Der Klimawandel wird Leben und Wirtschaften grundlegend verändern. Doch wie bereitet sich die Politik auf jene Klimawandelfolgen vor, die in Deutschland höchstwahrscheinlich selbst dann unvermeidlich sein werden, wenn der Klimaschutz weltweit volle Fahrt aufnehmen würde? Das übergreifende Instrument dafür hat die Bundesregierung bereits im Jahr 2005 entwickelt und drei Jahre später beschlossen: die Deutsche Anpassungsstrategie (DAS) (Bundesregierung 2008). Langfristiges Ziel der DAS ist es laut Bundesregierung, die Verwundbarkeit natürlicher, sozialer und wirtschaftlicher Systeme gegenüber Klimafolgen zu mindern und gleichzeitig die Anpassungsfähigkeit dieser Systeme zu erhöhen. Mittlerweile verabschiedete die Bundesregierung zwei Fortschrittsberichte zur DAS, den letzten Bericht im Jahr 2020.

Obwohl die Strategie unter Leitung des Bundesumweltministeriums seit mittlerweile 17 Jahren in einem großen Netzwerk fortgeschrieben wird, kennt sie fast niemand. Das liegt auch daran, dass vieles auf wissenschaftlicher und behördlicher Ebene geschieht, und damit weitgehend geräuschlos. Außerdem stand die Anpassungspolitik lange im Schatten des Klimaschutzes. Denn wäre der Umbau erfolgreich, würden nicht nur weltweit Klimawandelfolgen verringert, sondern auch hierzulande teure Anpassungsprogramme teilweise überflüssig. Anpassung galt daher lange als Eingeständnis gescheiterten Klimaschutzes. 

Seit immer klarer wird, dass eine Erwärmung von mindestens zwei Grad über vorindustrielle Werte für Deutschland kaum noch zu verhindern ist (schon jetzt liegen wir hierzulande bei etwa 1,6 Grad plus), steigt die Bedeutung der DAS. Die Mehrheit der Politiker*innen und auch der Medien interessiert sich gleichwohl immer noch nicht dafür, kaum jemand fragt kritisch nach, was in den 17 langen Jahren eigentlich real passiert ist. 

Ein langer Weg

In den Anfangsjahren wurde gemeinsam mit den Bundesländern geprüft, wie hoch die Betroffenheit durch den globalen Klimawandel sein könnte. Dafür wurden die jeweiligen Risiken in unterschiedlichen Handlungsfeldern bewertet. Erst auf Grundlage einer Vielzahl von Analysen sollten konkrete Anpassungsmaßnahmen entwickelt werden, schließlich sind Investitionen etwa in Deichbauten oder Förderprogramme zum Hitzeschutz teuer und bedürfen solider Vorarbeit. »Die Räder greifen jetzt immer mehr ineinander«, sagt Walter Kahlenborn, Geschäftsführer des unabhängigen »Think-and-do-tanks« für Klima, Umwelt und Entwicklung adelphi, der im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) ein wissenschaftliches Konsortium zur Beratung der DAS leitete, in einem Gespräch mit der LuXemburg.

2008 wurde dann die erste Fassung der DAS beschlossen, die Kernpunkte des methodischen Vorgehens sowie einen praxisorientierten Aktionsplan enthielt. Dieses frühe Maßnahmenbündel sollte anpassungsrelevantes Wissen erweitern, rechtliche Rahmensetzungen verbessern und erste Umsetzungsschritte einleiten. Letztere bezogen sich zunächst vor allem darauf, Bundesliegenschaften und bundeseigene Infrastruktur weniger verletzlich zu machen – auf sie hatte die Bundesregierung in der Pilotphase unkomplizierten Zugriff. 

Die Analysen der DAS unterscheiden heute sieben zentrale Cluster: Wasser (Wasserhaushalt, Küsten- und Meeresschutz, Fischerei), Infrastruktur (Bauwesen, Energiewirtschaft, Verkehr), Land (Boden, biologische Vielfalt, Landwirtschaft, Wald- und Forstwirtschaft), Gesundheit (menschliche Gesundheit), Wirtschaft (Industrie und Gewerbe, Finanzwirtschaft und Tourismus) und das Querschnittscluster »Raumplanung und Bevölkerungsschutz« (klimawandelgerechte Regionalplanung, Stadtumbau). Neuerdings fasst die DAS handlungsfeldübergreifende Aktivitäten wie etwa die Bereitstellung von Daten- und Informationsdiensten oder breiter wirkende Förderinstrumente im Cluster »Übergreifend« zusammen.

