

Hans Thie schlägt bei der Wachstumsfrage ein Zwei-Phasen-Modell vor. Zunächst gehe es um »massive Umverteilung von Einkommen und Arbeit«, Korrektur der Vermögensverhältnisse und Belegschaftseigentum in den Unternehmen, um »Durchgrünung« des Steuersystems, den Ausbau des öffentlichen Sektors und um massive Investitionen in die Ökologisierung von Energiewirtschaft, Gebäudebestand, Verkehr und Ernährung: Ziel ist eine Wirtschaftsordnung mit reduzierten ökologischen Lasten und egalitärer, garantierter Teilhabe am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben. »In der Phase II«, die »gesamt- ökologischer Rationalität verpflichtet ist, wäre jede Ersparnis von Arbeit als zivilisatorischer Fortschritt willkommen« (2011, 9). Maßstab des Wohlstands ist dann ganz nach Marx die verfügbare, freie Zeit.1

Die Linke muss die Frage der Energiewende mit dem aktuellen Kampf gegen Energiearmut verbinden. Soziale Armut ist immer auch Energiearmut: unzureichende Ernährung, schlechte Wohnverhältnisse und kalte Räume, eingeschränkte Mobilität oder Kommunikation. Umgekehrt bedeutet die Möglichkeit, über viel Energie verfügen zu können, in der Regel einen Gewinn an Zeitund Lebensqualität. Energiegerechtigkeit ist Teil sozialer Gerechtigkeit. Die Vorschläge zu Sozialtarifen sollen Ökologie, den Umbau der Produktions- und Lebensweise und Gerechtigkeit zusammenbringen. Im Parteiprogramm wird verlangt, dass der Basisverbrauch »erschwinglich für alle bleiben« muss und mit einer Mehrzahlung der Vielverbraucher kofinanziert werden soll (Die Linke 2011, 6). Wie hoch dieser Basisverbrauch sein muss und kann, wie er sich bestimmt und wie Mehroder besser Luxusverbrauch im Sinne der Umverteilung besteuert werden soll, für diese konkreten Fragen gibt es bisher nur einzelne Untersuchungen, aber keine ausgereiften Umsetzungskonzepte.

2011 ist die ökologische Frage und vor allem die Frage der Energiewende auch für Die Linke stärker in den Fokus ihrer Arbeit geraten – im Parteiprogramm wie in der Arbeit der Bundestagsfraktion, in den Ländern und Kommunen. Aber überzeugen kann sie damit bisher nicht: Fragen von Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit von Energie, der Sicherung der Arbeitsplätze in Zeiten der Krise und der Steuereinnahmen der Länder und Kommunen unter den Bedingungen der »Schuldenbremse« müssen von links beantwortet werden – konzeptionell wie auch praktisch. Sie ist aufgefordert, die soziale und ökologische Machbarkeit einer Energierevolution aufzuzeigen und gemeinsam mit anderen praktisch umzusetzen. Hierzu sollte Die Linke grün durchatmen und ihr Herz mutig in beide Hände nehmen. Die Zeit dafür ist reif.

1 »Aber free time, disposable time, ist der Reichtum selbst – teils zum Ge nuß der Produkte, teils zur free activity, die nicht wie die labour durch den Zwang eines äußren Zwecks bestimmt ist …« (Karl Marx, MEW 26.3, 253)

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