Diese »Bewegung der Bewegungen«, deren sichtbarste Erscheinungen die lokalen, kontinentalen oder internationalen Sozialforen und die massenhaften Mobilisierungen gegen die Welthandelsorganisation (WTO), die jährlichen Treffen der G8 oder den imperialen Krieg im Irak sind, unterscheidet sich von gängigen Formen sozialen oder politischen Handelns. Als großes, dezentralisiertes Netzwerk ist die Bewegung vielfältig, facettenreich und heterogen. In ihr verbinden sich Gewerkschaften und Landlosenbewegungen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und indigene Gemeinschaften, Frauenbewegungen und ökologische Initiativen, ältere Intellektuelle und junge AktivistInnen (und umgekehrt). Diese Pluralität ist bei weitem keine Schwäche, sondern trägt vielmehr zur wachsenden Kraft der Bewegung bei. Die neuartigen internationalen Solidaritäten, die in diesem enormen Netzwerk wachsen, unterscheiden sich von den internationalistischen Mobilisierungen der 1960er und 1970er Jahre. Damals haben Solidaritätsnetzwerke Befreiungsbewegungen unterstützt: im globalen Süden wie die algerische, kubanische oder vietnamesische Revolution oder in Osteuropa wie die der polnischen Dissidenten oder der Revolutionäre des Prager Frühlings. In den 1980ern entwickelten sich Solidaritätsnetzwerke für die Sandinisten in Nicaragua oder die Solidarnos´c´ in Polen. Diese brüderliche und großzügige Tradition der Solidarität mit den Unterdrückten blieb auch in der in den 1990ern aufkommenden globalisierungskritischen Bewegung weiterhin ein tragendes Element, etwa in der internationalen Sympathie und Unterstützung für die Zapatisten nach den indigenen Aufständen 1994 in Chiapas (Mexiko). Doch hier zeigt sich bereits etwas Neues, ein Wechsel der Perspektive. 1996 rief die Zapatistische Befreiungsarmee ein interkontinentales Treffen – Sub-Comandante Marcos nannte es ironischerweise »intergalaktisches« Treffen – gegen Neoliberalismus und für die Menschlichkeit ein. Die mehreren tausend Teilnehmer aus über 40 Ländern waren zweifellos auch aus Solidarität mit den Zapatisten auf diesem ersten Treffen – was später als movimiento altermundialista bezeichnet werden wird. Das von den Organisatoren definierte Ziel des Intergalaktischen Treffens wies jedoch darüber hinaus: Die Suche nach Schnittmengen im gemeinsamen Kampf gegen einen gemeinsamen Feind – den Neoliberalismus – und die Diskussion möglicher Alternativen für eine menschliche Gesellschaft. Das Neue und Besondere der Solidaritäten in und um globale Widerstandsbewegungen gegen kapitalistische Globalisierung ist der Kampf für unmittelbare, allen gemeinsame Ziele – beispielsweise die Abschaffung der WTO oder die gemeinsame Suche nach neuen Paradigmen der Zivilisation. Anders gesagt: Statt einer Solidarität mit handelt es sich um Solidarität zwischen den verschiedenen Organisationen, sozialen Bewegungen und politischen Kräften weltweit, die einander helfen und in denselben Kämpfen gegen dieselben globalen Feinde zusammenwirken. Ein Beispiel ist das internationale Landlosen-Netzwerk La Via Campesina (vgl. das Interview in diesem Heft), dem so unterschiedliche Bewegungen wie die französische Bauerngewerkschaft Confédération Paysanne, die brasilianische Landlosenbewegung und einige große Bauernbewegungen in Indien angehören. Die Organisationen des Netzwerks unterstützen sich gegenseitig, tauschen ihre Erfahrungen aus und handeln zusammen gegen neoliberale Politiken und ihre gemeinsamen Gegner: die multinationalen Unternehmen des Agrobusiness, die Saatgut-Monopolisten, die Produzenten gentechnisch veränderter Organismen, die Großgrundbesitzer. Ihre Solidarität ist wechselseitig. Via Campesina gehört zu den lautstärksten und wirkmächtigsten Akteuren der globalen Bewegung gegen kapitalistische Globalisierung, ebenso wie andere Netzwerke zwischen GewerkschafterInnen, Feministinnen (Weltfrauenmarsch) oder