Jedes der Handlungsfelder wurde daraufhin untersucht, wie empfindlich es auf die Auswirkungen der Erderwärmung reagieren könnte. Erste Ergebnisse wurden im Jahr 2015 in einer auch medial beachteten »Vulnerabilitätsanalyse« zusammengefasst (UBA 2015). Diese sieht für Deutschland sechs Schwerpunkte: erstens Schäden durch ansteigende Hitzebelastung in Verdichtungsräumen, insbesondere in Ballungsgebieten in warmen Regionen, die sich in Zukunft noch ausdehnen werden. Zweitens: die Beeinträchtigung der Wassernutzungen infolge zunehmender Erwärmung und in Zukunft vermehrter Sommertrockenheit. Betroffen wären hier vor allem Regionen mit ohnehin warmem und trockenerem Klima in Ostdeutschland und das Rhein-Einzugsgebiet. Drittens: Schäden an Gebäuden und Infrastrukturen durch Starkregen und Sturzfluten in urbanen Räumen. Als räumlicher Schwerpunkt werden hier Ballungszentren im nordwestdeutschen Tiefland, im Mittelgebirge und im südwestdeutschen Raum angegeben. Viertens: Schäden an Gebäuden und Infrastrukturen durch Flussüberschwemmungen. Man vermutet, dass diese vor allem in Ballungsräumen in Flusstälern des norddeutschen Tieflands, aber auch im Einzugsgebiet des Rheins und der Donau auftreten werden. Fünftens: Schäden an Küsten infolge des Meeresspiegelanstiegs und des damit verbundenen erhöhten Seegangs sowie steigender Sturmflutgefahr. Sechstens schließlich rechnen die Forscher*innen infolge der Erwärmung damit, dass sich in den Meeren und ländlichen Räumen die Artenzusammensetzung und die natürlichen Entwicklungsphasen verändern werden.

Die Klimawirkungs- und Risikoanalyse 

Eines der dicksten Pakete der DAS ist die im letzten Jahr fertiggestellte Klimawirkungs- und Risikoanalyse (KWRA) (UBA 2021) des Bundes. Sie bestätigt die alte Vulnerabilitätsanalyse, erweitert und vertieft sie jedoch, auch weil inzwischen der 5. Sachstandsbericht des UN-Klimarates IPCC aus dem Jahr 2017 vorlag, dessen Ergebnisse eingeflossen sind. Mittlerweile liegt auch der zweite Teil des 6. Sachstandsberichts (IPCC 2022) vor, in dem es um »Auswirkungen, Anpassung und Vulnerabilität« geht und der im DAS-Prozess verarbeitet werden muss (siehe Voigt/Williams in diesem Heft).

In die Erstellung der KWRA waren aus dem Behördennetzwerk Klimawandel und Anpassung 25 Bundesoberbehörden und -institutionen aus neun Ressorts eingebunden, externes Fachwissen unterstützte den Prozess. Analysiert wurde die Gegenwart, zudem wurden zwei Zukunftsszenarien für die Mitte (2031 bis 2060) und das Ende des Jahrhunderts (2071 bis 2100) beschrieben. Geprüft hat die KWRA einmal den pessimistischen Fall eines starken Klimawandels mit einem Anstieg von 3 Grad Celsius sowie den Fall eines schwächeren Anstiegs von 2,4 Grad Celsius. Dabei wurden 100 Wirkungen des Klimawandels untersucht, bei 31 von ihnen wurde ein sehr dringender Handlungsbedarf festgestellt. 

Aus den sechs Schwerpunkten der Vulnerabilitätsanalyse wurden 31 Hotspots identifiziert. Zu ihnen gehören sehr starke Hitzebelastungen besonders in Städten, Wassermangel im Boden und häufigere Niedrigwasser mit schwerwiegenden Folgen für alle Ökosysteme, die Land- und Forstwirtschaft sowie den Warentransport. Außerdem geht es um ökonomische Schäden verursacht durch Starkregen, Sturzfluten und Hochwasser an Bauwerken, um das steigende Waldbrandrisiko sowie den durch den graduellen Temperaturanstieg verursachten Artenwandel einschließlich der Ausbreitung von Krankheitsüberträgern und Schädlingen. 

Was heißt das konkret?