UmweltaktivistInnen. Gewiss, der Prozess der Wiederbelebung alter Solidaritäten und die Erfindung neuer beginnt erst. Er ist fragil, begrenzt, unsicher und derzeit nicht imstande, die erdrückende Macht des globalen Kapitals und die weltweite Hegemonie des Neoliberalismus zu gefährden. Trotzdem ist eben dieser Prozess der strategische Ort, an dem der Internationalismus von morgen formuliert wird. Die Dynamik der globalisierungskritischen Bewegung speist sich aus drei sich ergänzenden Momenten: Aus der Negativität des Widerstands, den konkreten Vorschlägen und der Utopie von einer anderen Welt. Das erste Moment – Ausgangspunkt der Bewegung – ist die große Verweigerung, der Protest, das drängende Bedürfnis, gegen die existierende Ordnung der Dinge Widerstand zu leisten. Darum begründet die Bewegung für globale Gerechtigkeit tatsächlich die Internationale des Widerstands, auf die Jacques Derrida in seinem Buch Marx’ Gespenster (1996) gehofft hat. Die anfängliche Motivation der gegen die WTO in Seattle (1999) Mobilisierenden war der Wunsch, nicht die Globalisierung als solche, sondern ihre kapitalistische und wirtschaftsliberale Form zu bekämpfen: Die Globalisierung der Konzerne und die damit verbundenen Ungerechtigkeiten und Katastrophen wie die steigende Ungleichheit zwischen Nord und Süd, Arbeitslosigkeit, soziale Ausschlüsse, die Zerstörung der Umwelt, imperiale Kriege, Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Nicht umsonst ist die Bewegung für globale Gerechtigkeit mit einem Schrei geboren, ausgestoßen von den Zapatisten 1994: Ya Basta! Es reicht! Die Stärke der Bewegung kommt zunächst von ihrer radikalen Negativität, inspiriert von einer tiefen und nicht einzudämmenden Empörung. Die Würde der Empörung und die bedingungslose Ablehnung der Ungerechtigkeit feiernd, schrieb Daniel Bensaïd: »Der brennende Strom der Empörung kann nicht im lauwarmen Wasser einvernehmlicher Resignation aufgelöst werden. Empörung ist ein Anfang. Ein Weg aufzustehen und loszugehen. Menschen sind empört, sie begehren auf und sehen dann, was passiert.« (2001, 106) Die Radikalität der Bewegung speist sich zum großen Teil aus dieser Fähigkeit, aufzubegehren, und der Verweigerung, sich zu unterwerfen – sie speist sich aus dieser kompromisslosen Bereitschaft, Nein! zu sagen. Die Kritiker der Bewegung und die konformistischen Medien beharren stur auf dem allzu »negativen« Charakter der Bewegung, ihrer Natur des »bloßen Protestes«, dem Mangel »realistischer« alternativer Vorschläge. Das muss zurückgewiesen werden: Auch wenn die Bewegung keinen einzigen Vorschlag macht, ist ihr Aufbegehren vollkommen gerechtfertigt. Die Proteste gegen die WTO, die G8 oder die imperialen Kriege sind die geballten Äußerungen des Widerstandes gegen die etablierten Mächte und ihre Spielregeln. Die Bewegung ist stolz auf ihre aktive Negativität, ihren aufsässigen Charakter. Ohne diese radikale Verweigerung würde die Bewegung für globale Gerechtigkeit schlicht nicht existieren. Wem wird sich verweigert? Den internationalen Finanzinstitutionen (WTO, Weltbank, Internationaler Währungsfonds)? Oder neoliberaler Politik? Oder doch den großen multinationalen Monopolen? All diese Kräfte, die für die Verwandlung der Welt in Waren verantwortlich sind, gehören zu den beliebten Zielen, und doch ist die Bewegung radikaler. Radikal heißt – wie wir wissen – »nach den Wurzeln der Probleme suchen«. Was ist die Wurzel der totalen Herrschaft der Banken und Monopole, der Diktatur der Finanzmärkte, der imperialen Kriege, wenn nicht des kapitalistischen Systems selbst? Nun sind sicher nicht alle Teile der globalisierungskritischen Bewegung so weit, nach diesen Wurzeln zu suchen: Einige träumen immer noch von der Rückkehr zum Neo-Keynesianismus, von den »goldenen 30 Jahren« des Wachstums, von einem regulierten Kapitalismus mit menschlichem Antlitz. Diese »Gemäßigten« haben