Mithilfe des methodischen Know-hows der KWRA sollen nun die erwähnten Aktionspläne der DAS weiterentwickelt werden. Allein der letzte Aktionsplan der Bundesregierung aus dem Jahr 2020 beschreibt auf 80 Seiten 188 Maßnahmen und Instrumente (Bundesregierung 2020). So zum Beispiel spezielle thematische Programme, etwa zur »Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel« des Bundesbauministeriums oder das Förderprogramm »Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen« des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Bei einigen Programmen war bei Verabschiedung des Aktionsplans die Finanzierung noch offen, so etwa für den Titel »Anpassung der Informations- und Frühwarnsysteme und Ausweitung der Zielgruppe von Frühwarnsystemen«, ein Programm, das möglicherweise für die Flutkatastrophen im Ahrtal relevant gewesen wäre. Vieles soll zudem aus den laufenden Haushalten der Ressorts bezahlt werden. Wie viele Mittel zusätzlich bereitgestellt werden, ist kaum zu ermitteln. 

Ein Teil der Maßnahmen scheint auf ohnehin existierenden Programmen zu basieren, etwa beim Hochwasserschutz oder bei dem seit Jahrzehnten existierenden Bundesprogramm Biologische Vielfalt. Vieles dagegen ist tatsächlich neu, beispielsweise ein Ressortforschungsprojekt, das darauf abzielt, den Klimawandel in den Normen für das Bauwesen stärker zu berücksichtigen. Oder ein anderes, das festlegen soll, welche Bahnausweichstrecken langfristig zur Abpufferung von Extremwetterschäden benötigt werden und damit strategische Bedeutung erhalten. Zielgenauigkeit und Effizienz der Programme lassen sich jedoch bisher von außen kaum einschätzen.

Für adelphi-Geschäftsführer Kahlenborn ist der DAS-Prozess bisher vergleichsweise gut gelaufen, zumindest was die Analyse, den Aufbau des Instrumentenbaukastens und die institutionelle Einbindung angehe. »Solch ein Behördennetzwerk existiert sonst nirgendwo.« Auch die Ausstattung mit Geld und Personal sei verbessert worden, das Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung (KomPass) beim UBA beispielsweise habe inzwischen über ein Dutzend Stellen. Unter dem Eindruck der Ahrtal-Katastrophe räumt er jedoch ein: »Mit den Problemen der Regenwasserableitung bei Extremwetterlagen hätten wir uns wohl früher und eingehender beschäftigen müssen.«

Was noch fehlt 

Ein zivilgesellschaftliches Monitoring zu den Aktionsplänen und ihrer methodischen Basis wäre allerdings vonnöten, zumal die DAS nun in die Phase kommt, in der auch investive Programme konzipiert und durchgeführt werden. Bei den Umweltverbänden findet sich jedoch fast niemand, der mit der DAS zu tun hat – ein Defizit, das schnell behoben werden sollte. Zudem pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass in der Praxis vielfach fröhlich weitergebaut und versiegelt wird, als wären Klimawandel und Anpassung Lifestylethemen. Beton- und Stahlpaläste, die die Innenstädte weiter aufheizen, seelenlose Investorenarchitektur ohne Frischluftschneisen, immer mehr stillgelegte Haupt- und Ausweichstrecken bei der Bahn. Die DAS wirkt hier eher wie ein abgekoppeltes Raumschiff und nicht wie eine Umbauanleitung für mehr Resilienz.

Der DAS selbst ist das nicht unbedingt anzulasten, die KWRA etwa empfiehlt, unverzüglich mit Anpassungsmaßnahmen zu beginnen. Dazu gehört nach Meinung von UBA-Chef Dirk Messner, asphaltierte Flächen zu verkleinern oder durch wasserdurchlässige Baustoffe zu ersetzen, Freiflächen und Begrünung an Gebäuden zu schaffen sowie den Flächenverbrauch überhaupt zu reduzieren. Landschaften und Städte sollten so umgebaut werden, »dass sie sich ohne Schäden an Ökosystemen, Häusern und Infrastrukturen wie ein Schwamm mit Wasser vollsaugen und es wieder abgeben können« (UBA, 2021). 

Der Weg ist mittlerweile klar. Dennoch wird er bislang nur punktuell gegangen, denn der Aufwand ist hoch, die Widerstände und finanziellen Engpässe sind es ebenfalls. Hoch wäre aber auch – wie beim Kampf gegen die Erderwärmung – der Nutzen kluger und vorausschauender Maßnahmen. Das bestätigt eine vertiefte ökonomische Analyse der DAS, die parallel zur KWRA vom UBA in Auftrag gegeben wurde (UBA 2020). In ihr wurden die dringlichsten Maßnahmen auf ihre gesamtwirtschaftlichen Effekte sowie ökologischen und sozialen Auswirkungen hin untersucht. Der Bericht aus dem Jahr 2020 kommt zum Ergebnis, dass etwa Anpassungsmaßnahmen im Handlungsfeld Verkehr und Verkehrsinfrastruktur jährlich zu bis zu 1,4 Milliarden Euro zusätzlichem BIP und zu einem Beschäftigungszuwachs von bis zu 4 800 Beschäftigten führen könnten. Naturräumliche Maßnahmen hätten dagegen eher geringe ökonomische, dafür aber positive ökologische Effekte. Nicht nur Schäden durch den Klimawandel würden gemindert, auch Treibhausgas könnte gebunden und Biodiversität erhöht werden. 