alle ihren Platz in der Bewegung, für gewöhnlich überwiegen aber radikale Ansätze. In den meisten Dokumenten der Bewegung werden nicht nur die neoliberalen und kriegerischen Politiken in Frage gestellt, sondern die Macht des Kapitals selbst. Nehmen wir beispielsweise die Grundsatzcharta des Weltsozialforums, die vom Internationalen Rat des WSF bestätigt wurde. »Das Weltsozialforum ist ein offener Treffpunkt für reflektierendes Denken, demokratische Debatte von Ideen, Formulierung von Anträgen, freien Austausch von Erfahrungen und das Verbinden für wirkungsvolle Tätigkeit, durch und von Gruppen und Bewegungen der Zivilgesellschaft, die sich dem Neoliberalismus und der Herrschaft der Welt durch das Kapital und jeder möglichen Form des Imperialismus widersetzen und sich im Aufbauen einer planetarischen Gesellschaft engagieren (…). Die auf dem Weltsozialforum vorgeschlagenen Alternativen stehen in Opposition zu einem Prozess der Globalisierung, der befohlen wird von den großen multinationalen Konzernen (…)«.2 Die Hauptparole der Bewegung »Die Welt ist keine Ware« ist nicht weit entfernt von den Ideen eines gewissen Karl Marx, der in seinen Manuskripten von 1844 das System Kapitalismus anprangert, in dem »der Arbeiter (…) eine um so wohlfeilere Ware [wird], je mehr Waren er schafft. Mit der Verwertung der Sachenwelt nimmt die Entwertung der Menschenwelt in direktem Verhältnis zu« (MEW 40, 511). Die Bewegung verweigert sich der kapitalistischen Natur der Herrschaft selbst. Entgegen den Behauptungen der Autoren und Autorinnen des Establishments mangelt es der globalisierungskritischen Bewegung nicht an konkreten, dringenden, praktischen und unmittelbar umsetzbaren Alternativvorschlägen. Ohne Zweifel haben weder ihre Akteure und Akteurinnen ein »Gemeinsames Manifest« oder Programm verabschiedet, noch haben sie ein gemeinsames Projekt durchgesetzt. Doch auf den Foren und während der Mobilisierungen kehren bestimmte Forderungen immer wieder, die von der breiten Mehrheit geteilt und von der Bewegung getragen werden: die Bekämpfung der Verschuldung von Dritte-Welt-Ländern, die Besteuerung von Finanzgeschäften, die Schließung von Steuerparadiesen, das Verbot gentechnisch veränderter Organismen, das Recht auf selbstbestimmte Ernährung, die de facto Gleichberechtigung von Männern und Frauen, der Erhalt und die Ausweitung öffentlicher Leistungen, Priorität für Gesundheit, Bildung und Kultur in Staatshaushalten, Umweltschutz. Diese Forderungen wurden von den internationalen Netzwerken der Bewegung ausgearbeitet – Weltfrauenmarsch, Attac, Focus on the Global South, Via Campesina, Committee for the Abolition of the Third World’s Debt und verschiedenen anderen sozialen Bewegungen – und sie wurden in den Foren diskutiert. Diese ermöglichen Begegnungen und wechselseitiges Wissen zwischen Feministinnen und GewerkschafterInnen, UmweltschützerInnen und MarxistInnen, Gläubigen und Nicht-Religiösen, AktivistInnen aus Nord und Süd. In diesem Prozess der Konfrontation und gegenseitigen Bereicherung verschwinden die Meinungsverschiedenheiten nicht, aber nach und nach bildet sich eine Schnittmenge gemeinsamer Forderungen und Vorschläge heraus. Sind diese Vorschläge »realistisch«? Die Frage ist falsch gestellt. In den derzeitigen Kräfteverhältnissen weigern sich die Machteliten und herrschenden Klassen, sie in Betracht zu ziehen. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes un-vorstellbar im neoliberalen pensée unique, sie sind untragbar für die Repräsentanten des Kapitals oder – in der heuchlerischen Version der Sozialliberalen – »nicht umsetzbar«. Doch es reicht schon, dass sich die Kräfteverhältnisse verschieben und die öffentliche Meinung mobilisiert wird, um die Machthabenden zum Rückzug und zu Zugeständnissen zu zwingen. Das größte Potenzial dieser Vorschläge ist, dass es möglich ist, sie auszuweiten: Jeder Teilsieg, jedes Zugeständnis erlaubt es, einen Schritt weiterzugehen, in die nächste Phase einzutreten und radikalere Forderungen zu stellen. Wir finden hier, im Gegensatz zur traditionellen Arbeiterbewegung, eine sich stets wandelnde Dynamik des Übergangs, die früher oder später zur Infragestellung des Systems selbst führen wird. Wir berühren hier das dritte, ebenso wichtige Moment: die utopische Dimension der »Bewegung der Bewegungen«. Es ist ebenfalls radikal: »Eine andere Welt ist möglich.« Das Ziel ist es nicht einfach nur, die Auswüchse der kapitalistischen, industriellen Welt und ihrer monströsen neoliberalen Methoden zu korrigieren, sondern andere Zivilisationen, andere ökonomische und soziale Paradigma, andere Formen des Zusammenlebens auf der Erde zu träumen und zu erkämpfen. Jenseits all der vielfältigen konkreten und spezifischen Vorschläge birgt die Bewegung eine ambitioniertere, »globalere« und universellere Perspektive weltweiten gesellschaftlichen Wandels. Auch hier würde man vergeblich nach einem gemeinsamen Projekt suchen, nach einem vom Konsens getragenen reformistischen oder revolutionären Programm. Die Utopia Altermundista manifestiert sich ausschließ- lich im Teilen bestimmter gemeinsamer Werte. Sie sind es, die die Umrisse dieser anderen »möglichen Welt« skizzieren. Der erste dieser Werte ist das menschliche Dasein selbst. Die Utopie der Bewegung ist entschieden humanistisch. Sie verlangt, dass die menschlichen Bedürfnisse und Sehnsüchte im Zentrum der Neuordnung von Wirtschaft und Gesellschaft stehen sollten. Ihr Aufbegehren gegen die Inwertsetzung menschlicher Beziehungen, gegen die Verwandlung von Liebe, Kultur, Leben und Gesundheit in Waren, geht von anderen Formen sozialen Lebens aus, jenseits von Verdinglichung und Fetischismus. Es ist kein Zufall, dass die Bewegung sich an alle Menschen wendet, auch wenn sie die Unterdrückten und Ausgebeuteten als die wahrscheinlicheren Akteure und Akteurinnen des sozialen Wandels sieht. Der Schutz der Umwelt wird auch vom Humanismus inspiriert: Das ökologische Gleichgewicht zu bewahren und die Natur vor den Plünderungen kapitalistischer Verwertungslogik zu schützen, ist die Voraussetzung dafür, die Möglichkeit menschlichen Lebens auf diesem Planeten sichern zu können. Ein anderer essenzieller Wert der Utopia Altermundista ist Demokratie. Die Idee partizipativer Demokratie als überlegener Form der Staatsbürgerschaft jenseits der Beschränkungen traditioneller repräsentativer Systeme – da sie es der Bevölkerung erlaubt, ihre Entscheidungsmacht und Kontrolle direkt auszuüben – nimmt einen zentralen Stellenwert in den Diskussionen der Bewegung ein. Sie hat einen »utopischen« Wert, da sie existierende Machtformen in Frage stellt, aber gleichzeitig schon in begrenzter und experimenteller Form praktiziert wird in verschiedenen Städten, allen voran natürlich Porto Alegre, dem ersten Tagungsort des Weltsozialforums. Die große Herausforderung aus der Perspektive eines alternativen Gesellschaftsprojekts ist die Ausweitung partizipativer Demokratie auf ökonomische und soziale Sphären. Warum sollte dort die exklusive Macht einer Elite geduldet werden, die in der Politik nicht zugelassen wird? Das Kapital hat die drei großen revolutionären Werte der Vergangenheit – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – durch die »moderneren« Konzepte Liberalismus, Gleichheit vor dem Markt (equity) und Wohltätigkeit ersetzt. Die Utopie der Bewegung für globale Gerechtigkeit nimmt die Werte von 1789 auf, gibt ihnen jedoch eine neue Tragweite: Freiheit ist nicht mehr nur Meinungsfreiheit, Organisationsfreiheit oder die Freiheit zu denken und zu kritisieren, die über Jahrhunderte hinweg erbittert gegen Absolutismus und Diktatur erkämpft wurde. Sondern sie wird auch als Freiheit gegenüber einer anderen Form von Absolutismus verstanden: gegenüber der Diktatur der