Sehschwach auf dem sozialen Auge

Seltsamerweise wurden in dieser sozioökonomischen Analyse einige Anpassungsmaßnahmen, die enorme Folgen für die Einkommens- und Vermögensverteilung haben, nicht geprüft. So gilt die energetische Gebäudesanierung, die notwendig ist, um Häuser hitzeabweisender zu machen, als wichtigster Verdrängungsfaktor für angestammte Mieter*innen. Im Handlungsfeld Bauwesen wurde dagegen die »klimafreundliche Fassaden-, Dach- und Gebäudegestaltung« untersucht, die häufiger an adretten Neubauten mit Eigentumswohnungen zu finden ist. Der soziale Sprengstoff dürfte sich hier in Grenzen halten. 

Klar ist, Anpassung muss auch als soziales Problem verstanden werden. In Städten können die Art der Bebauung oder hohe Grünflächenanteile etwa die Hitzebelastung bei hohen Temperaturen deutlich reduzieren und damit dem gefürchteten Hitzeinseleffekt (urban heat island) entgegenwirken. Auch die Außenverschattung von Wohnungen ist effizient und vergleichsweise preiswert zu haben. Hindernisse liegen etwa im Bau-, Energieeinspar- und Wohneigentumsrecht. Hier muss Mieter- vor Eigentümerschutz und vor ästhetischer Gängelei durch Leute gehen, die große und gut isolierte Wohnungen haben. Auch die einschlägigen Regeln zum Arbeitsschutz in Bezug auf Hitze und UV-Strahlung müsen überprüft werden. Es gilt Kühlräume auszuweisen, in die Ältere und Vorbelastete an besonders heißen Tagen fliehen können. Bibliotheken kämen dafür infrage oder Kirchen, die häufig verschlossen sind. 

Der größte Teil der Anpassung, der in den nächsten Jahren zu leisten ist, ist aus den Aktionsprogrammen der DAS noch nicht abzulesen. »Jetzt geht es in die Umsetzungsphase«, so Walter Kahlenborn, dabei müssten 11 000 Gemeinden mitgenommen werden. Der Umbau ist tatsächlich überwiegend Aufgabe von Ländern und Kommunen, das Grundgesetz sieht es so vor. Dies erklärt vielleicht auch das bisherige Übergewicht von Ressortforschungsprogrammen des Bundes oder von Förderprogrammen, die häufig nur Pilotprojekte finanzieren. Der Bund kann vielfach nur begleiten und gemeinsam mit den Ländern entsprechende Instrumentarien schaffen, die später von Städten und Gemeinden genutzt werden. Dafür hat er inzwischen Institutionen wie das Zentrum KlimaAnpassung gegründet, das Kommunen und sozialen Einrichtungen den Einstieg erleichtern soll, oder das Deutsche Klimavorsorgeportal Klivo, das Daten und Informationen zum Klimawandel bündelt sowie über Dienste zur zielgerichteten Anpassung an die Klimafolgen informiert. 

Auf Bundesebene will sich die Interministerielle Arbeitsgruppe Anpassung an den Klimawandel (IMAA) künftig verstärkt mit den Anpassungskapazitäten unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen auseinandersetzen (einkommensschwache und einkommensstarke Haushalte, Gender, Alter etc.). Die DAS-Instrumente sollen gezielter am konkreten Bedarf der betroffenen Gruppen ausgerichtet werden. Damit wird relativ spät die soziale Dimension der Anpassung stärker in den Blick genommen. Schließlich sind gerade diejenigen besonders vom Klimawandel betroffen, die über wenig Ressourcen verfügen. Sie können durch falsche Priorisierungen bei der Anpassungspolitik zusätzlich unter die Räder kommen. Etwa wenn bauliche Anpassungen mit sogenannten Aufwertungen verbunden werden, was die Mieten nach oben treibt. 

Ob die DAS künftig mit dem neuen Schwerpunkt tatsächlich einen Beitrag zur Sozial- und Umweltgerechtigkeit leistet, wie auf dem Papier angekündigt, wird von der konkreten Ausgestaltung abhängen und davon, ob aus Verbänden, Bewegungen und Zivilgesellschaft der entsprechende Druck entsteht. Hier liegt ein wichtiger Ansatzpunkt für linke Klimafolgenanpassungspolitik.