Finanzmärkte, der Oligarchie der Bankiers und Führungsspitzen multinationaler Konzerne, die dem ganzen Planeten ihre Interessen aufzwingen. Der Wert der Gleichheit wird nicht nur angeführt angesichts der »Schere zwischen Arm und Reich«, zwischen den reichsten Eliten und den enteigneten Massen, sondern auch angesichts der Ungleichheit zwischen Nationen und Kontinenten – dem Norden und Süden – wie auch zwischen Männern und Frauen. Die Brüderlichkeit – die sich auf die Brüder (lat: fratres) zu beschränken scheint – gewinnt dadurch, dass sie durch Solidarität ersetzt wird, wie z.B. in Beziehungen der Zusammenarbeit, des Teilens und der wechselseitigen Hilfe. Der Begriff der Zivilisation der Solidarität stellt vielleicht die beste Zusammenfassung des alternativen Projekts der Bewegung dar. Dieses erfordert nicht nur radikal andere ökonomische und politische Strukturen, sondern auch eine alternative Gesellschaft, die die Ideen von Gemeinwohl, universellen Rechten und Zuwendung wertschätzt und aufzieht. Ein anderer wichtiger Wert der Bewegung für globale Gerechtigkeit ist Diversität. Die neue Welt, von der die Bewegung träumt, ist das genaue Gegenteil einer homogenen Welt, in der von allen erwartet wird, ein einziges Modell nachzuahmen. »Wir wollen«, sagten die Zapatisten, »eine Welt, in der viele Welten Platz finden können«. Die Pluralität von Sprachen, Kulturen, Musik, Wissen und Lebensweisen ist ein unschätzbarer Reichtum, den es zu kultivieren gilt. All diese Werte definieren kein Modell einer Gesellschaft der Zukunft. Sie zeigen Pfade, Öffnungen und Fenster hin zum Möglichen auf. Der Weg nach Utopia ist nicht vorgezeichnet: Es sind die Marschierenden selbst, die ihn aufzeigen werden. Für viele der Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Foren und Demonstrationen ist Sozialismus der Name dieser Utopie. Er ist eine Hoffnung, die von MarxistInnen und AnarchistInnen geteilt wird, von radikalen ChristInnen und linken UmweltschützerInnen, wie auch von einem bedeutenden Anteil der ArbeiterInnen-, BäuerInnen-, feministischen und Indigena-Bewegungen. Eine sozialistische Demokratie würde bedeuten, dass die großen sozio-ökonomischen und ökologischen Entscheidungen, die Prioritätensetzung hinsichtlich Investitionen sowie die grundsätzliche Ausrichtung von Produktion und Distribution von der Bevölkerung selbst demokratisch diskutiert und entschieden werden, statt von einer Handvoll Ausbeutern im Namen der »Gesetze des Marktes« (oder – in einer Variante, die bereits gescheitert ist – durch ein allmächtiges Politbüro). Es wäre sinnlos, der Bewegung Sozialismus als Programm aufzuzwingen, aber die Debatte um Sozialismus, die in vielen Ländern Lateinamerikas unter der Debatte »Sozialismus im 21. Jahrhundert« im Zentrum politischen Lebens steht, ist ein legitimer Teil der Debatte um alternative Projekte und Ideen. In jedem Fall wartet die Bewegung für globale Gerechtigkeit nicht auf die Ankunft dieser utopischen Zukunft, sondern handelt und kämpft, hier und jetzt. Jedes Sozialforum, jede kollektive Landbesetzung, jede international koordinierte Antikriegsaktion ist Teil der Utopia Altermundista, inspiriert von den Werten einer Zivilisation der Solidarität. Aus dem Englischen von Jana Seppelt  

LITERATUR

Bensaïd, Daniel, 2001: Les irréductibles. Théorèmes de la résistance à l’air du temps, Paris Derrida, Jacques, 1996: Marx’ Gespenster. Der Staat der Schuld, die Trauerarbeit und die neue Internationale, Frankfurt/M Marx, Karl, und Friedrich Engels: Werke (MEW), Berlin/DDR 1957ff

Anmerkungen

1 Im Englischen »Global Justice Movement«. Im Deutschen wird der Begriff meist mit globalisierungskritischer Bewegung übersetzt. Ich bevorzuge »Bewegung für globale Gerechtigkeit«, weil es auf etwas hinweist und sich nicht von etwas abgrenzt. JS 2 Aus der Charta der Prinzipien,www.weltsozialforum.org/prinzipien/index.html